Hochschulbauten 2023

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2023

Hochschulbauten

Ernst & Sohn Special

Dezember 2023 ISSN 2750-5030 A 61029

– Projektvorstellungen – – – –

– Neubau – Umbau – Sanierung Tragwerksplanung Lüftungstechnik Innenausbau Zugang und Orientierung


„Eine optimale Frischluftversorgung senkt das Infektionsrisiko und fördert die Konzentration.“ Sascha Schlüter, Marktmanager

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Editorial

Mut zum Experiment und zu langfristig angelegten und nachhaltigen Strategien

An den Anfang möchte ich drei – für mich wichtige – Wünsche an die Verantwortlichen für die zukünftige Entwicklung im Hochschulbau stellen: – Dem Hochschulbau sollte noch mehr Aufmerksamkeit in Bezug auf seine gesellschaftliche Verantwortung gewidmet werden, indem in den aktuellen und zukünftigen Projekten konsequent nachhaltige Entscheidungen getroffen werden. – Alle Beteiligten sollten die Resilienz entwickeln, diese Entscheidungen während der Projektentwicklung auch umzusetzen. – Ein besonderes, bislang weitgehend ungenutztes Potenzial für zukunftsweisende mutige Ideen liegt in der intensiven Einbindung von jungen, engagierten Architekten und Architektinnen. Hochschulen prägen die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklungen in Deutschland in erheblichem Maße. Hochschulbauten sind häufig viel beachtete Leuchtturmprojekte, die im Sinnen einer „Best Practice“ Vorbildfunktion für andere Bereiche der Gesellschaft und des Bausektors haben. Sie sollten über ihren gesamten, möglichst langen Lebenszyklus ökonomisch, ökologisch und gesellschaftlich nachhaltig sein und unseren gesamtgesellschaftlich vereinbarten und durch das Bundesverfassungsgericht eingeforderten Zielen zum Klimaschutz entsprechen. In Hochschulgebäuden bereitet sich die jeweils nächste Generation auf die Gestaltung unserer Zukunft vor, hier wird gelehrt, geforscht und experimentiert. Der öffentliche Bauherr bzw. die öffentliche Bauherrin kann hier noch deutlicher vorrangehen, indem sie aufzeigt, dass der Bausektor nicht zwingend weiterhin der weltweit größte Treibhausgasemittent bleiben muss, sondern dass konsequent nachhaltige Gebäude, in Errichtung und Betrieb, sogar die Treibhausgasemissionen senken können. Im Hochschulalltag der Architekturausbildung erlebe ich, wie bewusst und selbstverständlich sich die aktuelle Generation der „architects for future“ mit den für den Klimawandel relevanten Herausforderungen des Bausektors kritisch auseinandersetzt. Diese Generation ist zum einen geprägt durch das Konsumverhalten ihrer Elterngeneration, als Teil einer Welt, die auf einem scheinbar grenzenlosen Wachstum beruht, und zum anderen durch die Erkenntnis, dass nun die Kosten dafür, in Form von Umweltzerstörungen, Klimaveränderungen und den daraus resultierenden weltweiten Folgen, entrichtet werden müssen. Es macht mir Mut und Freude, mit welchem Optimismus, welchem Enthusiasmus und wie selbstverständlich und konsequent die Studierenden die vielfältigen Aspekte

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der „Nachhaltigkeit“ als Basis ihrer konzeptionellen und Entwurs-Entscheidungen anwenden. Der Status Quo wird ständig und fundiert hinterfragt, der Einsatz von Baumaterialien sorgfältig abgewogen und Bestandsgebäude als materielle und immateriell Ressource wertgeschätzt, auch, oder gerade, wenn dies in Teilen mit einem Neudenken unserer Komfortzonen verbunden ist. Nicht die Erfüllung der zahlreichen und widersprüchlichen Vorschriften, Verordnungen und liebgewonnenen Anforderungen steht hierbei im Vordergrund, sondern die Suche nach guten, einfachen und dauerhaftenden Lösungen für den Ort, die zukünftigen Nutzerinnen und eine lebenswerte Zukunft. Um dieses große Know-how auch für den Hochschulumund -neubau zu nutzen, wäre eine Ausweitung niedrigschwelliger und offener Wettbewerbe sinnvoll, ohne die Forderung von umfangreichen und passgenauen Referenzen. Selbst bei beschränkten Verfahren könnte man dem Beispiel Österreichs oder Dänemarks folgen. In Österreich haben die Architektenkammern bei registrierten Wettbewerben Vorschlagsrechte für einen Teil der Plätze, welche sie nutzen, um auch junge und besonders innovative Büros zu berücksichtigen. In Dänemark bekommen junge Büros „Wildcards“. Beide Länder beeindrucken durch ihre exzellente, lebendige, junge Architekturszene und deren konsequent zukunftsweisenden und nachhaltigen Konzeptionen. Diese jungen erfolgreichen Büros aus Dänemark und Österreich werden in der Folge in Deutschland zu Verfahren eingeladen – eine Chance, die wir auch dem eigenem „Nachwuchs“ geben sollten. Unsere eigene Bürogründung beruht auf dem Erfolg in einem europaweit offenen, zweiphasigen und anonymen Wettbewerbsverfahren Anfang der 2000er-Jahre für die Neu- und Umgestaltung eines Hochschulcampus. Und maßgeblich auf dem Mut der damals verantwortlichen Mitarbeiter*innen der Bauverwaltung, ein junges, unerfahrenes, aber offensichtlich engagiertes Büro auch mit der Umsetzung ihres Wettbewerbsentwurfs zu beauftragen. Diesen Weg wieder zu öffnen und dabei zukunftsweisende Konzepte einzufordern und umzusetzen, wäre eine langfristig angelegte und nachhaltige Strategie für den Hochschulbau, dem sicherlich andere Bereiche folgen würden.

Roland Bondzio Prof. i. V. FG Entwerfen und Ökonomisches Bauen BTU Cottbus-Senftenberg

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Inhalt

Im Mai 2023 wurde der Neubau der Fakultät für Technik vom Land Baden-Württemberg an die Duale Hochschule in Stuttgart übergeben. In dem Neubau ist die komplette Fakultät für Technik mit vielfältigen Nutzungen aus Büros, Vorlesungssälen, Laboren, Werkstätten, Motorenprüfständen und einem Windkanal untergebracht. Diese Nutzungen und der Gestaltungsanspruch der Architektur mussten in einem wirtschaftlichen, flexiblen und nachhaltigen Tragwerk umgesetzt werden. Die Planung wurde von Mayer-Vorfelder und Dinkelacker Ingenieurgesellschaft für Bauwesen GmbH und Co KG mit 3XN-Architects nach der BIM-Methodik umgesetzt. Lärm- und schwingungserzeugende Werkstattbereiche sowie die Motoren- und Rollenprüfstände mussten dabei zur Gewährleistung des Schall- und Schwingungsschutzes von der Hauptstruktur entkoppelt werden. (s. Beitrag S. 6–12; Foto: Marko Scheerschmidt)

Special 2023 Hochschulbauten

EDITORIAL

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Roland Bondzio Mut zum Experiment und zu langfristig angelegten und nachhaltigen Strategien

ZUM TITEL 6

DUALE HOCHSCHULE BW STUTTGART TRAGWERKSPLANUNG FÜR EIN HOCHSCHULGEBÄUDE MIT ARCHITEKTUR ZUM WOHLFÜHLEN

PROJEKTVORSTELLUNGEN

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RKW Architektur + DIE KUNST DER KLEINEN KNIFFE SANIERUNG DER PHILOSOPHISCHEN FAKULTÄT DER HEINRICH-HEINE-UNIVERSITÄT DÜSSELDORF

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Dresden: Zentrum für Seelische Gesundheit

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XJTLU TAICANG CAMPUS IN CHINA NEUE LERNLANDSCHAFTEN

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Sweco Architects LMU KLINIKUM INNENSTADT, MÜNCHEN INTERDISZIPLINÄRES UNIVERSITÄTSKLINIKUM IM HERZEN MÜNCHENS

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Universität Hamburg: neues Gästehaus

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FORSCHUNGSGEBÄUDE MIT ALLEINSTELLUNGSMERKMAL WASSERBAULABOR DER UNIVERSITÄT FÜR BODENKULTUR IN WIEN

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FORUM UZH: Wo man sich trifft

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pbr Planungsbüro Rohling AG KLINKER FÜR DEN LEHRSTUHL KERAMIK NEUBAU DES INSTITUTS FÜR GESTEINSHÜTTENKUNDE DER RWTH AACHEN

Ernst & Sohn GmbH Rotherstraße 21 D-10245 Berlin Telefon: (030) 4 70 31-200 Fax: (030) 4 70 31-270 info@ernst-und-sohn.de www.ernst-und-sohn.de

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Tim Westphal EINE FEMTOSEKUNDE IM LAUF VON RAUM UND ZEIT DAS MAX-PLANCK-INSTITUT FÜR STRUKTUR UND DYNAMIK DER MATERIE IN HAMBURG Martin Behet, Michael Lin, Roland Bondzio – behet bondzio lin architekten GmbH & Co. KG TU BERGAKADEMIE FREIBERG NEUBAU UNIVERSITÄTSBIBLIOTHEK UND HÖRSAALZENTRUM

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Inhalt

LÜFTUNGSTECHNIK/INNENAUSBAU 41

Dezentrale Lüftungsgeräte mit Wärmerückgewinnung

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Dezentrale und zentrale Lüftungslösungen für Universitäten und Hochschulen

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Harvard University Science and Engineering Complex: 9.000 m2 Systemtrennwände

ZUGANG UND ORIENTIERUNG 47

Zugriff smart organisiert im modernen Hochschulbau

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Dynamische Orientierung und Information für innovativen Think Tank

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Impressum

Konrad Bergmeister, Frank Fingerloos, Johann-Dietrich Wörner (Hrsg.)

Beton-Kalender 2024 Schwerpunkte: Hochbau; Digitales Planen und Baurobotik

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Entwurf, Bemessung und Konstruktion von Hochhäusern aus Stahlbeton in Deutschland Entwurf Bemessung, Konstruktion und Monitoring von Betonbrücken nach den Regeln des Eurocode 2 in Deutschland Bauautomatisierung und Robotik im Betonbau

Der Beton-Kalender 2024 ist solide Arbeitsgrundlage und ein topaktuelles, verlässliches Nachschlagewerk für die Planung und Ausführung von Betonbauwerken. Band 1 widmet sich dem Entwurf, Bemessung und Konstruktion von Hochbauten aus Stahlbeton nach den aktuellen Regelwerken. Band 2 thematisiert das Digitale Planen und die Baurobotik.

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27.09.2023 10:57:06

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Zum Titel

DUALE HOCHSCHULE BW STUTTGART TRAGWERKSPLANUNG FÜR EIN HOCHSCHULGEBÄUDE MIT ARCHITEKTUR ZUM WOHLFÜHLEN

Bild 1. Fakultät für Technik der Dualen Hochschule Baden-Württemberg: Blick auf den südlichen Eingang zum Neubau.

Mit der Umsetzung des Siegerentwurfs für den Neubau der Fakultät für Technik von 3XN-Architects ist es gelungen, die Fakultät für Technik der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, die bislang an unterschiedlichen Standorten verteilt war, an einem zentralen Standort und in direkter Nähe zum Universitätscampus, der Stuttgarter Mensa und dem Stadtgarten unterzubringen. In dem Neubau ist die komplette Fakultät für Technik mit den vielfältigen Nutzungen aus Büros, Vorlesungssälen, Laboren, Werkstätten, Motorenprüfständen und einem Windkanal untergebracht. Mit seiner Geometrie als verschobenes Fünfeck folgt der Neubau den vorhandenen Grundstückskanten und fügt sich mit dem geschwungenen Glasdach und den begrünten Dachflächen mit Dachwelle gelungen in das vorhandene Stadtbild ein. Architektonisches Highlight und zugleich attraktive Begegnungsstätte für die Studierenden ist das mit dem wellenförmigen Stahl-Glasdach überspannte und lichtdurchflutete Atrium. Neben dem Glasdach bil-

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den eine y-förmig geschwungene Brücke, unterschiedlich weit in den Luftraum kragende Deckenränder sowie eine aus den Deckenrändern auskragende Sichtbetonwendeltreppe die zentralen, beeindruckenden Elemente des Atriums. Im Mai 2023 wurde der Neubau der Fakultät für Technik vom Land Baden-Württemberg an die DHBW übergeben. Errichtet wurde das Gebäude im Stuttgarter Westen auf der ehemaligen Brachfläche zwischen Hegelstraße, Rosenbergstraße, Hoppenlau- und Lerchenstraße. In seiner Grundrissausdehnung umfasst das Gebäude mit einer Grundfläche von ca. 5.000 m2 einen Großteil der Grundstücksfläche. Die fünf Gebäudeseiten umschließen das große Atrium. In der Höhenentwicklung besteht das Gebäude aus einem Untergeschoss, dem Erdgeschoss und fünf Obergeschossen. Im 5. Obergeschoss ist neben verschiedenen Vorlesungsräumen der Verwaltungsbereich des Dekans untergebracht. Vom 4. OG bis zum 2. OG sind im Wesentlichen Büros, Vorlesungsräume sowie Seminar- und

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Praktikumsräume untergebracht. Im 1. OG werden diese Nutzungen durch Labore ergänzt. Lärmerzeugende Lehrund Forschungsbereiche, wie z. B. Werkstätten und Motorenprüfstände sind im teilweisen erdeingesenkten Erdgeschoss untergebracht. Darüber hinaus befinden sich im EG Windkanallabore und unterhalb des Erschließungssteges die Cafeteria sowie zwei große Vorlesungssäle. Im Untergeschoss sind die Haus- und Gebäudetechnik untergebracht. Eine Besonderheit sind hier die Technikausstattungen für die vielen Werkstätten, den Windkanal und die Motorenprüfstände. Das Dach des Neubaus ist mit einer extensiven Begrünung bedeckt und im Sinn der Nachhaltigkeit mit einer Photovoltaikanlage versehen.

Herausforderungen und Umsetzungen in der Tragwerksplanung Im Detail waren die Herausforderungen für die Tragwerksplanung von der Baugrubenplanung, den komplexen Gründungsverhältnissen bis hin zum Tragwerk des Gebäudes vielfältig. Die übergeordnete Herausforderung bestand darin, die unterschiedlichen Nutzungen (Büros, Hörsäle, Motorenprüfstände, Windkanal, Cafeteria etc.) und den Gestaltungsanspruch der Architektur in einem wirtschaftlichen, für die Zukunft flexiblen und nachhaltigen Tragwerk umzusetzen.

Die Planung wurde gemeinsam mit 3XN-Architects nach der BIM-Methodik umgesetzt. Die Berechnungen erfolgten sowohl an dreidimensionalen Modellen des Gebäudes als auch mit Teilmodellen einzelner Bauteile. Der Neubau wurde nach dem „Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen“ (BNB) für Unterrichtsgebäude mit dem Qualitätsstandard Silber zertifiziert. Das Tragwerk leistet dazu seinen Beitrag, da nach dem Prinzip „so viel Tragwerk wie nötig und so wenig wie möglich“ eine nachhaltige Stahlbetonkonstruktion konzipiert wurde. Ein weiterer Beitrag zur Zertifizierung konnte im Tragwerk durch den Einsatz von Hohlkörpern in den Decken über EG bis zur Decke über dem 5. OG geleistet werden. Mit einer bis zu 60-prozentigen Belegung der Decken mit Hohlkörpern konnten der Betonverbrauch um ca. 1.150 m3 und damit der CO2-Ausstoß um ca. 240 t minimiert werden. Die Haupttragstruktur des Neubaus besteht aus punktgestützten Stahlbetonflachdecken mit Regelspannweiten von 8,10 m bis 9,45 m. Der Einsatz von tragenden Stahlbetonwänden wurde auf die erddruckbelasteten Außenwände, wenige Wände im UG, die Aussteifungswände der Treppenhaus- und Aufzugskerne sowie „reitende“ Wandscheiben in der nördlichen und südöstlichen Fassade minimiert. Die als „reitenden Wände“ bezeichneten Kragwände lagern einseitig auf innenliegenden Stützen auf und dienen zur Umsetzung stützenfreier Eingangsbereiche –

Bild 2. Blick in das lichtdurchflutete Atrium.

