Fabian Biasio

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Spurensuche in Ex-Jugoslawien

Projekt Spurensuche in Ex-Jugoslawien

von Fabian Biasio

Inhaltsverzeichnis

Seite 2-3 Inhaltsverzeichnis

Gegen das Vergessen: Ziele und Wirkung

Seite 4-5

Die Menschen – eine Auswahl der Portraits

Seite 6-7

Die Webseite www.zwanzigjahre.ch

Seite 8-9

Die Plakat-Aktion – Ausstellung in Schweizer Städten auf Plakatwänden

Seite 10-11

Das Exposée zur Spurensuche

Seite 12-17

Recherchebericht: Vierzehntausend Kilometer in drei Monaten

Seite 18-19

Budget und Finanzierungsplan

Seite 20-25

Presseberichte über frühere Projekte

Seite 26

Autorenbiografie

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Ziele und Wirkung Gegen das Vergessen Die Kriege in Ex-Jugoslawien von 1991 bis 2001 forderten rund 120 000 Tote, über 30 000 Menschen werden gemäss IKRK noch vermisst. Von diesen Kriegen erzählen immer noch die von Kugeln pockennarbig geschossenen Häuserfassaden, die unzähligen Minenwarnschilder, die übermalten Ortstafeln oder die Grabfelder. Doch die Spuren des Krieges sind vor allem in den Lebenden zu finden, so sehr sich einige bemühen zu vergessen. Im Frühjahr 2010 begab ich mich mit meiner Familie auf eine Spurensuche durch die Länder des ehemaligen Jugoslawiens. Ich portraitierte fünfundzwanzig Familien oder Einzelpersonen. Alle erlebten mit den Ereignissen, die vor bald zwanzig Jahren über ihr Leben hereinbrachen, dramatische Änderungen und Einschnitte. In über fünfzig Interviews erfuhren wir Grauenvolles und Heiteres, Polemisches oder Umsichtiges. Das Projekt «Spurensuche in Ex-Jugoslawien» ist ein unabhängiges Multimediaprojekt gegen das Vergessen. Die Breitenwirkung ist durch (Um-)Nutzung von APGWerbeflächen und Internettechnologie maximal. Die Schweizer Städte sind ein Ballungsraum der Kulturen. Hier soll im Juni 2011, exakt zwanzig Jahre nach Beginn des blutigen Bürgerkrieges in Jugoslawien, eine Ausstellung auf Plakatwänden stattfinden. Erinnern, nachdenken und konfrontieren: Für die Schweizerinnen und Schweizer, die sich ihre Mitbürger aus dem Balkan nicht ausgesucht haben, ist das Projekt eine Einladung, ihr «Jugoslawenbild» zu hinterfragen und allenfalls zu revidieren. Knapp ein Fünftel der ausländischen Wohnbevölkerung in der Schweiz stammt aus ExJugoslawien. Die Menschen aus dem Balkan in der Schweiz werden daran erinnert, dass uns ihr Schicksal, sowohl als Täter als auch als Opfer, nicht gleichgültig ist.

Ptuj, Slowenien 8. März 2010 2

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Die Menschen

Hatidža Mehmedović, Srebrenica (Bosnien-Herzegowina)

Vincenc Čerič, Heidrun Quentenmeier, Čatež (Slowenien)

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Vladimir und Vlastimir Usorac, Sibovska (Bosnien-Herzegowina, Republika Srpska)

Meliha Kulukčija, Miro Muzafer-Kulukčija, Mostar (Bosnien-Herzegowina)

Davor Miličević, Županja (Kroatien)

Familie Petreski, Prilep (Mazedonien)

Familie Djordević, Pirot (Serbien)

Fitore Haziri, Priština (Kosovo)

Familie Radonić, Herceg Novi (Montenegro) 5


Die Webseite

www.zwanzigjahre.ch – online ab Oktober 2010 Webdesign: publisheria / www.publisheria.ch

Auf zwanzigjahre.ch können die User auf eigene Faust auf Balkan-Entdeckungsreise gehen. Als roter Faden dient die Menschenkette durch den Balkan. Die Portraits sind ergänzt durch Videobilder und Gespräche mit den Menschen. Reportage- und Landschaftsbilder erzeugen Balkan-Stimmung, Zahlen und Fakten ermöglichen eine vertiefte Auseinandersetzung mit den Geschehnissen der Neunzigerjahre.

