

1. Hintergrund: EU-Verordnung für entwaldungsfreie Produkte
Die Europäische Union hat sich dazu verpflichtet, dafür zu sorgen, dass in der EU keine Produkte mehr verkauft werden, die zu Entwaldung oder Waldschädigung beitragen.
Die EU-Verordnung für entwaldungsfreie Produkte bzw. Lieferketten wird ab Ende 2024 schrittweise in Kraft treten. Ihr Ziel ist es, ein nachhaltiges und verantwortungsbewusstes Verhalten in den globalen Lieferketten zu fördern, indem der Konsum von entwaldungsfreien Produkten gefördert und die Auswirkungen der EU auf die weltweite Entwaldung und Waldschädigung reduziert werden.
Diese EU-Verordnung sieht vor, dass Unternehmen, die Kakao- und Kaffeeerzeugnisse in den europäischen Markt einführen, verarbeiten oder damit handeln, dazu verpflichtet sind, ihre Lieferketten einer vollständigen Sorgfaltspflichtprüfung zu unterziehen. Die Unternehmen müssen auch dafür sorgen, dass die entsprechenden Informationen über die Sorgfaltspflichtprüfung leicht zugänglich sind.
Warum Kaffee und Kakao? Die EU-Verordnung bezieht sich auf eine im Jahr 20201 veröffentlichte Studie, in der Forscher*innen die sieben Rohstoffe identifiziert haben, die den größten Anteil an der durch den Verbrauch in der Europäischen Union verursachten Entwaldung haben. Dazu gehören Kaffee und Kakao.
Welche Unternehmen sind von der EU-Verordnung betroffen? Die Verordnung gilt für Importeure, Exporteure, Händler und rohstoffverarbeitende Unternehmen. Die EU-Verordnung unterscheidet zwischen Marktteilnehmern, die Rohstoffe erstmals auf den EU-Markt bringen, also Importeuren, und solchen, die „nur“ mit diesen Waren handeln oder sie verarbeiten. Für letztere gelten erleichterte Sorgfaltspflichten.
EU-Verordnung für entwaldungsfreie Produkte im Detail::
Die betroffenen Unternehmen müssen den ganzen von der EU-Verordnung vorgegebenen Sorgfaltspflichtprozess durchführen, eine Sorgfaltserklärung ausarbeiten (eng. „due diligence statement“), Informationen über das jeweilige Produkt, einschließlich Geolokalisierungsdaten, sammeln und der EU zur Verfügung stellen sowie eine Risikobewertung durchführen und Maßnahmen zur Risikominderung ergreifen.
Sämtliche Informationen müssen die Unternehmen jedes Mal vorlegen, wenn sie Kakao oder Kaffee einkaufen, da nun die Anforderungen der EU-Verordnung für den Zugang zum Markt erforderlich sind – unabhängig davon, ob es sich um Fairtrade-Produkte handelt oder nicht. Die gesammelten Informationen müssen mindestens fünf Jahre lang aufbewahrt werden.
Warum werden Waldflächen abgeholzt? Ein wesentlicher Grund für die Zerstörung von Wäldern und illegale Abholzung ist die Perspektivlosigkeit, die durch eine schlechte Land- und Forstverwaltung noch verschlimmert wird. Aufgrund niedriger Preise und geringer Einkommen ist in vielen kleinbäuerlichen Gemeinschaften, die Kakao und Kaffee produzieren, Armut weit verbreitet. Dies führt dazu, dass die Menschen in den Wäldern nach Holz zum Kochen und Heizen sowie Nahrung suchen – und nach neuen landwirtschaftlichen Flächen, um ihr Einkommen zu steigern.
Und so beginnt ein Teufelskreis. Geschädigte und abgeholzte Flächen führen zu geringeren Erträgen, weil der Verlust von Waldökosystemen einen Verlust von Schatten, von Insekten, der Bodengesundheit etc. bedeutet. Diese Situation wird durch den Klimawandel noch verschärft. Die Kleinbauernfamilien sehen sich mit verkümmertem Pflanzenwachstum, erhöhtem Unkraut- und Schädlingsaufkommen, schlechterer Bodengesundheit, Überschwemmungen, erschöpften Wasserreservoirs sowie beschädigten und minderwertigen Ernten konfrontiert. Dies wiederum führt zu niedrigen Einkommen, und die Bäuerinnen und Bauern haben (fast) keine andere Wahl, als auf der Suche nach neuen landwirtschaftlich nutzbaren Flächen mehr Wald zu roden.
