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1 Januar 2016 39. Jahrgang ISSN 1866–9328 48654

Editorial Basisdemokratie und ihre Folgen: Wenn der Bürger entscheidet… Hauptaufsatz Schlichtung, Adjudikation & Co: Streitbeilegung in Bausachen ohne Hilfe des Gerichts Kurz informiert Bauwirtschaft rechnet für 2016 mit Umsatzwachstum / Projekt Zukunftssicherung: Kooperationen im Mittelstand Aktuelle Urteile „Massenänderungen berechtigen nicht zu Preiskorrektur“? / Gutachter kritisiert „Prozesshanselei“: befangen! / Zuviel getankt? Bauleiter vor dem Strafrichter Vergaberecht aktuell Baubetrieb Bilanzierung: Neue Rechenregeln zur Pauschwertberichtigung / Lohnsteuer/Sozialversicherung: Behandlung von Arbeitslohnspende bei Minijobbern / Investitionsabzugsbetrag: Neuer Gestaltungsspielraum 2016 Baustelle Prozessoptimierung im Tunnelbau am Beispiel des Emscherumbaus


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UBB 1/2016 Baubetrieb Baurecht Bautechnik Baustelle

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Editorial Basisdemokratie und ihre Folgen: Wenn der Bürger entscheidet… Kurz informiert Der alljährliche Blick in die Kristallkugel: Bauwirtschaft rechnet für 2016 mit Umsatzwachstum / Projekt Zukunftssicherung – Kooperationen im Mittelstand: Fehler vermeiden bringt Erfolg Hauptaufsatz Schlichtung, Adjudikation & Co: Streitbeilegung in Bausachen ohne Hilfe des Gerichts Kurz informiert BVMB-Neujahrsempfang/Tag der mittelständischen Bauwirtschaft: Bundesverkehrsminister Dobrindt hält Festrede / Besondere Anforderungen vom Konzept bis zur Realisierung: Wie sieht „barrierefrei“ aus? Aktuelle Urteile „Massenänderungen berechtigen nicht zu Preiskorrektur“? / Gutachter kritisiert „Prozesshanselei“: befangen! / Zuviel getankt? Bauleiter vor dem Strafrichter Baubetrieb Bilanzierung: Neue Rechenregeln zur Pauschwertberichtigung / Lohnsteuer/Sozialversicherung: Behandlung von Arbeitslohnspende bei Minijobbern / Lohnsteuer: Dienstwagenbesteuerung bei Leasing-Sonderzahlung Baustelle Baustellenanalyse führt zu Leistungssteigerung: Prozessoptimierung im Tunnelbau am Beispiel des Emscherumbaus Vergaberecht Vergabe unter dem Vorbehalt fehlender Finanzierung? / Fehler in der Leistungsbeschreibung – was tun? / Keine Rügepflicht bei Wahlpositionen Baubetrieb Investitionsabzugsbetrag: Neuer Gestaltungsspielraum 2016 Lesetipp / Veranstaltungen

Titelbild Pumpwerk für den Abwasserkanal Emscher auf dem Gelände der Kläranlage Bottrop (Foto: Rupert Oberhäuser/Emschergenossenschaft)

Chefredaktion

Dr. jur. Günther Schalk Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht (TOPJUS Rechtsanwälte München – Ingolstadt – Schrobenhausen – Pfaffenhofen – Nordhausen), Lehrbeauftragter für Bau- und Vergaberecht an der Humboldt-Universität zu Berlin, Lehrbeauftragter für Bau-, Vergabe- und Umweltrecht an der TH Deggendorf, Redakteur, Vorstandssprecher des CBTR e. V., Direktor der Akademie für Baumanagement an der Technischen Hochschule Deggendorf, Mitherausgeber und Autor zahlreicher Fachveröffentlichungen

Fachbeirat

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Conrad Boley Ordinarius für Bodenmechanik und Grundbau an der Universität der Bundeswehr München; Boley Geotechnik, Beratende Ingenieure, München-Stuttgart, Mitglied in zahlreichen Normenausschüssen; öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Erd-, Grund- und Felsbau; vom Eisenbahnbundesamt (EBA) anerkannter Gutachter für Erdbau, Grundbau, Spezialtiefbau und Tunnelbau; Beratender Ingenieur Bayerische Ingenieurekammer-Bau

Prof. Dr. jur. Klaus Englert Vorstand des Instituts für Deutsches und Internationales Baurecht der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin; Stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Baurecht e. V., Beirat der STUVA und des CBTR, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Mitglied mehrerer techn. Normenausschüsse, TOPJUS Rechtsanwälte München – Ingolstadt – Schrobenhausen – Pfaffenhofen – Nordhausen

© 2016 Wilhelm Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG Rotherstraße 21 D-10245 Berlin Tel. +49 (0)30 470 31-200 Fax + 49 (0)30 470 31-270 info@ernst-und-sohn.de www.ernst-und-sohn.de

Dipl.-Kfm. Elmar Halbach-Velken Geschäftsführer Bundesvereinigung Mittelständischer Bauunternehmen e.V. (BVMB); Mitarbeit in verschiedenen Gremien und Veröffentlichungen zu Themen wie „Europäischer Binnenmarkt“, „PPP“, „Private (Vor-)Finanzierung öffentlicher Baumaßnahmen“

Univ.-Prof. Dr. iur. Axel Wirth Ordinarius für Deutsches und Internationales Öffentliches und Privates Baurecht an der Technischen Universität Darmstadt, Präsident des CBTR Centrum für Deutsches und Internationales Baugrund- und Tiefbaurecht e. V.

ISSN 1866–9328 39. Jahrgang

UBB Fachzeitschrift für Führungskräfte der Bauwirtschaft


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Editorial

Basisdemokratie und ihre Folgen

Wenn der Bürger entscheidet… Sehr verehrte Leserin, sehr geehrter Leser, kurz vor Weihnachten kam in Hamburg ein Überraschungspaket an: Die Bürger der Hansestadt hatten in einem Referendum den enthusiastischen Olympiaplänen der Stadtoberen einen gehörigen Strich durch die Rechnung gemacht. 51,6 Prozent der abgegebenen Stimmen sagten „Nein“ zu Olympischen Spielen 2024 in der Stadt. Zu teuer waren sie wohl vielen, glaubt man den begleitenden Umfragen. Das sorgte für lange Gesichter bei denen, die die Sommerspiele in der Stadt nicht nur als sportliches Event im Auge hatten, sondern weit mehr damit vor hatten: Infrastrukturprojekte wie der Ausbau der Barrierefreiheit, Erweiterung der U-Bahn, Bau von Straßen,... hätten sich tatsächlich wesentlich schneller realisieren lassen als ohne die fünf olympischen Ringe in Sichtweite. Ein Einzelfall? Beileibe nicht! In München beispielsweise hatten vor zwei Jahren 53 Prozent der abstimmenden Bürger die Ausrichtung der olympischen Winterspiele 2022 in der Stadt wie eine Seifenblase platzen lassen. Ein Jahr davor hatten rund 54 Prozent der Abstimmenden die dritte Startbahn für den Münchener Flughafen verhindert. Man könnte ketzerisch sagen: Drei Beispiele dafür, in denen kurzsichtige Bürger wichtige Entwicklungschancen ihrer Heimatstädte mit einem einfachen Kreuzchen an der falschen Stelle zunichte gemacht haben, nachdem sich Fachleute und Visionäre jahrelang kluge Gedanken gemacht hatten, wie sie ihre Stadt nach vorne bringen können. Oder aber: Die Bürger haben die Entscheidungsträger davor bewahrt, viel zu viel Geld auszugeben. Ansichtssache eben. Das wirft freilich die Frage auf: Ist Basisdemokratie wirklich sinnvoll? Oder sollte man nicht doch lieber die gewählten Gremium entscheiden lassen? Demokratie ist selbstverständlich sinnvoll – auch Basisdemokratie. Sie krankt allerdings an zwei Stellen: Nicht selten entscheiden sich etwa Stadträte, Themen den Bürgern zur Entscheidung zu stellen, wenn sie selbst entscheidungsfaul sind und unbequeme Themen nicht durchentscheiden wollen. Und: Häufig entscheiden faktisch Minderheiten über die Geschicke zum Beispiel einer Stadt, weil die Wahlmüden zu bequem sind, ihr Kreuzchen zu machen. So geschehen in meiner schönen Heimatstadt Schrobenhausen. Dort haben die Bürger genau das Gegenteil gemacht – nämlich nicht verhindert, sondern etwas in Gang gesetzt, was die Stadt ebenso vor Probleme stellt: Sie haben mit knapp 50 Prozent der tatsächlich abgegebenen Stimmen (die Wahlbeteiligung lag gerade mal bei knapp über 20 Prozent) die Umgestaltung der Altstadt beschlossen. Das Problem: Woher die Stadt die rund zehn Millionen Euro nehmen soll, um das Projekt umzusetzen, bleibt ein Rätsel, das die Bürger nicht gelöst haben. Der UBB ist höchst basisdemokratisch: Sie entscheiden, ob Ihnen das gefällt, was wir Ihnen monatlich servieren. Wir hoffen es sehr. In jedem Fall wünschen wir Ihnen viel Freude beim Lesen! Alles Gute wünscht Ihnen Ihr

Dr. jur. Günther Schalk, Chefredakteur UBB

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Kurz informiert

Der alljährliche Blick in die Kristallkugel

Bauwirtschaft rechnet für 2016 mit Umsatzwachstum Verbände prognostizieren Umsatzplus von 3 Prozent

Wie wird das neue Jahr laufen? Eine Frage, die sich nicht nur jede Baufirma zum Jahreswechsel stellt. Die Verbände glauben die Antwort auf diese Frage zu wissen: „Für 2016 erwarten wir für das Bauhauptgewerbe ein Umsatzwachstum von 3 % auf 89 Mrd. Euro. Das ist ein Plus von 2,5 Mrd. Euro“, erklärte der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes, Dr.-Ing. Hans-Hartwig Loewenstein. 2015 seien sowohl der Wirtschaftsbau als auch der öffentliche Bau „deutlich hinter den Erwartungen zurück geblieben“. Das Plus von rund 2 % im Jahr 2015 sei besonders der Entwicklung im Wohnungsneubau zuzuschreiben. Rund 265.00 neue Wohnungen seien entstanden (Vorjahr: 245.000). Loewenstein fordert eine Verkürzung der Planungsund Genehmigungsverfahren. Darüber hinaus sollten die Afa auf 4 % erhöht, die degressive Afa für private Investoren im sozialen Wohnungsbau wieder eingeführt und die Fördermittel des Bundes verdoppelt werden. Ähnlich lauten auch die Prognosen der Bundesvereinigung Bauwirtschaft. Deren Vorsitzender Karl-Heinz Schneider erwartet ein Umsatzplus von 2,5 % bei stabiler Beschäftigung. Ein stabiles Wachstum prognostiziert er auch für den Ausbaubereich und die Gebäudetechnik. Kritik übt Schneider am Referentenentwurf zum neuen Bauvertragsrecht, an dem die Bundesregierung gerade arbeitet. Dieser würde die Situation der Baufirmen „deutlich verschlechtern“. Das sei „mit Blick auf die anstehende Herkulesaufgabe nicht zu verantworten. Wir appellieren daher an die Bundesregierung, die dringend notwendigen Baumaßnahmen nicht durch die Diskussion über einen völlig unausgegorenen Gesetzentwurf zu behindern.“ Projekt Zukunftssicherung