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Die Plakat-Aktion

Die Fotoausstellung auf Plakatwänden Eine Fotoausstellung in Schweizer Städten – auf rund zehn APG-Plakatwänden, je sieben Quadratmeter gross. Als Auftakt könnte an jeder Plakatwand während einer Woche eine alte Karte von Jugoslawien hängen. Dann wird gewechselt und wir bekommen Einblick in ein Wohnzimmer irgendwo in Ex-Jugoslawien: eine Familie, ganz privat – das bewährte Erfolgsrezept der Zeitschriften Schweizer Illustrierte und Schweizer Familie. Diese Familienportraits geben einen intimen Einblick in eine fremde Gesellschaft und erzählen ein persönliches Schicksal. Ergänzt werden die zur Ausstellung ausgewählten Portraits durch eine prägnante Aussage eines Familienmitglieds.

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Das Exposée Realisation Frühling 2010 mit dem Pfeifermobil (3 Monate).

Die Suche nach Spuren des Krieges im ehemaligen Jugoslawien in den Menschen der ersten, zweiten und dritten Generation. Welche Perspektiven haben die Völker des Balkans? Welche Chancen, den Hass zu überwinden, den Tätern zu vergeben? Als Kind waren für mich Kriege ganz weit weg – in Afrika, zwischen Iran-Irak, in Afghanistan, im Libanon. Noch abstrakter war für mich die diffuse Bedrohung des Kalten Krieges mit seinen eingebunkerten Atomraketen und den Bombenkoffern, die ich stets an den Handgelenken des amerikanischen und russischen Präsidenten angekettet glaubte. Doch der Krieg in Jugoslawien war der Krieg meiner Generation. Als 16-Jähriger wurde mir plötzlich bewusst, wie beweglich und fragil die Weltpolitik war. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und einem unbeschwerten Familienurlaub mit Wohnmobil im Jahr 1990 an Kroatiens Küsten war es für mich ebenso verstörend wie faszinierend, wie sich der Hass in einem europäischen Land entlud und schreckliche Bilder aus meiner letzten Urlaubsdestination über die Röhrenfernseher flimmerten. Anfang 1991 riefen Kosovo-Albaner die unabhängige «Republik Kosova» aus, die ausser von Albanien von keinem anderen Land der Welt anerkannt wurde. Fast zeitgleich proklamierten in Knin serbische Nationalisten die «Serbische Provinz Krajina». Kroatische Familien wurden vertrieben. Im März gab es bei Auseinandersetzung zwischen den Volksgruppen erste Verletzte. 10

Der Wille zum Bruch mit Belgrad erfasste die Völker des Balkans wie im Rausch. Am 26. Juni 1991 griff die Jugoslawische Volksarmee JNA in Slowenien ein, um dessen Streben nach Unabhängigkeit zu verhindern. Der Flughafen Ljubljana wurde von Mig-Jagdflugzeugen beschossen. Der Krieg verlagerte sich trotz Waffenembargos der EG nach Kroatien und eskalierte. Heute, zwanzig Jahre nach dem Beginn der jugoslawischen Staatskrise 1990, die mit Massenhinrichtungen aller Buben und Männer in Srebrenica, Vergewaltigungen, unsäglichem Leiden in den eingekesselten Städten Mostar und Sarajevo endete, ist im Balkan wieder brüchiger Friede eingekehrt. Geplant war, mit meiner Frau, der Journalistin Andrea Strässle, im Frühjahr 2010 mit unserem eineinhalbjährigen Sohn durch die Staaten des Balkans zu reisen. Wir wollten Portraits von Menschen entlang der früheren Frontlinien, auf einer Route

vom Norden in den Süden, realisieren. In Zagreb, wo die Häuser und Hotels der Stadt während Jahren durch kroatische Flüchtlinge aus der Krajina bevölkert waren. In Mostar und Sarajevo, die ich als junger Fotoreporter im Jahr 1995 besucht habe und wo ich erstmals direkt mit dem Leid des Krieges konfrontiert wurde. In Belgrad, wo im Jahr 1999 amerikanische Bomben fielen und Jahre später der jugoslawische Präsident Milošević aus dem Regierungspalast vertrieben wurde. Und im Kosovo, den ich seit Juni 1999 regelmässig bereise und wo ich ein Langzeitprojekt über die damals dreizehn Jahre alte Vlora Shabani realisierte, die bei einem Massaker ihre Familie verloren hat. Die Reportage «Mein Hass ist ewig», geschrieben von meiner Frau über die inzwischen 20-jährige Vlora erschien im SonntagsBlick-Magazin über sechs Seiten.