Geringere Einkommen können zu Problemen bei der Ernährungssicherheit führen und das Risiko für ausbeuterische Kinderarbeit erhöht sich. Die Fähigkeit der Kleinbauernfamilien, negative Umweltauswirkungen abzumildern und sich an sie anzupassen, nimmt ab.
Die Wälder unseres Planeten zu schützen bedeutet, die entscheidenden Funktionen dieser Ökosysteme für die Erhaltung des menschlichen Lebens zu bewahren – von der Kohlenstoffaufnahme bis hin zur Erhaltung der Bodengesundheit. Eine entwaldungsfreie Produktion bedeutet auch, die Ursachen für Entwaldung auf integrative Weise zu bekämpfen und nachhaltige Lebensgrundlagen, eine bessere Einkommensverteilung, soziale Gerechtigkeit sowie eine größere Widerstandsfähigkeit der Kakao- und Kaffeekooperativen zu schaffen.
Die Fairtrade-Standards ergänzen die EU-Verordnung für entwaldungsfreie Produkte. Sie fördern eine gerechtere Verteilung der Last, die mit der Einhaltung der Verordnung verbunden sind, für alle Stakeholder*innen in der Lieferkette. Darüber hinaus tragen die Fairtrade-Programme dazu bei, dass Kleinbauernfamilien die Wälder schützen und die biologische Vielfalt fördern können.
In der EU-Verordnung heißt es, dass im Rahmen des Risikobewertungsverfahrens Zertifizierungssysteme verwendet werden können. Eine Zertifizierung könne jedoch nicht „die Verantwortung des Marktteilnehmers in Bezug auf die Sorgfaltspflicht ersetzen. Zertifizierungssysteme sind als bewährte Verfahren anerkannt, die im Rahmen des Risikobewertungsverfahrens verwendet werden können.“
Fairtrade kann daher mit den Akteur*innen der Lieferkette zusammenarbeiten, um Informationen zu liefern, die zur Risikobewertung entlang der Wertschöpfungskette beitragen.
Eine nachhaltige Produktion ist jedoch nur möglich, wenn die Kleinbauernfamilien ein ausreichendes Einkommen erzielen. Denn strukturelle Armut und Entwaldung sind miteinander verbunden. Daher ist es so wichtig, dass die Fairtrade-Standards den Fairtrade-Mindestpreis beinhalten, der den Kleinbauernfamilien als lebenswichtiges Sicherheitsnetz dient, wenn die Preise für Kakao oder Kaffee fallen. Die Fairtrade-Prämie ist ein Geldbetrag, der zusätzlich zum Verkaufspreis bezahlt wird und den die Kooperativen und ihre Mitglieder in Projekte ihrer Wahl investieren. In Anbetracht der zusätzlichen Kosten für biologischen Anbau bietet Fairtrade zusätzlich einen Aufpreis für biologisch angebauten Kakao und Kaffee.
Die aktualisierten Fairtrade-Standards umfassen:
• Stichtag am 31. Dezember 2018: Kakao- und Kaffeefarmen, auf denen es nach dem 31. Dezember 2018 zu Entwaldung oder Waldschädigung gekommen ist, können nicht Fairtrade zertifiziert werden. Bereits zertifizierte Farmen dürfen betreffende Ernte nicht mehr in die EU exportieren, sollte es zu Entwaldung gekommen sein. Einzelne Kaffeefarmen können bis zum 1. Jänner 2014 überprüft werden, sollte es Hinweise auf Entwaldung geben. In der EU-Verordnung wird als Stichtag der 31. Dezember 2020 festgelegt.
Geolokalisierung ist ein technisches Verfahren, das es ermöglicht, mit Hilfe eines Smartphones oder Computers die GPS-Daten und damit die geografischen Standortinformationen einer Farm zu bestimmen.
Polygondaten
Die Position der Farm wird nicht nur mit einer GPSMarkierung, sondern mit mehreren Markierungen entlang der Grundstücksgrenze der Farm genau vermessen.
Kaffee-Standard im Detail
• Keine Vermischung von Fairtrade-Rohstoffe mit Nicht-FairtradeRohstoffen: Die Fairtrade-Standards verlangen, dass Kleinbauernkooperativen zertifizierten und nicht zertifizierten Kaffee und Kakao trennen und nicht vermischen. Damit soll die Rückverfolgbarkeit von der Farm über die Kooperative bis zum Exporthafen gewährleistet werden.
