Pfeifer bericht lukas hoffmann

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Lukas Hoffmann Pfeifer-Mobil Oktober und November 2012


Anlass meiner Bewerbung fürs Pfeifer-Mobil-Stipendium war einerseits der Wunsch nach einigen Wochen Zeit, die ich ausschliesslich fürs Fotografieren, den Kern meiner künstlerischen Arbeit, einsetzen kann und andererseits das Bedürfnis nach grösstmöglicher Mobilität dabei. Ich versuchte anfänglich ein themengebundenes Projekt zu formulieren, was nicht meiner üblichen Arbeitsweise entspricht und was für mich eine neue Herausforderung gewesen wäre. Ich dachte beispielsweise an die Dokumentation einer Tradition, die in verschiedenen Ländern auf diverse Weisen gelebt wird oder ans Folgen eines Flusses von der Quelle bis zur Meeresmündung. Es stellte sich jedoch bald heraus, dass es mich nicht ausreichend interessierte Bilder zu machen, die ein Thema oder eine Problematik illustrieren, oder die sich geographisch auf ein Gebiet beschränken.


bei Banská Štiavnica, Slowakei


im Tatra-Gebiet, Slowakei


Im Mittelpunkt meiner fotografischen Arbeit steht das Einzelbild in der Tradition des Tafelbildes: das autonome, in sich geschlossene Bild. Es illustriert kein Thema, hat keine dokumentarische Funktion und ist nicht Teil einer Serie. Allein seine Wirkung durch bildinterne Spannungen, Ungleichgewichte, Strukturen, Farben oder Grauwerte ist entscheidend. Wenn ich mit der Kamera unterwegs bin, reduziere ich Gesehenes im Kopf auf zwei Ebenen, begrenze es durch vier Kanten und prüfe, ob es als Bild, das für die Wand konzipiert ist, Bestand hat. Dies ist der zentrale Vorgang bei der Übertragung des Gesehenen ins Bild und nur die allerwenigsten Situationen werden auf Film belichtet. Die Kriterien die massgeblich sind, ob ich ein Bild mache oder nicht, folgen keiner Regel und müssen jedes Mal aufs Neue geprüft werden. Immer spielt das Licht und die Komposition eine grosse Rolle, wobei es nicht reicht, schöne Kompositionen in gutem Licht zu fotografieren. Ausschlaggebend ist, dass die in Erscheinung tretenden Formen und Situationen eine ästhetische Erfahrung zulassen. Ich arbeite viel mit der Fachkamera. Es ist ein langsames und präzises Arbeiten, welches eine hohe Aufmerksamkeit für den Ort erfordert. Meine Sujets finde ich meistens in Gebieten, wo sich Stadt, Wald, Landwirtschaft, Auen, Brachland, Industrie, Flüsse, Kleingewerbe und Verkehrswege in einander verflechten. Zu Fuss oder mit dem Fahrrad ziehe ich durch die Gegenden, die ich mir zuvor auf der Landkarte oder auf Satellitenbildern ausgesucht habe.


Ich bereitete mich auf eine Reise vor, deren Zweck darin bestand, meiner Intuition zu folgen und Bilder zu machen, deren Natur und Funktionsweise ich zwar kannte, von denen ich aber nicht wusste, wie sie aussehen könnten. Während meiner Reise mit dem Pfeifer-Mobil parkte ich das Wohnmobil stets an Orten, die mir zum Arbeiten passend erschienen, sattelte die Ausrüstung in zwei Seitentaschen aufs Fahrrad und fuhr für einige Stunden los. Anfang Oktober 2012 startete ich in Zug und fuhr über Italien und Slowenien an die Adriaküste Kroatiens, wo ich mich ungefähr eine Woche aufhielt. Weiter durchquerte ich Bosnien-Herzegowina, übernachtete einmal in Sarajewo und ein weiteres mal weiter nördlich in Kalesija, wo ich Freunde besuchte. Über den nordöstlichen Teil Kroatiens gelangte ich der Donau entlang nach Ungarn. Nach einigen Tagen in Budapest überquerte ich im Norden des Landes die Grenze zur Slowakei. Die Suche nach Stellplätzen oder geöffneten Campingplätzen erwies sich in Osteuropa als zeitaufwendig und schwierig, zumal die Saison Ende