Perspektiven haben die Völker des Balkans? Wir suchten nicht nach der Wahrheit. Diese ist schon lange gestorben in diesem blutigen Krieg. Doch das direkte Gespräch mit den Menschen in Slowenien, Kroatien, Bosnien, Serbien und dem Kosovo schien uns eine ehrliche Bestandesaufnahme in einer Zeit, in der die Kinder der Direktbetroffenen des Kriegs diesen bereits nur noch aus der Erzählung ihrer Eltern kennen. Fabian Biasio, Herbst 2009

Wir machten uns auf die Suche nach Spuren des Krieges in den Menschen. Welche

Sevojno, Serbien 28. März 2010 11


Die Recherche Im Pfeifermobil durch den Balkan Das Konzept schien einfach: eine fotografische Menschenkette durch die Länder des ehemaligen Jugoslawiens. Jedes Portrait führt zum nächsten Kontakt – beginnend in Glattbrugg (ZH) bei der Familie eines langjährigen Freundes, der aus dem Kosovo stammt. Schwierigkeiten, so glaubte ich, erwarteten uns höchstens an den Bruchstellen des einstigen Vielvölkerstaates — zwischen den einzelnen Volksgruppen, deren gegenseitiger Hass vor weniger als einer Generation explodierte wie ein Feuer in einem Pinienwald. Doch schon die erste Adresse in Kroatien war ein Misserfolg: Der Folgekontakt meines kosovarischen Freundes scheiterte noch vor unserer Abreise am «Misstrauen gegenüber Journalisten aus dem Westen». Mein Pfeifer-Stipendium war als Familienreise angelegt. Mit meiner Frau und unserem 15 Monate alten Sohn begab ich mich im März 2010 auf die Suche nach Spuren des Krieges im ehemaligen Jugoslawien. Dass diese Konstellation auch Risiken und Nachteile barg, war uns klar. Meistens erwies sie sich jedoch als Glücksfall. Unser Sohn zeigte sich da und dort als eigentlicher Türöffner. Die Türe zu unserer geplanten Menschenkette war jedoch mit dem «ne» aus Zagreb vorerst zu. Wir schlugen bei klirrender Kälte auf dem Campingplatz des Kurorts Čatež, eine Stunde von Zagreb entfernt, unser Lager auf. Slowenien war auch die erste Destination des Bürgerkrieges: 1991 bombardierte die serbische Luftwaffe den Flughafen von Ljubljana, zwei Journalisten starben beim Luftangriff. 12

Ich beschloss mangels Alternativen, die geplante Menschenkette einfach mit unserem Campingnachbarn Vincenc zu eröffnen: ein Slowene, der mit seiner deutschen Lebenspartnerin und einem bulligen «Quad», einem vierrädrigen Motorradungeheuer, Urlaub machte. Der anfänglichen Zitterpartie folgte die fotografische Routine und verlieh der Familienfahrt ins Nirgendwo endlich eine professionelle Struktur. Als Fotoreporter scheint mir das vertraut und symptomatisch: Die ersehnte Situation, mit grösster Anstrengung oder durch gnädiges Berufsglück herbeigeführt, wird zum Routinegeschäft; der Aufnahmewinkel wird festgelegt, die Blitzanlage aufgebaut, Licht gemessen und abgedrückt. Zwanzig Jahre nach Beginn der blutigsten Auseinandersetzungen in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg – die letzten Schüsse fielen in Mazedonien im Jahr 2001 – scheint der Krieg für die Menschen im Balkan ganz