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Bild 3. BIM-Animation der Motorenprüfstände (links), eingebaute Feder-/Dämpferelemente (rechts)

bis zu 15,8 m lange stützenfreie Deckenränder in der Fassade konnten auf diesem Wege realisiert werden. In Bereichen größerer Spannweiten und Auskragungen im Atrium konnten die Deckendicken und Verformungen durch den Einsatz von Vorspannung ohne Verbund optimiert und minimiert werden. Eine Besonderheit stellen die Decken über dem Erdgeschoss im Bereich der großen Hörsäle dar. Diese fangen zur Umsetzung stützenfreier Säle die Lasten der fünf Obergeschosse bei maximalen Spannweiten von mehr als 16 m über eine vorgespannte Flachdecke ab. So konnten Hörsäle mit maximaler Installationsfreiheit und großer lichter Raumhöhe entstehen. Da das Bauwerk bis zu maximal ca. 3,8 m in das Grundwasser einbindet, wurde das Untergeschoss als Weiße Wanne ausgeführt und auf Grund der hochwertigen Nutzung zusätzlich mit einer Frischbetonverbundfolie versehen.

Schall- und schwingungsentkoppelte Werkstätten und Prüfstände Für die lärm- und schwingungserzeugenden Werkstattbereiche sowie die Motoren- und Rollenprüfstände im EG waren hinsichtlich des Schall- und Schwingungsschutzes spezielle Maßnahmen erforderlich. Beide Nutzungsbereiche mussten zur Gewährleistung des Schall- und Schwingungsschutzes von der Hauptstruktur entkoppelt werden. Dazu wurden die Decken im Bereich der Werkstätten mit Fugen von der Hauptdeckenkonstruktion abgelöst und separat auf entkoppelnd wirkenden Elastomerlagern aufgelegt (s. Bild 3). Die Motoren- und Rollenprüfstände wurden vollständig von der Hauptkonstruktion gelöst, indem die Fundamente der Prüfstände auf rahmenartigen „Stahlbetonböcken“ aufgeständert wurden. Zwischen den Fundamenten und der rahmenartigen Unterkonstruktion sind Feder- und Dämpferelemente zur Schall- und Schwingungsentkopplung geschaltet. Zusätzlich sind die Prüf-

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stände zur optimalen Schallisolierung in eine Raum-inRaum-Konstruktion aus Stahlbetonfertigteilen eingehüllt.

Sichtbetonwendeltreppe im Atrium Aus statischer und gestalterischer Sicht ist die Sichtbetonwendeltreppe ein Highlight der Konstruktion. Sie besteht aus einer innenliegenden Stahlbetonbrüstung und einer Betonlaufplatte. Die Wendeltreppe entwickelt sich schräg vom Erdgeschoss bis ins 5. Obergeschoss und kragt ca. 8 m aus den Deckenrändern aus. Die Geometrie der Wendeltreppe wurde von 3XN Architects dreidimensional und parametrisiert entwickelt. So konnten per „Knopfdruck“ unterschiedlich Varianten der Wendeltreppe erzeugt und eine aus gestalterischer, statischer und baudynamischer Sicht aufeinander abgestimmte Geometrie entwickelt werden. Zum vereinfachten Verständnis des Tragverhaltens der Treppe kann das System gedanklich auf drei Teilsysteme reduziert werden (vgl. Bild 4). Das erste Element bildet der Lauf, der als Kragarm in die Stahlbetonbrüstung eingespannt wird. Als zweites Element wirkt die Brüstung als räumliches gekrümmtes Sprengwerk. Das dritte Element, die Deckenränder zusammen mit den auskragenden Podesten, dient als Auflager für das räumliche Sprengwerk. Die Berechnung und Bemessung erfolgte innerhalb eines 3D-Gesamtmodells des Gebäudes. Maßgebend für die Dimensionierung war neben einer standsicheren Auslegung der Konstruktion das Verformungs- und Schwingungsverhalten bei Personenverkehr. Zur Verifikation der Ergebnisse des komplexen Tragverhaltens waren stets Vergleichsbetrachtungen an vereinfachten statischen Modellen der Wendeltreppe zu führen. Das gemeinsam mit 3XN Architects entwickelte 3DModell zur Geometrie der skulpturalen Wendeltreppe wurde durch die ausführende Rohbaufirma für die räumliche Schalungs- und Unterstützungsplanung herangezogen.

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Bild 4. Schematische Darstellung der Tragelemente der Wendeltreppe: Lauf als Kragarm an Brüstung (links), Räumliches „Sprengwerk“ (Mitte), Podest + Deckenrand als Auflager (rechts) (Grafiken 3 und 4: Mayer-Vorfelder und Dinkelacker)

Bild 5. Impressionen der Wendeltreppe. (Foto: Mayer-Vorfelder und Dinkelacker)

Die Schalung wurde als lamellenartige Holzkonstruktion umgesetzt. Es wurden drei Schalungssätze verwendet: ein Schalungssatz für die gleichbleibenden Wendeltreppenelemente vom 1. OG bis ins 4. OG und zwei weitere Elemente für die geometrisch etwas abweichenden Elemente in den übrigen Geschossen.

Das Atriumdach – Konstruktion nach dem Prinzip „Form Follows Force“ Die Gestaltungsidee von 3XN Architects für das im Grundriss dreieckige Atriumdach bestand in einer leichten, aus

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Dreiecken zusammengesetzten Stahl-Glas-Konstruktion, die durch eine wellenförmige Kontur dynamisch und fließend wirken sollte. Das Dach hat eine maximale Spannweite von 31 m und überspannt eine Fläche von ca. 1.200 m2. Die Entwicklung der Tragstruktur wurde mit dieser Zielsetzung nach dem Prinzip „Form Follows Force“ mit Hilfe von Hängeformen entwickelt. Die Dachgeometrien ergaben sich so aus umgedrehten Hängeformen, die auf ein Stichmaß von ca. 15 bis 50 % der maximalen Spannweite skaliert wurden. Die auf diese Weise ermittelten Formen sind abhängig von den Auflagerbedingungen, der

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Bild 6. Wendeltreppe – Animation/Berechnungsmodell/Umsetzung (Bilder links und Mitte: 3XN Architects, rechts: Marko Scheerschmidt)

Bild 7. Atriumdach von unten/Leitdetails Auflager- und Knotenpunkte (Foto links: Roland Halbe, Grafiken rechts: Mayer-Vorfelder und Dinkelacker)

Steifigkeit des Randträgers und den Biegesteifigkeiten der Stabelemente. Hängeformen ohne Biegesteifigkeit der Stabelemente führen zunächst zu einer reinen kuppelartigen Form, ohne dabei die gewünschte wellenförmige Kontur zu erzielen. Wohl aber bildet diese Geometrie mit reiner

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Normalkraftbeanspruchung das optimale Tragsystem zur Überspannung des Atriums. Die gewünschte wellenartige Dachform mit Wendepunkt in der Kontur konnte mittels Hängeformen erzeugt werden, bei denen die Biegesteifigkeit einzelner Stabele-

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Bild 8. Aufbau des Atriumdachs (Fotos 1, 2 und 8: Marko Scheerschmidt)

mente in den Eckbereichen und die Torsionssteifigkeit des Randträgers aktiviert und variiert wurden. Auf diese Weise konnte eine speziell für die gewünschte dynamische und wellenartige Dachgeometrie optimierte Tragstruktur erzeugt werden. Da filigrane und leichte Stahlkonstruktionen empfindlich auf Verformungen reagieren und bei zu großen Verformungen die Gefahr eines schlagartigen Kollapses besteht, wurde zur Sicherstellung der Standsicherheit bei der Planung besonderes Augenmerk auf die stabile, zwängungsfreie Ausbildung der Auflagerpunkte sowie auf die kraftschlüssige und möglichst unnachgiebige Konstruktion der Knotenpunkte gelegt. Vorgesehen waren zunächst gefräste Vollstahlknotenelemente mit angeschweißten Stäben. Im Rahmen der Werk- und Montageplanung wurde eine Optimierung durchgeführt. Knoten mit kleinen und moderaten Lasten wurden mit verdeckter Verschraubung ausgeführt, Knoten mit hohen Lasten geschweißt. Ähnlich der Vorgehensweise bei der Wendeltreppe wurde das 3D-Modell der entwickelten Dachgeometrie als Basis für die Werk- und Montageplanung der ausführenden Firma herangezogen. Die Werk- und Montageplanung wurde dreidimensional weitergeführt. Dies war u. a. erforderlich, um die exakte Geometrie jeder einzelnen Glasscheibe und jedes Knotenpunkts zu definieren und computergesteuert fräsen zu lassen. Mit Hilfe der Modelle wurde das Dach puzzleartig in einzelne leiterartige Bauteile zerlegt und konnte vor Ort mit einem Kran und nur zwei Arbeitern in kürzester Zeit aufgebaut werden.

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Komplexe Baugrube und Gründung für den Neubau der Fakultät für Technik Das Baugrundstück wurde nach dem 2. Weltkrieg mit Trümmerschutt aufgefüllt und fällt von Nordwesten Richtung Südosten hin um ca. 3 m ab. Das Erdgeschoss liegt damit im Nordwesten vollständig unterhalb des Geländes. Vor der Erstellung des Rohbaus war daher zunächst eine innerstädtische bis zu 10 m tiefe Baugrube mit Verbau umzusetzen. Aufgrund der Komplexität der Randbedingungen im innerstädtischen Bereich wurde die Baugrube bereits im Entwurf detailliert geplant. Wie vorgesehen wurde eine mehrfach rückverankerte Trägerbohlwand mit Spritzbetonausfachung im unteren Bereich und Holzausfachung auf den oberen 1,5 m ausgeführt. Auf Grund des Trümmerschutts wurden sämtliche Erd- und Verbauarbeiten von Kampfmittelexperten begleitet. Eine der Besonderheiten des Stuttgarter Baugrundes ist die Verkarstungsfähigkeit der Gips- und Lettenkeuperschichten. Konkret bedeutet dies, dass sich in diesen Böden in Kombination mit Oberflächen- und Grundwasser die wasserlöslichen Sulfatanteile herauslösen und Hohlräume bilden können. Diese Hohlräume können als sogenannte Dolinen nach oben durchbrechen oder über die Jahre hinweg verstürzen und mit Lockergestein verfüllte Einsturzdolinen bilden. Die ersten von der Grundstücksoberfläche her durchgeführten geologischen Untersuchungen und die Sichtung geologischer Karten führte zu der Erkenntnis, dass auf

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dem Baugrundstück Hohlräume bzw. verstürzte Dolinen unterhalb der angedachten Gründungssohle nicht vollständig ausgeschlossen werden konnten. Zum einen war klar, eine Gründung direkt auf Hohlräumen ist zu vermeiden und eine Gründung im Bereich verstürzter Hohlräume erfordert Sondermaßnahmen in der Gründungskonzeption. Da aus technischer Sicht eine detaillierte geotechnische Analyse zu Hohlräumen erst mit Erreichen der Gründungssohle möglich war, entstand insgesamt eine herausfordernde Aufgabe – für die Planung und den Bauablauf. Mit Beginn der Planung waren zunächst keine Hohlräume bekannt, lediglich eine verstürzte Doline wurde vermutet. Daher wurde in Abstimmung mit dem zuständigen Geologen zunächst mittels setzungsorientierter Betrachtungen eine optimierte und wirtschaftliche Gründung auf Einzel- und Streifenfundamenten geplant. Wegen hoher Anforderungen an die Bauphysik und die Nachhaltigkeit wurde unterhalb der Fundamente und der Bodenplatte hochdruckfeste Dämmung verlegt. Um der Gefahr von Hohlräumen und Einsturzdolinen Rechnung zu tragen, wurden im Bauablauf Zeiträume für zusätzliche Drucksondierungen und für Hohlraumerkundungen mittels Georadar berücksichtigt. Die Untersuchungen erfolgten dem geplanten Rohbau vorweglaufend. Hohlräume wurden keine gefunden. Im südöstlichen Baufeld bestätigte sich eine verstürzte Doline. Um in diesem Bereich größere Setzungen zu vermeiden, waren zusätzliche Berechnungen und Ertüchtigungen der Gründung erforderlich. Im Ergebnis konnten im Bereich der Störstelle duktile Gusspfähle als Setzungsbremse unterhalb der Ein-

zel- und Streifenfundamente verbaut werden. Da der Einbau von Gusspfählen sehr schnell mit kleinem Rammbagger möglich ist und die Rohbaureihenfolge so ausgelegt war, dass Anpassungen möglich waren, konnte die Gründungsertüchtigung erfolgreich und ohne merkbare Zeitverluste bei der Erstellung des Rohbaus umgesetzt werden. Dipl.-Ing. Jochen Salmen, Dipl.-Ing. Markus Gartz, Mayer-Vorfelder und Dinkelacker Ingenieurgesellschaft für Bauwesen

Bautafel DHBW – Neubau Fakultät für Technik in Stuttgart ■ Bauherr: Land Baden-Württemberg ■ Nutzer: DHBW Stuttgart ■ Architekten: 3XN Architects, Barbara Thölking Architektur, urban progressive architecture GbR ■ Tragwerksplanung: Mayer-Vorfelder und Dinkelacker ■ Konzeption Baugrube: Mayer-Vorfelder und Dinkelacker ■ Bruttogeschossfläche: 31.057 m2 ■ Bruttorauminhalt: 142.608 m3

Weitere Informationen: Mayer-Vorfelder und Dinkelacker Ingenieurgesellschaft für Bauwesen GmbH und Co KG Wettbachstraße 18, 71063 Sindelfingen Tel. (07031) 69 98-0, Fax (07031) 69 98-66 zentrale@mvd-plan.de, www.mvd-plan.de

Investitionsstau an den Berliner Hochschulen Die Berliner Hochschulen erhalten in den nächsten zwei Jahren 300 Millionen € pro Jahr für Investitionen und Sanierungen – ein neuer Höchstwert, wie Wissenschaftsstaatssekretär Henry Marx bestätigt. Diese Summe wird allerdings nicht ausreichen, den Sanierungsstau an den Berliner Hochschulen in Höhe von 8,2 Milliarden € (ohne die Charité) in absehbarer Zeit zu beseitigen. Bis Ende 2023 soll ein Landeshochschulentwicklungsplan vorliegen, der die Sanierungs- und Investitionsmaßnahmen der Hochschulen, die mit den 300 Millionen € vorrangig saniert werden, nach Wichtigkeit ordnet. Der Senat will so die Hochschulen in die Lage versetzen, mehr in Eigenregie zu bauen. Dazu soll die maximale Investitionssumme von derzeit fünf auf 20 Millionen € je Projekt erhöht werden. Mit Bis zu zehn Milliarden € werden für Klima- und Umweltschutz bereitgestellt. Künftig soll mehr Wert auf die Sanierung des Gebäudebestandes gesetzt als auf Neubauten. Die Hochschulen und die Wissenschaftsverwaltung hatten sich während der Sommerpause grundsätzlich auf die neuen Hochschulverträge für die Jahre 2024 bis 2028 verständigt. Ihre Etats sollen demnach pro Jahr um 5 %

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steigen. Für 2024 können die drei großen Universitäten, die vier staatlichen Fachhochschulen sowie die vier meist kleineren Kunsthochschulen mit 72 Millionen € mit mehr Geld als im laufenden Jahr rechnen, für das sie 1,45 Milliarden Euro erhalten. In den Folgejahren erhöht sich dieser Betrag, da für die Berechnung des Anstiegs das jeweilige Haushaltsjahr zugrunde gelegt wird. Neu in den Hochschulverträgen ist, dass neben einer Basisfinanzierung in Höhe von 70 % der Etats leistungsbasierte Zuschüsse verabredet sind, d. h. die Hochschulen erhalten das Geld nur, wenn sie bestimmte Anforderungen erfüllen. Das betrifft nach Angaben des Staatssekretärs Maßnahmen zur Fachkräftesicherung, der Ausbildung von Lehrkräften, der Gleichstellung und der Forschung. Anders als in den Vorjahren können diese Felder jedoch nicht gegeneinander aufgerechnet werden.