Kooperationen im Mittelstand: Fehler vermeiden bringt Erfolg Chancen: Kosten senken, Risiken mindern und in neue Märkte eintreten

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„Die Rahmenbedingungen verändern sich, Unternehmen stehen vielfach unter Druck ihrer Kunden und Wettbewerber. In diesem Umfeld können Kooperationen ein Weg sein, um besser zu werden, etwas Neues zu beginnen oder über seine bisherigen Grenzen hinauszuwachsen.“ Mit diesem Appell wandte sich Prof. Dr. Theresia Theurl von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster an die Teilnehmer der Herbstfachtagung des Berufsverbands „Die KMU-Berater – Bundesverband freier Berater e.V.“. Die Motive und Ziele sowie das Umfeld von Kooperationen könnten sehr unterschiedlich sein, die zu beachtenden Konstruktionsprinzipien, Hürden und Erfolgsfaktoren seien aber für alle Arten von Kooperationen die gleichen, betonte Theurl. Speziell bei kleinen und mittleren Unternehmen gebe es zwei gegenläufige Ziele: Klein bleiben bedeute, die unternehmerische Selbstständigkeit, Identität und Verwurzelung zu erhalten. Groß wirken können Unternehmen in Kooperationen zum Beispiel dadurch, dass sie voneinander lernen, Kosten senken, Risiken mindern oder in neue Märkte eintreten. Allerdings stolperten Unternehmen immer wieder über die gleichen Fehler – so etwa fehlende oder unterschiedliche Ziele, ungeeignete Partner oder nicht ausreichend klare Spielregeln für eine Zusammenarbeit, die Konflikte verursachten. „In Kooperationen arbeiten Menschen zusammen, die man nicht überfordern darf aber auch fordern muss. Bei aller Bedeutung von demokratischen Diskussionen am Ende müssen Entscheidungen möglich sein“ so Theurl. Kooperationen seien dann erfolgreich, wenn die beteiligten Unternehmen von Beginn an darauf achten, dass die Grundidee für alle Partner tragfähig sei und diese auch zusammen passen.

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Baubetrieb

Schlichtung, Adjudikation & Co

Streitbeilegung in Bausachen ohne Hilfe des Gerichts Von Prof. Stefan Leupertz, Essen Bauprozesse sind zeitaufwändig und schwerfällig. Weil sie zudem in aller Regel erst beginnen, wenn die Baumaßnahme abgeschlossen ist, liegen zwischen der Entstehung eines bauvertraglichen Streits und seiner gerichtlichen Bescheidung oft Jahre, bei größeren Prozessen über mehrere Instanzen nicht selten sogar eine Dekade und mehr. Solche Verfahren binden in erheblichem Umfang Zeit und – bei gewerblich tätigen Parteien – Personal; die dadurch bedingten Transaktionskosten sind enorm und rasch höher als der Ertrag aus einem (regelmäßig nur teilweise) erfolgreich geführten Bauprozess.

Prof. Stefan Leupertz (Foto: privat)

Hinzu kommt, dass die staatlichen Gerichte zuweilen überfordert sind mit der Feststellung und rechtlichen Beurteilung überaus komplexer bauvertraglicher Lebenssachverhalte, wie sie sich insbesondere bei umfangreichen Nachtragsstreitigkeiten und bei Auseinandersetzungen über die Folgen von Bauverzögerungen ergeben. Es fehlt, ohne dass damit ein Vorwurf an die Richter verbunden sein muss, schlicht an rechtlichem Spezialwissen und baubetrieblicher bzw. bautechnischer Expertise. Vor diesem Hintergrund lohnt es sich ganz besonders, einen Blick auf außergerichtliche Streitlösungsverfahren zu werfen, von denen die Bau- und Anlagenbaubranche zunehmend Gebrauch macht.

Ziel: Schnelle und kompetente Entscheidung Die einleitenden Erwägungen lassen sich entgegen so mancher öffentlichen Äußerung sicher nicht zu der These verdichten, wer in Bausachen den Gang zu den staatlichen Gerichten gehe, habe bereits verloren. Gleichwohl ist es verständlich und richtig, dass die Praxis andere Konfliktlösungsmethoden verfolgt, mit denen bauvertragliche Streitigkeiten schnell und kompetent beigelegt oder entschieden werden können.

„Verständlich und wichtig, Konflikte alternativ zu lösen“

Diese Konfliktlösungsmethoden, die weit mehr als in Deutschland im englischen und anglo-amerikanischen Rechtsraum zum Einsatz gelangen, werden gemeinhin unter dem Begriff „Alternative Dispute Resolution“ oder kurz: „ADR“ zusammengefasst. Zu nennen sind: n n n n n

Schiedsgericht Schlichtung Adjudikation Mediation Schiedsgutachten

Grenzen zwischen den einzelnen Modellen fließend Die Grenzen zwischen diesen Formen außergerichtlicher Streitbeilegung bzw. Streitentscheidung sind fließend. Während Mediation [1] und Schlichtung [2] ohne eine bindende Entscheidung des Mediators/Schlichters auskommen und ganz auf die Herbeiführung einer gütlichen Einigung der Beteiligten setzen, ist die insbesondere in England erfolgreich praktizierte

Unterschied: Schlichter oder Parteien entscheiden

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Baubetrieb

Adjudikation [3] vorbehaltlich einer auch dort präferierten Einigung der Streitparteien in der Regel auf eine rasche, jedenfalls vorläufig bindende Entscheidung des Adjudikators gerichtet.

Voraussetzung: Beteiligte sind zur Kooperation bereit

Mediation, Schlichtung und Adjudikation ist gemein, dass sie auch baubegleitend eingesetzt werden und so dabei helfen können, das Streitpotenzial gering zu halten und veritable Rechtsstreitigkeiten mit zementierten Rechtspositionen der Parteien gar nicht erst entstehen zu lassen. Das alles spart jedenfalls dann viel Zeit und Geld, wenn die Beteiligten grundsätzlich zur Kooperation bereit sind und keine Obstruktion betreiben wollen. Mediation, Schlichtung und Adjudikation setzen voraus, dass sie vertraglich vereinbart sind. Mehrere Institutionen haben hierzu für die Praxis Musterklauseln und Verfahrensordnungen bereitgestellt. Zu nennen sind insbesondere: n

n

n

Schlichtungs- und Schiedsordnung für Baustreitigkeiten (SOBau) der ARGE-Baurecht im DAV die Streitlösungsordnung für das Bauwesen der Deutschen Gesellschaft für Baurecht e.V. (SL-Bau) Schlichtungsordnung, Mediationsordnung und Verfahrensordnung für Adjudikation der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS)

Darüber hinaus existieren zahlreiche weitere Verfahrensordnungen für internationale Schieds-, Mediations- und Adjudikationsverfahren.

Klassiker: Schiedsgutachten und Schiedsgericht Schiedsgutachten entfaltet Bindungswirkung

Das Schiedsgutachten [4] hat mit den vorgenannten Streitlösungsmodellen gemein, dass seine Einholung keinem gesetzlich geregelten Verfahren unterliegt und insoweit allein die rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen der Parteien maßgebend sind. Es unterscheidet sich von ihnen dadurch, dass es in dem durch §§ 317ff. BGB vorgegebenen Umfang Bindungswirkung entfaltet. Völlig anders konzipiert ist das klassische Schiedsgerichtsverfahren, das gewissermaßen an die Stelle des Erkenntnisverfahrens vor den staatlichen Gerichten tritt. Hierzu findet sich, soweit nationales Recht anwendbar ist, in den §§ 1025ff. ZPO ein detailliert ausgestalteter Regelungskanon, der allerdings Raum lässt für die rechtsgeschäftliche Vereinbarung anderer bzw. ergänzender Verfahrensregeln.

Schiedsgerichtliche Verfahren mit „Scharnierwirkung“ Schiedsgericht unterliegt staatlichem Verfahrensrecht

Das schiedsgerichtliche Verfahren wirkt als Scharnier zwischen einer an Dritte delegierten außergerichtlichen Streitentscheidung und ihrer staatlichen Durchsetzung. Deshalb unterliegt es einem staatlichen Verfahrensrecht, welches die rechtstaatlichen Mindestanforderungen an ein geordnetes Streitverfahren enthält und die Überprüfung und Vollstreckung eines auf dieser Grundlage erlassenen Schiedsspruches regelt. Maßgebend ist dabei nach dem Territorialprinzip das nationale Verfahrensrecht des Landes, in dem der Schiedsort liegt, was sich für das deutsche Recht aus § 1025 Abs. 1 ZPO ergibt. Für inländische Schiedsgerichtsverfahren – nur von diesen soll hier die Rede sein – ist das Verfahren in §§ 1025 bis 1066 ZPO geregelt. Die Vorschriften betreffen sog. Ad-hoc-Schiedsverfahren, bei denen die Parteien über eine erforderliche Schiedsvereinbarung hinaus keine weiteren Verfahrensregeln verabredet haben. Hiervon zu unterscheiden sind sog. administrierte

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Schiedsverfahren mit vereinbarter Schiedsverfahrensordnung, die gemäß § 1042 Abs. 4 ZPO zulässig sind. In der Praxis wird häufig auf solche bereitliegenden, auf den Baubereich zugeschnittenen Schiedsverfahrensordnungen zurückgegriffen (s.o.). Möglichkeit zur eigenen Auswahl der Mitglieder des Gerichts Baustreitigkeiten vor staatlichen Gerichten leiden oft darunter, dass das zuständige Gericht keine Erfahrung mit komplexen Baustreitigkeiten hat und die erforderlichen bautechnischen und baubetrieblichen Fachkenntnisse nicht besitzt. Bei einem schiedsrichterlichen Verfahren haben die Parteien die Möglichkeit, die Mitglieder des Schiedsgerichts selbst auszuwählen, also Baurechtsspezialisten zu berufen. Nicht selten ist es dadurch gewährleistet, dass die Streitsache überhaupt in angemessener Zeit und mit tragbaren Kosten beschieden wird [5].

