– HVB-Mitglieder im Porträt – Amalthea Verlag/Wien Text: Elisabeth Stuppnig Foto: Nini Tschavoll
„Ich werde mit einem Buch nicht die Welt verändern, aber es ist wie mit der Wahl: Jede Stimme und jede Autorin zählt“
Katarzyna Lutecka M
it ruhiger und sanfter Stimme führt Katarzyna Lutecka stolz und ein klein wenig ehrfürchtig durch die Räumlichkeiten des alteingesessenen Amalthea Verlags, vorbei an goldenen Lustern und prunkvollen Anrichten. Der Festsaal, erzählt die Verlegerin, als sie die Tür zu einem dunkel vertäfelten Raum öffnet, sei die „heilige Halle“ und Herzstück des Verlags. Lutecka kennt sich aus: Mit 13 Jahren im Amalthea Verlag ist sie die dienstälteste Mitarbeiterin. In den 1860er-Jahren dienten die Räumlichkeiten nahe des Wiener Konzerthauses als Wohnräume. Erst in den 1960er-Jahren zog der Amalthea Verlag hier ein. „Die Räume sind sehr alt, wir aber sind ein junges Team“, sagt Lutecka. Sinnbildlich für die Entwicklung ist auch ihr Büro: Neben dem Biedermeierschrank steht ein Glastisch, an den
bronzefarbenen Seidentapeten hängt moderne Kunst. „Ich glaube, man muss den Spagat schaffen: Einerseits die Tradition bewahren, aber auch neue Wege gehen.“ Als Teenager träumte Lutecka davon, Balletttänzerin zu werden. Doch es kam anders: In Krakau studierte sie Germanistik, um Dolmetscherin zu werden. Dann kam sie nach Wien und bewarb sich vor 13 Jahren beim Amalthea Verlag. Zunächst Praktikantin, wechselte sie bald in die Presseabteilung. 2017 schließlich wurde ihr die Verlagsleitung übertragen. Seitdem hat sie das Programm verkleinert: Wurden früher zwanzig bis 24 Titel im Halbjahr verlegt, sind es jetzt maximal zwölf.
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Auch konzentriert sich Lutecka vermehrt auf die Programmschwerpunkte österreichische Geschichte, Humor und Biografien, etwa jene von Erni Mangold, Karl Merkatz oder Arik Brauer: „Es ist ein Privileg, dass Menschen einem so viel erzählen.“ Ein Buch, das ihr besonders in Erinnerung blieb, ist die Biografie der Schauspielerin Ursula Strauss, für das sie Fotos aus der Kindheit rausgesucht hat. „Das Manuskript war unglaublich berührend und persönlich. Als hätte Ursula nicht nur die Fotokiste aufgemacht, sondern auch sich selbst.“ Fiel es ihr eigentlich schwer, den österreichischen Traditionsverlag zu übernehmen? „Ja, ich musste schon darüber schlafen“, sagt Lutecka. „Ich glaube, als Mann wäre mir die Entscheidung leichter gefallen. Wir Frauen tendieren oft zur Zurückhaltung, wenn es darum geht, neue Aufgaben zu übernehmen.“ Deshalb ist Lutecka besonders stolz, dass sie ausschließlich Frauen im Verlag beschäftigt und auch Autorinnen fördert. „Warum müssen immer Männer über Sport schreiben?“, fragt sie und deutet auf ein Buch über Sport einer weiblichen Autorin. „Ich werde mit einem Buch nicht die Welt verändern, aber es ist wie mit der Wahl: Jede Stimme und jede Autorin zählt.“