Weitere Informationen: Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege Oranienstraße 106, 10969 Berlin Tel. (030) 90 28-0, Fax (030) 90 28-31 02 www.berlin.de/sen/wgp

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Projektvorstellungen

DIE KUNST DER KLEINEN KNIFFE SANIERUNG DER PHILOSOPHISCHEN FAKULTÄT DER HEINRICH-HEINE-UNIVERSITÄT DÜSSELDORF

Bild 1. Sanierung der Philosophischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

RKW Architektur + Als typische Hochschulgründung der deutschen Nachkriegszeit ist die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf eine Campus-Uni – gebaut in den späten 1960er-Jahren und nun entsprechend in die Jahre gekommen. So auch ihre Philosophische Fakultät. Ausgelöst durch PCB-Funde, stieß der BLB Bau- und Liegenschaftsbetrieb Nordrhein-Westfalen eine Machbarkeitsstudie und letztendlich einen Realisierungswettbewerb für die Kernsanierung an. Ein Projekt, das vom beauftragten Büro RKW Architektur + Sorgfalt, Fingerspitzengefühl und Pragmatismus verlangte. Nur wer an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf lernt oder lehrt, weiß wohl, was sich hinter der profanen Bezeichnung Gebäude 23.21 verbirgt – nämlich die Philosophische Fakultät, kurz PhilFak. Sie liegt an der Magistrale, die sich zwischen der Universitäts- und Landesbibliothek sowie der großen Mensa aufspannt, und bildet damit ein Herzstück des Campus. Auf seinen 21.800 m2 BGF beinhaltet das Gebäude u. a. einen großen und zwei kleinere Hörsäle, eine Fachbibliotheks-Etage sowie diverse Seminar- und Verwaltungsräume.

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Belasteter Betonbau Die verhältnismäßig junge Universität geht zurück auf eine medizinische Akademie zu Beginn des 20. Jahrhunderts; erst 1965 beschloss die Landesregierung die Gründung einer Volluniversität. Zunächst im Stadtgebiet verstreut, sollten die verschiedenen Institute ein Campusareal im Süden Düsseldorfs beziehen, das Ende der 1960er-Jahre bebaut wurde. Die Philosophische Fakultät war – nach der Universitätsverwaltung – eines der ersten fertiggestellten Gebäude. Konstruiert wurde zeittypisch mit einem modularen System von Betonfertigteilen, das gerade im Hochschulbau als „Marburger Bausystem“ bekannt war und eine schnelle, rationelle Fertigung ermöglichte. Die Kehrseite der Medaille: Ebenfalls dem Zeitgeist entsprechend, kamen gerade beim Innenausbau unterschiedliche Substanzen und Materialien zum Einsatz, deren Schädlichkeit noch zum Zeitpunkt der Errichtung nicht hinreichend bekannt war. Neben Asbest und KMF zählten dazu auch polychlorierte Biphenyle (PCB), die

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Projektvorstellungen

Bild 2. Fassade

Bild 4. Haupteingang und Foyer

u. a. in Betonbauten als Weichmacher für Fugendichtungsmasse verwendet wurden und schon seit 1989 in Deutschland verboten sind. Auch an der Heinrich-Heine-Universität stand eine PCB-Vermutung im Raum. So ließ der Bauund Liegenschaftsbetrieb des Landes Nordrhein-Westfalen (BLB NRW) als Betreiber der Universität im Gebäude 23.21 entsprechende Untersuchungen durchführen – mit positivem Befund. In der Folge wurden ganze Gebäudeteile wegen zu hoher PCB-Belastung freigezogen und der BLB beauftragte eine Machbarkeitsstudie für den Gebäudebestand. Die Aufgabe: Im Rahmen einer kompletten Schadstoffsanierung sollten drei Optionen untersucht werden – ein Komplettabriss und -neubau, der Erhalt des Gebäudes inklusive Kernsanierung oder drittens eine Kombination der ersten beiden Optionen. Basierend auf den Resultaten der Studie, folgte dann ein Realisierungswettbewerb per VOF-Verfahren. Letztendlich setzte dabei sich dabei das Düsseldorfer Büro RKW Architektur + als Sieger durch.

gewünschten Raumprogramms – und das alles unter Wahrung der örtlichen Gegebenheiten, die uns ohnehin nur begrenzt Spielraum für größere Eingriffe oder Umbauten ließen“, erzählt Silke Lange.

Ein Projekt, viele Aufgaben Das Generalplanerteam unter der Projektleitung von Silke Lange schlug vor, das Gebäude unter Wahrung des Bestandsschutzes und ohne starke konstruktive Veränderungen zu sanieren und zu modernisieren. „Dabei gab es drei große Aufgabenbereiche: die Schadstoffsanierung, die Ertüchtigung des Brandschutzes und die Realisierung des

Bild 3. Haupteingang Gebäude 23.21 außen

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Maximale Sorgfalt bei Schadstoffen Die wichtigste und vorgelagerte Aufgabe war die Sanierung der schadstoffbelasteten Räume und Gebäudeteile. Hierfür wurde bei der Entkernung und Schadstoffbeseitigung sowohl auf belastete konstruktive Bauteile, Dichtungsmassen, Akustik-Deckenplatten mit Flammschutzbeschichtungen, Betondecken und Oberflächen mit PCBhaltigen Anstrichen geachtet. Doch nicht nur verbaute Produkte und Materialien oberhalb des Rohbaus mussten entfernt bzw. behandelt werden. Es galt ebenfalls, Rauminventar, dessen Wiederverwendung gewünscht war, entsprechend zu behandeln. Denn PCB gast kontinuierlich aus, sodass Möbel oder auch Bücher über eine lange Zeit kontaminiert worden waren. Diese Objekte mussten über mehrere Monate systematisch ausgelüftet werden, um später wieder zurück ins Gebäude zu dürfen.

Ergänzende Sanierungsfelder Doch saniert wurde noch weitaus mehr. „Wir haben die gesamte Betonkonstruktion unter die Lupe genommen. Schließlich ist diese auch ein Zeitzeugnis, beispielsweise mit

Bild 5. Treppenhaus

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den markanten Balkonelementen, die das Gebäude prägen“, so Silke Lange. Nach einer gründlichen Erkundung und Betonbeprobung an Fassade, Balkonen und den Innenräumen wurden oberflächliche Schäden, aber auch Risse und etwaige Folgeschäden an der Bewehrung behoben. Auch erhielten die Balkone komplett neue Geländer aus verzinktem Stahl. Eine wichtige funktionale Änderung betrifft ebenfalls die Balkone: Dank Neuorganisation des Gebäudes sind diese keine Fluchtwege mehr und dürfen nun lediglich für die Fassadenreinigung sowie -wartung betreten werden, was den Gebäudeunterhalt erheblich günstiger macht.

Brandschutz plus Barrierefreiheit Deutliche konstruktive Eingriffe in die Gebäudestruktur nahmen die Planer vornehmlich bei der Brandschutzertüchtigung vor. So gibt es ein neues Treppenhaus für die Entfluchtung am östlichen Kopf des mittleren Gebäuderiegels, das ebenfalls über einen Aufzug für Liegendtransporte verfügt. Ferner haben die beiden Hörsäle 3E und 3F nunmehr jeweils eine Ausgangstreppe direkt ins Freie, die Seminarräume besitzen ebenerdige Fluchttüren und das zweigeschossige Foyer ist mit einem Brandschutzvorhang ausgerüstet. Im Sinne der Barrierefreiheit erhielt Gebäude 23.21 ferner eine neue Erschließungsrampe sowie taktile Bodenelemente.

Bild 6. Aufzugsbereich

Dezentrale Lüftungseinheiten Bei der Energieversorgung nutzt das neue Gebäude 23.21 weiterhin die vorhandene Fernwärme. Um bei der Belüftung hingegen den Spagat zwischen Bestandsschutz und Modernisierung zu schaffen, griffen die Architekt*innen und Fachplaner*innen zu einem Kniff: Sie integrierten dezentrale Lüftungseinheiten flächenbündig in die Raumdecken, passgenau zwischen die zahlreichen vorhandenen Unterzüge. Nur die Hörsäle und die unteren Seminarräume werden mit einer erneuerten, zentralen Lüftungsanlage versorgt. So konnten Eingriffe ins Tragwerk auf das Nötigste reduziert werden.

Neues Gesicht außen, … Deutlich mehr Freiraum hatte das Team von RKW Architektur + bei der Umsetzung eines neuen Looks für das Gebäude. So erhielten die sichtbaren Betonfertigteile der Konstruktion inklusive der Balkone einen Anstrich in einem annähernd weißen Hellgrau. Die früheren farbigen Holzfenster ersetzten sie durch ein tiefschwarzes Fassadensystem aus Aluminium, das mit innenliegendem Blendschutz und außenliegendem Sonnenschutz für mehr Arbeitskomfort sorgt. Ebenfalls aus Aluminium – jedoch in einer silbrig-matt schimmernden Variante – sind die großflächigen, energetisch optimierten, geschlossenen Stirnseiten des zentralen Riegels gestaltet. Zur Campus-Magistrale hin wird diese durch eine gelbe Glasbox kontrastiert, den neuen Haupteingang.

… optimale Orientierung innen Das äußere Farbkonzept findet seine Entsprechung im Innern. Hier sind die Wände weiß und an verschiedenen

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Bild 7. Hörsaal

Points of Interest gelb gestrichen, während die vertikalen Erschließungskerne den Ton der dunklen Pfosten-RiegelKonstruktionen aufnehmen. Weitere dunkle Akzente in selber Farbe finden sich vertikal in Form von Türen und Sanitärraumwänden, sowie horizontal als Bodenmarkierung für Kommunikationsbereiche in den EG-Fluren. Ebenfalls auf Farbigkeit – ergänzt durch prägnante Typographie – setzt das dezente Leitsystem, das ebenfalls für Barrierefreiheit sorgt. Auch förderlich für die Orientierung sind die hellen Böden, Wände und Decken, eine großzügige Verglasung und ein intelligentes Lichtkonzept, was insgesamt eine intuitive Nutzung und Durchwegung des Gebäudes fördert.

Selbst entwickelte Möbel Ein weiteres Gebiet, in dem Kreativität erlaubt war, stellte die Ausstattung dar. „Wir haben eigene, zum Gesamtkonzept passende Tisch-Bank-Elemente für die allgemeinen Kommunikations- und Aufenthaltsbereiche entwickelt“, erzählt Projektleiterin Silke Lange, „außerdem die Bestuhlung und Pulte für die Hörsäle sowie die Schließfachelemente.“ Dass es aber nicht um Neugestaltung um jeden Preis ging, zeigen etwa die markanten Akustik-Deckensegel des großen Hörsaals. Diese wurden eben nicht neu entworfen, sondern erhalten und lediglich farblich verjüngt.

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Bild 8. Sanitärbereich (Fotos: © Markus Pietrek)

Farbgestaltung in Hell und Dunkel eine klassische Anmutung gewählt – und sie dann mit der Akzentfarbe Gelb an ausgewählten Orten ganz gezielt wieder gebrochen“, sagt Silke Lange. „So haben wir besondere Orte mit prägnantem Mittelpunktcharakter geschaffen, die vorher gefehlt haben.“ Insgesamt ist es dem Generalplanerteam von RKW Architektur + mit dieser umfangreichen, detailintensiven und herausfordernden Sanierung gelungen, ein belastetes und in die Jahre gekommenes Gebäude so zu überarbeiten, dass es nicht nur zukunftstauglich ist, sondern auch sein authentisches Gesicht sowie seine Ressourcen an „grauer Energie“ maximal bewahrt hat. Auf dem Campus der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf gibt es noch einige mehr von seiner Sorte, bereit für eine Sanierung mit vielen kleinen Kniffen.

Herausfordernde Logistik Neben der umfangreichen Detailarbeit der verschiedenen Sanierungsphasen gab es für das Projektteam noch eine weitere Herausforderung: die Abwicklung der Arbeiten im laufenden Betrieb der umliegenden Institute und sonstigen Universitätseinrichtungen. Dazu gehörte u. a., dass die Magistrale für Schwerlastverkehr tabu war und somit eigene Umleitungen und Zufahrtsmöglichkeiten eingerichtet werden mussten. Auch galt es, Baustellenverkehr und Universitätsverkehr baulogistisch streng zu trennen. So wurde die gesamte Baustelle komplett aus dem rückwärtigen Bereich angedient, Material und Bauteile gelangten vornehmlich per Kran oder mit Lastenaufzügen an ihren Bestimmungsort.

Es ist noch viel zu tun Welcher gestalterische Aspekt ihr beim Sanierungsprojekt „Gebäude 23.21“ am besten gefällt? „Wir haben mit der

Bautafel Sanierung der Philosophischen Fakultät der Heinrich-HeineUniversität Düsseldorf (Gebäude 23.21) ■ Architekt: RKW Architektur +, Standort Düsseldorf ■ Bauleitung: RKW Architektur +, Standort Düsseldorf ■ Nutzfläche: ca. 10.150 m2 ■ BGF: ca. 21.850 m2 ■ Gesamtbaukosten: ca. 41 Millionen € brutto (KG 200–600) ■ Fertigstellung: 2021

Weitere Informationen: RKW Architektur + Tersteegenstraße 30, 40474 Düsseldorf Tel. (0211) 4367-122 info@rkwmail.de, https://rkw.plus/de

Dresden: Zentrum für Seelische Gesundheit Am Standort der ehemaligen „Neuen Poliklinik“ Haus 46 in Dresden entsteht das neue Zentrum für Seelische Gesundheit, das neben den psychiatrischen und psychosomatischen Kliniken das Zentrum für Gesundes Altern, das Labordiagnostische Zentrum mit den Instituten für Klinische Chemie, Mikrobiologie und Virologie sowie die Early Clinical Trial Unit (ECTU) beherbergen wird. Im Neubau entstehen ca. 12.080 m2 Nutzfläche für die Psychiatrie und Psychosomatik sowie die Altersmedizin. Integriert wird im Neubau zudem eine akutgeriatrische Funktionseinheit. Der Neubau wird über mehrere Geschosse an das bestehende Diagnostisch Internistisch Neurologische Zentrum DINZ (Haus 27) angebunden, sodass bereits bestehende Diagnostikeinrichtungen für die Psychiatrie und vorhandene Ressourcen der Intensivmedizin im DINZ für die ECTU genutzt werden können. Darüber hinaus wird

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der Neubau das Institut für Klinische Chemie und die aktuell noch im Medizinisch-Theoretischen Zentrum (MTZ, Haus 91) bestehenden klinischen Labore (Mikrobiologie, Virologie) aufnehmen. Beide Institute werden im Neubau auf einer Fläche von 2.760 m2 untergebracht. Die Planung sieht die Möglichkeit einer späteren zweigeschossigen Erweiterung des Neubaus zur Hauptklinikstraße vor. Der Bau soll bis zum 3. Quartal 2025 bezugsfertig sein, die Baukosten betragen 95 Millionen €. Der feierliche Spatenstich erfolgte im April 2021.

