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Isabel Peterhans und Patrick Bonato | April 2013 – Mai 2013

www.isabelpeterhans.ch | www.patrickbonato.com

Projektbericht „Conosci un artista?“



„Conosci un artista?“

Idee

Erfahrungen

Ziel unserer Reise war, Künstler in Italien kennenzulernen. Dabei wollten wir nicht im Vorhinein nach den Künstlern suchen, via Internet oder mit Hilfe von Kontakten in der Schweiz, sondern am jeweiligen Ort jemanden suchen. Mit der einfachen Frage „conosci un artista?“ (deutsch: „Kennst du einen Künstler?“) haben wir Passanten, Barkeeper, Kioskangestellte und zufällige neue Bekannte gefragt, ob sie einen Künstler in ihrer Stadt oder ihrem Dorf kennen und uns zu ihm führen könnten. Also haben die Bewohner Italiens uns „ihre“ Künstler gezeigt, wodurch nicht eine Kunstszene abgebildet wurde, sondern wir einer breiten Palette verschiedenster Künstler begegnet sind – vom Hobbymaler bis zur Filmregisseurin.

Glücklicherweise stellte sich heraus, dass es meist nicht so schwierig war, einen Künstler ausfindig zu machen. Die Leute, die wir ansprachen, kannten fast immer jemanden und halfen uns gerne, mit dem Künstler Kontakt aufzunehmen. Oft erhielten wir eine Telefonnummer, manchmal auch einen Zettel mit einem Namen, mit dessen Hilfe wir uns durch den ganzen Ort durchfragen mussten. Zum Beispiel führte uns die Fährte in Neapel zu einem Markt, an dessen Ständen die meisten Preisschilder von dem Schriftenmaler Pasquale De Stefano handbeschrieben waren. Im Gewirr der Gassen sagte man uns etwa „er ist gerade erst hier durchgekommen, er kann nicht weit sein“, oder „ich glaube er will nicht gefunden werden, er hat gar keine Handynummer“ (was sich als falsch herausstellen sollte).

Die Begegnungen mit den Künstlern haben wir genutzt, um uns mit ihnen auszutauschen, ihr Schaffen und ihren Lebensweg kennenzulernen, aber auch um zu erfahren, was sie über ihr Land denken und zu sagen haben. So wurde uns ein frischer Blick auf Italien ermöglicht, abseits von Klischees und touristischen Attraktionen. Wir haben alle Begegnungen zeichnerisch, fotografisch und schriftlich dokumentiert und möchten in einem nächsten Schritt dieses Rohmaterial zu einer Publikation zusammentragen.

Route Bei der Routenwahl haben wir uns mehr oder weniger vom Zufall leiten lassen, wollten aber eine gute Mischung aus Städten und Dörfern finden und ausserdem möglichst viele der unterschiedlichen Provinzen Italiens bereisen.

Die Künstler waren alle offen für unser Projekt und nahmen sich gern Zeit für uns und liessen uns bei ihnen verweilen, damit wir sie zeichnen konnten, während sie ihre Arbeit fortsetzten. Während dem Zeichnen entstand eine entspannte Atmosphäre, die den Austausch mit dem Künstler erleichterte. Neben der vielen Zeit und der Offenheit schenkten uns manche sogar noch etwas – der Maler Jérémy Minck ein grosses Aktbild, der Miniaturenbildhauer Luciano Biagiotti einen Krug aus seiner Krippe, und auch ein Porträt von uns beiden des Illustrators Lorenzo Tabacchi dürfen wir jetzt unser eigen nennen. In Cassino zeigte uns der Kunstsammler Andrea Longo seinen riesigen Skulpturenpark und sein Museum zeitgenössischer Kunst noch vor der offiziellen Eröffnung im Herbst 2013. Die Begegnungen mit den Künstlern waren sehr inspirierend für die eigene Arbeit. Besonders verspürten wir, dass sich unser Blick auf das Schaffen anderer vermehrt vom Beurteilen und Werten löste, und wir uns auf ihre Kunst dadurch intensiver einlassen konnten. Das Beste an dem Projekt und an der Reise insgesamt war ihr spontaner, entdeckerischer Charakter, der uns in jeder Stadt eine Überraschung bereitete und uns einen Platz, eine Aufgabe an dem fremden Ort zuwies. Diese Art zu reisen sprach uns derart an, dass wir uns überlegen, auf zukünftigen Reisen wieder Künstler zu suchen.


Die Künstler

Robert Scherer Ala, Trentino Maler, Bildhauer 85 Jahre

Giuseppe Innocente Rom, Latium Schauspieler 28 Jahre

Francesco Ragno Neapel, Kampanien Malereistudent 24 Jahre

Luciano Biagiotti Urbino, Marken Miniaturenbildhauer, pens. Kunstlehrer 65 Jahre

„Meinen Palazzo wollte eigentlich die Bank ersteigern. Aber ich habe einfach mehr geboten.“

„Morgen habe ich ein Vorsprechen als Polizist für eine Serie beim italienischen Fernsehen. Da fängt die Prostitution an.“

„Die Kunst in Italien wird nicht mehr so wertgeschätzt wie z.B. vor 150 Jahren. Die Leute haben jetzt so einen Haufen Probleme, dass sie sich nicht mehr um die Kunst kümmern können.“

„Alles ist aus verschiedenen Materialien. Die Kessel sind aus Nespressokapseln und die Lampione aus Kontaktlinsen.“

Jérémy Minck Follonica, Toscana Maler, hauptberuflich Sozialarbeiter 40 Jahre „Wenn ich könnte, würde ich den ganzen Tag nur Aktmodelle malen.“

Paola Randi Rom, Latium Regisseurin 41 Jahre „Mein erster Film hat etwa 30 Preise gewonnen und wurde auf ca. 80 Festivals gezeigt.“

Anita Kravos Rom, Latium Schauspielerin 39 Jahre „Es ist eine Arbeit wie jede andere. Schauspielern ist vor allem gar nichts tun. Das ist gar nicht so einfach.“

Emanuela Battista Sperlonga, Latium Keramikkünstlerin 39 Jahre „In Sperlonga sind alle bemalten Fliesen entweder von mir oder von der zweiten Keramikkünstlerin im Dorf.“

Shigeru Saito Cassino, Latium Bildhauer 39 Jahre „Ich arbeite immer drei Monate in Italien und bin dann drei Monate der Hausmann in Tokio.“

Pasquale De Stefano Neapel, Kampanien Schriftenmaler 62 Jahre „Ich kann die Preisschilder unmöglich zählen. Es sind tausende.“

Orazio Del Monaco Grottaglie, Apulien Keramikkünstler 74 Jahre „Seit ich vier Jahre alt war, habe ich fast jeden Tag hier in der Werkstatt verbracht. Wieviel Geschichte sich hier abgespielt hat. Die Geschichte ist sehr wichtig.“

Adriano Tarullo Scanno, Abruzzen Liedermacher 37 Jahre „Scanno war früher ein Hirtendorf, auch meine Eltern waren Hirten. Eines der alten Hirtenlieder, Partenza, habe ich neu interpretiert.“

Marco Grassivaro Bologna, Emiglia-Romagna Videokünstler 33 Jahre „Der DJ steht hinter den Projektionen zwischen einer Menge Pflanzen. Es sieht als, als würde er in einem Dschungel auflegen.“

Lorenzo Tabacchi Turin, Piemont Illustrator 24 Jahre „Und als ich entdeckt habe, dass man mit Zeichnungen Geld verdienen kann, dachte ich, das ist ficchissimo (deutsch: in etwa voll geil)!“




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