med+

Page 4

Geburt/Frühchen

Titelthema

Zwei kleine Wunder Die Schwangerschaft mit ihren Zwillingen, eine eigentlich wunderschöne Zeit, wurde für Nicole und Daniel Fan zum Albtraum. Dass es ein Happy End gibt, verdankt die Familie dem Team des Perinatalzentrums.

W

enn Sophia schläft, warm eingewickelt in ihre rosafarbene Vliesdecke, dann sieht sie aus wie ein ganz normales, wunderschönes Baby. Die winzigen Fäuste sind fest zusammengeballt, der kleine Mund steht entspannt offen und die Haut ihrer Lider ist so zart, dass man die feinen Adern darunter schimmern sieht. Wer allerdings die Decke zur Seite zieht, der sieht noch etwas anderes: Allerhand Schläuche zeigen, dass Sophia doch kein ganz normales Baby ist. Zehn Wochen zu früh kamen sie und ihr Zwillingsbruder Gabrijel auf die Welt. Zu diesem Zeitpunkt lagen hinter den Eltern Nicole und Daniel Fan bereits Monate voller Ängste und Zweifel. „Wir wussten lange nicht, ob unsere Babys überhaupt überleben und, wenn ja, ob sie gesund sein würden“, sagt Mama Nicole und streicht sanft über Sophias Köpfchen. Massive Komplikationen hatten dazu geführt, dass Nicole Fan bereits ab der 23. Schwangerschaftswoche stationär aufgenommen werden musste. Sie litt unter schwerem Schwangerschaftsdiabetes und hohem Blutdruck, gerade bildete sich eine Schwangerschaftsvergiftung, zudem war ihr Muttermund verkürzt – Faktoren, die das Risiko einer Frühgeburt und die Gefahr für das Wohl von Mutter und Kindern stark erhöhten. Und Faktoren, die ein Perinatalzentrum wie das im Evangelischen Krankenhaus Bielefeld notwendig machen: Interdisziplinär kooperieren hier die Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, die Neonatologie, also die NeugeborenenIntensivmedizin, und die Kinderchirurgie. Wie wichtig solche Zentren sind, zeigt der Fall der Familie Fan, bei der alle Zahnräder der Einrichtung ineinandergreifen mussten: Vor der Geburt wurde Mama Nicole in der Gynäkologie versorgt, wo das Team der Geburtshilfe und Perinatalmedizin den Zustand der Schwangeren stabilisierte, versuchte, die Geburt der Zwillinge hinauszuzögern, und gleichzeitig die Lungenreifung der Babys im Mutterleib beschleunigte. „Wir hatten zunächst damit gerechnet, dass wir die Kinder in den ersten sieben Tagen holen müssen“, so Dr. Peter Kollertz, Oberarzt in der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe im Ev. Krankenhaus Bielefeld. Doch es gelang Mama Nicole, ihre Frühchen bis zur 29. Woche bei sich zu behalten. Von da an drehte sich das nächste Rädchen im großen Getriebe mit: Während die Mutter nach dem Kaiserschnitt im OP versorgt wurde, kümmerte sich das Team der Frühchen-Intensivstation eine Tür weiter bereits um die beiden Neuankömmlinge. Hauptanliegen der Ärzte, unter ihnen Dr. Ursula Weller: die Atmung der Zwillinge und die Stabili-

4 | EvKBMAGAZIN

sierung der Körpertemperatur. Dank der vorgeburtlichen Versorgung lagen plötzlich zwei winzige, aber selbständig atmende Babys in den Inkubatoren. „Die waren kaum größer als mein Handteller“, sagt Papa Daniel und schüttelt bei der Erinnerung ungläubig den Kopf. Das Anfangsgewicht der Winzlinge: 1.085 und 1.090 Gramm. Doch leider konnten die Eltern immer noch nicht aufatmen. Schnell wurde klar, dass sich bei Sophia kein natürlicher Darmausgang gebildet hatte. Das nächste Zahnrad des großen Getriebes Perinatalzentrum kam zum Einsatz. Und so musste Kinderchirurg Patrick Saalabian dem winzigen Wesen nur fünf Tage nach seiner Geburt einen künstlichen Darmausgang legen, ein Eingriff, den die Kleine gut überstand. Mehrere Monate Bangen

und Verzweifeln liegen hinter den Fans. Eine harte Zeit, durch die ihnen Familie und Freunde geholfen haben - und eine kompetente Versorgung durch ein medizinisches Team, in dem jeder weiß, was der andere tut. „Wir haben uns hier in jeder Hinsicht so unterstützt gefühlt, wie wir es uns nur wünschen konnten“, sagt Nicole Fan. Auf ihrem Schoß schlafen die Zwillinge, zarte, aber kompakte, normalgewichtige Babys, die nicht wissen, dass in den nächsten Tagen zwei besondere Ereignisse bevorstehen: Am Sonntag, fast drei Monate nach dem Kaiserschnitt, ist der Termin, an dem sie eigentlich auf die Welt gekommen wären. Und am Dienstag wird die Familie Fan nach Hause gehen - das erste Mal in kompletter Besetzung. » www.evkb.de/perinatalzentrum

Kompetentes Team

Dr. Peter Kollertz

Der Mediziner ist seit 1998 Oberarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe in Bethel. Er wurde 1963 in Krefeld geboren und studierte von 1984 bis 1990 an der Universität Münster. Nach der Ausbildung zum Facharzt spezialisierte er sich auf spezielle Geburtshilfe und ist von der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin in Stufe 2 für pränatale Ultraschalldiagnostik anerkannt.

Dr. Ursula Weller

Dr. Ursula Weller studierte in Leuven/Belgien und Düsseldorf Medizin. Die Ärztin für Kinder- und Jugendmedizin und Fachärztin für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin arbeitet seit 1989 im EvKB, zunächst als Assistenzärztin und seit 2004 als Oberärztin.

Patrick Saalabian

Der Leitende Oberarzt der Kinderchirurgie arbeitet seit 2002 im Evangelischen Krankenhaus Bielefeld. Geboren 1970, studierte er von 1993 bis 2000 in Frankfurt am Main und kam danach als Assistenzarzt nach Bielefeld. 2008 machte er seinen Facharzt für Kinderchirurgie, wurde im gleichen Jahr Oberarzt und 2012 zum Leitenden Oberarzt erklärt.


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.
med+ by Evangelisches Klinikum Bethel (EvKB) - Issuu