weit weg. Oder, wie es Amela Sarić, Direktorin am Pavarotti Music Center im bosnischen Mostar ausdrückt: «Schon Tausende aus dem Westen waren hier und fragten uns immer nur nach dem einen: Wie kam es, dass ihr euch gegenseitig massakriert habt? Wir haben diese Fragen nach dem Krieg satt.» Auch ich gehöre zu diesen Leuten, die solche Fragen stellen wollen. Ich habe sie schon 1995 gestellt, auf meiner ersten Reise nach Bosnien, und auch 1999, im Kosovo. Doch damals waren die Menschen froh, das Unfassbare loszuwerden, die persönlichen Schrecken auf Band zu bannen. Die ersten Monate nach einem Krieg sind für die Reporter am schönsten. Inmitten der Zerstörung und Trauer fassen sich die Menschen und schöpfen Atem. Der Wiederaufbau erfordert Solidarität und Hilfsbereitschaft, die auch dem Besucher reichlich entgegengebracht werden.

Doch nun steht Kroatien vor der Tür der Europäischen Union, Slowenien ist bereits Mitglied im begehrten Club. Der Krieg erscheint wie ein fernes Rauschen. Das Donnern der serbischen MiG-29-Jagdflugzeuge über Zagreb ist längst verhallt, etwas träger verblassen die unangenehmen Erinnerungen: Besser nicht darüber sprechen. Schon gar nicht über die Verbrechen der eigenen «Kriegshelden», die sich heute – wie der kroatische General Ante Gotovina – vor dem Menschenrechtsgerichtshof, dessen längst alle überdrüssig geworden sind, in Den Haag zu verantworten haben. Nach dem ersten Portrait fuhren wir in den Norden von Slowenien, in ein Bergdorf an der Grenze zu Österreich. Hier begrüsste uns Vincencs Bruder Martin und erzählte Schmugglergeschichten aus dem Krieg von 1991. Grosszügig wurden wir zum Mittagessen eingeladen, Fleisch mit Suppe. Das gab uns die nötige Zuversicht für die Weiterreise.

Orahovica, Kroatien 28. März 2010 13


Martins Familie schlug als Folgekontakt zwei Möglichkeiten vor: ein Geschäftspartner von Martin in Zentralbosnien oder Anton, ein Slowene, der sich sein Rentnerdasein an der kroatischen Küste eingerichtet hat. Unsere Wahl fiel auf den Geschäftspartner in Bosnien.

professorin aus Mostar, die uns schliesslich mit dem Schwiegervater ihres Sohnes verband, einem landesweit bekannten TVJournalisten. Von dort ging die Reise nach Srebrenica: Hatidža Mehmedović, Präsidentin der Organisation «Mütter von Srebrenica», verlor beim Genozid im Juli 1995 beide Söhne und ihren Mann.

Schneetreiben und vereiste Strassen erwarteten uns an der Grenze. Trotz seiner telefonischen Zustimmung wollte der Geschäftspartner nach unserer Ankunft nichts mehr vom Projekt wissen. Die plötzliche und schroffe Absage scheint eine kulturelle Eigenart des Balkans zu sein, die uns das Leben noch schwer machen sollte: Man will niemanden brüskieren und sagt erst einmal lachend zu. Später, völlig überrascht angesichts der nicht im Entferntesten erwarteten Anreise, wird erschrocken der Rückzug angetreten.

Auf Srebrenica folgten Sarajevo, Banja Luka und ein Bauerndorf im serbischen Teil Bosniens: Vater und Sohn präsentierten stolz ihre Waffensammlung und empfahlen uns bei Srđan Popović, Belgrader Marketingchef der Milchverarbeitungsfirma Imlek. Die Reise ging über zahlreiche Kontakte weiter nach Montenegro, dann quer durch Albanien nach Mazedonien. Erst die Passage in den Kosovo, den letzten Staat auf unserer Reise, erlitt Schiffbruch. Wir waren in Slowenien, Kroatien, Bosnien, Serbien, Mazedonien und Montenegro gewesen.