Weitere Informationen: Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der TU Dresden Tel. (0351) 458-0, Fax (0351) 458-43 40 www.uniklinikum-dresden.de

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XJTLU TAICANG CAMPUS IN CHINA NEUE LERNLANDSCHAFTEN

Bild 1. Der Taicang Campus der Xi‘an Jiaotong-Liverpool University (XJTLU) in Suzhou.

Die zukunftsorientierte Bildungsarchitektur ist nach dem rhizomatisch verflochtenen Kommunikationsprinzip konzipiert und stellt die neuen multidimensionalen Lernmethoden der Studierenden in den Mittelpunkt. Das Herzstück des Taicang Campus der Xi‘an Jiaotong-Liverpool University ist die 850 m lange, radiale „Learning Mall“, die Lehr- und Forschungseinrichtungen miteinander verbindet – ein Ort der Begegnung und der gegenseitigen Kommunikation, der einen maximalen Austausch, intern, fakultätsübergreifend und auch mit externen Gästen, fördert. Entlang des Rundweges sind verschiedene Kommunikationsräume mit informellen Diskussionsbereichen und buchbaren Unterrichtsräumen eingerichtet worden. Der Taicang Campus der Xi‘an Jiaotong-Liverpool University (XJTLU) befindet sich in der Taicang Hi-Tech Development Zone in Suzhou, Jiangsu, China. Im Jahr 2018 gewann HPP den internationalen Designwettbewerb für den XJTLU Taicang Campus und war anschließend für Architektur, Innenarchitektur, Landschaftsarchitektur und Generalplanung des Projektes verantwortlich. Nach dem Prinzip „Integration und Symbiose“ entworfen, fördert eine Kombination von offenen und geschlossenen Räumen den multidisziplinären Gruppenunterricht in einer offenen, integrierten Umgebung.

Bild 2. Die 850 m lange, radiale „Learning Mall“ ist das Herzstück des Campus.

Rhizomatische Lernmodelle

Learning Mall

Die traditionelle Bildungsarchitektur wurde aus der Perspektive der Pädagogen entworfen, einschließlich der räumlichen Zusammensetzung, der Größe des Geländes sowie der Innen- und Außenanlagen. Das heißt, die Priorität lag in der Regel bei den Lehrkräften. Zukunftsorientierte Bildungs-

Ein 850 m langer Ring als radiale „Learning Mall“ ist das Schlüsselelement und die gemeinsame Lehrstätte des Campus. Hier befinden sich verschiedene Lern- und Diskussionsräume sowie offene Bereiche für Kommunikation und Interaktion. Die Mall umfasst auch Außenbereiche,

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architektur hingegen bewegt sich um und mit den Lernenden. „Das Bildungswesen in China erreicht eine neue Entwicklungsphase: Zukünftige Universitätsprojekte verfügen über mehr gemeinsam genutzte Räume und vernetzte Institute“, so Ren Qi, Associate Partner HPP. Bei der Gestaltung des Taicang Campus wird eine zukunftsorientierte und interdisziplinäre Ausbildung durch eine durchdachte Architektur und kreative Raumgestaltung fokussiert.

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Bild 3. Sieben u-förmige Institutsgebäude schließen sich an die radiale „Learning Mall“ an.

durch die Hochschule und ermöglicht den Studierenden, verschiedene Disziplinen kennenzulernen. Durch die räumliche Überlagerung von Ring und u-förmigen Gebäuden entstehen Atrien für Aktivitäten der einzelnen Institute, die beim Spazieren in der Mall wahrgenommen werden und zu einer ganzheitlichen Lernatmosphäre beitragen. „Der XJTLU-Campus bietet 24/7 vernetzten Unterricht mit strategischer Überlagerung möglicher Begegnungen – er ist ein Spiegel unserer Zeit“, so Jens Kump, Partner HPP. Jedes Institut verfügt über vier Hauptbereiche: Büros, Forschung und Entwicklung mit Innovationswerkstätten, unterstützende Räume und Bibliotheken. Die Büros befinden sich in der obersten Etage, um ein gewisses Maß an Privatsphäre zu gewährleisten. Die unterstützenden Bereiche jeder Hochschule, darunter Konferenzräume, Druckräume und offene Diskussionsbereiche, befinden sich im dritten Stock und können mit der Learning Mall geteilt werden. Als öffentlichste und offenste Funktion der Hochschule ist die Bibliothek in der Nähe des Kopfes der Landschaftsplattform im zweiten Stock untergebracht und bietet den Studierenden eine natürliche Lernumgebung. Die Forschungs- und Entwicklungsabteilung und die Innovationswerkstätten befinden sich im ersten und zweiten Stock und somit logistisch optimal auf den Transport von Großgeräten ausgelegt.

Lebendige Fassade Die natürliche und farbenfrohe Fassade verleiht dem Campus ein charakteristisches Aussehen und unterstreicht die lebendige Lebens- und Lernatmosphäre auf dem Taicang Bild 4. Ergänzt wird das radiale Lehr- und Institutsensemble durch eine Sporthalle und einen Wohnheimbereich im nordwestlichen Teil des Campus.

insbesondere die Aussichtsplattform im zweiten Stock, die eine frei zugängliche Erweiterung des Lernbereichs im Innern darstellt. Sieben u-förmige Institute schließen sich an den zentralen Ring an und verbinden Innen- und Außenbereiche miteinander – nach außen zur Stadt geöffnet, bilden sich im Inneren ruhige, geschützte Lernwelten.

Überschneidende Begegnungen Die gleichmäßige Anordnung der Institute entlang der Mall erleichtert die gemeinsame Nutzung von Arbeitsbereichen

Bild 6. Eine Aussichtsplattform im zweiten Stock ermöglicht die Erweiterung des Lernbereichs in den Außenraum.

Bild 5. Die Landschaft ist als kontinuierlicher, fließender Raum der Erholung im Freien gestaltet.

Bild 7. Vielfältige Orte der Begegnung fördern einen maximalen Austausch. (Fotos 1–3 und 7: © AST Studios, Gao Feng)

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die zusammen einen dynamischen Lebensraum bilden. Die gestaffelte Höhe der Wohnheimgebäude reagiert auf die landschaftlichen Ressourcen der Umgebung und ermöglicht von überall den Ausblick auf den Fluss.

Dynamische Landschaft

Bild 8. Durch die räumliche Überlagerung von Ring und u-förmigen Gebäuden entstehen Aktivitätszonen für eine ganzheitliche Lernatmosphäre. (Fotos 5, 6 und 8: © CreatAR Images)

Campus. Die Kombination von gefärbten Betonplatten mit digital bedrucktem Glas entspricht nicht nur den Lichtbedürfnissen des Lehrgebäudes, sondern vermittelt auch ein modernes Fassadenbild. Die Institutsgebäude entlang des alle Funktionen verbindenden Rings sind in den Farben Koralle, Orange, Jadegrün, Wasserblau und Violett gestaltet. Atrien mit natürlicher Beleuchtung und kreisförmiger Überdachung bereichern die räumliche Komposition zusätzlich und orientieren sich mit einem positiven Image zur Stadt.

Unterstützende Einrichtungen

Fazit Der Campus der XJTLU Taicang wurde mit dem LEEDZertifikat in Gold ausgezeichnet und legt somit nachhaltige Prinzipien zugrunde. Das ganzheitliche Designkonzept von HPP bezieht gleichermaßen die natürliche Umgebung, den historischen Kontext und das Bildungsideal der Universität ein. Durch die Fokussierung auf die Interaktion zwischen den Menschen und die Integration verschiedener Disziplinen werden auf dem Campus abwechslungsreiche und flexible Räume geschaffen, die als architektonische Referenz für die Entwicklung zukunftsorientierter Universitäten dienen. Bautafel XJTLU Taicang Campus ■ Bauherr: Taicang Culture and Education Investment Group Co, Ltd ■ Architekt: HPP Architekten ■ BGF: 427.000 m2 ■ Fertigstellung: 2022 Weitere Informationen: HPP Architekten GmbH Zollhof 26, 40221 Düsseldorf Tel. (0211) 83 84-0 duesseldorf@hpp.com, www.hpp.com

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Als Erweiterung des Lehrbereichs und als Verbindung zum Schlafsaalbereich ist die Sporthalle eingefügt und nimmt die architektonische Form des Lehrgebäudes wieder auf. Das Erdgeschoss der Sporthalle ist mit Funktionsräumen wie Foyer, Umkleideraum, Unterrichtsraum und Fitnesscenter ausgestattet, das erste Obergeschoss mit großen Sportplätzen für Basketball, Badminton usw., die den täglichen Bedarf der Studenten mit einer Vielzahl von Sportmöglichkeiten decken. Der Wohnheimbereich im nordwestlichen Teil des Campus bietet den Studierenden hochwertige Wohnräume und vielfältige Einrichtungen. Im ersten und zweiten Stock befinden sich hauptsächlich Serviceeinheiten, Restaurants und verschiedene Geschäfte,

Hauptelement der Landschaftsgestaltung ist ein y-förmiges Wassersystem, das sich, gesäumt von Grünräumen und Aufenthaltsbereichen, durch den Campus zieht und als kontinuierlicher, fließender Raum der Erholung im Freien und der öffentlichen Kommunikation dient. Ein Pfirsichgarten ist das Herzstück des Campus, in dem Wasser und Grünpflanzen miteinander verschmelzen.

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Bild 9. Die Architektur ist nach dem rhizomatisch verflochtenen Kommunikationsprinzip konzipiert. (Grafiken 4 und 9: © HPP Architekten)

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LMU KLINIKUM INNENSTADT, MÜNCHEN INTERDISZIPLINÄRES UNIVERSITÄTSKLINIKUM IM HERZEN MÜNCHENS

Bild 1. Zugangsfassade, Notaufnahme

Sweco Architects Beim Neubau des LMU Klinikums Innenstadt zeigt sich ein gelungenes Zusammenspiel zwischen historischer Bausubstanz und modernem Neubau. Mit der feierlichen Eröffnung des interdisziplinären Universitätsklinikums begann im Juni 2021 ein neues Kapitel in der Geschichte der LMU-Medizin. Am neuen Standort des Münchner Universitätsklinikums – eine der größten Unikliniken in Europa – wird die Grund- und Regelversorgung in München auf universitärem Niveau qualitätsvoll und interdisziplinär sichergestellt. Jährlich können im neuen Klinikum 70.000 Patient*innen ambulant und 15.000 Patient*innen stationär versorgt werden. Das architektonisch ansprechende und zugleich zweckmäßige Gebäude gewährleistet die bestmögliche physische und auch psychische Betreuung auf höchstem medizinischem und technischem Niveau. Beim Betreten des Neubaus des LMU Klinikum Innenstadt in München durch den imposanten ringförmigen Doppelbogen im Innenhof (ein Kunstwerk des Berliner

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Künstlers Albert Weis) ahnen wohl nur die wenigsten, welche planerischen und logistischen Herausforderungen gemeistert werden mussten, damit hier eine optimale medizinische Versorgung gewährleistet werden kann. Heute wird an diesem neuen Standort der Universitätsklinik der bayerischen Landeshauptstadt die Forschung und studentische Ausbildung in der Innenstadt zukunftsorientiert weiterentwickelt. In dem Neubau wird mittlerweile effektiv und gesundheitsfördernd gearbeitet. Notfälle können umgehend versorgt werden und Genesungsprozesse möglichst schnell voranschreiten. All das geht unter anderem auf die planerische Expertise von Swecos Architekt*innen zurück. In der Vergangenheit waren die Fachrichtungen Innere Medizin, Chirurgie und Geburtshilfe samt Ambulanzen an unterschiedlichen Adressen beheimatet und mussten zum Teil in höchst beengten Verhältnissen und mit veralteten Geräten arbeiten. Dank des interdisziplinären Neubaus sind sie jetzt modern ausgestattet und konzen-

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Bild 2. Städtebaulicher Kontext

triert, und zwar auf einem planerisch optimal ausgenutzten, weil knapp bemessenen innerstädtischen Grundstück, in unmittelbarer Nachbarschaft der denkmalgeschützten medizinischen Klinik.

Direkter Austausch mit zukünftigen Nutzergruppen Bei der Planung von Bauten für das Gesundheitswesen ist ein direkter Austausch mit den zukünftigen Nutzergruppen von enormer Bedeutung. Denn nur unter intensivem Einbezug von ärztlichem Fach- und Pflegepersonal in den Planungsprozess kann ein positives Umfeld geschaffen werden, das dem medizinischen Personal beste Arbeitsbedingungen bietet und gleichzeitig die Heilung der Patientinnen und Patienten unterstützt. Die besondere Herausforderung besteht darin, dass Bauten für das Gesundheitswesen nicht nur gesetzliche Vorgaben erfüllen müssen, sondern darüber hinaus vor allem auch den Anforderungen unterschiedlichster Personengruppen gerecht werden. Deren Bedarfe sind ebenso vielfältig wie die Nutzer*innen selbst, was bei der Planung berücksichtigt werden muss. Funktionalität und Effizienz sind in allen Bereichen besonders wichtig. Das gilt für Fachpersonal und Patient*innen genauso wie für technisches Personal, Lieferant*innen und Besu-

Bild 3. Dachaufsicht, Grundstück

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cher*innen und kann z. B. durch gut durchdachte kurze Wege bei der Patientenbeförderung erreicht werden. Um sicherzustellen, dass die Innenräume des LMU Klinikums Innenstadt den höchsten Standards entsprechen und den Heilungsprozess der Patient*innen unterstützen, wurde eng mit Swecos Innenarchitekt*innen, Fachingenieur*innen und den ausführenden Firmen zusammengearbeitet. Diese Zusammenarbeit führte zur Entwicklung von Licht- und Farbkonzepten, die nicht nur der Orientierung dienen, sondern auch eine positive Wirkung auf die Gesundheit der Patient*innen haben. Durch die Berücksichtigung dieser Aspekte bei der Innenraumgestaltung konnte eine angenehme, freundliche und die Heilung unterstützende Atmosphäre in der Klinik geschaffen werden. Die Definition der zukünftigen Prozesse ist ein weiterer elementarer Punkt, den es zu Beginn einer Klinikplanung zu beachten gilt. Auch hierbei sollte eine enge Abstimmung mit den entsprechenden Mitarbeitenden (Pflege, Ärzteschaft, Verwaltung, Logistik etc.) erfolgen, um sicherzustellen, dass keine wesentlichen Aspekte ausgelassen wurden. Beim Klinikneubau in München wurde im Rahmen interdisziplinärer Nutzerabstimmungen die Anordnungen der Notfallambulanz und der interventionellen Diagnostik optimiert. Im OP-Bereich und der Entbindung konnten zudem die vorhandenen Flächen bedarfsgerechter verteilt werden. So konnten bessere Raumsynergien, kürzere Wege, eine verbesserte Überwachungssituation und eine engere Vernetzung der verschiedenen Fachbereiche erreicht werden, die für die Gewährleistung optimaler Behandlungsmöglichkeiten sorgen. Beispiel hierfür ist der direkte Übergang zwischen Kreissälen und OP-Abteilung, die im Falle einer eiligen Sectio dem Personal schnelles Handeln ermöglicht und der werdenden Familie Sicherheit vermittelt.