Vorteil: Schiedsgericht besteht aus Baurechtsexperten

Kostengünstiger als Gerichtsprozess? Zweifelhaft! Es ist immer wieder zu lesen, dass ein Schiedsverfahren im Ergebnis kostengünstiger sei als ein Verfahren vor den ordentlichen Gerichten. Ob das in dieser Allgemeinheit zutrifft, erscheint zweifelhaft. Denn soweit tatsächliche und technische Fragen geklärt werden müssen, werden im Rahmen eines schiedsrichterlichen Verfahrens ebenso Gutachterkosten entstehen wie vor einem ordentlichen Gericht, zumal das Honorar für die Sachverständigen in Schiedsgerichtsverfahren nicht selten über den für staatliche Verfahren maßgebenden Sätzen des ZSEG liegen. Die Schiedsrichter erhalten regelmäßig eine Vergütung in Anlehnung an die Bestimmungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Vor diesem Hintergrund ergibt sich ein Kostenvorteil allenfalls aus dem Gesichtspunkt, dass das schiedsrichterliche Verfahren keinen Instanzenzug vorsieht, der bei Verfahren vor den staatlichen Gerichten erhebliche Mehrkosten verursachen kann. Ansonsten dürfte ein Schiedsgerichtsverfahren eher teurer sein als ein Verfahren vor staatlichen Gerichten. Bei der Einschätzung ist allerdings zu beachten, dass die Verfahrensdauer vor einem Schiedsgericht deutlich kürzer sein kann, zumal es Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Schiedsgerichts nicht gibt.

Schiedsgericht geht nur über eine Instanz

Problem: Einbeziehen von Dritten Ein wesentlicher Nachteil des Schiedsgerichtsverfahrens ist die nicht bestehende Möglichkeit, Dritte durch Streitverkündung in das Verfahren einzubeziehen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn sich der Dritte den Wirkungen des Schiedsspruchs unterwirft, woran er in aller Regel kein Interesse haben wird.

Vor Schiedsgericht keine Streitverkündung möglich

Unmittelbar wirkt die Schiedsgerichtsvereinbarung nur zwischen den Parteien. Gerade bei komplexen Bauvorhaben haben diese Parteien indes ein starkes Interesse an der Einbeziehung Dritter in eine (gerichtliche) Klärung. So hat der Generalunternehmer ein Interesse daran, dass bei Streit über Mängelrechte des Auftraggebers die jeweils „betroffenen“ Nachunternehmer mit einbezogen werden, um für den Fall, dass sich eine Verantwortlichkeit des Generalunternehmers bestätigt, das selbe Ergebnis auch im Verhältnis Generalunternehmer/Nachunternehmer feststeht. Entsprechende Konstellationen gibt es bei der Beteiligung von Architekten und Sonderfachleuten. Diesem Be-

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dürfnis lässt sich im Rahmen eines schiedsrichterlichen Verfahrens kaum angemessen Rechnung tragen.

Schlichtung: Moderierter Einigungsversuch Schlichtung soll zu eigener Einigung verhelfen

Ein gebräuchliches Instrument für die Beilegung von Streitigkeiten über die Abwicklung von Bau- und Anlagenbauverträgen ist die Durchführung einer Schlichtung. Deren Ziel ist es, den beteiligten Parteien zu einer gütlichen Einigung zu verhelfen. Dabei soll der Schlichter, den die Parteien auswählen und bestimmen, den Einigungsversuch moderieren und den Parteien gegebenenfalls einen Vergleichsvorschlag unterbreiten. Durchaus üblich ist es zudem, dass der Schlichter im Falle des Scheiterns der Vergleichsbemühungen eine gutachterliche Stellungnahme zur Beantwortung der ihm unterbreiteten Streitfragen vorlegen soll. Demgegenüber hat der Schlichter in aller Regel keine Befugnis, bindende Entscheidungen zu treffen. Grundlage für die Durchführung einer Schlichtung ist eine auf den konkreten Streitfall bezogene Schlichtungsvereinbarung der beteiligten Parteien, in der üblicherweise auch die Regeln für das Schlichtungsverfahren festgelegt werden. Mehrere nationale Institutionen haben Musterklauseln und Verfahrensordnungen entwickelt, auf die in diesem Zusammenhang zurückgegriffen werden kann.

Adjudikation: Der Schlichter entscheidet den Streit Adjudikation bedarf einer vertraglichen Vereinbarung

Der Begriff Adjudikation (Dispute Adjudication) beschreibt ein vor allem im angelsächsischen Rechtsraum verbreitetes Verfahren zur außergerichtlichen Beilegung von Streitigkeiten zwischen zwei oder mehreren Vertragspartnern. Es setzt eine entsprechende vertragliche Vereinbarung der beteiligten Parteien voraus, die schon im Bau- bzw. Anlagenbauvertrag getroffen werden kann. Durchgeführt wird das Adjudikationsverfahren von einem oder mehreren Adjudikatoren, dem Dispute Adjudication Board (DAB). Über die Ausgestaltung des Adjudikationsverfahrens im Einzelnen und die Besetzung des DAB entscheiden die Parteien, gegebenenfalls ebenfalls schon bei Abschluss des Bauvertrages. Das ermöglicht die Vereinbarung individuell auf die Bedürfnisse der Parteien zugeschnittener Verfahrensregeln, die allerdings in jedem Fall rechtsstaatlichen Grundanforderungen genügen sollten.

Möglichst rasche Entscheidung durch kompetente Fachleute

Ziel der Dispute Adjudication ist es, einen eventuellen Streit über die Abwicklung des Bau- oder Anlagenbauvertrages möglichst rasch durch kompetente Fachleute entscheiden zu lassen. Darin liegt der Unterschied zur klassischen Schlichtung, die auf eine gütliche Einigung der Parteien abzielt und dem Schlichter in aller Regel nicht die Kompetenz für eine die Parteien bindende Entscheidung verleiht. Vom Schiedsgericht unterscheidet sich die Dispute Adjudikation vor allem durch die Rechtsnatur und die Bindungswirkung der vom DAB zu treffenden Entscheidung. Sie ist – je nach den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien – nur vorläufig bindend und unterliegt grundsätzlich der Überprüfung durch die ordentlichen Gerichte, deren Anrufung allerdings zumindest für die Dauer des Adjudikationsverfahrens suspendiert ist.

Fehlende Umsetzung kann sanktioniert werden

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Die Durchsetzung einer (vorläufig) bindenden Entscheidung des DAB erfolgt nicht notwendig im Wege der Vollstreckung mit staatlicher Hilfe. Es reicht gegebenenfalls aus, dass die Nichtbefolgung der Entscheidung des DAB kraft

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vertraglicher Vereinbarung der Parteien eine schwere Verletzung vertraglicher Pflichten darstellt, die mit Sanktionen (Schadensersatz, Kündigung aus wichtigem Grund, Vertragsstrafe etc.) belegt werden kann.

Tipp: Adjudikation bereits baubegleitend einsetzen Besonders effektiv kann die Adjudikation als baubegleitendes Streitvermeidungs- und Streitbeilegungsinstrument eingesetzt werden. Bei größeren Baumaßnahmen lohnt sich die Implementierung eines DAB als sogenanntes „Stand-by-Board“, das die Baumaßnahme von Anfang an begleitet und bei Bedarf ganz kurzfristig schon für eine mediative Streitschlichtung hinzugezogen werden kann.

Besetzung mit Jurist und Techniker zu empfehlen

Scheitern die Einigungsversuche, entscheidet das DAB auf einer zweiten Stufe den Streit nach obigen Kriterien. Hierfür bedarf es in aller Regel sowohl juristischen als auch bautechnischen bzw. baubetrieblichen Sachverstands. Deshalb sollte das baubegleitend eingesetzte DAB mit jeweils mindestens einem Fachjuristen und einem ebenso hochqualifizierten Ingenieur besetzt sein.

„Vorteile sind immens“ Die Vorteile eines solchen baubegleitenden Streitbeilegungsverfahrens sind immens. Schon sein Vorhandensein hält die Parteien dazu an, unnötigen Streit zu vermeiden. Weil es eine rasche Beendigung etwaiger Auseinandersetzungen über die Abwicklung des Bauvertrages gewährleistet, wird vermieden, dass die Baumaßnahme zum Erliegen kommt, weil die Parteien sich über die Parameter für ihre Fortführung nicht einigen können.

Erliegen der Baustelle wird vermieden

Bei Streit über die Höhe von Nachtragsforderungen ergeht zeitnah eine vorläufig bindende Entscheidung über den zu zahlenden Betrag; so wird dringend benötigte Liquidität sichergestellt, was am Ende der Qualität der Bauleistungen zugute kommt. Und nicht zuletzt: Die mit enormen Transaktionskosten verbundene nachläufige gerichtliche Klärung bauvertraglicher Streitigkeiten entfällt weitgehend. n Quellen: [1] Zur Mediation in Bausachen: Englert/Franke/Geiger, Streitlösung ohne Gericht. Schlichtung Schiedsgericht und Mediation in Bausachen, 2006, Rn 182ff.; Flucher/Kochendörfer/v. Mickwitz/Viering, Mediation im Bauwesen, 2003; Wagner, NZBau 2001, 169; ders. BauR 2004, 221 [2] Zur Schlichtung in Bausachen: Englert/Franke/Geiger, Streitlösung ohne Gericht. Schlichtung Schiedsgericht und Mediation in Bausachen, 2006, Rn 124ff.; Prütting, Außergerichtliche Streitschlichtung, 2003 [3] Zur Adjudikation: Lembcke, NZBau 2007, 273; ders. ZfIR-Report 2007, 76; Schramke NZBau 2002, 409; vgl. auch die Berichte aus dem Arbeitskreis VII – Außergerichtliche Streitbeilegung – der Baugerichtstage 2008 und 2010 in BauR 2008, 1768 ff. und BauR 2010, 1421 ff. [4] Schiedsgutachten: Roquette/Otto, C. VII. 3., S. 544 Rn 1; Koeble BauR 2007, 116 [5] Kniffka, NZBau 2000, 2. [6] vgl: Roquette/Kunkel, Jahrbuch Baurecht 2004, 269; Bietz, NZBau 2003, 177.

Zum Autor: Prof. Stefan Leupertz war Richter im „Bausenat“ des BGH, bis er Ende 2012 auf eigenen Wunsch aus dem Richterdienst ausschied. Er ist seitdem als Freiberufler in Essen mit seiner Firma „Leupertz Baukonfliktmanagement“ als Schiedsrichter, Schlichter, Adjudikator und Rechtgutachter in Bauund Anlagensachen vor allem für baubegleitende Streitvermeidung und Streitbeilegung tätig. Er ist Honorarprofessor für Bauvertragsrecht an der TU Dortmund und Lehrbeauftragter für Bauvertragsrecht an der Philipps-Universität Marburg. Seit Mai 2012 ist er Vorsitzender des Vorstandes des Deutschen Baugerichtstages e.V.