Eine Verbindung in die «Wiege des Serbentums», wie nationalistische Serben den Kosovo gerne bezeichnen, war aus Serbien jedoch nicht herzustellen. Überhaupt schien das Anschneiden des Themas Kosovo in Serbien ein regelrechter Angriff auf die Integrität des patriotischen Bürgers zu sein. Der Verlust der Provinz schmerzt bis heute. So sehr, dass sich die serbische Grenzpolizei eine gute halbe Stunde Zeit nahm, um jeden einzelnen Kosovo-Stempel einer früheren Reise in unseren Pässen mittels eines «Annulliert»-Stempels zu tilgen. Kosovo ist Teil Serbiens, deshalb haben die Kosovoalbaner kein Recht, eigene Stempel zu setzen! Die hoffnungsvolle Einreise von Südserbien in den Kosovo glich eher einem Spiessrutenlauf zwischen Stacheldraht, bewaffneten Checkpoints, Forderung einer zusätzlichen Autohaftpflichtversicherung, Gepäck-

kontrolle sowie der Zahlung von fünf Euro für die «Desinfektion» der Autoreifen. Auch die kosovoalbanische Verwaltung demonstriert hier nach allen Kräften, wer der neue Herr im Haus ist. Kosovo ist kein Land für Familienurlaub, so zumindest unsere Tarnung bei unangenehmen Fragen. Diesel wurde uns prinzipiell ein Drittel teurer verkauft. Im ganzen Kosovo gab es einen einzigen Campingplatz: auf rund 1500m Höhe. Die Sorge um die Sicherheit des Wagens zwang uns, oft in Sichtweite zu bleiben. Die Menschenkette glich nun einem ausfransenden Hanfseil, die einzelnen Strippen liessen sich nicht mehr fassen. Gute Kontakte von sechs früheren Reisen in den Kosovo schienen abgekühlt. Wir fühlten uns etwas verloren und fehl am Platz. Ich beschloss, den Abschluss meiner Spurensuche auf eine spätere Reise zu verschieben.

Anton jedoch schien sich aufrichtig über den Besuch zu freuen. Der Umweg über Bosnien hatte uns rund eine halbe Woche gekostet. Aber Zeitverlust wurde relativ auf einer dreimonatigen Fahrt durch den Balkan, auf der wir über vierzehntausend Kilometer zurücklegen sollten. Manchmal klappten die Kontakte auf Anhieb, einmal schien die Kette endgültig unterbrochen, als mich eine ältere Dame, die Grosstante einer zuvor fotografierten Familie, in der Grenzstadt Županja mit dem Besen von ihrem Vorplatz vertrieb. Doch der Bürgermeister der Stadt wohnte in der Nachbarschaft, bat mich herein und beschloss, für das Projekt zu posieren. Die Menschenkette erweiterte sich um einen Parteikollegen des Bürgermeisters im kroatischen Teil Bosnien-Herzegowinas. Dieser kontaktierte eine Pianistin und Musik14

Srebrenica, Bosnien 15. April 2010 15


Wir waren recherchemüde, dafür reich an Erfahrungen und Erlebnissen. Ich habe gelernt, mit sehr wenig Wasser oder kalt zu duschen; mit meiner Familie auf sechs Quadratmetern zu leben; mit mazedonischen und kosovarischen Tankwarten zu streiten; beim Pinkeln auf Landminen zu achten; Motorenöl zu wechseln; Gastgeschenke anzunehmen; Slibovic zu trinken; kyrillische Strassenschilder zu entziffern; in Belgrad mit einem Wohnmobil zu parken; auf kleinstem Raum zu kochen; den Kartenkenntnissen meiner Frau blind zu vertrauen; mit meinem Schweizer Taschenmesser Weinflaschen zu öffnen; in Schräglage oder neben vorbeidonnernden Lastwagen zu schlafen und vieles mehr. Vom Brückenschlag der Volksgruppen in Ex-Jugoslawien haben wir hingegen kaum etwas bemerkt. Die alten Feindschaften sind mit ins neue Jahrtausend getrottet und machen sich hier breit. Die Selbstwahrnehmung der Völker ist stark verzerrt. Jede Volksgruppe sieht sich primär als Opfer. Gedanken über die eigene Täterschaft sind unpopulär bis staatsfeindlich. Hinweise auf Gräueltaten aller Kriegsparteien tut man mit der lapidaren Bemerkung ab: «Es war ja Krieg.» Von diesem Krieg zeugen bis heute gewaltige Schäden an der Infrastruktur, besonders in Bosnien. Deren Tilgung hat die internationale Gemeinschaft bereits Milliarden von Euros gekostet, ein Ende ist nicht abzusehen. Doch die Spuren des Krieges sind vor allem in den Lebenden zu finden. Fünfundzwanzig portraitierte Familien oder Einzelpersonen erlebten mit den Ereignissen, die vor bald zwanzig Jahren über ihr Leben hereinbrachen, dramatische Änderungen und Einschnitte. In über fünfzig Interviews erfuhren wir Grauenvolles und Heiteres, 16