Bild 4. Historische Bausubstanz

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Bild 5. Doppelbogen im Innenhof, gläserner Verbindungsbau, Keramikfassade

Bild 7. Patientenzimmer

Funktional und ästhetisch: harmonische Integration des Neubaus

alle Ebenen als Bindeglied zwischen Neu- und Altbau fungiert. Hier werden neben dem Empfang auch die Serviceeinrichtungen angebunden. Um die Trennung von gehfähigen Patient*innen und Fahrtragen- bzw. Bettenverkehr bereits in der Aufnahme baulich umzusetzen, wurden getrennte Zugänge für Liegendkranke und ambulante Patient*innen sowie das Zweiflursystem geplant.

Die Planung des Neubaus für die Münchner Universitätsklinik stellte auch aufgrund der historischen und denkmalgeschützten Struktur sowie dem begrenzten innerstädtischen Grundstück eine besondere Herausforderung dar. Um den Anforderungen gerecht zu werden, wurde ein Gebäude mit einer großzügigen Nutzfläche von rund 12.700 m2 entwickelt. Dabei wurde besonderes Augenmerk daraufgelegt, dass der Neubau funktional und logistisch an den Altbau der Universitätsklinik anschließt und gleichzeitig dessen historische Bausubstanz respektiert. Um eine harmonische Integration des Neubaus zu ermöglichen, wurde sich für einen viergeschossigen Baukörper entschieden, der als Eckbebauung die Baufluchten der medizinischen Klinik aufgreift und den neuen Portikus des Klinikums definiert. Die kompakte Bauweise des Neubaus gewährleistet dabei eine angemessene Entfernung zum denkmalgeschützten Gebäude. Hierdurch entsteht zudem ein attraktiver Stadtgarten, der der Durchwegung des Areals dient und Patient*innen und Besucher*innen zum Verweilen und Entspannen einlädt. So wurde gleichzeitig ein Ort der Begegnung geschaffen, der die soziale Interaktion fördert. Der Haupteingang mit der zentralen Eingangshalle befindet sich in einem gläsernen Verbindungsbau, der über

Bild 6. Flur- und Farbkonzept

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Belebtes und doch klar strukturiertes Fassadenbild Die Gebäudehülle wird geprägt durch schlanke, vertikal verbaute Keramikelemente mit unregelmäßig angeordneten Kanneluren. Die als Fertigteile ausgebildeten Keramikelemente mit oberem umlaufendem Gesims hingegen betonen die klare horizontale Gliederung der Geschosse. Geschosshohe Lochfenster mit Aluminium-Glas-Fenstern, zugehörigen Paneelen und außenliegendem Sonnenschutzlamellenbehang vervollständigen das belebte und gleichzeitig klar strukturierte Fassadenbild. Für die Keramikfassade wurden dezente Naturtöne gewählt, sodass die Farbgebung mit dem denkmalgeschützten Altbau der Medizinischen Klinik harmonisiert. Dadurch entsteht ein interessantes und bewegtes Fassadenbild, das einladend wirkt. Die Zugangsfassade der Zentralen Notaufnahme, die Fassaden der Zwischenbauwerke West und Ost sowie auch das Erdgeschoss der Südseite und die Eingangsfassade wurden als Pfosten-Riegel-Fassa-

Bild 8. OP-Saal (Fotos: © Daniel Schvarcz)

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den mit geschosshoher Verglasung ausgebildet. Damit setzen sich diese Gebäudeteile gegenüber den umgebenden Altbauten als eigenständiges Element ab und machen Funktionen und Hauptzugänge auch in der Fassade ablesbar. Auch das Thema Nachhaltigkeit spielt bei dem Neubau eine große Rolle. So wurde bei der Auswahl der Fassadenmaterialien auf Langlebigkeit und recyclefähige Produkte geachtet. Auf dem begrünten Dach wurde eine Solaranlage installiert und im Untergeschoss ein Blockheizkraftwerk errichtet, um zur Energieversorgung beizutragen. Alle Patientenzimmer können über Betonkerntemperierung beheizt oder gekühlt werden. Damit kann mit minimiertem Energieeinsatz zu jeder Jahreszeit eine angenehmes Raumklima für die Genesenden garantiert werden. Zusammenspiel zwischen historischer Bausubstanz und modernem Neubau Mit dem Neubau des LMU Klinikum Innenstadt in München ist die Grund- und Regelversorgung auf universitärem Niveau in den Fachrichtungen Innere Medizin, Chirurgie und Geburtshilfe samt Ambulanzen sichergestellt. Das neue Klinikum bietet durch modernste Medizintechnik, Interdisziplinarität und kurze Wege optimale Behandlungsmöglichkeiten für Patient*innen.

Insgesamt zeigt der Neubau ein gelungenes Zusammenspiel zwischen historischer Bausubstanz und modernem Neubau, das nicht nur funktional, sondern auch ästhetisch ansprechend ist. Bautafel Klinikum der Universität München, Neubau Klinikum Innenstadt ■ Projektadresse: Ziemssenstraße 1, 80336 München ■ Bauherr: LMU Klinikum München, Marchioninistraße 15, 81377 München, vertreten durch das Staatliche Bauamt München 2 ■ Architekt: Sweco Architects ■ Autorin: Claudia Specht ■ Bauleitung: Ernst2 Architekten ■ Tragwerksplanung: Mayr Ludescher Partner ■ Landschaftsarchitektur: Luska Freiraum GmbH ■ Nutzfläche: 26.530 m2 ■ BGF: 26.530m2 ■ Fertigstellung: 03/2021 Weitere Informationen: Sweco GmbH Elsenheimerstr. 67 80687 München Telefon +49 (0)89 / 41 32 404 100 architects@sweco-gmbh.de www.swecoarchitects.com

Universität Hamburg: neues Gästehaus Der Neubau des Gästehauses der Universität Hamburg in unmittelbarer Nähe zum Museum am Rothenbaum – Kulturen der Künste der Welt (MARKK) und damit auch zentral zum Campus Von-Melle-Park soll in 63 Wohneinheiten internationale Promovierende, Gastwissenschaftlerinnen und Gastwissenschaftler sowie Neuberufene aus dem Ausland beherbergen. Auf 3.652 m2 Bruttogeschossfläche werden nach Plänen des Schweizer Architektenbüros Buchner Bründler Architekten AG aus Basel auf acht Stockwerken 63 Apartments sowie Gemeinschaftsräume entstehen. Viele unterschiedliche Begegnungsräume sollen zum wissenschaftlichen Austausch der internationalen Bewohnerinnen und Bewohner anregen. Bauherrin ist die Universität Hamburg. Das neue Gästehaus wird das bisherige, im Jahr 1963 eröffnete Gästehaus der Universität in der Rothenbaumchaussee ergänzen. Die dort zur Verfügung stehenden 39 Apartments, fünf Zweizimmerwohnungen und vier Studios werden weiterhin von der „Stiftung Weltweite Wissenschaft“ betrieben. Das Gästehaus ist Teil einer zukunftsorientierten Campusentwicklung und hat eine positive Wirkung auf den gesamten Wissenschaftsstandort Hamburg. Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank: „Mitten in Hamburg werden internationale Gastwissenschaftlerinnen und Gastwissenschaftler künftig nicht nur forschen, sondern auch leben. Das neue Gästehaus der Universität Hamburg wird damit zu einem zentralen Ort der Offenheit und des internationalen Dialogs. Wissenschaft lebt vom Austausch über

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Visualisierung des neuen Gästehauses der Universität Hamburg (Bild: Buchner Bründler Architekten (bloomimages))

Grenzen hinweg und der Standort in der Feldbrunnenstraße ist ideal dafür – in unmittelbarer Nähe zum Universitätscampus rund um die Rothenbaumchaussee. Das Gästehaus setzt damit ein klares Zeichen: Wissenschaft ist Teil der Stadtgesellschaft.“ Ich gratuliere allen Beteiligten zu diesem tollen Bauprojekt.“

Weitere Informationen: Universität Hamburg Mittelweg 177, 20148 Hamburg Tel. (040) 428 38-0 medien@uni-hamburg.de, www.uni-hamburg.de

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FORSCHUNGSGEBÄUDE MIT ALLEINSTELLUNGSMERKMAL WASSERBAULABOR DER UNIVERSITÄT FÜR BODENKULTUR IN WIEN

Bild 1. Im hochmodernen Wasserbaulabor der Universität für Bodenkultur Wien können erstmalig praxisorientierte Modellversuche im Originalmaßstab 1 : 1 durchgeführt werden.

Das hochmoderne Wasserbaulabor der Universität für Bodenkultur Wien ist weltweit einzigartig: Hier können erstmals praxisorientierte Modellversuche im Originalmaßstab (1 : 1) durchgeführt werden. Die Wasserspiegeldifferenz von 3 m zwischen Donaukanal und Donau nutzend, ermöglicht das Labor umfassende Forschungsarbeit zu den aktuell brennenden Themen wie Hochwasserschutz, Umweltschutz, Gewässermorphologie, Sedimenttransport sowie Wasserkraft und -straßen. Innovativ verknüpft sind Indoor-, Outdoor- und Public Labs, wo Labor-Rinnen und -Modelle sowohl im Gebäude als auch im Freien betrieben werden. Herzstück des Labors ist der unter dem Wasserspiegel liegende „Main Channel“, durch den ohne Pumpen bis zu 10.000 Liter Donauwasser pro Sekunde geleitet werden können. Eine Herausforderung an die Planung stellte auch der Spezialtiefbau des teilweise unterirdischen Labors dar. Ein hochkomplexes System aus Stahlbeton sowie konstruktivem Stahl- und Holzbau trägt nun das Gebäude. Über energieaktivierte Bohrpfähle und die Betonkernaktivie-

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rung in den Schlitzwänden wird über das Tragwerk Erdwärme für Heizung und Kühlung genutzt. Nach gewonnenem Wettbewerb (2016) wurden ATP architekten ingenieure, Wien, (Architektur und Tragwerksplanung) in ARGE mit iC Consulenten (Haustechnik und Stahlwasserbau) mit der BIM-unterstützten Integralen Planung dieses ambitionierten Projektes beauftragt.

Historie und Lage Das Labor des Instituts für Wasserbau, Hydraulik und Fließgewässerforschung der Universität für Bodenkultur Wien in der Muthgasse im 19. Wiener Gemeindebezirk war zu klein und das seit 1913 bestehende Labor des Bundesamts für Wasserwirtschaft in der Severingasse im 9. Bezirk war in die Jahre gekommen – beide Forschungsgebäude ließen nur noch beschränkte Arbeitsmöglichkeiten zu. Daher beschloss die Universität für Bodenkultur Wien (Institut für Wasserbau, Hydraulik und Fließgewässerforschung) 2012 den Bau eines neuen Wasserbaulabors, wel-

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ches vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft (Bundesamt für Wasserwirtschaft) mitgenutzt wird. Als Standort bot sich der Brigittenauer Sporn, wo der Donaukanal von der Donau abzweigt, an. Denn die hier herrschende Wasserspiegeldifferenz von ca. 3 m bildet ideale Voraussetzungen für die Konstruktion eines künstlichen Flusses. Das sogenannte „Forschungsgerinne“ – mit ca. 30 m Länge und 5 m Breite – dient nun dem Main Channel des Wasserbaulabors als Wasserzufluss. Auch verkehrstechnisch bietet die Lage am Brigittenauer Sporn mit Nähe zur Nussdorfer Lände (Autobahn A22), der Uferbahnbrücke und dem Donaukanal-Fahrradweg nicht nur städtebaulich sehr interessante Aspekte, sondern auch optimale Verkehrsanbindungen: Durch die Josef-von-Schemerl-Brücke ist der Sporn mit Nußdorf im 19. Bezirk und über die Nußdorfer Schleusenbrücke mit dem nördlichsten Abschnitt des Handelskais im 20. Bezirk verbunden. Mit dem Fahrrad ist das Labor (fast) autofrei über den Donaukanal- oder den Donauradweg erreichbar.

Architekturkonzept Das neue Wasserbaulabor der BOKU soll langfristig zur Erforschung der Lebensgrundlage Wasser für zukünftige Generationen beitragen. Versuchsaufbauten im großen Maßstab tragen dazu bei, ablaufende Prozesse in Flüssen

Bild 3. Besucher:innen betreten das Gebäude ebenerdig an der Nordseite über eine großzügige Lobby.

besser zu verstehen, mathematische Modelle zur Prozessbeschreibung zu entwickeln, die Auswirkungen von flussbaulichen Maßnahmen zu prognostizieren sowie innovative wasserbauliche Methoden zur Verbesserung von Schifffahrt, Energiewirtschaft, Hochwasserschutz und Ökologie zu entwickeln. Außerdem sollen im neuen Labor Maßnahmen zur Problemlösung in verschiedenen wasserbaulichen Themenbereichen entwickelt werden, wie Stauraumverladung, Fahrwassertiefe, Uferrückbau, Sohlstabilisierung und Gewässervernetzung. „Normalerweise planen wir Häuser so, dass kein Wasser eindringen kann. Beim Wasserbaulabor haben wir alles dafür getan, dass fast ein ganzer Fluss durch das Gebäude geleitet werden kann. Dadurch schaffen wir naturnahe Bedingungen in einem Labor“, so ATP-Architektin und BIMManagerin Ursula Reiner über das architektonische Alleinstellungsmerkmal des Forschungslabors.

Raumkonzept Die Nutzer:innen des Wasserbaulabors sind in erster Linie Mitarbeiter:innen der Universität für Bodenkultur, des Bundesamtes für Wasserwirtschaft (BAW), Studierende und wissenschaftliche Mitarbeiter:innen. Zudem gibt es eigene öffentliche Bereiche für Besucher:innen, denen ein Einblick in den Forschungszweig des Wasserbaus gewährt werden soll. Das Wasserbaulabor gliedert sich funktional in verschiedene Ebenen:

Bild 2. Die Wasserspiegeldifferenz von ca. 3 m bildet ideale Voraussetzungen für die Konstruktion eines künstlichen Flusses.

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– Auf der ersten Hauptebene im 2. Untergeschoss (UG) befindet sich der 14 m hohe, 90 m lange und 25 m breite Main Channel, der direkt mit dem bereits bestehenden Forschungsgerinne verbunden ist, das als Zulauf dient. In dieser Halle wird das Donauwasser durch – die eigens dafür errichteten – Versuchsaufbauten geleitet. – Auf der zweiten Hauptebene im 2. Obergeschoss (OG) ist mit dem River Lab eine weitere Versuchshalle angesiedelt. Ebenso befindet sich hier die hauseigene Holzund Metallwerkstatt. Der Halle vorgelagert sind das Public Lab und der Hörsaal. – Im Osten des Gebäudes befindet sich auf vier Geschossen (Erdgeschoss bis 3. OG) der moderne Büro- und Verwaltungstrakt.

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verbunden. Dieser öffentliche Bereich erweitert sich zum zentralen Meeting Point für die Studierenden und führt von dort in den Bürotrakt.