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Baubetrieb

BVMB-Neujahrsempfang/Tag der mittelständischen Bauwirtschaft:

Bundesverkehrsminister Dobrindt hält Festrede bei der BVMB Macher und Entscheider treffen sich bei der BVMB in Bonn

Bald ist es wieder soweit: Der traditionelle Tag der mittelständischen Bauwirtschaft inklusive Neujahrsempfang der Bundesvereinigung Mittelständischer Bauunternehmen e.V. (BVMB) findet in diesem Jahr am 15. Februar 2016 – wie seit Jahrzehnten üblich – in Bonn statt. Hier treffen sich alljährlich die „Macher und Entscheider“ aus dem Bau-Mittelstand zum Erfahrungsaustausch mit Politik, Verwaltung und Auftraggeberseite aus ganz Deutschland. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt hat bereits seine Teilnahme zugesagt und wird die Festrede halten. So sieht das Programm aus: 11:30 Uhr 14:15 Uhr

17:30 Uhr

19:00 Uhr

Mitgliederversammlung Informationsveranstaltung Sie kriegen die Krise? Reden oder Schweigen als Erfolgsfaktor in Krisen- und Katastrophensituationen, anschließend kabarettistische Einlage Neujahrsempfang Begrüßungsrede: Thorsten Bode, Präsident der BVMB Festrede: Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur Schlusswort: Michael Gilka, Hauptgeschäftsführer der BVMB Geselliges Beisammensein

Besondere Anforderungen vom Konzept bis zur Realisierung

Wie sieht „barrierefrei“ aus? Intelligente und integrierte Planung spart Kosten

Wie sieht eine Stadt-, Quartiers- und Verkehrsentwicklung unter Berücksichtigung barrierefreier Aspekte aus? Dieser Frage gingen Experten bei einem „Zukunftsforum“ im hessischen Friedberg nach. Die Anforderungen an einen barrierefreien Alltag mit planerischen und baulichen Konzepten zur Standortund Raumplanung sind hoch und stellen die Beteiligten vor große Herausforderungen. Viele Gesetze definieren Barrierefreiheit von baulichen Anlagen bis zum öffentlichen Personennahverkehr – ein Spannungsfeld für eine wirtschaftliche und bedarfsgerechte Umsetzung. „Die Herstellung von Barrierefreiheit in allen Bereichen des Lebens ist für uns ein zentrales Anliegen“, so der stellvertretende hessisch-thüringische VdK. Um Chancengleichheit und Teilhabe zu gewährleisten, sei die Barrierefreiheit eine Grundvoraussetzung. Dass auch in einem schwierigen Umfeld barrierefreie Projekte gut umgesetzt werden können, zeigen ausgewählte Beispiele. Im Fokus steht hierbei der wachsende interdisziplinäre Markt für Ingenieure, Architekten, ausführende Unternehmen und Fachberater. Insgesamt lässt sich feststellen, dass intelligente und integrierte Planungen die Kosten maßgeblich reduzieren können. Schlüssige, nachrüstbare Konzepte, die von Anfang an umsichtig geplant und umgesetzt werden, verhindern Kostensteigerungen oder aufwändige Umbaumaßnahmen in der Zukunft. n

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Baurecht

Urteile für die Baupraxis

Aktuelles aus der Rechtsprechung Von RA Dr. jur. Günther Schalk, FA für Bau- und Architektenrecht und Lehrbeauftragter für Bau- und Vergaberecht an der Humboldt-Universität zu Berlin

„Massenänderungen berechtigen nicht zu Preiskorrektur“? § 2 Abs. 3 VOB/B regelt klar: Über- oder unterschreitet die tatsächlich bearbeitete Menge den vertraglichen Ansatz um mehr als 10 Prozent, ist auf Verlangen der Preis anzupassen. Die Anwendung dieser Norm setzt zunächst voraus – das wird in der Praxis häufig verkannt – dass eine zufällige Mengenänderung eingetreten ist (z.B. Mengenermittlungsfehler) und nicht ein Eingriff (z.B. Änderungsanordnung) des Bauherrn zugrunde liegt. Eine Unsitte aus Sicht der Baufirmen bürgert sich immer mehr ein: Formularmäßige Klauseln sehen nicht selten folgende Regelung vor: „Massenänderungen – auch über 10% – sind vorbehalten und berechtigen nicht zur Preiskorrektur“.

Auftraggeber hatte § 2 Abs. 3 VOB/B ausgeschlossen

In einem Fall, den der BGH jetzt entschieden hat (Beschluss vom 04.11.2015 – VII ZR 282/14), war diese Klausel in einem VOB-Einheitspreisvertrag enthalten. Ein Bauunternehmen hatte eine Lärmschutzwand zu errichten und setzte einen Subunternehmer ein. Im Auftragsschreiben an den Sub stand diese Regelung. Im Rahmen der Ausführung stellte sich heraus, dass in diversen Positionen erhebliche geringere Mengen anfielen. So zum Beispiel war die Fläche der zurückzubauenden Baustraße nur 650 m2 statt vereinbarter 9.750 m2 groß. Auf Grund dessen rechnete der Nachunternehmer rund 55.000 Euro ab. Er machte neben der Vergütung für die Leistungen einen Ausgleich für eine Unterdeckung der Allgemeinen Geschäftskosten und der kalkulatorischen Ansätze für Wagnis und Gewinn geltend. Der Auftraggeber verweigerte die Zahlung und verwies auf die strittige Klausel, wonach § 2 Abs. 3 VOB/B ja ausgeschlossen worden sei. Der Subunternehmer klagte. Der BGH urteilte im Leitsatz: Die vom Auftraggeber in einem VOB-Einheitspreisvertrag formularmäßig gestellte Klausel „Massenänderungen – auch über 10 % – sind vorbehalten und berechtigen nicht zur Preiskorrektur“ ist wegen unangemessener Benachteiligung des Auftragnehmers unwirksam. Denn mit ihr wird nicht nur eine Preisanpassung zugunsten des Auftragnehmers nach § 2 Abs. 3 VOB/B ausgeschlossen, sondern darüber hinaus auch eine Preisanpassung nach den Grundsätzen über die Störung der Geschäftsgrundlage (BGB § 313).

BGH: „Unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers“

Es bleibt allerdings abzuwarten, was am Ende aller Tage rechtskräftig feststehen wird: Der BGH hat den Rechtsstreit nämlich an das OLG zurückverwiesen. Es wird noch weitere Hausaufgaben zu erledigen und den Fall noch einmal zu entscheiden haben.

Gutachter kritisiert „Prozesshanselei“: befangen! Bauprozesse werden regelmäßig zwar formell vom Richter entschieden, faktisch aber nicht selten von einem Gerichtsgutachter. Das liegt daran, dass oftmals technische Sachverhalte ausschlaggebend sind, in welche Richtung die gerichtliche Entscheidung am Ende geht. Nicht immer gelingt es den Parteien und deren Anwälten, eine Richtung, die ein Gutachter einmal eingeschlagen hat, wieder zu ändern. Es geht das Gerücht um, dass manche Anwälte in solchen scheinbar auswegslosen Situationen versuchen, den Sachverständigen

Befangenheit des Gutachters als Rettungsanker?

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Baurecht

anderweitig „abzuschießen“. Eine solche Möglichkeit liegt darin, den Gutachter zu „verführen“, Äußerungen zu tätigen, die nach dem Rechtsverständnis dessen Befangenheit begründen. Erfolgreich praktiziert hat das eine Partei in einem Verfahren, das jetzt vor dem OLG Hamm endete (Beschluss vom 28.07.2015 – 9 U 160/13). Ein Gutachter war gerichtlich bestellt worden. Der Beklagtenvertreter beantragte – was das Prozessrecht regulär ermöglicht – den Sachverständigen zu laden. Das tat der Gutachter als „Prozesshanselei“ ab, weil doch schließlich klar sei, dass sich ein Sachverständiger nach hier fünf Jahren nicht mehr an alle Einzelheiten erinnern könne. Das, so das OLG Hamm, war allerdings zu viel des Guten: OLG: „Zweifel an der Unbefangenheit des Sachverständigen“

Die Äußerung des Sachverständigen im Rahmen der mündlichen Erstattung und Erläuterung seines Gutachtens, die Stellung eines Beweisantrags durch eine Partei stelle sich als Prozesshanselei dar, begründet Zweifel an der Unbefangenheit des Sachverständigen. Damit hatte die Beklagtenpartei den Gutachter zu Recht abgelehnt. Es steht ihm nicht zu, über seinen Gerichtsauftrag hinaus eigenständige Bewertungen der Erfolgsaussichten vorzunehmen – und das erst recht nicht in einer derart despektierlichen Form. Die Beklagte war mit ihrer Ablehnung damit erfolgreich.

Zuviel getankt? Bauleiter vor dem Strafrichter Vier Verhandlungstage für 690 Euro „Schaden“

Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste – schneller als man denkt, kann der Staatsanwalt in der Firma stehen. Wir hatten in unserem UBB-Hauptaufsatz in Heft 9/2015 über das Thema ausführlich berichtet. Einen aktuellen Fall, der zu denken gibt, hat am 26.11.2015 das LG Koblenz in der Berufungsinstanz entschieden (8 Ns 2050 Js 21678/08). Der ursprüngliche Vorwurf der Bestechlichkeit bzw. Bestechung war zwar zu Vorteilsannahme bzw. Vorteilsgewährung „geschrumpft“. Dennoch wurden der Bauleiter eines Autobahnamts und der Bauleiter einer Baufirma nach vier(!) Verhandlungstagen zu Geldstrafen von 150 bzw. 90 Tagessätzen verurteilt. Was war passiert? Der Auftraggeberbauleiter hatte zehn Mal sein dienstlich genutztes Privatfahrzeug mit deren Einverständnis auf die Tankkarte der Baufirma getankt. Diese hatte die Tankbelege gesammelt, verbucht, aber nicht sofort abgerechnet, sondern erst einige Monate später. Das Amt und daraufhin deren Bauleiter hatten dann die Betankungen ordnungsgemäß bezahlt. Ein Schaden war insoweit nicht eingetreten. Dieser „Schaden“ lag übrigens ursprünglich bei gerade einmal 690 Euro.

„Baufirma wollte Auftraggeber gefügig machen“

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Das LG Koblenz hob die erstinstanzlichen Freisprüche auf. Es sah die für eine Verurteilung erforderliche Unrechtsvereinbarung (das heißt: der AG-Bauleiter nimmt als Gegenleistung eine Diensthandlung vor) darin, dass die Baufirma mit der Tankmöglichkeit den AG-Bauleiter „gefügig“ machen wollte, damit er die weiteren Abschlagsrechnungen zügig bearbeite. Nachweise dafür hatte das LG zwar nicht. Die in mehreren Verhandlungstagen vernommen Zeugen hatten ebenso nichts in diese Richtung bekundet. Die Tankungen fanden in zeitlichem Zusammenhang mit lediglich einer von 24 Abschlagsrechnungen statt. Diese wurde im Amt zwar vergleichsweise rasch bearbeitet, aber dennoch erheblich zusammengestrichen. Im Übrigen hatte der AG-Bauleiter weder die Entscheidungsmacht über Nachträge noch über die Freigabe von Zahlungen. Das störte das Schöffengericht allerdings wenig. Angesichts des mehr als erstaunlichen Urteils gingen die beiden Angeklagten in Revision. n

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Baubetrieb

Bilanzierung

Neue Rechenregeln zur Pauschwertberichtigung Ein kritischer Blick des Betriebsprüfers des Finanzamts gilt meist den bilanzierten Forderungen eines Bauunternehmens. Insbesondere die Pauschalwertberichtigung dürfte nach einem Infoschreiben der Finanzverwaltung ins Visier der Prüfer rücken. Bei der Ermittlung der Pauschalwertberichtigung orientieren sich Unternehmer meist an den Erfahrungen beim Forderungseingang aus der Vergangenheit und beziehen weitere Faktoren ein. Der Finanzsenat Berlin hat nun jedoch klargestellt, dass nicht mehr alle dieser Faktoren berücksichtigt werden dürfen (FSen Berlin, Erlass v. 31.7.2015, Az. III B – S 2174 – 108 – 1). Welche Faktoren sprechen für eine Pauschalwertberichtigung (PWB)? Ausfallrisiko

Das Ausfallsrisiko ist bei der Höhe der PWB das zentrale Kriterium. Hier sind Erfahrungswerte der letzten drei Jahre heranzuziehen.