Polemisches oder Umsichtiges. Auf eine Frage jedoch schien niemand eine wirklich schlüssige Antwort zu haben: Wie kam es, dass ihr euch gegenseitig massakriert habt? Fabian Biasio, Juni 2010

Prizren, Kosovo 5. Mai 2010 17


Presse

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Le Temps Vendredi 28 septembre 2007

Citation du jour

«Que faisait un lieutenant-colonel de l’armée russe dans les forêts géorgiennes, en organisant et en dirigeant un groupe de rebelles armés dans une mission de subversion et de violence?» Mikhaïl Saakachvili Le président géorgien a accusé mercredi à la tribune de l’ONU des soldats russes de participer à des missions clandestines dans la région géorgienne séparatiste d’Abkhazie.

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A la table familiale de l’UDC Un livre illustré fait le portrait des militants de base d’un parti où l’on sait se serrer les coudes

Ses collègues étrangers l’évitent soigneusement. Tout au plus lui demandet-on de temps en temps pourquoi l’UDC est si xénophobe. Il s’empresse de corriger: «Nous ne sommes pas xénophobes, mais contre les étrangers qui pillent nos caisses sociales.» Lorsque, enfin, un collègue albanais a osé lui

Naveen Hofstetter, électromonteur, Rorschach

«

Anita Nideröst, secrétaire, caissière de la commission des femmes UDC du canton de Zurich

«

Sur le banc de coin, il y a un coussin brodé maison avec les armoiries des Nideröst. Sa famille, originaire du Muotatal, a été mentionnée il y a 700 ans déjà dans les archives. C’est pour cela qu’elle se sent aujourd’hui encore directement responsable de tout ce

qui arrive à la Confédération. «Je veux que nous transmettions la Suisse aussi propre et en ordre que nous l’avons reçue de nos ancêtres.» Que des naturalisés de fraîche date qui n’ont aucune idée puissent voter, que 750 spécialistes en communication décident de la politique à Berne et qu’on fasse peur aux gens avec les changements climatiques et la grippe aviaire juste pour que la chi-

dire qu’il avait déposé une demande de naturalisation, il lui a tapé joyeusement sur l’épaule. «Tu es exactement le type qu’il faut! Tu vis comme un Suisse et tu travailles dur comme un Suisse. Tu n’as pas besoin d’être naturalisé pour être intégré.» L’Albanais veut maintenant adhérer à l’UDC. Il n’aimerait pas payer pour les profiteurs sociaux. Il règne dans l’appartement de Naveen un ordre ra-

»

mie bâloise puisse faire des milliards avec son Tamiflu… «Au nom du ciel», dit-elle, et frappe de ses petits poings sur la nappe brodée, «je ne vais pas laisser passer cela.» Elle avait d’abord cherché des compagnons de lutte auprès des Démocrates suisses. Mais elle s’est vite aperçue que ce groupuscule était sans effet. Maintenant, elle espère que l’UDC saura être percutante.

»

dical, chaque chose est à sa place: les souliers posés en parallèle, les serviettes pliées à l’équerre. Seules quelques feuilles avec des listes de noms sont accrochées aux murs. «Je distribue des points», explique-t-il. Chaque fois qu’un politicien dit quelque chose qui lui plaît dans les médias, il reçoit une coche. Quelques radicaux ont ainsi réussi à se glisser entre les UDC sur sa liste.