Main Channel

Als Besucher:in betritt man das Gebäude ebenerdig an der Nordseite über eine großzügige Lobby mit Infothek und Sitznischen. Zwei große Sichtfenster und ein innenliegender Balkon gewähren bereits von hier spannende Einblicke in den tiefer liegenden Main Channel. Über eine Besucher:innen-Treppe – ebenfalls mit Sichtverbindungen zum Forschungslabor – erreicht man direkt das Public Lab im 2. OG. Hier befindet sich ein multifunktionaler Saal für Vorträge und Schulungen für ca. 200 Personen. Schmale, raumhohe Fenster gewähren Ausblicke auf die Donau und den Donaukanal. Bereits jetzt wurde in der Planung berücksichtigt, dass der Saal in einer späteren Ausbaustufe durch mobile Trennwände in drei kleinere Seminarräume geteilt werden kann. Ebenfalls im 2. OG liegt das großzügige Public Lab, das „Forschung zum Anfassen“ bietet – mit Wechselausstellungen zum Thema Wasser und mit kleineren Versuchsaufbauten. Optisches Highlight im Innenraum ist das sichtbare Holztragwerk, das sich über das gesamte Public Lab und das danebenliegende River Lab spannt. Optisch werden die beiden Hallen wiederum durch drei Sichtfenster

Das Herzstück des neuen Wasserbaulabors ist der weltweit einmalige Main Channel im 2. UG mit seiner spektakulären Größe von 90 m Länge, 25 m Breite und 14 m Höhe. Durch geschickte Nutzung der herrschenden Wasserspiegel-Differenz zwischen Donau und Donaukanal ist es möglich, Wasser aus der Donau zu entnehmen und es mit einem Durchfluss von 10.000 l/sec durch entsprechende Versuchsrinnen dem Donaukanal wieder zuzuführen – und das vollkommen ohne zu pumpen. Im Main Channel können so Versuchsaufbauten in Original-Dimensionen durchgeführt werden. „Wir können Flüsse je nach Fragestellung maßstabgerecht und naturgetreu nachbilden. In dieser Größenordnung gib es weltweit nichts Vergleichbares“, so Prof. Helmut Habersack vom Institut für Hydraulik und Fließgewässerforschung. Versuche in möglichst großem Maßstab sind insofern unerlässlich, weil Wasser, Sedimente oder Fische und deren Eigenschaften oft nicht ausreichend skaliert werden können. Darüber hinaus ermöglicht der Main Channel auch parallel mehrere Versuche nebeneinander oder räumlich hintereinander aufzubauen. „Unsere Möglichkeiten vergrößern sich enorm, weil wir praxisnahe Modellversuche mit Donauwasser durchführen können, aber gleichzeitig Laborbedingungen haben. Wir müssen beispielsweise nicht mehr auf bestimmte hohe Wasserführungen warten, sondern können diese künstlich herstellen und deren Auswirkungen untersuchen“, so Prof. Helmut Habersack. Der Zufluss in den Main Channel kann über verschieden groß dimensionierte und verschließbare Zulauföffnungen bzw. Schützen gesteuert werden. Die Hauptöffnung ist 5 m breit und kann durch ein Stahlschütz verschlossen werden. Daneben befinden sich zwei weitere Öffnungen für den Wasserkraftversuchsstand. Für die Forscher:innen besteht auch die Möglichkeit, hier Turbinen einzubauen und deren Integration im Gesamtsystem zu untersuchen. Ergänzend zur Hauptöffnung kann Wasser auch über drei Rohre mit Schiebern in kleineren Mengen und damit mit hoher Genauigkeit zugeführt werden. Am Ende des Main

Bild 5. Interessanter Kontrast: Josef-von-Schemerl-Brücke, Uferbahnbrücke und BOKU

Bild 6. Herzstück des BOKU ist der weltweit einmalige Main Channel im 2. UG mit seiner spektakulären Größe von 90 m Länge, 25 m Breite und 14 m Höhe.

Bild 4. Die hinterlüfteten Fassade aus vorgehängten Aluminiumverbundplatten wurden aufgrund ihrer Langlebigkeit und dem klaren Erscheinungsbild gewählt.

– Technikräume wie die Pumpstube, der Wasserkraftversuchsstand und der Tiefbehälter befinden sich im 3. UG.

Labore: Forschung zum Anfassen

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Channels fließt das Donauwasser über ein Auslaufbauwerk wieder zurück in den Donaukanal. „Die gigantische Forschungshalle darf man sich nicht wie ein steriles Labor vorstellen, vielmehr handelt es sich um einen Bauhof, der – je nach Versuch – komplett umgebaut wird. Beispielsweise können sogar Staumauern oder ganze Flussabschnitte maßstabsgetreu modelliert werden“, so Architektin und BIM-Managerin Ursula Reiner von ATP Wien.

River Lab Direkt über dem Main Channel und neben dem Public Lab im 2. OG liegt die zweite Versuchshalle: das River Lab mit eigenem Wasserkreislauf für Klarwasser. Hier werden ebenfalls kleinere Versuchsaufbauten errichtet, um etwa flussmorphologische Untersuchungen im kleineren Maßstab in Schnittmodellen oder Strömungsversuche mit neigbaren Rinnen durchzuführen. Für das River Lab wird großteils Klarwasser verwendet, das in einem Tiefbehälter gespeichert wird mit einem Fassungsvolumen von 3.120 m3, was der Wassermenge von fast eineinhalb olympischen Schwimmbecken entspricht. Dieser Behälter befindet sich im 3. UG, wo auch die Technikräume wie die Pumpstube untergebracht sind. Im Außenbereich ist ein Outdoor Lab vorgesehen.

Wasserkreisläufe Zur Beforschung stehen im Labor zwei verschiedene Wasserkreisläufe zur Verfügung: a) Kreislauf: Klarwasser Klarwasser wird künftig über einen Hochbehälter mit einem Fassungsvermögen von bis zu 70 m3 in das River Lab gepumpt. Für diese Variante galt es in der Planung, die Dimension der Zuleitungsrohre mit einem Durchmesser von bis zu 80 cm zu berücksichtigen. b) Donauwasser Daneben bestehen jeweils ein eigener Donauwasserzulauf und -ablauf, die direkt an das bestehende Forschungsinnere angeschlossen sind. Über ein Verteilbecken mit ca. 230 m3 Umfang wird Donauwasser in das Gebäude geleitet.

Werkstatt

Bild 7. Ein Holztragwerk spannt sich über das gesamte Public Lab und das danebenliegende River Lab.

Offices sind für jeweils zwei bis sechs Mitarbeiter:innen ausgelegt und fördern dadurch die konzentrierte Forschungsarbeit. Hier sind die Offices der Bundesanstalt für Wasserwirtschaft (1. OG), Speziallabore für Chemie und Biologie sowie für die elektrische Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik (2. OG) und die Büros für Institut für Wasserbau, Hydraulik und Fließgewässerforschung (3. OG) untergebracht. Im Erdgeschoss sind weitere Speziallabore für Sedimentuntersuchungen sowie Schulungs- und Besprechungsräumen.

Fassade Um nicht in Konkurrenz mit den bestehenden denkmalgeschützten Nachbarbauten wie der Josef-von-SchemerlBrücke von Otto Wagner zu treten, entschied man sich für eine zurückhaltende, technisch anmutende Außengestaltung. Die Fassade der Laborhallen mit verspiegelten und gewellten, gedämmten Metall-Paneelen lässt das Gebäude je nach Witterung hinter den Spiegelungen des Wassers, des Himmels oder der Vegetation verschwinden. Dadurch entsteht ein markanter architektonischer Gegenpool zu den historischen Bauwerken der Umgebung. Das Fassadenkonzept des Verwaltungs- und Bürotraktes ist im 1,35-m-Büroraster angelegt und orientiert sich an

Die verschiedenen Versuchsaufbauten sollten möglichst einfach und direkt vor Ort vorbereitet werden können. Das ist in der hauseigenen Werkstatt im 2. OG möglich. Die Einbringöffnung für die Materialien mit 3 m × 6 m Größe befindet sich an der Schnittstelle zwischen Eco River Lab und der Werkstatt. „Die Öffnung ist groß genug, um mit der eingebauten Krananlage eine ganze Schuttmulde sowohl in den Main Channel aus auch in das River Lab zu heben“, beschreibt ATP-Gesamtprojektleiterin Angelika Welkovits die gigantischen Dimensionen. Der dafür notwendige Ladehof befindet sich an der Südseite des Gebäudes im 1. UG.

Büro- und Verwaltungstrakt Im Osten des Gebäudes liegt der der viergeschossige Bürotrakt. Die als abgeschlossene Kleinraumbüros gestalteten

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Bild 8. Die Technikräume befinden sich im 3. UG.

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Bild 9. Der begrenzte Raum für die Baustelle erforderte eine ausgefeilte Logistik (Fotos 1–9: © ATP/Kuball)

den Proportionen der klassizistischen Fensterordnung des Verwaltungsgebäudes von Otto Wagner. Die hinterlüfteten Fassade aus vorgehängten Aluminiumverbundplatten wurden aufgrund ihrer Langlebigkeit und dem klaren Erscheinungsbild gewählt.

Tragwerksplanung: Hallen mit hohen Lasten Das Gebäude besteht grundsätzlich aus zwei übereinanderliegenden und stützenfreien Hallen mit einem komplexen Tragwerkssystem aus Stahlbeton sowie konstruktivem Stahlbau (Stahlfachwerksträger und Stahlkonstruktionen) und konstruktivem Holzbau (Pult- und Satteldach). Eine doppelt gekreuzte Struktur aus gekreuzten Holzleimbindern überspannt die 25 m breite Halle im 2. OG, während 3-Gurtträger die Decke über der darunterliegenden Halle tragen, bei Nutzlasten von 20 bis 40 kN/m2. Die dafür erforderlichen Stahlfachwerkträger mussten extra in der Nacht angeliefert werden. Die spektakuläre Tragstruktur bleibt auch nach Fertigstellung des Gebäudes in den beiden übereinanderliegenden Hallen sichtbar und bildet somit das gestalterische Element im Innenraum.

Anspruchsvoller Spezialtiefbau Aufgrund von fehlendem Feinsand und des daraus resultierenden lockeren Gefüges im Untergrund waren Niederdruckinjektionen notwendig, um den Boden zu stabilisieren. Die Baugrubensicherung erfolgte durch eine 60 cm dicke Schlitzwand mit verschiedenen Höhenniveaus sowie Abstützungen (Anker und Stahlaussteifung). Gehalten wird die Schlitzwand durch eine 1 m dicke Bodenplatte (als weiße Wanne) sowie durch Stahlbetondecken. Die Baugrubensicherung des Einlaufbauwerks erfolgte durch eine aufgelöste Bohrpfahlwand im Bereich des bestehenden Fischaufstiegs sowie eine Spundwand im restlichen Teil des Ein- und Auslaufbauwerks. Der Übergang zwischen Spundwand und den anderen Baugrubensicherungssystemen ist mit DSV-Säulen abgedichtet.

Wasserhaltung Da der Grundwasserspiegel deutlich über der Baugrubensohle liegt, waren Wasserhaltungsmaßnahmen notwendig.

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Im Hauptgebäude erfolgte die Grundwasserabsenkung innerhalb der Kiese mit ca. zehn Bohrbrunnen, die man in die Schluffe, also fein verwittertes Gestein des Miozäns, führte. Zusätzlich wurden im Bereich der tieferliegenden Baugrubensohle die Grundwässer in den miozänen Sanden entspannt. Hierzu dienten vier Vakuumbrunnen. Mit dem Beginn der Wasserhaltung wurden die Vakuumbrunnen mit Unterdruck beaufschlagt. Im tieferliegenden Bereich wurden Entspannungsbrunnen mit einem Raster von 8 m × 8 m gebaut. Zu deren Überwachung gibt es sechs Kontrollpegel. Auch das Auslaufbauwerk erhielt acht Entspannungsbohrungen für Brunnen zur Grundwasserabsenkung, zwei mit einem Kontrollpegel. Im Bereich des Bypasses führte man zwischen der Schlitzwand des Hauptgebäudes und der äußeren Baugrubenumschließung zwei Bohrungen für die Grundwasserabsenkung durch.

Nachhaltigkeit Bohrpfähle als Energiepfähle Die 60 Bohrpfähle, die Schlitzwand, die Bohrpfahlwand und auch Wände sowie Bodenplatte haben nicht nur einen statischen Nutzen, sondern dienen darüber hinaus auch einer nachhaltigen Energieversorgung: Über die energieaktivierten Bohrpfähle und die Betonkernaktivierung in den Schlitzwänden wird Erdwärme für Heizung und Kühlung genutzt. Hierfür installierte man in jedes Gründungselement, jeden einzelnen Schlitzwandkorb und jeden Bohrpfahlkorb eine Geothermie-Leitung. Damit konnten ATP und iC Consulenten die erforderliche Nennleistung von 280 kW gewährleisten. In der Gebäudestruktur über dem „Main Channel“ befindet sich eine umfangreiche Haustechnikebene, in der ein Kalt- und ein Warmwassertank als Wärmetauscher dienen. Dieses System versorgt nachhaltig und umweltfreundlich die Heizung bzw. Kühlung des Gebäudes. Sonnenenergie Eine großflächige Photovoltaik-Anlage auf den Dachflächen der Halle minimiert den Stromverbrauch erheblich und versorgt das Gebäude mit grünem Strom. Integrale Planung mit BIM Die enge interdisziplinäre Zusammenarbeit mit den Planungspartner:innen und die Integrale Planung mit Building Information Modeling (BIM) ermöglichten neben einem schlanken Planungsprozess ein optimiertes Gebäudekonzept, das alle Anforderungen an ein anspruchsvolles, zukunftsweisendes Forschungslabor erfüllt. „Bei der Planung und in der Kommunikation mit dem Auftraggeber und den Nutzer:innen arbeiteten wir intensiv mit dem 3D-Modell und teilweise sogar mit VR-Brille. Diese neuen Darstellungsarten vermittelten den Beteiligten nicht nur einen entsprechenden Raumeindruck, sondern ermöglichten auch ein gemeinsames Verständnis für die fachübergreifende Koordination und die tatsächlichen Dimensionen“, erklärt BIM-Managerin Ursula Reiner von ATP Wien. BIM lieferte im zentralen Datenmodell tragfähige Entscheidungsgrundlagen für den Auftraggeber zu einem sehr frühen Zeitpunkt und unterstützte das Planungsteam da-

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Projektvorstellungen Bautafel Wasserbaulabor der Universität für Bodenkultur in Wien ■ Integrale Planung mit BIM (Architektur, Tragwerksplanung): ATP architekten ingenieure, Wien Externe Planungspartner: ■ Wasserbau, Stahlwasserbau, HKLS, Elektro, Bauphysik: iC Consulenten (ARGE Partner) ■ Bodengutachten und Baugrubensicherung: 3P Geotechnik ■ Verkehrsplanung und Entwässerungsplanung: zieritz + partner ZT GmbH ■ Laborplanung: das Planungslabor ■ Einrichtungsplanung: MO Design ■ Lichtplanung: hailight Lichtplanung Bruttogeschossfläche: 14.900 m2 – Bürotrakt Technik: 2.360 m2 – Bürotrakt Verwaltung inkl. Erschließung: 3.400 m2 – Versuchshallen inkl. Technik: 5.870 m2 – Öffentliche Bereiche (Saal, Public Lab): 1.000 m2 – Wasserwege: 2.300 m2 ■ Bruttorauminhalt: 110.000 m3 ■ Baubeginn: 12/2019 ■ Eröffnung: 06/2023

bei, Ressourcen zu schonen, Verschwendung im Errichtungsprozess zu vermeiden und Einsparungspotenziale über den gesamten Lebenszyklus darzustellen. Die Gesamtkosten von rund 49 Millionen € werden vom Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (über vier EU-Projekte mit Ungarn, Slowakei und Tschechien sowie über das Programm Investitionen in Wachstum und Beschäftigung Österreich), der Stadt Wien und dem Land Niederösterreich sowie den Bundesministerien für Bildung, Wissenschaft und Forschung, dem Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus, dem Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie und dem Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaft getragen.