Der Mengenausgleich von Kakao ist weiterhin möglich, wenn die Geolokalisierungsdaten aller Farmen der Kooperative einzeln vorliegen. Im aktualisierten Kakaostandard werden Kooperativen bei der Erfüllung der Anforderungen unterstützt.
• Fairtrade-Kooperativen verfügen über die geografischen Daten der eigenen Farmen und können sie mit Import- sowie Exportunternehmen teilen. Die EU-Verordnung für entwaldungsfreie Produkte macht die Angabe der geografischen Daten von Farmen zu einer Voraussetzung für den Marktzugang. Die Geolokalisierung erfolgt über GPS-Daten und für Farmen mit einer Fläche von vier oder mehr Hektar sind auch Polygondaten vorgeschrieben.
Die Fairtrade-Standards für Fairtrade-Kleinbauernkooperativen wurden dahingehend aktualisiert, dass die Kooperativen über die für den Marktzugang relevanten Geolokalisierungsdaten verfügen und diese auch besitzen sollen, einschließlich der von der Verordnung verlangten Polygondaten.
Der aktualisierte Kaffee-Standard:
Der aktualisierte Standard für Kaffee tritt 2026 in Kraft, was Produzent*innen und Händlern eine Übergangsfrist einräumt, um ihren Anbau anzupassen und die Einhaltung zu gewährleisten. Mit der Aktualisierung des Kaffee-Standards erhalten mehr als 600 FAIRTRADE-Kaffeekooperativen weltweit Leitlinien und Werkzeuge, um die EU-Entwaldungsverordnung zu erfüllen und weiterhin Zugang zum wichtigen EU-Markt zu haben.
Bis Ende 2025 sollen die Gelokalisierungsdaten von allen Fairtrade-Kaffeefarmen erfasst werden.
4. Unterstützung der Fairtrade-Kooperativen
Der aktualisierte Kakao-Standard:
90% der Fairtrade zertifizierten Kakaoexporte gehen in die EU. Daher ist der aktualisierte Kakao-Standard bereits 2023 in Kraft getreten und wird umgesetzt, wobei es für einzelne Kriterien Übergangsfristen gibt. Schwerpunkte des neuen Standards sind die Verhinderung von ausbeuterischer Kinderarbeit, die Stärkung des Schutzes vor Entwaldung und die Verbesserung der Rückverfolgbarkeit der Lieferketten.
Bis Ende 2024 sollen alle Fairtrade-Kakaofarmen in Afrika, Asien und im Pazifikraum und bis Ende 2025 alle Fairtrade-Kakaofarmen in Lateinamerika erfasst werden.
Zugang zu Satellitendaten zur Erfüllung der EU-Verordnung
Für manche Kleinbauernkooperativen, die zum Teil nicht über Computer verfügen, stellen die Anforderungen der EU-Verordnung eine große Herausforderung dar. Laut EU-Verordnung müssen alle Farmen nachweisen können, dass sie nach dem Stichtag 31. Dezember 2020 keinen Wald mehr gerodet haben.
Um sie dabei zu unterstützen, ist Fairtrade International 2023 eine Partnerschaft mit dem Unternehmen Satelligence eingegangen, um die satellitengestützte Überwachung von Waldgebieten und Farmen für alle zertifizierten Kakao- und Kaffeeproduzentenorganisationen weltweit zu ermöglichen.
Die Satellitendaten sind notwendig, damit die Kooperativen weiterhin Kakao und Kaffee nach Europa exportieren können. Die Daten ermöglichen einen Vergleich der Waldbestände nach dem Stichtag. In den Fairtrade-Standards für Kakao und Kaffee ist der Stichtag der 31. Dezember 2018. Die unabhängige Organisation FLOCERT überprüft regelmäßig die Einhaltung der Standards.
Bis 2026 werden immer mehr Kooperativen die Satellitendaten erhalten und damit nachweisen können, dass keine Entwaldung stattgefunden hat. Diesen Nachweis der Kooperativen, dass ihre Rohstoffe „entwaldungsfrei“ sind, benötigen die Importeure, um sie auf den europäischen Markt einführen zu dürfen.