«Nous ne sommes pas xénophobes»

parti. Si l’un est à l’hôpital, il reçoit immédiateTexte: Catherine Cossy, Zurich ment de la visite; ils se téléphonent, c’est Photographies: Fabian Biasio comme une famille.» La journaliste est aussi A l’origine, il y a la curiosité du photogra- accueillie avec beaucoup de chaleur. «Si l’on phe Fabian Biasio. Qui décide, il y a quatre ans, pense comme eux, c’est le paradis! Leurs ende partir en expédition au cœur de l’UDC, le fants, qui sont nombreux à s’appeler Chrisparti sacré vainqueur des dernières élections toph, sont tellement bien élevés, c’est un fédérales. Il est rejoint en cours de route par la monde si reposant, aucune question ne reste journaliste Margrit Sprecher, vingt ans à la ouverte. On ne peut pas se soustraire à cette Weltwoche, observatrice et plume hors pair atmosphère, même si c’est du surplace abdans la presse alémanique. «Personne ne con- solu. A chaque visite, je repartais chargée d’un naît la base de l’UDC, dit-elle, cette masse qui pot de confiture fait maison et d’autres case cache derrière les quelques deaux. Et c’est alors que je me haut-parleurs du parti, les Blodisais: «Maintenant, je dois me cher, Maurer, Mörgeli. Je voulais plonger à nouveau dans la rude mettre le pied sur cette terra invie, où les doutes m’assaillent, cognita, sans intention particuoù rien n’est fixé d’avance.» Fabian Biasio renchérit: «A lière ni préjugé négatif: comme part une fois, j’étais toujours acune exploratrice. Couleurs des cueilli avec beaucoup de gencravates, décorations au mur, tillesse dans toutes les assemtous ces détails qui sont une part blées. Beaucoup m’ont dit: de vérité. Car la vérité absolue «Enfin quelqu’un des médias n’existe pas.» qui s’efforce de nous montrer Pendant une année, Margrit comme nous sommes vraiSprecher assiste donc à plus de ment.» trente assemblées et rendez-vous Fabian Biasio, Margrit Sprecher, lors des ende l’UDC. Elle note tout ce qui Margrit Sprecher: tretiens, s’est efforcée de guider passe à portée de son stylo. RésulDie Mitte des Volkes, ses interlocuteurs vers des sujets tat: Die Mitte des Volkes («Au cœur Ed. Patrick Frey, plus généraux. «Car, dès qu’on du peuple»), une série de poren allemand. commenceàparlerdepolitique, traits à la fois proches et distants, cela devient très ennuyeux, ils qui donnent la parole et un visage aux nombreux anonymes alémaniques racontent tous la même chose avec des phrases (dont trois sont présentés ici) qui font vivre le toutes prêtes, il n’y a plus rien de personnel.» Que faisaient ces gens quand l’UDC n’était parti. Et écho aux images choisies parmi les pas encore ce qu’elle est? «Beaucoup étaient quelque 1000 clichés de Fabian Biasio. Il y a les passages obligés: l’Albisgüetli, réu- chez les radicaux, mais le parti les a pris de nion annuelle de l’UDC zurichoise, les dis- haut. Le succès de l’UDC, c’est le déficit des cours du 1er Août de Christoph Blocher, mais autres partis. J’ai été impressionnée de voir aussi le petit déjeuner à la ferme, les tournois comme ils se serrent les coudes. L’UDC prend de jass et concours de tir. Au hasard, Margrit ses militants au sérieux. Les responsables inSprecher noue des contacts et mène une cin- vestissent beaucoup de temps, ils ne passent quantaine d’entretiens approfondis qui for- pas seulement en coup de vent pour serrer des ment la trame du livre. «Je voulais savoir pour- mains et repartir. Si l’on veut, il y a tous les soirs quoi ils trouvaient une patrie à l’UDC. Au fond quelque chose d’organisé dans le cadre du de moi, je pensais que j’allais tomber sur des parti, un cours de rhétorique ou de rédaction gens déçus de la vie, sans succès, solitaires. de lettres de lecteur, une partie de cartes, C’est peut-être vrai pour un tiers d’entre eux. etc. En contrepartie, les militants font preuve Sinon, je n’ai jamais rencontré autant de mil- de beaucoup d’abnégation. Ceux qui sont lionnaires qui ont commencé à partir de rien.» membres, ils le paient! S’ils sont indépenAu bout du parcours, Margrit Sprecher dants, ils perdent des clients, leurs enfants constate: «J’ai du respect pour leur vie de tra- sont battus sur le chemin de l’école. Cela renvail. Ils se lèvent tôt, sont assidus, s’occupent force encore leur sentiment d’appartenir à un les uns des autres. On ne reste pas seul dans ce mouvement, c’est un peu comme une secte.»

naison de travail, qui porte bien en vue l’inscription de la commune, le retienne de devenir violent. Par exemple, lorsque «ces bonnes femmes yougo» font exprès de ne pas se mettre sur le côté quand il arrive au volant de sa balayeuse. Ou quand «ces saletés d’étrangers» lui jettent des bouteilles vides sous les roues ou encore qu’un Turc, levant son majeur, lui crie «connard!».