Weitere Informationen: ATP architekten ingenieure Heiliggeiststraße 16, A-6010 Innsbruck/Österreich Tel. +43 (512) 53 70-0, Fax +43 (512) 53 70-11 00 info@atp.ag, www.atp.ag

FORUM UZH: Wo man sich trifft Mit dem FORUM UZH schaffen Herzog & de Meuron für die Universität Zürich dringend benötigten Platz für die Forschung und die Lehre der Zukunft. Das Gebäude wird nicht nur der Wissenschaft neue Impulse geben, sondern auch dem Quartier. Ein begrünter Platz, gleich gegenüber dem Hauptgebäude der Universität Zürich zwischen Rämi- und Gloriastraße gelegen, ist der städtebauliche Auftakt zum FORUM UZH, das mit seinen Dimensionen beeindruckt: Auf ca. 37.000 m2 Nutzfläche wird es ca. 6.000 Studierende und Mitarbeitende aufnehmen. Fünf große Hörsäle bieten Platz für mehr als 2.000 Personen, im Lernzentrum können ca. 700 Studierende arbeiten. Dazu kommen vier Turnhallen, Sportflächen für den ASVZ, eine große Mensa und mehrere Cafeterias und Verpflegungszonen. Den zusätzlichen Platz für Lehre und Forschung benötigt die UZH dringend. Ca. 30.000 Studierende wird die UZH 2028 zählen – eine große Herausforderung, bis zum geplan-

ten Bezug des FORUM UZH im Jahr 2029 dafür ausreichend Fläche zur Verfügung zu stellen. Der öffentlich zugängliche Platz vor dem Gebäude wird mit einem großen mehrstöckigen Forum im Innern nahtlos weitergeführt. Die Durchlässigkeit für die Öffentlichkeit und die städtebauliche Aufwertung des Quartiers durch den Stadtplatz haben die Jury am Projekt besonders überzeugt. Die verschiedenen Nutzungen sind in drei Zonen untergebracht und miteinander verschränkt. Der Sockel bietet Raum für Lehre sowie Sport und Verpflegung. Darüber schwebt ein mehrstöckiger Baukörper, der Räume für das Lernzentrum und die Forschung umfasst. Verbunden werden beide Zonen durch das große, teilweise fünf Stockwerke hohe Forum, das Raum bietet für öffentliche Veranstaltungen mit bis zu 2.000 Personen. Ein Herzstück im FORUM UZH wird das neue Lernzentrum mit der großen Bibliothek sein. Dieser offene, zweistöckige Raum bietet mehr als 700 Arbeitsplätze, an denen Studierende individuell oder in Gruppen lernen können. Auch hier wurde darauf geachtet, unterschiedliche Settings anzubieten, wie auch bei den übrigen Arbeitsplätzen. Überraschend etwa die wie kleine Opernlogen rund um das Forum angeordneten Einzelarbeitsplätze, die gegen den Raum hin offen sind, aber trotzdem Geborgenheit vermitteln.

Weitere Informationen:

Das Bildungs- und Forschungszentrum FORUM UZH wird das Hochschulquartier markant aufwerten. (Foto: Herzog & de Meuron)

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Universität Zürich Rämistrasse 71, CH-8006 Zürich/Schweiz Tel. +41 44 634 11 11 www.uzh.ch

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KLINKER FÜR DEN LEHRSTUHL KERAMIK NEUBAU DES INSTITUTS FÜR GESTEINSHÜTTENKUNDE DER RWTH AACHEN

Bild 1. Als prägnanter Kopfbau des neuen Clusters entwickelt der Neubau des Instituts für Gesteinshüttenkunde der RWTH Aachen eine selbstbewusste stadträumliche Präsenz und Sichtbarkeit; das dunkle Klinkerkleid unterstützt die monolithische Wirkung des Baukörpers.

pbr Planungsbüro Rohling AG Der Neubau des Instituts für Gesteinshüttenkunde (GHI) der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) befindet sich in Aachen auf dem ca. 475.000 m2 großen Campus Melaten. In Bezug auf die Entwicklung des Clusters H wird dem neuen Institut eine städtebaulich prominente Stellung zuteil. Als prägnanter Kopfbau des neuen Clusters bildet dieser eine kompakte Kubatur aus und entwickelt hier eine selbstbewusste stadträumliche Präsenz und Sichtbarkeit. Durch die flächige Besetzung des Baufeldes in gesamter Breite nimmt der Neubau die Masterplanfluchtlinien auf und zeichnet durch eine Höhenstaffelung in der Westansicht die im Masterplan avisierte gestaffelte Höhenentwicklung des Clusters entlang der Forckenbeckstraße.

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So unterschiedlich und doch so ähnlich Das Institut für Gesteinshüttenkunde ist eines von insgesamt neun Instituten der Fakultät 5 (Georessourcen und Materialtechnik) der RWTH Aachen und beherbergt zwei unabhängig operierende, aber optimal vernetzte Lehrstühle unter einem Dach: den Lehrstuhl für Keramik sowie den Lehrstuhl für Glas und Glaskeramik. Zwar unterscheiden sich Keramiken und Gläser in einigen Punkten fundamental, doch zeigen sie auch bedeutende Gemeinsamkeiten. Beide Materialien sind unverzichtbar für innovative Entwicklungen in der Kommunikationstechnologie, der

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Bild 4. Seminarraum

Bild 2. Der Innenhof belichtet alle Geschosse.

Medizin wie auch in der Energietechnik und der Mobilitätsbranche. Keramiken und Gläser müssen oftmals in sehr energieintensiven Prozessen hergestellt werden, sodass sie derzeit den gleichen Herausforderungen in Bezug auf Energieersparnis und CO2-Reduktion begegnen müssen. Am GHI werden alle möglichen Synergien, die sich aus den zahlreichen Gemeinsamkeiten der Materialien ergeben, in strategischer Weise genutzt und weiterentwickelt.

Innere Organisation Den in seiner Grundstruktur monolithisch wirkenden fünfgeschossigen Atriumbau prägt eine dunkle Klinkerfassade. Auf dem Sockelgeschoss mit erdgeschossig angebundener technischer Versuchshalle folgen im ersten Obergeschoss eine offene verglaste Zone und im zweiten und dritten

Bild 3. Heller, innenliegender Flurbereich entlang des Atriums.

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Obergeschoss die Fensterbänder für Labore, Büros und Technikräume. Die ringförmige Erschließung und eine kompakte innere Struktur erlauben eine flexible Verteilung und Beziehung der verschiedenen Funktionsbereiche. Während sich die Arbeitsgruppen und Bürobereiche zur ruhigeren und grünen Westseite mit natürlicher Belüftung und Ausblick orientieren, wurden Laborbereiche mit mechanischer Belüftung an der Ostseite zum Pariser Ring situiert. Das gläserne Zwischengeschoss wurde als freier Grundriss um den zentralen Innenhof organisiert und stellt damit eine kommunikative Fläche dar, die den Anforderungen wechselnder Projekt- und Lerngruppen gerecht wird. Dabei erstreckt sich der Innenhof als Orientierung und Licht gebender zentraler Punkt durch alle Geschosse. Das Erdgeschoss beherbergt neben der technischen Versuchshalle auch Werkstätten und räumlich, akustisch sowie optisch Labore und nicht zuletzt Labore mit u. a. REM/TEM-Mikroskopen. Für letztere wurden aufgrund der Schwingungssensibilität entkoppelte Fundamente realisiert.

Technikkonzept Die lufttechnische Versorgung des Neubaus erfolgt über fünf Zentralanlagen. Ein Ventilator dient der Abluftabsau-

Bild 5. Das GHI vereint den Lehrstuhl für Keramik sowie den Lehrstuhl für Glas und Glaskeramik unter einem Dach.

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Bild 6. Über separate Lüftungsanlagen wird die autarke Versorgung der Geschosse und unterschiedlicher Labore mit den dazugehörigen Anforderungsbereichen sichergestellt.

Bild 8. Technikzentrale (Fotos: © Axel Hartmann)

gung der Versuchshalle. Jedem Geschoss wurde eine separate Lüftungsanlage zugeordnet, sodass die autarke Versorgung der Geschosse und unterschiedlicher Labore mit den dazugehörigen Anforderungsbereichen sichergestellt ist. Die Labore und Sozialbereiche werden ausschließlich mit 100 % Außenluft betrieben und erhielten zudem eine adiabate Abluftbefeuchtung. Im Sommer wird auf diese Weise die benötigte Energie zur Kühlung der Außenluft verringert. Alle lufttechnisch versorgten Laborbereiche werden durch die Zuluft beheizt, hierbei wird die Zuluft der einzelnen Bereiche über Nacherhitzer temperiert. Der Neubau erhielt eine eigene zentrale Kälteerzeugung mit zwei Kältemaschinen als luftgekühlter Kaltwassersatz mit integrierter freier Kühlung. In den REM/TEM-Laboren der Mikroskopie ist eine laminare Luftströmung über den gesamten

Raumquerschnitt erforderlich. Um dies optimal zu gewährleisten, erfolgt die Luftzuführung hier über eine Lochdecke. Die Versorgung mit zentralen Laborgasen erfolgt im Wesentlichen aus den Technikschächten in die einzelnen Laborräume. Die Laborräume wurden entsprechend den spezifischen Anforderungen an die Aufgabenstellung und Arbeitsabläufe in unterschiedlichen Kombinationen eingeplant. Dabei basiert die Einrichtung auf dem Normraster für Laboreinrichtung, sodass eine größtmögliche Variabilität bei wirtschaftlicher Planung und Realisierung sichergestellt wird. Frauke Stroman Bautafel Neubau des Instituts für Gesteinshüttenkunde der RWTH Aachen ■ Bauherr: BLB NRW, Aachen ■ Leistungen pbr: Gesamtplanung ■ NF: 3.120 m2 ■ BGF: 5.678 m2 ■ BRI: 24.234 m3 ■ Gesamtbausumme: 15 Millionen € (brutto) ■ Fertigstellung: 06/2021

Weitere Informationen:

Bild 7. Versuchshalle

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pbr Planungsbüro Rohling AG Architekten Ingenieure Albert-Einstein-Straße 2, 49076 Osnabrück PF 35 47, 49025 Osnabrück Tel. (0541) 94 12-0, Fax (0541) 94 12-345 info@pbr.de, www.pbr.de

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EINE FEMTOSEKUNDE IM LAUF VON RAUM UND ZEIT DAS MAX-PLANCK-INSTITUT FÜR STRUKTUR UND DYNAMIK DER MATERIE IN HAMBURG

Bild 1. Das MPSD in Hamburg-Bahrenfeld. Transparenz und Offenheit prägen den Entwurf.

Tim Westphal, Berlin Das Forschungs- und Institutsgebäude des Max-Planck-Instituts für Struktur und Dynamik der Materie (MPSD) in Hamburg-Bahrenfeld war selbst für das erfahrene Architekturbüro hammeskrause architekten aus Stuttgart eine ungewöhnliche Bauaufgabe. Trotz der vielfältigen technischen Anforderungen, die die Forscherinnen und Forscher an hammeskrause stellten, bietet das Bauwerk eine hohe städtebauliche sowie architektonische Qualität – bei Forschungsbauten keineswegs Standard. Möglich wurde das vor allem, weil am Standort die Entwurfsidee und der Forschungsauftrag optimal in Einklang gebracht sind, um einen außergewöhnlichen Neubau zu schaffen. Am MPSD werden Struktur und Eigenschaften von Materie untersucht, indem sie von Lichtquellen mit ultrakurzen Frequenzen bestrahlt wird. Die Zeiträume, um die es hier geht, liegen im Femtosekundenbereich (Millionstel einer Milliardstel Sekunde) oder sogar im Attosekundenbereich (Milliardstel einer Milliardstel Sekunde). Mit solchen ultrakurzen Zeitspannen ermöglicht das MPSD wertvolle

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Grundlagenforschung auf molekularer und sogar atomarer Ebene. Um Experimente und Versuchsaufbauten mit den hierbei eingesetzten empfindlichen Messinstrumenten und hochpräzisen Lichtquellen zu ermöglichen, ist eine Ausführungsqualität in Architektur und Gebäudetechnik erforderlich, die die Anforderungen in der automatisierten Produktion – z. B. bei der Computerchip-Fertigung oder der Arzneimittelherstellung – teilweise noch übertrifft. Bautechnische Notwendigkeiten wie entkoppelte und absolut schwingungsfreie Böden und Reinraumbereiche für bestimmte Labore waren nur zwei der Anforderungen, die das Projektteam von hammeskrause zu berücksichtigen hatte. Eine nicht minder große Herausforderung war die Integration der komplexen technischen Rahmenbedingungen in eine funktionale, ästhetische und zugleich authentische Architektur, die den Wunsch des Bauherrn nach Offenheit, Kommunikation und Transparenz bestmöglich transportiert. Denn informeller Austausch und Raum für

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Bild 2. Innen- und Außenraum des Institutsgebäudes werden geschickt miteinander verwoben.

Gemeinschaft sind essenzielle Voraussetzungen und zum Gelingen der Forschung notwendig.

Innen- und Außenraum geschickt miteinander verbinden Die Verknüpfung des Institutsneubaus mit seiner heterogenen Umgebung, geprägt von vielfältigen Zweckbauten, stellt eine besondere Qualität dar: Innen- und Außenraum des MPSD werden geschickt verwoben und tragen die Prämissen Offenheit und Transparenz durch das gesamte Bauwerk – trotz der wegweisenden Forschung, die hier hinter verschlossenen Türen stattfindet. Hinzu kommt der prägnante, terrassierte Dachgarten. Er bietet ungeahnte Aufenthaltsqualität oberhalb der 1. und der 2. Geschossebene. Jeder, der sich auf dem Gelände bewegt, darf ihn nutzen. Damit werden die halböffentlichen grünen Terrassen zu einem räumlichen Bindeglied sowie Kommunikationsort zwischen den Nutzern des Institutsgebäudes selbst und den Besuchern, die hier nur zufällig vorbeikommen und den Ort für sich entdecken. „Unser Gebäude muss den Raum bieten für die zurückgezogene und intensive Forschungsarbeit – aber ebenso für den informellen Austausch, für spontane Treffen, für einen offenen Dialog. Ich nenne es ‚Konzentration und Kommunikation‘ oder ‚das Isolierte und Abgeschirmte vs. die Verbundenheit und das

Bild 3. Große runde Deckendurchbrüche geben den Geschossinnenzonen viel Tageslicht und Transparenz.

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Bild 4. Über eine offene skulpturale Freitreppe, die sich unter dem lichtdurchfluteten Atrium erhebt, gelangt man in das erste Obergeschoss.