Skonti und sonstige Erlösschmälerungen

Auch diese Kriterien wirken sich nach wie vor auf die Höhe der PWB aus.

Ausfallrisiko: Vergangene drei Jahre als Vergleichswert

Zinsverlust

Zinsverluste haben keinen Einfluss mehr auf die Höhe der PWB. Mögliche Mahngebühren oder Prozesskosten dürfen sich nicht mehr auf die Höhe der PWB Einziehungsrisiko Mögliche Mahngebühren oder Prozesskosten dürfen sich auswirken. nicht mehr auf die Höhe der PWB auswirken.

UBB-Tipp: Hintergrund dieser Verwaltungsauffassung, die bundeseinheitlich abgestimmt ist, ist die Regelung, wonach eine Abwertung von Forderungen nur noch stattfinden darf, wenn eine dauernde Wertminderung unterstellt wird. Zinsverluste und Kosten für das Einziehungsrisiko führen aber nicht zu einer dauernden Wertminderung der Forderung. n

Dauernde Wertminderung als Voraussetzung

Lohnsteuer/Sozialversicherung

Behandlung von Arbeitslohnspende bei Minijobbern Vereinbaren ein Arbeitgeber und ein Minijobber eine Arbeitslohnspende für Flüchtlinge, stellt sich in der Praxis die Frage, wie diese Spende sozialversicherungsrechtlich und steuerlich zu behandeln ist. Die Antwort kommt von der Minijobzentrale.

Pauschale oder individuelle Lohnsteuer?

In einem Newsletter weist die Minijobzentrale darauf hin, dass Arbeitslohnspenden von Minijobbern je nachdem, ob der Arbeitgeber pauschal 2% Lohnsteuer oder die individuelle Lohnsteuer für das Gehalt eines Minijobbers abführt, folgendermaßen zu behandeln sind (Newsletter Nr. 8/2015 v. 29.10.2015):

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Baubetrieb

Pauschale Lohnsteuer von 2%

Spende ohne Auswirkungen auf Pauschalabgaben

Individuelle Lohnsteuer

Sozialversicherung

Die Pauschalabgaben für Kranken- und Rentenversicherung sowie die Umlagen sind vom vollen Minijobgehalt einzubehalten. Die Arbeitslohnspende hat keine Auswirkung auf die Höhe der Pauschalabgaben.

Steuern

Minijobgehalt ist nicht um die Arbeitslohnspende zu reduzieren.

Sonderausgabenabzug Minijobber kann für die für Spenden Spende Sonderausgaben geltend machen.

Arbeitslohnspende reduziert Minijob-Gehalt bei Ermittlung der individuellen Lohnsteuer. Minijobber darf für die Spende keinen Sonderausgabenabzug beantragen.

Lohnsteuer

Dienstwagenbesteuerung bei Leasing-Sonderzahlung Komplizierte Kombination: Leasing und Fahrtenbuch

Bekommt ein Arbeitnehmer einen Dienstwagen zur Verfügung gestellt, muss für die Privatfahrten ein geldwerter Vorteil versteuert werden. Kompliziert wurde es bei der Ermittlung dieses Privatanteils immer dann, wenn für den Dienstwagen ein Fahrtenbuch geführt wurde und der Dienstwagen geleast wurde. Die Lohnsteuerprüfer rechneten die Sonderzahlung den Gesamtkosten des Dienstwagens stets in voller Höhe im Jahr der Zahlung zu, selbst wenn der Arbeitgeber bilanzierte und diese Leasing-Sonderzahlung aktiv abgrenzte und auf mehrere Jahre verteilte. Gute Nachricht für Arbeitnehmer: Die Verteilung der Leasing-Sonderzahlung in der Bilanz ist auch bei der Lohnsteuer anzuwenden (BFH, Urteil v. 3.9.2015, Az. VI R 27/14).

Neue Bewertung führt zu niedrigerer Steuer

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Beispiel: Arbeitnehmerin Huber bekommt einen Dienstwagen zur Verfügung gestellt, der im Dezember geleast wurde. Die Gesamtkosten ohne LeasingSonderzahlung betragen 2.000 Euro. Die Leasing-Sonderzahlung von 12.000 Euro, die im Dezember bezahlt wurde, grenzte der Arbeitgeber in seiner Bilanz auf die Laufzeit des Leasing-Vertrags ab. Im Erstjahr wirken sich von dieser Leasing-Sonderzahlung deshalb nur 334 Euro gewinnmindernd aus. Die Privatnutzung des Dienstwagens liegt bei 20%. So wird der geldwerte Vorteil für Dezember ermittelt So rechnet Arbeitnehmerin Huber

So rechneten die Lohnsteuerprüfer bislang

Gesamtkosten

2.334 Euro

14.000 Euro

Zu versteuernder geldwerter Vorteil (20%)

466,80 Euro

2.800 Euro

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Baustelle

Baustellenanalyse führt zu Leistungssteigerung

Prozessoptimierung im Tunnelbau am Beispiel des Emscherumbaus Von Prof. Dr.-Ing. Alexander Malkwitz und Johann Ehlers, M. Sc., Universität Duisburg-Essen, Essen Der Emscherumbau, das Generationenprojekt der Emschergenossenschaft, soll bis 2020 fertiggestellt werden. Der Umbau des Abwasserkanals in ein unterirdisches Abwassersystem von insgesamt 51 km Länge in einer Tiefe von bis zu 40 Metern steht im Vordergrund des Projekts. Dieser Artikel beschreibt anhand eines Bauabschnitts den Tunnelvortrieb und die Möglichkeiten diesen, am Beispiel des Rohrwechsels, zu optimieren.

Bauabschnitt als größtes Einzelprojekt des Emscherumbaus Der Umbau des Abwasserkanalsystems wurde in mehrere Bauabschnitte unterteilt. Der hier beschriebene Bauabschnitt (BA) 30 (Abb. 1) wird von der Wayss & Freytag Ingenieurbau AG (W&F) durchgeführt. Dieser Bauabschnitt ist das größte Einzelprojekt des Emscherumbaus und verläuft von Dortmund bis Bottrop. Das Auftragsvolumen beträgt ca. 420 Mio. Euro brutto. In Abb. 1: Bauabschnitt 30 des Emscherprojekts [5] dem BA wurden unter anderem sechs Tunnelvortriebmaschinen (TBM) für einen Rohrdurchmesser von DN 1600 bis 2800 eingesetzt. Die in diesem Artikel betrachtete TBM 1 ist eine Vollschnittmaschine mit Erddruckstützung und hat eine Länge von 11,90 m sowie einen Außendurchmesser von 3,635 m bei einem Gewicht von ca. 123 t. Die TBM 1 kommt in dem BA 30 insgesamt für neun Haltungen zum Einsatz. Die Länge der Haltungen, welche durch diese TBM erstellt werden, beträgt insgesamt 6.634 m.

Zwei Hauptprozesse: Vortrieb und Rohrwechsel Der Bauablauf untergliedert sich in die zwei Hauptprozesse Vortrieb und Rohrwechsel. Während des Vortriebs arbeitet sich die TBM im Boden kontinuierlich vorwärts. Der abgebaute Boden gelangt über die Förderschnecke und das Förderband in eine Lore. Der Schutterzug fährt mit der gefüllten Lore zum Startschacht, wo diese mittels eines Krans aus der Baugrube gehoben wird. Da der Vortrieb erst wieder aufgenommen werden kann, wenn eine leere Lore unter dem Förderband steht, wird während der Ausleerung der vollen Lore direkt eine leere Lore wieder unter das Förderband gefahren. Sobald die TBM eine Rohrlänge (4,00 m) vorangetrieben hat, wird der Abbauprozess unterbrochen und der Rohrwechsel eingeleitet. Da sich die Optimierungsansätze auf den Rohrwechsel beziehen, wird dieser detailliert aufgeführt.

Kernansatz: Optimierung des Rohrwechsel-Prozesses

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Baustelle

Analyse durch Zeitmessung der einzelnen Arbeitsschritte

Der Rohrwechsel ist insgesamt in zehn Schritte unterteilt: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.

Stopp des Vortriebs Herausheben der Lore Kappen der Versorgungsleitungen Demontage des Lorengleises Zurückfahren der Presszylinder Einheben eines neuen Vortriebrohres Vorfahren der Presszylinder Koppeln der Versorgungsleitungen Montage des Lorengleises und Verbindung der Gleise im Rohrstrang Einheben und Einfahrt der Lore, Start des Vortriebs

Um die einzelnen Schritte näher bewerten zu können, wurden Zeitmessungen zu den einzelnen Arbeitsschritten durchgeführt und protokolliert. Die Messungen wurden in dem Zeitraum von November 2014 bis Januar 2015 erhoben.

Abb. 2: Vorlage für die Zeiterfassung auf der Baustelle [1]

Während dieser Beobachtungen wurden insgesamt der Einbau von 115 Vortriebsrohren vor Ort beobachtet und 100 Rohrwechsel ausgewertet, welche per Software aufgenommen wurden (Abb. 3). Somit ist eine fundierte Aussage gewährleistet.

Abb. 3: Durchschnittliche Rohrwechselzeiten je Schicht [1]

Zweite Schicht trotz gleicher Voraussetzungen weniger produktiv

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Die Tunnelbauarbeiten wurden im Durchlaufbetrieb mit je drei Schichten zu acht Stunden ausgeführt. Grund hierfür war, dass der beobachtete Abschnitt unter der Emscher und dem Rhein-Herne-Kanal verläuft und somit die Standzeit der TBM unter den Gewässern auf ein Minimum reduziert wurde.

Ergebnisse der Beobachtung: Unterschiedlich produktive Schichten Die Auswertung der Beobachtungen ergab bei den einzelnen Schichten teilweise deutlich unterschiedliche Zeiten für den Rohrwechsel (aus Datenschutzgründen wurden die Zeiten in Prozent angegeben. Die Durchschnittszeit wurde aus den drei untersuchten Schichten gemittelt). Gerade die zweite Schicht setzt sich von den anderen zwei Schichten klar ab. Da die örtlichen

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Baustelle

Randbedingungen der jeweiligen Schichten identisch waren, weisen diese Erkenntnisse auf unterschiedliche Vorgehensweisen der jeweiligen Schichten hin. Um nun das etwaige Optimierungspotential von ca. 30% (Schicht 3) bzw. 22% (Durchschnittszeit) zu identifizieren, wurden die Abläufe der zweiten Schicht detaillierter untersucht. Die Untersuchung wurde weiter in die drei Unterkomponenten Arbeitsabläufe, Geräteeinsatz/Baustellenlogistik und Personal untergliedert.