Für die Einfuhr prüft die nationale Behörde die Ware und alle Informationen einschließlich der Nachweise der Kooperativen. Danach erhält der Importeur eine Referenznummer für die Ware von der EU. Nachgelagerte Unternehmen können sich bei der Weiterverarbeitung der Rohstoffe auf diese Referenznummer beziehen.
Die Erfahrung zeigt, dass die Fairtrade-Kleinbauernfamilien sich des Wertes der Wälder für sich selbst und für die ganze Welt bewusst sind. Allerdings erhöht, wie bereits erwähnt, Armut die Risiken für Entwaldung. Deshalb unterstützt Fairtrade die Kleinbauernfamilien beim Schutz der Wälder:
• Die Fairtrade-Standards bieten den Kleinbauernfamilien einen Rahmen, um die Risiken der Entwaldung zu verstehen und sie zu verhindern.
• Fairtrade kombiniert seine Standards mit Programmen, die mit Kleinbauernfamilien arbeiten. Dazu gehört die Zusammenarbeit mit den Kooperativen bei der Bewertung und Überwachung des Risikos für Entwaldung und Waldschädigung in Primär- oder Sekundärwäldern, Naturschutzgebieten und Gebieten mit hohem Schutz- oder Erhaltungswert, wenn sie ihre Risikobeurteilung durchführen.
• Fairtrade arbeitet mit Kleinbauernkooperativen zusammen, um Pläne zur Verhinderung und Eindämmung von Entwaldung zu erstellen.
• Fairtrade bietet den Kooperativen Schulungen und Weiterbildungen an, um die Anforderungen der EU-Verordnung zu erfüllen.
• Die Fairtrade-Partnerschaft mit Satelligence bietet Kleinbauernkooperativen vergleichende Satellitenbilder ihrer Farmen, die sie für die Erfüllung der EU-Verordnung benötigen.
© Fairtrade/ Sean HawkeyFairtrade begrüßt die EU-Verordnung als wichtigen Schritt, um Wälder weltweit zu schützen und Umweltschutz zu einem Wettbewerbsvorteil für Unternehmen zu machen.
Die EU-Verordnung zu entwaldungsfreien Produkten ist im Juni 2023 in Kraft getreten, die Übergangsfrist für große Unternehmen endet im Dezember 2024, für kleine und mittlere Unternehmen im Juni 2024. Ab diesem Zeitpunkt müssen Unternehmen nachweisen, dass für die Herstellung von kaffee- oder kakaohaltigen Produkten nach dem Stichtag 31.12.2020 keine Wälder geschädigt oder abgeholzt wurden. Nur dann dürfen diese Produkte in die EU importiert oder exportiert werden.
Die Fairtrade-Standards sind das Regelwerk, das alle Akteur*innen entlang der Wertschöpfungskette einhalten müssen und umfassen soziale, ökologische und ökonomische Kriterien. Aufgrund der EU-Verordnung haben wir die Standards für Fairtrade-Kakao und -Kaffee überarbeitet und den Stichtag auf den 31.12.2018 festgelegt.
Die EU-Verordnung verlangt Geolokalisierungsdaten und Satellitenbilder, um nachzuweisen, dass der Wald rund um die Anbauflächen nach dem Stichtag nicht geschädigt oder abgeholzt wurde. Fairtrade unterstützt die Kooperativen bei der Erfassung und Verwaltung dieser Daten. Zusätzlich gibt es Fairtrade-Programme, um die Kooperativen diesbezüglich zu schulen.
riskmap.fairtrade.net
Da strukturelle Armut die Hauptursache für Entwaldung bei Kaffee- und Kakaobäuer*innen ist, unterstützt Fairtrade seit Jahrzehnten Kleinbauernkooperativen durch den Fairtrade-Mindestpreis und die FairtradePrämie bei dem Schutz der Wälder.
Durch die Aktualisierung der Standards, erfüllt Fairtrade-zertifizierter Kaffee und -Kakao grundsätzlich die Anforderungen der EU-Verordnung. Die Verantwortung für entwaldungsfreie Lieferketten liegt bei den Unternehmen selbst und Fairtrade unterstützt sie bei der Einschätzung der Risiken entlang der Lieferkette, etwa durch die Fairtrade Risk Map.
Fairtrade kann Unternehmen bei der Erfüllung der Sorgfaltspflichten unterstützen, diese aber nicht ersetzen und keine Gewährleistung übernehmen.