– HVB-Mitglieder im Porträt – Hildegard Gärtner, Verlag Jungbrunnen
Foto: Christopher Mavrič
Hildegard Gärtner B
ücher für Kinder und Jugendliche müssen einfach und verständlich, dürfen aber niemals banal sein“, sagt Hildegard Gärtner. „Man muss Kinder genauso wie Erwachsene mit Respekt behandeln und ernst nehmen.“ Während sie auf dem Dach des Jungbrunnen Verlags in der Wiener Rauhensteingasse erzählt, tönen die Kirchenglocken vom Stephansdom her, der in Sichtweite liegt. „Warum sollte ein Kind mit einem schlechten Text zufrieden sein, mit holprigen Dialogen oder fehlender sprachlicher Sorgfalt?“ Bevor sie nach einem Germanistik- und Amerikanistikstudium zum Jungbrunnen Verlag kam, arbeitete Gärtner als Lektorin
„Wenn man irgendwo ansetzen möchte, um etwas in der Welt zu verändern, dann bei den Kindern“
beim Linzer Veritas Verlag, dann bei Dorner in Wien. Seit 1992 ist sie Verlagsleiterin bei Jungbrunnen. Das Zeitalter der Digitalisierung bringe Herausforderungen mit sich. Dass etwa Interaktion für viele Kinder und Jugendliche mittlerweile hauptsächlich über soziale Netzwerke erfolgt und Zeit fürs Lesen raubt, findet Gärtner problematisch. In puncto Lesekompetenz sieht sie die Verantwortung nicht nur bei den Verlagen
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oder in der Familie, sondern auch bei der Politik. Sie müsse klarmachen, dass Lesen nicht durch andere Fähigkeiten ersetzt werden könne. „Es geht darum, junge Menschen neugierig auf Bücher zu machen und ihnen die Fähigkeit zu lesen und zu denken zu vermitteln. Unabhängig von parteipolitischen, finanziellen oder persönlichen Interessen.“ Als Mitglied im Verlegervorstand des HVB vertritt Gärtner schon lange die Kinderund Jugendbuchverlage. „Das ist ein Umfeld, in dem ich mich gern einbringe.“ An die 200 Manuskripte erhält der Verlag im Jahr, nur sehr wenige davon kommen für eine Publikation in Frage. Acht bis zehn Neuerscheinungen verlegt Jungbrunnen jährlich, das übrige Programm bestreiten Nachdrucke „alter Freunde“, wie Gärtner sagt, also Klassiker etwa von Mira Lobe. Bis auf eine Lektorin, die unverlangte Manuskripte vorselektiert, lektoriert Gärtner alles selbst. Umso mehr genießt sie als „Gegenpol zur Kopfarbeit“ die Gartenarbeit auf ihrer Dachterrasse im siebten Bezirk. „Hier lebte ich schon lange, bevor der Bezirk hip war“, lacht sie. Aber auch bei ausgiebigen Wandertouren oder beim „Schwammerlsuchen“ in ihrer oberösterreichischen Heimat könne sie „den Kopf frei“ bekommen. Was ihr außerdem am Herzen liegt? Hildegard Gärtner lächelt. Ihr zweites Standbein als ausgebildeter Coach. „Menschen zu begleiten und sie in ihrer Weiterentwicklung zu unterstützen ist mir eine wichtige Sache. Das tue ich gern.“ Warum entschloss sie sich eigentlich dazu, Kinder- und Jugendliteratur zu verlegen? „Wenn man irgendwo ansetzen möchte, um etwas in der Welt zu verändern, dann bei den Kindern.“