Unterschiedliches Vorgehen pro Schicht

Arbeitsabläufe – Optimieren von Wegen und Aufgaben Durch die Beobachtungen wurde ersichtlich, dass in Schicht 2 die Rollen, Aufgaben und Arbeitsbereiche der Arbeitskräfte klar definiert waren. Die anstehenden Arbeitsschritte waren vorbereitet und konnten so effizienter als in den anderen Schichten durchgeführt werden. Gerade durch die Festlegung der Arbeitsbereiche wurden ein gegenseitiges Behindern sowie unnötige Arbeitswege verhindert (z.B. bei Arbeitsschritt 8 Koppeln der Versorgungsleitungen, da so ein unnötiges „Klettern“ über die Hauptpressstation entfiel).

Gegenseitiges Behindern und unnötige Arbeitswege verhindern

Das Ergebnis dieser Komponente zeigt auf, dass eine klare Definition von Kernarbeitsbereichen sowie ein strukturierter Prozessschritt für die jeweilige Arbeitskraft die Potenziale voll ausschöpfen können. Die Bereiche müssen sich jedoch dazu an den jeweiligen Bedingungen der Baustelle orientieren (Abb. 4). Baustellenlogistik und Geräteeinsatz Durch die Beobachtungen wurde aufgezeigt, Abb. 4: Schachtbaustelle und Aufteilung in Kernarbeitsbereidass das Lösen und Verbinden der Gleisver- che im Schacht [1] bindungen einen erheblichen Teil des Rohrwechsels in Anspruch nahmen (Arbeitsschritte 4 und 9). Andere Systeme wie z.B. eine stetige Förderung durch Streckenbandanlagen könnten diese Zeit erheblich reduzieren. Jedoch muss gerade bei dem Geräteeinsatz darauf geachtet werden, dass die möglichen Investitionskosten in einem wirtschaftlichen Verhältnis zur einzusparenden Zeit liegen. Ebenso sind „doppelte Auslastungen“ zu vermeiden, zu welchen es z.B. bei der Anlieferung neuer Rohre und einem gleichzeitigen Rohreinhub kommen kann. Die Anlieferungen könnten dementsprechend während des Vortriebs durch den Kran abgeladen werden, um eine doppelte Auslastung zu verhindern.

„Doppelte Auslastungen“ sind zu vermeiden

Auch die Rohrvorbereitungsarbeiten, wie das Einsetzten von Dichtungsringen oder Druckübertragungsringen, könnten eventuell nach Absprache schon im Werk installiert werden. Es lässt sich zusammenfassen, dass die Logistik und der Geräteeinsatz einen großen Einfluss auf die zu erbringende Leistung haben. Etwaige Potenziale sollten durch eine genaue Analyse der gegebenen Randbedingungen untersucht werden. Personal effektiv einsetzen Das Personal einer Schicht wird von einem Polier geführt und besteht aus insgesamt 10 Personen: jeweils einem Schichtführer, Maschinenführer, Kranfahrern, Lokfahrer, Elektriker, sowie 3 Schachtarbeitern und zwei Rohrvorbereitern. Ebenso ist ein Vortriebsbauleiter vor Ort. Vom gewerblichen Personal

Weiterer wichtiger Punkt: Kommunikation zwischen den Schichten

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sind nicht alle direkt an einem Rohrwechsel beteiligt (z.B. der Maschinenführer und der Lokfahrer). Diese können, sofern keine Wartungsarbeiten an den jeweiligen Maschinen durchzuführen sind, bei den Arbeiten helfen. Bei den Beobachtungen wurde festgestellt, dass der Maschinenführer beispielsweise beim Rohrwechsel das Platzieren des neuen Rohres auf der Schildwiege beaufsichtigte oder der Lokführer die Fugendichtungsringe kontrollierte. Ziel: Reibungsloser Ablauf der Arbeiten

Sofern diese Mitarbeiter mit eingebunden werden, können sie andere Mitarbeiter entlasten, welche dann die weiteren Arbeitsschritte vorbereiten. Dies gewährleistet einen reibungsloseren Arbeitsablauf. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Kommunikation zwischen den einzelnen Schichten. Aus den Beobachtungen ist ersichtlich, dass die Schichten teilweise deutliche zeitliche Unterschiede beim Rohrwechsel aufweisen. Ein Erfahrungsaustausch zwischen den Schichtleitern könnte für eine Verbesserung sorgen.

Fazit: Genaue Baustellenanalyse unabdingbar Erfahrungen einzelner Mitarbeiter allen zur Verfügung stellen

Durch die aufgezeigten Optimierungsmöglichkeiten kann eine Art Musterrohrwechsel entwickelt und in Form eines internen Firmenhandbuchs den Mitarbeitern zur Verfügung gestellt werden. Dies hat den Vorteil, dass es auch bei unterschiedlichen Schichtbesetzungen zu einheitlichen Rohrwechselzeiten und somit zu einer gleichbleibenden Leistung auf der Baustelle kommt. Da oft auf Baustellen viel von der Erfahrung einzelner Mitarbeiter abhängt, kann diese somit allen zur Verfügung gestellt werden. Dies hätte den Vorteil, dass es nicht zu großen Leistungsabweichungen der einzelnen Schichten kommt und somit ein gleichbleibender Arbeitsfluss entsteht. Ebenfalls ist eine genaue Analyse der Baustellenabläufe sowie des Geräteeinsatzes unabdingbar, um weitere Optimierungsmöglichkeiten zur Leistungssteigerung voll auszuschöpfen. Anmerkung: Die beschriebenen Erkenntnisse wurden im Rahmen einer Abschlussarbeit der Universität Duisburg-Essen, Lehrstuhl Baubetrieb und Baumanagement, und der Wayss & Freytag Ingenieurbau AG erhoben sowie unter anderem durch Mitarbeiter des Instituts ausgewertet. n Quellen: [1] Prozessoptimierung beim Rohrwechsel einer Erddruck-Tunnelbohrmaschine am Beispiel der TBM1 – DN 2800 im Rahmen des Projektes Emscherumbau BA 30, erschienen am Institut für Baubetrieb und Baumanagement der Universität Duisburg-Essen, Rene Kriesten, 01/2015 [2] Rohrvortrieb beim Abwasserkanal Emscher erreicht Haltungslängen von mehr als 1100 m, Stratemeier, Himmel und Flicke, Tunnel 5/2014, Bauverlag [3] Emschergenossenschaft (Hrsg.): Masterplan Emscherzukunft: Das neue Emschertal, 1. Auflage 2006 [4] www.eglv.de [5] www.abwasserkanal-emscher.de [6] http://www.tunnel-online.info/imgs/73406907_62e201d328.jpg

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Baurecht

Entscheidungen für die Praxis

Vergaberecht aktuell Von forum vergabe e.V., Berlin

Vergabe unter dem Vorbehalt fehlender Finanzierung? Nicht immer liegen die Voraussetzungen für ein Vergabeverfahren in der richtigen Reihenfolge vor. Ein bestimmter Beschaffungsbedarf kann davon abhängen, dass für seine Deckung eine Finanzierung vorhanden ist. Diese Finanzierung ist allerdings möglicherweise nicht gesichert und wird erst dann gesichert zur Verfügung stehen, wenn bis zum Beginn der Leistungen kaum noch Zeit ist.

Fall: Beschaffung nötig, aber Finanzierung noch nicht sicher

Der Auftraggeber befindet sich also in der misslichen Situation, einerseits eigentlich ein Vergabeverfahren beginnen zu müssen, um seinen Beschaffungsbedarf rechtmäßig und vor allem auch rechtzeitig zu decken, andererseits aber noch abwarten zu müssen, bis die Finanzierung endgültig steht. Das OLG Düsseldorf (Beschluss v. 10.06.2015, VII-Verg 39/14) hatte einen solchen Fall zu entscheiden und hat ihn zugunsten der Handlungsfähigkeit des Auftraggebers gelöst. Entscheidung zu Gunsten der öffentlichen Auftraggeber Der Auftraggeber darf in solchen Fällen die Bekanntmachung mit einem Vorbehalt veröffentlichen und die Vergabe unter die Bedingung stellen, dass alle Voraussetzungen für den entstehenden Beschaffungsbedarf auch tatsächlich vorhanden sein werden.

Auftraggeber darf hier unter Vorbehalt ausschreiben

In dem entschiedenen Fall hat das OLG Düsseldorf dies zwar in einer etwas speziellen Fallgestaltung entschieden, nämlich dass die Haushaltsmittel vorhanden waren, aber noch ein internationaler Vertrag abzuschließen war. Es spricht jedoch nichts dagegen, diese Entscheidung auch auf die fehlende Finanzierung etwa durch Dritte und den fehlenden Vertrag anzuwenden. Entscheidend ist, dass die interessierten Unternehmen erkennen können, dass noch nicht alle Voraussetzungen für eine Vergabe vorliegen und daher überlegen können, ob sie den Aufwand für die Erstellung eines Angebotes auf sich nehmen.

Fehler in der Leistungsbeschreibung – was tun? Bei allen Anstrengungen gelingt es Auftraggebern nicht immer, in der Leistungsbeschreibung genau das zu beschreiben, was sie benötigen. Manchmal verbleiben vom Auftraggeber nicht erkannte Unschärfen oder sogar offene Punkte. Absichtlich oder unabsichtlich bieten Unternehmen auf eine solche Leistungsbeschreibung dann das an, was sie darin erkennen. Dies entspricht nicht immer den Vorstellungen des Auftraggebers, was er erst nach Auswertung der Angebote erkennen kann.

Fall: Ausschreibung enthält nicht erkennbare „Unschärfen“

Ein Ausschluss der Unternehmen wegen einer Abweichung von den Vorgaben des Auftraggebers ist in solchen Fällen nicht möglich, da die Leistungsbeschreibung ja gerade undeutlich war, solange sich das Angebot im Rahmen dessen hält, was ein kundiger Auftragnehmer darin lesen konnte. Handelte es sich dabei um Fehler, Unvollständigkeiten oder Widersprüche, die dem Bieter

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Baurecht

„ins Auge springen“ mussten, hätte er diese ohnehin bereits vor Angebotsabgabe im Rahmen seiner Prüfungs- und Hinweispflicht beim Auftraggeber hinterfragen müssen. Bieter können Schadensersatzansprüche stellen Auftraggeber kann das Vergabeverfahren beenden

Im oben beschrieben Fall ist der Auftraggeber dennoch nicht verpflichtet, einen Zuschlag auf dieses von ihm inhaltlich gar nicht gewünschte Angebot zu erteilen. Er kann stattdessen auch das Vergabeverfahren beenden. Dies tut er dann in einem derartigen Fall allerdings mit dem Risiko, dass die Unternehmen einen Schadensersatzanspruch geltend machen und Ersatz der Kosten für die Erstellung der Angebote verlangen. Dem größten Risiko geht der Auftraggeber dennoch aus dem Weg: Neben der Beauftragung einer nicht benötigten Leistung ist dies ein Schadensersatz in Höhe des entgangenen Gewinnes eines nicht zum Zuge gekommenen Bieters. Dies hat in einem exemplarischen Fall das LG Köln (Urteil v. 23.07.2014, 11 U 14/13) entschieden.