Oktober fast flächendeckend zu Ende war, und ich mich inzwischen ohnehin abseits touristischer Gebiete aufhielt. So kam es hin und wieder vor, dass ich auf öffentlichen Parkplätzen parkte und übernachtete. Das rot-weisse, moderne Pfeifer-Mobil zog zahlreiche Blicke auf sich, was nicht immer angenehm war. Ein Zwischenstopp war für meinen Wohnort Berlin geplant. Dies ermöglichte mir, die ersten Filme zu entwickeln um sicher zu stellen, dass alle Kameras und Planfilmkassetten lichtdicht waren. So setzte ich meine Reise über Krakau nach Deutschland fort.


Kopacki Rit Nationalpark, Kroatien


bei Krakau, Polen


Zvolen, Slowakei


Atlantikk端ste bei Biscarosse, Frankreich


Nach drei Tagen in Berlin mit allem Komfort, den einem die eigene Wohnung bietet, ging es auf indirektem Weg (Hannover, Bremerhaven, Osnabrück) weiter in Richtung Köln und Bonn, danach ins Ruhrgebiet, welches sich in Bezug auf meine Arbeit als besonders reichhaltig erwies. Ich arbeitete über eine Woche lang in den ehemaligen Industriegebieten um Bochum, Hamm, Duisburg, Hagen und Düsseldorf. Hier entstanden überdurchschnittlich viele Bilder, die ich heute in Ausstellungen zeigen kann. Eine weitere wichtige Station war Paris, wo Mitte November die alljährliche Messe für Kunst-Fotografie Paris Photo stattfidet. Hier nutzte ich die Gelegenheit, viele Leute zu treffen und mir einige Ausstellungen anzuschauen. Auf dem Weg nach Paris verbrachte ich einige Tage in Antwerpen, wo ich drei Jahre zuvor schon eimal vier Monate lang im Rahmen eines Atelier-Aufenthaltes gelebt und gearbeitet hatte. Es war interessant, die Orte wieder aufzusuchen, an denen ich 2008 viele Bilder gemacht hatte. Von Paris aus setzte ich nach drei Nächten meine Reise ins französische Mittelland fort. Im Cantal besuchte ich einen Freund und arbeitete drei Tage in einer sehr ruralen Gegend auf ca. 1000 Meter über Meer, was zum Ruhrgebiet und Antwerpen in einem schönen Gegensatz steht. Bevor ich die Rückreise in die Schweiz antrat, fuhr ich an die Atlantikküste bei Bordeaux. Der einsetzende Schneefall auf der Rückreise in die Schweiz machte deutlich, dass es Zeit war, diese schöne Reise zu beenden - nicht nur der Kälte wegen, sondern auch wegen der Sommerreifen am Fahrzeug. Nach zwei Monaten und rund 9000 Kilometern auf Europas Strassen begann die Arbeit im Atelier und im Labor: Filme entwickeln, Kontaktbogen und Ansichtprints herstellen, Bilder auswerten und das Abziehen der Ausstellungsprints. Zwischen Januar und März 2013 standen gleich drei mittelgrosse Ausstellungsprojekte an, in denen ich ausgewählte Bilder der Reise präsentieren konnte.


STĂœCK HOLZ BEI BROHL

2012

gelatin silver print

120 x 84 cm


SAINT-AMAND-MONTROND (Diptychon)

2012

gelatin silver print

je 48 x 30 cm


BOULEVARD PASTEUR, MAURIAC

2012

gelatin silver print

62 x 48 cm


RHABARBER BEI DÜSSELDORF

2012

C-Print

71 x 90 cm


MICHALOVA, SLOWAKEI

2012

gelatin silver print

43 x 33 cm


HAGENER STRASSE, ENNEPETAL

2012

gelatin silver print

131 x 91 cm


Vielen herzlichen Dank fĂźr diese wunderbare FĂśrderung!


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