»

«Laissons une Suisse propre en ordre» ses aux urnes, la commune avait pu au moins empêcher qu’ils soient naturalisés. Mais depuis que le Tribunal fédéral a interdit cette pratique, le taux de naturalisations a augmenté de 34%. «Maintenant, si quelqu’un n’a pas de dettes et un travail, ça passe», dit Seppi. Il le dit avec le ton volontairement posé d’un homme qui en a déjà beaucoup vu. Souvent, il est content que sa combi-

«Si on a un travail, ça passe» Seppi Odermatt, travailleur communal, Emmen

«

Seppi joue cartes sur table quand il s’agit des étrangers. C’est pour cela aussi qu’une personne sur deux lui a donné sa voix lorsqu’il était candidat au conseil communal. Car à Emmen, les étrangers, avec un des taux les plus élevés de Suisse, sont un problème. Lorsque les décisions étaient encore soumi-

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Eclairages MIKE SEGAR/REUTERS


Biografie Fabian Biasio, *1975 / www.biasio.com Lebt mit seiner Familie in Luzern. Mitglied der Hamburger Fotoagentur Focus. 1994 1998 1999 2000 2001 2008

erste Erfahrungen als freier Fotojournalist und Videofilmer Praktikum als Fotograf bei der Schweizer Illustrierten in Zürich Ausbildungslehrgang Pressefotografie am MAZ in Luzern, Praktikum auf der Bildredaktion «DIE ZEIT» in Hamburg Fotograf bei der Neuen Luzerner Zeitung Freischaffender Fotograf in Luzern, Aufträge für nationale und internationale Publikationen und Agenturen Aufenthalt im Kulturatelier der Konferenz der Schweizer Städte KSK in Varanasi

Ausstellungen 2004 Fotogalerie Coal Mine, Winterthur – «Tagebuch einer Exekution» 2004 Bieler Fototage – «Tagebuch einer Exekution» 2005 ArtCar Museum, Houston & Loyola State University, Chicago/USA – «Diary of an execution» («Tagebuch einer Exekution») 2005 Romerohaus Luzern – «Alle anders – na und?! – Porträts aus der St. Karli Schule» 2006 ETH Haupthalle Zürich – «Tagebuch einer Exekution» 2007 KKL Uffikon, Luzern – «Die Mitte des Volkes – Expeditionen ins Innere der SVP» 2008 Centre de la photograpie Genève – «Die Mitte des Volkes» 2009 Bieler Fototage – «Die Mitte des Volkes» 2009 Völkerkundemuseum der Universität Zürich – «Sofabilder aus Varanasi» Buchpublikationen 2007 «Aus dem Lot – Menschen in der Psychiatrie», NZZ Libro Verlag 2007 «Der Junge mit dem Fisch», Rex Verlag Luzern 2007 «SVP – Die Mitte des Volkes», Verlag Edition Patrick Frey Auszeichnungen 2000 4. Platz Nachwuchsförderpreis vfg – Vereinigung Fotografischer GestalterInnen 2003 2. Platz Kategorie Ausland – Swiss Press Photo 2004 The Selection vfg – Magazin Fotopreis 2003 2004 1. Platz Kategorie Alltag und Umwelt – Swiss Press Photo 2007 2. Platz Kategorie Portrait – Swiss Press Photo 2008 ewz selection – SonntagsZeitungs-Fotopreis für redaktionelle Fotografie Pristina, Kosovo 11. Mai 2010 26

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www.biasio.com

fabian biasio fotografie Fabian Biasio Dufourstrasse 27 CH-6003 Luzern f abian@biasio.com

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