Keine Rügepflicht bei Wahlpositionen! Fall: Auftraggeber schreibt Wahlpositionen aus

Will sich ein Bieter gegen Vergaberechtsverstöße des öffentlichen Auftraggebers wehren, kann er dies bei EU-Vergabeverfahren in einem Nachprüfungsverfahren machen. Vor der Einleitung dieses Verfahrens muss er dem Auftraggeber die Möglichkeit geben, seinen Fehler selber zu beheben – und muss daher eine Rüge erheben. Eine unterlassene Rüge ist nur dann für den Bieter unschädlich, wenn der Verstoß für ihn nicht erkennbar war. Das OLG München (Verg 5/15 vom 01.10.2015) hat jetzt entschieden, dass für einen durchschnittlichen Bieter die Unzulässigkeit der Ausschreibung einer Alternativ- oder Wahlposition nicht als Vergabeverstoß zu erkennen ist. Ein solcher Fehler muss daher von Bietern nicht gerügt werden und kann dennoch im Nachprüfungsverfahren vorgebracht werden. Die Unzulässigkeit beruht darauf, dass der Auftraggeber sich eindeutig festlegen muss, welche Leistung er eigentlich werten und beauftragen will. Wahlund Alternativpositionen eröffnen dem Auftraggeber gerade bei der Wertung Spielräume, die mit einer ordnungsgemäßen Wertung in der Regel nicht zu vereinbaren sind.

Markterkundung durch Ausschreibung unzulässig

Solche Positionen sind auch dann unzulässig, wenn sich der Auftraggeber erst einmal einen Überblick über den Markt und die Preise verschaffen will. Dies kann der Auftraggeber außerhalb förmlicher Vergabeverfahren in sog. Markterkundungsverfahren machen, ohne dass Bieter den Aufwand für die Kalkulation und Angebotseinreichung aufbringen müssen. Allerdings entwickeln sich auch die Kenntnisse des „durchschnittlichen Bieters“ weiter, und Unternehmen sollten zur Wahrung ihrer Rechte, wenn ihnen Alternativ- oder Wahlpositionen auffallen, dies gegenüber dem Auftraggeber ansprechen. Im besten Fall beseitigt der Auftraggeber seinen Verstoß auch ohne Nachprüfungsverfahren – und das ist letztlich auch im Interesse des anbietenden Unternehmens, das vor allem an dem Auftrag selber interessiert ist. n

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Baubetrieb

Steueränderung 2016

Investitionsabzugsbetrag: Neuer Gestaltungsspielraum 2016 Erfüllt Ihr Unternehmen die Voraussetzungen für den Abzug eines Investitionsabzugsbetrags für geplante Investitionen und Sie brauchen die Steuerersparnis nicht zwingend schon 2015, sollten Sie den Investitionsabzugsbetrag erstmals 2016 geltend machen. Das bringt erhebliche Vorteile.

UBB-Tipp: Abzug erst 2016 geltend machen

Beim Investitionsabzugsbetrag nach § 7g Abs. 1 EStG ist es nach derzeitiger Rechtslage zwingend notwendig, dass Sie die Funktion des Gegenstandes, den Sie kaufen möchten, detailliert beschreiben. Kaufen Sie diesen Gegenstand dann innerhalb von drei Jahren nicht, kippt der Investitionsabzugsbetrag rückwirkend. Steuernachzahlungen und Zinsenzahlungen sind die Folge.

Verzicht auf Funktionsbeschreibung Neu 2016: Ab 2016 verzichtet das Finanzamt auf die Funktionsbeschreibung. Sie müssen dem Finanzamt nur die Abzugsbeträge in einem elektronischen Datensatz mitteilen, damit überwacht werden kann, ob im dem Dreijahreszeitraum tatsächlich investiert wird. Was letztlich investiert wird, interessiert jedoch nicht mehr.

Ab 2016 keine Funktionsbeschreibung mehr nötig

Beispiel: Sie planen im Jahr 2017 den Kauf eines neuen Baggers für 200.000 Euro. Dafür ziehen Sie a) im Jahr 2015 oder b) 2016 einen Investitionsabzugsbetrag in Höhe von 40.000 Euro vom Gewinn ab. 2017 wird eine Maschine zerstört, die umgehend ersetzt werden muss. Kosten: 200.000 Euro. Dafür kippen Sie die geplante Investition in einen neuen Bagger. Variante a: Investitionsabzugsbetrag 2015

Variante b: Investitionsabzugsbetrag 2016

Abzugsjahr

Abzug von 40.000 Euro in 2015

Abzug von 40.000 Euro in 2016

Kauf der neuen Maschine

Rückgängigmachung des Investitionsabzugsbetrags

Der Investitionsabzugsbetrag bleibt erhalten.

Begründung

Die Maschine hat eine andere Funktion als der Bagger.

Kein Problem, weil ab 2016 die Funktionsbeschreibung keine Rolle spielt

Folge

Rückzahlung der Steuervorteile aus 2015 und ggf. Zinszahlungen auf die Steuerzahlungen

Auflösung des Investitionsabzugsbetrags im Jahr des Kaufs der Maschine und Anrechnung des Investitionsabzugsbetrags auf den Kaufpreis der Maschine (= neutrales Ergebnis)

Neuerung: Ergebnis am Ende neutral

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Lesetipp

Baukosten-Datenbank 2015/2016 Beim Baukosteninformationszentrum Deutscher Architektenkammern (BKI) erschien im November 2015 die neue Version des BKI Kostenplaners mit aktualisierter Baukosten-Datenbank 2015/2016 und Erfahrungswerten von über 2.700 abgerechneten Referenzobjekten. Die BKI-Baukostendatenbank beinhaltet Referenzobjekte mit aktuellen Kosten- und Planungskennwerten zu Neubauten, Altbauten und Freianlagen. Außerdem greifen Nutzer auch auf statistische Auswertungen zu 120 Gebäudearten zu. Die Baukosten-Niveaus innerhalb Deutschlands variieren erheblich. BKI-Auswertungen bestätigen Abweichungen im Vergleich zum BKIBundesdurchschnitt (100%) von 0,65 (65%) in strukturschwachen Gebieten bis hin zu 1,43 (143%) in boomenden Ballungsräumen. Mit den integrierten Regionalfaktoren 2016 passen die Programmanwender die Bundesdurchschnittswerte an ihr regionales Baukosten-Niveau an. Für ein Plus an Planungssicherheit sorgen auch die neuen Zusatzinformationen bezüglich Bauzeiten. Weitere Informationen erhalten Sie bei: Jeannette Wähner, Pressestelle, Baukosteninformationszentrum Deutscher Architektenkammern (BKI), Tel. 0711 954 854-73, Email: presse@bki.de, Internet: www.bki.de UBB-Veranstaltungstipps Vergaberechtliche Entscheidungen EuGH nationale Gerichte Vergabekammern 1.03.2016 Leipzig www.forum-vergabe.de

Die Gestaltung von Bauträgerverträgen unter Berücksichtigung der neuesten Rechtsprechung 5.04.2016 Nürnberg www.ibr-online.de

BIM aus rechtlicher und technischer Sicht 7.03.2016 Mannheim www.ibr-online.de

Vergütung und Nachträge bei öffentlichen Bauaufträgen aus rechtlicher und baubetrieblicher Sicht 6.04.2016 Nürnberg www.ibr-online.de

VOB-Ausgleichrechnung von A-Z. Intensivtraining 8.03.2016 Bonn www.bvmb.de Vergaberechtliche Entscheidungen EuGH nationale Gerichte Vergabekammern 8.03.2016 Stuttgart www.forum-vergabe.de Optimale Ingenieurverträge. Vertragsgestaltung unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung sowie der HOAI 9.03.2016 Mannheim www.ibr-online.de Erfolgreiche Durchsetzung von Nachträgen aus rechtlicher Sicht 14.03.2016 Ostfildern www.tae.de/seminare Baumängel / ARdT / Abnahme sowie praktischer Umgang mit Mangelstreitigkeiten 15.03.2016 Frankfurt/Main www.bvmb.de Bieterstrategien im Vergabeverfahren 16.03.2016 Ostfildern www.tae.de/seminare

VERGABERECHTSREFORM 2016 7.04.2016 Köln www.ibr-online.de Vertragsabwicklung mit Nachunternehmern. Optimales Vertrags- und Mängelmanagement für Projektentwickler, Bauträger und Generalunternehmer 8.04.2016 Mannheim www.ibr-online.de Bauleiter Basiswissen VOB/B Seminar 11.–12.04.2016 Düsseldorf www.bau-akademie.de Projektmanagement im Bauwesen 12.–13.04.2016 Ostfildern www.tae.de/seminare Baurecht aktuell 13.04.2016 Heidelberg

www.bvmb.de

Update Bauleiterrecht. Aktuelle Rechtsprechung zur VOB/B 14.04.2016 Berlin www.hdt-essen.de

VERGABERECHTSREFORM 2016 16.03.2016 Mannheim www.ibr-online.de

INTENSIVKURS: HOAI für Architekten und Ingenieure mit den Neuerungen der HOAI 2013 und den aktuellsten Rechtsprechungsentwicklungen 14.04.2016 Dresden www.ibr-online.de

Pauschalpreisvertrag und schlüsselfertiges Bauen 16.03.2016 Hamburg www.ibr-online.de

Baumaßnahmen professionell planen und ausführen 18.–19.04.2016 Ostfildern www.tae.de/seminare

Bauleiter Basiswissen VOB/B Seminar 21.–22.03.2016 Berlin www.bau-akademie.de

Das neue Vergaberecht 2016 20.–21.04.2016 Ostfildern

Mitarbeiterführung auf der Baustelle 4.–5.04.2016 Ostfildern www.tae.de/seminare

Abnahme, Mängelansprüche und Umgang mit Sicherheiten. Vertiefungsseminar zur VOB/B 21.04.2016 Berlin www.hdt-essen.de

Projektsteuerung 2016 5.04.2016 Berlin

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Die Baustellendokumentation – Grundlage für die erfolgreiche Bauabrechnung 5.04.2016 Dortmund www.bvmb.de

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Effektive Bauleitung 25.–26.04.2016 Ostfildern

www.tae.de/seminare

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Bauleiter Basiswissen VOB/B Seminar 25.–26.04.2016 München www.bau-akademie.de

UBB 39 (2016), Heft 1


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Der UnternehmerBrief Bauwirtschaft veröffentlicht monatlich die aktuellsten Informationen zu den Themen Steuern, Recht und Unternehmensführung. Praxisnah werden bauspezifische Urteile und Entscheidungen von juristisch und kaufmännisch versierten Autoren zusammengefasst. Die im UnternehmerBrief Bauwirtschaft veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere das des Nachdrucks und der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil des UnternehmerBrief Bauwirtschaft darf ohne vorherige Zustimmung des Verlages gewerblich als Kopie vervielfältigt, in elektronische Datenbanken aufgenommen oder auf CDROM vervielfältigt werden. Namentlich gekennzeichnete Beiträge stellen in erster Linie die persönliche Meinung der Verfasserin oder des Verfassers dar. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotografien übernimmt der Verlag keine Haftung. Aktuelle Bezugspreise Der UnternehmerBrief Bauwirtschaft erscheint mit 12 Ausgaben pro Jahr. Bezugspreise

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Ingenieurbaukunst 2016 Die neue Ausgabe des Jahrbuchs „Ingenieurbaukunst“ präsentiert wieder eine Auswahl der spektakulärsten aktuellen Bauprojekte mit Beteiligung deutscher Ingenieure weltweit. Herausgegeben von der Bundesingenieurkammer, ist das Werk die zentrale Leistungsschau des deutschen Bauingenieurwesens. Im Mittelpunkt des Buches stehen die Ingenieure, denn sie berichten in diesem aufwendig gestalteten Buch über ihre Projekte und geben so einen unmittelbaren Einblick in ihre Arbeitsweise. Neben den Projektpräsentationen befasst sich das Buch mit übergeordneten Fragestellungen wie beispielsweise „Infrastruktur: Erhalt oder Neubau?“ und „Finanzierung von Innovationen im Bauwesen“.

