Pizza bleibt pizza

Page 1

Pizza bleibt Pizza Fabrizia Morandi Ein seltsames Objekt, flach und rund, kreist durch das Universum. Der größte Teil dieser Scheibe wird von einem Stiefel belegt, auf dem die Lage Roms durch eine dicke Olive dargestellt wird. Diese kosmische Pizza ist die Darstellung der Welt nach Asterix dem Gallier. Hier in Deutschland, wo unzählige Pizzas den Horizont des Marktangebotes verdunkeln, gibt es noch den ein oder anderen alten Einwohner, der sich an "seine erste Pizza" erinnert, die er Mitte der 60er Jahre als Tourist in Italien gegessen hat. Die Erinnerung schmerzt um so mehr, als sie unauflöslich verbunden ist mit ihrer Umgebung: der Piazza, diesen Säulengängen, in die man vom Sog einer unverständlichen Sprache unweigerlich hineingezogen wurde, diesem unvergleichlichen Pizzageruch morgens um halb acht, dem Geruch der „echten“ Pizza vom Bäcker. Mit einem derart ins Gehirn eingebrannten Geruchseindruck, dieser Art Flagge der nationalen Einheit, mit der man sich sein ganzes Leben lang glücklich wähnen kann, wie Goethe nach seinem Aufenthalt in Neapel erklärte, ist es schwierig, die Abgründe der Sehnsucht zu überwinden. Die Deutschen versuchen es trotzdem, sei es aus gewissenhafter Sturheit, oder weil sie durch das schlechte Wetter an Leiden gewöhnt sind. Vor kurzem wurde in einer Berliner Tageszeitung eine detaillierte Recherche passionierter deutscher Ex-Touristen zu den am Markt erhältlichen Zutaten für die zu Hause zubereitete Pizza veröffentlicht. Ergebnis des Tests war, daß Mehl aus der Packung von Dr. Oetker aufgrund des ausgeprägten Margarinegeschmacks nicht empfehlenswert ist, daß der Fertigteig aus dem Hause Diamant mehr für Kuchen geeignet, die Teige von Nestlé und Buitoni trotz Zugaben von Wasser und Öl je nach Geschmack des Verbrauchers verdächtig weich waren, zu schnell gingen, und so weiter. Zum Schluß wurden Adressen von italienischen Geschäften genannt, in denen Büffelmozzarella oder auch Pizzateig zu einem erschwinglichen Preis erhältlich sind. Die ewige Suche nach dem Vorbild stand immer im Vordergrund. Pizza ist ein Mythos, und Mythos ist ein Begriff, um den sich ein Kommunikationssystem aufbaut. Müßte man sie nicht essen, könnte auch die landläufige Ästhetik genügen, wie sie uns das Global Village hierfür anbietet. An sich dient die Pizza lediglich als Palette für den Maler, als Leinwand, als eine Oberfläche für die Reflektion von Jahreszeiten, Breitengraden und Kulturen; es bleibt der kreativen Phantasie des Bäckers überlassen, sich einen Namen für dieses Gebilde auszudenken, auf das die verschiedensten Zutaten gelegt werden, die variabel sind in Form, Dimension und Preis.


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.