Hrsg.: Bundesingenieurkammer Ingenieurbaukunst 2016 2015. ca. 200 S. ca. € 39.90* ISBN 978-3-433-03126-1

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Abb. aus JG 2015

Somit stellt das Jahrbuch erneut einerseits eine Galerie der Spitzenleistungen deutscher Bauingenieure dar und fungiert andererseits als Reflexionsfläche der aktuellen Debatten im Bauingenieurwesen.

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Estádio Jornalista Mário Filho in Rio de Janeiro Das legendäre Stadion mitten im Stadtgebiet der Sambametropole, das jedermann nur Maracanã nennt, wurde für die Fußballweltmeisterschaft 1950 errichtet, hatte einst ein Fassungsvermögen von mehr als 200.000 Zuschauern und galt als größtes Stadion der Welt. Doch der Betonbau war in die Jahre gekommen und sollte zur WM 2014 grundlegend saniert und auf FIFA-Standard gebracht werden. Der Oberrang wurde erneuert und der Unterrang mit besseren Sichtverhältnissen völlig neu gebaut. Ein Hauptanliegen dabei: Das Stadiondach, eine Betonkragkonstruktion, hatte eine zu geringe Spannweite und überdeckte nur ein Drittel der Zuschauerplätze. Zunächst dachte man daran, die äußere Erscheinung des denkmalgeschützten Bauwerks unverfälscht zu erhalten, indem man die Dachfläche nach innen unter Beibehaltung der bestehenden Dachkonstruktion vergrößert. Doch die betagten Betonkragträger konnten nicht mehr ertüchtigt werden. Und eine oben aufgesetzte zusätzliche Tragstruktur hätte das Stadion zu nachhaltig verändert. Schließlich entwickelten die Ingenieure von schlaich bergermann und partner eine Dachkonstruktion, die sich in den historischen Bestand so flach einfügt, dass sie die berühmte Silhouette kaum verändert. Sie bedienten sich des mittlerweile erprobten Speichenradprinzips mit äußerem Druckring, innerem Zugring und ver22

bindenden „Speichen“ in Form von Radialseilen, das mit wenig Konstruktionshöhe auskommt. Und weil die auf Zug belasteten Bauteile des Seiltragwerks überwiegen, fällt es sehr filigran und materialsparend aus. Nach dem Abschneiden der alten Kragträger blieben die Gebäude- und Fassadenstützen sowie ein umlaufender Ringbalken in Traufhöhe bestehen und wurden betonsaniert. Deren Gliederung wurde vom neuen Dach übernommen. Den 60 historischen Stützen entsprechen die 60 Dachfelder. Wie ein in sich stabiler Deckel liegt die Speichenradkonstruktion mit dem im Querschnitt rund 1 = 2 Meter messenden stählernen Hohlkastenprofil des Druckrings auf den 60 Stützenköpfen. Horizontalkräfte ergeben sich lediglich bei Windbelastung und werden an vier Punkten in die Lager übertragen. Ansonsten gibt das Dach nur Vertikallasten ab. Deshalb war es möglich, die alten Stützen zu benutzen, obwohl sich die Dachfläche fast verdoppelt hat.

19 / 20 Das Stadion aus der Vogelperspektive 21 Draufsicht und Tribünenquerschnitt 22 Blick auf das Spielfeld 23 Blick vom Aussichtspunkt Cristo Redentor

Die Stabilität des Seildaches und die Steifigkeit des Dachkörpers werden dadurch erreicht, dass die Radialseile nach zwei Dritteln Dachtiefe von Luftstützen auseinandergespreizt werden und dadurch Seilbinder mit drachenförmigem Querschnitt mit einem Druckring und drei Zugringen an den Eckpunkten entstehen. Die Luftstützen bilden gleichzeitig die Hochpunkte der Bespannung des Dachs mit einem PTFE-beschichteten Glasfasergewebe. Die schneeweiße Membran wird über die

Radialseile gespannt und zur Erreichung der für die Stabilität notwendigen zweiachsigen Krümmung durch Kehlseile in den Zwischenfeldern nach unten gezogen. So ergibt sich zwischen den Hoch- und Tiefpunkten ein auch in der Dachaufsicht (beispielsweise vom Aussichtspunkt Cristo Redentor aus) optisch reizvolles Faltwerk. Die auf dem unteren, aus sechs Seilen bestehenden Zugband stehenden, 13,5 Meter hohen Luftstützen aus Hohlkastenprofilen sind rautenförmig aufgespreizt und nehmen den Catwalk auf. In dem rings umlaufenden Wartungsgang ist die gesamte Installation des Daches ästhetisch und wartungsfreundlich untergebracht. Der Laufsteg trägt alle Ausrüstungen wie Flutlicht, Tribünenbeleuchtung und Lautsprecher, aber auch die 14 Torlinienkameras des deutschen GoalControl Systems.

OBJEKT Estádio Jornalista Mário Filho STANDORT Rio de Janeiro, Brasilien BAUZEIT 2010 – 2013 BAUHERR Empresa de Obras Publicas INGENIEURE + ARCHITEKTEN Architekt: Daniel Fernandes Tragwerksplanung: schlaich bergermann und partner

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68 Meter spannt das Dach gleichmäßig über das gesamte Oval des Stadions nach innen und lässt eine Öffnung von 160 = 122 Meter frei. Mit 3.980 Tonnen Gewicht, d. h. 87 Kilogramm pro Quadratmeter Flächengewicht ist es nicht nur eine extrem leichte Konstruktion, sondern wirkt auch leicht, luftig und aufgrund der kleinen Auflagepunkte fast schwebend, ein Eindruck, der durch die Transluzenz und die Effektbeleuchtung am Abend noch verstärkt wird. 1 Querschnitt durch die Canary Wharf Crossrail Station. In der Mitte der Skizze ist die Wasser-

Falk Jaeger

Ingenieurbaukunst 2015

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Charaktervolle Konstruktionen – Vier WM-Stadien in Brasilienlinie 23der Docks zu erkennen, ganz unten die Schächte des Zwillingstunnels. 2 Die Canary Wharf Crossrail Station im Juni 2014: Die pneumatisch gestützte ETFEKissen-Fassade steht, wackelt nicht, aber hat Luft. 3 Hier noch Rendering, bald schon Realität: Der lichtdurchflutete Dachgarten unter dem charakteristischen Holztragwerk des Bahnhofes bringt etwas Grün in sein bauliches Umfeld aus Stahl und Glas. 4 Überblick über die ETFEKissen-Fassade

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Die Errichtung des Ensembles aus Holztragwerk und transparenter, pneumatisch gestützter FolienkissenFassade erforderte eine hohe Planungstiefe sowie eine lückenlose Qualitätssicherung nach allen Regeln der Ingenieurskunst. Congestion Charge – Staugebühr – nennen die Londoner die 10 Pfund teure Citymaut, die Autofahrer täglich zahlen müssen, um die Londoner Innenstadt befahren zu dürfen. Der Name ist dabei Programm. Denn wer die umgerechnet 12,60 Euro zahlt, erwirbt vor allem das Recht, Teil des Staus zu werden, der zu beinahe jeder Tages- und Nachtzeit Londons Straßen verstopft und Londons Autofahrern mit 19 km / h die geringste Durchschnittsgeschwindigkeit im europäischen Vergleich beschert. Deutlich schneller als auf Londons Straßen geht es in der Regel darunter voran: Hier bilden die legendäre London Tube – die älteste U-Bahn der Welt – und die fahrerlose Stadtbahn Docklands Light Railway das größte städtische Streckennetz Europas. Mit bis zu 4,5 Millionen Fahrgästen pro Tag gelangt allerdings auch dieses äußerst leistungsfähige System regelmäßig an die Grenzen seiner Kapazität. Mit dem Ziel, diese Kapazität um 10 Prozent zu steigern, legte das britische Parlament im Juli 2008 Königin Elisabeth II. die Crossrail Bill zur Unterschrift vor. Der Projektplan beschreibt nicht weniger als das derzeit größte Infrastruktur- und Bauprojekt Europas – eine 18 130

Milliarden Euro schwere und 180 Kilometer lange Regionalexpresslinie, die London unterirdisch passieren und das Streckennetz in Stadt und Großraum bis 2018 komplettieren wird. Kernstück der Crossrail Line wird ein 21 Kilometer langer Zwillingstunnel, der direkt unter Londons Innenstadt verläuft und in neun neuerrichteten Bahnhöfen mündet. Der größte und auffälligste dieser Bahnhöfe wurde bereits zu großen Teilen fertiggestellt: die Canary Wharf Crossrail Station in den Wassern der West India Docks.

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Knapp 30 Meter – vier Etagen hoch – ragt der 310 Meter lange Überbau des Bahnhofes aus den Docks, weitere drei Etagen liegen unterhalb des Wasserspiegels (Bild 1). Seine ausladende Form und sein dominantes Fichtenholz-Gittertragwerk sind Reminiszenzen an die gigantischen Handelsschiffe, die einst Waren aus aller Welt nach London brachten und Canary Wharf zum Zentrum des weltweiten Seehandels machten. Umhüllt ist der Bahnhofsüberbau von einer transparenten, teils offenen ETFE-Kissen-Fassade (Bild 2), die ihn nach Einbruch der Dunkelheit weithin sichtbar erstrahlen und wie ein einladendes Tor zu Londons aufstrebendstem Geschäftsviertel wirken lässt. Auf der obersten Etage befindet sich ein weitläufiger Dachgarten (Bild 3), erschlossen über zwei Verbindungsbrücken und an Bug und Heck begrenzt durch je einen Pavillon. Der Entwurf stammt aus dem Londoner Hauptsitz der Architekten Foster + Partners, deren Entwürfe Londons Stadtbild

Ingenieurbaukunst 2015

Die Fassade der Canary Wharf Crossrail Station in London

Noch erhältlich: Hrsg.: Bundesingenieurkammer Ingenieurbaukunst 2015 2014. 200 S. € 39.90* ISBN 978-3-433-03096-7

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