Miteinander‘. Das ist der Kern des Entwurfes“, so Prof. Markus Hammes. Konsequent die Klammer zu bilden aus Forschungsanspruch auf der einen und Architekturqualität auf der anderen Seite, ist auf dem weitläufigen DESY-Gelände zuvor nur selten gelungen. Umso schöner ist es, wie nun das MPSD in seiner architektonischen Federleichtigkeit und Transparenz das vollgepackte Raumprogramm aus Büros, Cafeteria, Seminarräumen, Werkstätten, Laboren und

Bild 5. Klassische Flure gibt es nicht im MPSD. Es war eine bewusste Entwurfsentscheidung: Kommunikation und Austausch in offener Struktur.

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Bild 6. Die Experimentierwerkstätten des MPSD sind nicht frei zugänglich. Hier im südlichen Gebäudeteil werden die komplexen Versuche sowie Messaufbauten zusammengestellt.

Bild 7. Üppig begrünte Innenhöfe, ein terrassierter Dachgarten: Das MPSD bietet vielfältige Qualitäten, die für ein Institutsgebäude keineswegs Entwurfsstandard sind.

Technik in dem hochfunktionalen Dreigeschosser transportiert.

gung durch den Raum, das Spiel mit Wegeführungen, Überschneidungen, Geschosshöhen und Lufträumen, die vielfältigen Durchblicke, lassen einen das Gebäude auf ganz unvermutete Art und Weise entdecken. Das fällt jedem auf, der das MPSD betritt“, so Prof. Markus Hammes.

Kommunikation als Gestaltungsprinzip Über die offene Freitreppe, die sich unter dem Atrium erhebt, gelangt man in das erste Obergeschoss, die so genannte „Wissensebene“. Hier befinden sich die Einzelbüros der Wissenschaftler, die im Gebäude forschen. Klassische Flure gibt es hingegen nicht. Das war eine sehr bewusste Entwurfsentscheidung, um den insgesamt 150 m langen Gebäuderiegel im Innern in eine fließende Struktur zu verwandeln. Jedoch clever auch deshalb, weil Kommunikation und Austausch in dieser offenen Struktur mit ihren vielfältigen Sicht- und Wegebeziehungen geradezu zwangsläufig provoziert werden. Hinzu kommen die riesigen, runden Deckendurchbrüche, die den Geschossinnenzonen viel Tageslicht geben. Transparenz und Helligkeit bilden einen Ausgleich zur abgeschotteten Forschungsarbeit in den tageslichtlosen Laserlaboren.

Die grünen Terrassen von Bahrenfeld Die Entwurfsprogrammatik setzt sich im zweiten Obergeschoss fort, das im Wesentlichen von der zentralen Cafeteria geprägt wird. Durch die großen Panoramafenster schweift der Blick über die holzbelegte Freiterrasse, die einen unwillkürlich an das Achterdeck eines Kreuzfahrtschiffes denken lässt. Die Aussicht über das Holzdeck ist nicht das Einzige, was von hier zu genießen ist. Man muss heraustreten, um den Blick über die üppig begrünten terrassierten Flächen wandern zu lassen. Einen Bauherrn zu finden, der so einen Zugewinn – aber ebenso Pflegeaufwand im Nachgang – mitträgt, ist nicht alltäglich. Das für den Deutschen Landschaftsarchitektur Preis 2023 nomi-

Forschungsbau mit hoher Flexibilität Die Gründung unterhalb des Erdgeschosses ist komplex, was der besonderen Nutzung geschuldet ist. Eine bis zu 1,50 m dicke Bodenplatte mit einem aufwendigen Schichtaufbau sorgt für die notwendige Schwingungsfreiheit für den Laborbetrieb. Hinzu kommt eine spezielle Deckenkonstruktion über dem EG im Bereich der hermetisch abgeschotteten Labore, die die wechselnden Versuchsaufbauten aufnimmt. Darüber hinaus befinden sich im südlichen Teil des Erdgeschosses die ebenfalls nicht frei zugänglichen Experimentierwerkstätten, in denen Versuche und Messaufbauten zusammengestellt werden. Dieser restriktiven Zugänglichkeit stehen die hellen, großzügig verglasten und offenen Seminarräume sowie die zentrale Eingangshalle gegenüber, die mit einem über alle drei Geschosse geführten Atrium, viel Tageslicht in das Gebäude einträgt. „Obwohl es eine kompakte und dichte Gebäudestruktur ist, wirkt sie maximal offen, hell und freundlich. Die Bewe-

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Bild 8. Der Dachgarten mit Cafeteria ist öffentlich zugänglich und bereichert das Bahrenfelder Campusgelände um eine wertvolle Grünfläche mit außergewöhnlicher Aufenthaltsqualität.

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nierte Gestaltungskonzept stammt vom Hamburger Büro Landschaftsarchitektur+ und ist beispielhaft für einen modernen Forschungsbau. Denn nahezu die gesamte Grundstücksfläche, die durch das Gebäude des MPSD versiegelt wurde, steht der Max-Planck-Gesellschaft als intensiv oder extensiv begrünte Terrassen- und Dachfläche zur Verfügung und verbessert obendrein die CO2-Bilanz des Bauwerks.

Verbindendes Element auf dem Campus Auf dem Bahrenfelder Campusgelände kommt dem MPSD heute eine besondere Rolle zu. Denn nicht nur die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nutzen Cafeteria und Terrasse inzwischen gerne und intensiv. Sie stehen genauso den Forschenden aus anderen Instituten zur Verfügung, wirken als verbindendes Element in einer heterogenen Umgebung und bereichern das Areal um eine wertvolle Grünfläche und einen herausragenden Forschungsbau.

Bild 9. Das für den Deutschen Landschaftsarchitektur Preis 2023 nominierte Gestaltungskonzept für Terrassen und Freiflächen des MPSD stammt vom Hamburger Büro Landschaftsarchitektur+ und ist beispielhaft für einen modernen Forschungsbau. (Fotos 8–9: © Landschaftsarchitektur+, https://www.l-plus.de/)

Bautafel Max-Planck-Institut für Struktur und Dynamik der Materie (MPSD), Hamburg ■ Projektadresse: Luruper Chaussee 149, 22761 Hamburg ■ Bauherr: Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e. V., München ■ Architektur: hammeskrause architekten bda ■ Bauleitung: hammeskrause architekten bda mit baubüro.eins, Hamburg ■ Tragwerksplanung: WETZEL & VON SEHT, Hamburg ■ Landschaftsarchitektur: Landschaftsarchitektur+ HolzapfelHerziger & Benesch PartG mbB, Hamburg ■ Nutzfläche 1–7: 6.161 m2 ■ BGF: 12.417 m2 ■ BRI: 61.739 m3 ■ Gesamtbaukosten: 57 Millionen € brutto ■ Baubeginn: 2017 ■ Fertigstellung: 2022

Weitere Informationen: Bild 10. Wegweisende Forschung findet hinter den geschlossenen Türen der Laserlabore statt. Eine Treppe im großräumigen Einschnitt schafft die direkte Verbindung zu der für jeden offenen Dachterrasse. (Fotos 1–7 und 10: © Werner Huthmacher, http://huthmacher-data.de/site/)

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hammeskrause architekten bda Krefelder Straße 32, 70376 Stuttgart Tel. (0711) 60 17 48-0 info@hammeskrause.de, www.hammeskrause.de

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Projektvorstellungen

TU BERGAKADEMIE FREIBERG NEUBAU UNIVERSITÄTSBIBLIOTHEK UND HÖRSAALZENTRUM

Bild 1. Die neue Universitätsbibliothek und das Hörsaalzentrum der TU Bergakademie Freiberg: Ansicht Süd-Ost

Martin Behet, Michael Lin, Roland Bondzio – behet bondzio lin architekten GmbH & Co. KG Freiberg zählt zu den schönsten Renaissancestädten Deutschlands. Heute zählt sie ca. 40.000 Einwohner und Einwohnerinnen, ca. 10 % davon sind Studierende aus der ganzen Welt der 1765 gegründeten Bergakademie, die seit 1993 zudem Technische Universität ist, und an vielen Standorten in der Altstadt ansässig ist. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert entstand nördlich der Altstadt ein neuer Hochschul-Campus. Dieser grenzt räumlich an die Altstadt mit dem Schloss, ist aber von dort aus durch den dichten und hohen Baumbestand kaum bis gar nicht wahrnehmbar. behet bondzio lin architekten gmbh+co.kg aus Münster planten die neue Universitätsbibliothek und das Hörsaalzentrum. Um eine engere Verzahnung zwischen der Universität und der Stadt zu erreichen, wurde im Rahmen eines neuen Masterplan ein großzügiger, 14 m breiter Rad- und Fußweg als sogenannter „Wissenschaftskorridor“ angedacht, der in Schlossnähe beginnt, in einem sanften Schwung bis zur

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Leipzigerstraße führt und sowohl bestehende und als auch neu zu planende Gebäude der Universität erschließen soll. Das Grundstück für die neue Universitätsbibliothek und das Hörsaalzentrum liegt am Auftakt des zukünftigen Wissenschaftskorridors. Zu Beginn der Planung befand sich hier eine große, in zwei Geländestufen angelegt Schotterfläche, die als Parkplatz und Festwiese diente.

Die Aufgabe In der Aufgabenbeschreibung des Freistaats Sachsen zum Wettbewerb gab es neben dem Raumprogramm und den funktionalen Abläufen auch ein Kapitel zu den Themen „Sichtbarkeit“, „Bergbau“ und „Geschichte der TU Bergakademie“. Das Raumprogramm umfasste neben den hörsaal- und bibliothekstypischen Räumen eine Cafeteria und ein Ar-

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Projektvorstellungen

zen und Diskussionsveranstaltungen, sowie zwei kleine, gefällelose Säle mit Platz für jeweils ca. 100 Personen. Die Bibliothek ersetzt die vorhandene Universitätsbibliothek aus den 1970er-Jahren und soll Raum für den Buchbestand, die Verwaltung sowie Gruppenräume, Veranstaltungsbereiche, 800 Tischarbeitsplätze und Carrels für Doktorand*innen bieten. Der umfangreiche Archivbereich umfasst besonders schützenswertes, einmaliges, also nicht ersetzbares Kulturgut. Es handelt sich um historisch und wissenschaftlich bedeutsame Schriften aus dem Bereich des Bergbaus.

Der Entwurf

Bild 2. Innere Straße

chiv. Die Hörsäle bieten insgesamt ca. 1.000 Plätze, aufgeteilt in zwei mittlere Säle mit ca. 400 Plätzen, d. h. einen naturwissenschaftlichen Saal mit Experimentiertisch und einen multifunktionalen Saal für Vorlesungen, Konferen-

behet bondzio lin architekten sahen sich durch die Auslobung ermutigt, die besondere Lage des Grundstücks zu nutzen, um ein markantes Auftaktgebäude zu entwerfen, und damit aus der Fernsicht, also auch vom Schloss am Rand der Altstadt sichtbar, die Wahrnehmung der Universität in der Stadt zu stärken. Es ging ihnen darum, ein sichtbares Zeichen zu setzen, das für das Selbstbewusstsein und die Bedeutung der TU Bergakademie als bedeutsame Institution in der Stadt Freiberg steht, und zudem in seiner Erscheinung an das für die Bergakademie bedeutsame Thema des Bergbaus anknüpfen sollte. Archive sind zentrale Kulturorte, sie stellen das Gedächtnis der Gesellschaft dar. Sowohl gesellschaftlich als auch räumlich nehmen sie häufig untergeordnete Rollen ein. Das Archiv, das sich in der heutigen Bibliothek im Keller befindet, wurde an den bedeutsamsten Ort im Gebäude verortet, in die oberen vier Turmgeschosse. Ziel war es, dass Bürger, Besucherinnen und Studierenden den Turm als Zeichen und Orientierungspunkt wahrnehmen, auf den zweiten Blick sich aber die Frage stellt, warum ausgerechnet der weithin sichtbare obere Bereich des Turms fensterlos ist. Die dort verortete Funktion des Archivs wird hier gestaltprägend und der Turm zu einem „kulturellen Landmark“.

Bild 3. Treppenhaus

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Projektvorstellungen

Bild 4. Erschließung

Bild 6. Wendeltreppe

Ein Turm wirkt als Turm weniger durch seine Höhe als vielmehr durch seine Proportion, zudem bedurfte es natürlich auch eines sinnvollen Bezugs zur Nutzung, und es lag in der Verantwortung der Architekten, das vorgegebene Raumprogramm einzuhalten. behet bondzio lin architekten haben sich deshalb in zahlreichen Modellstudien und Animationen intensiv mit der Erscheinung und der räumlichen Wirkung des Gebäudes beschäftigt. Um die beschriebene Wirkung des Gebäudes im städte-

baulichen Kontext zu erreichen, haben sie das Haus in den 42 m hohen, 36 m breiten und 12 m tiefen „Turm“ und den „Flachbau“ mit 22 m Höhe, 36 m Breite und 50 m Länge gegliedert, verbunden durch die 12 m breite „Fuge“. Aus der Altstadt ist nur der Turm erkennbar, er wirkt von dort schlank und aufstrebend. Nähert man sich diesem über den Wissenschaftskorridor, treten zunehmend seine breite Front und der langgestreckte „Flachbau“ in

Bild 5. Foyer

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Projektvorstellungen

Bild 9. Bibliothek

Bild 7. Interne Erschließung Hörsaal

Erscheinung und die Wirkung wandelt sich zu einem kräftigen und am Boden verankerten Funktionsgebäude. Betritt man das Bibliotheks- und Hörsaalgebäude, betritt man ein lebendiges Haus. Alle öffentlichen Bereiche des Gebäudes sind aus den Gedanken der guten Orientierbarkeit und schwellenlosen Kommunikation heraus entwickelt. Sowohl die „Innere Straße“ als zentraler Bewegungs- und Begegnungsraum und der daran anschließende offene Sitzbereich der Cafeteria, die großzügige und einladende Wendeltreppe, als auch die Empfangsnischen im Lesesaaleingang, die Gruppenräume und die Lounge-Bereiche innerhalb der Bibliothek sind Orte der Begegnung und Kommunikation. Die Nutzer*innen können das Haus von der Winklerstraße oder vom Wissenschaftskorridor aus betreten und gelangen in die tagesbelichtete „Innere Straße“, mit über 70 m Länge, 7 m Breite und in Teilen 23 m Höhe, direkt zu allen Hörsälen und Seminarräumen, in die Cafeteria und über die großzügige Wendeltreppe in die Bibliothek.

Bild 10. Hörsaal (Fotos: © Roland Borgmann, www.rolandborgmann.com)

Die Bibliothek gliedert sich in drei Lesesaalebenen. Die Arbeitsplätze befinden sich an den Außenfassaden und an der ebenfalls gut tagesbelichteten „Inneren Straße“. Ermöglichen die Arbeitsplätze an den Außenfassaden den Blick in den Campus und das grüngeprägte direkte Umfeld, stehen die Arbeitsplätze an der „Inneren Straße“ in direkter Beziehung zum lebendigen und kommunikativen Alltag eines zentralen Hochschulgebäudes.

Bautafel Neubau Bibliotheks- und Hörsaalzentrum Technische Universität Bergakademie Freiberg ■ Bauherr: Freistaat Sachsen, vertreten durch den Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement ■ Architekten: behet bondzio lin architekten gmbh+co.kg, Münster ■ Entwurfsverfasser und Geschäftsführender Inhaber: Martin Behet ■ VOF Verfahren 2016: 1. Platz ■ Projektbeginn: 2016 ■ Baubeginn: 2018 ■ Fertigstellung: 2023

Weitere Informationen:

Bild 8. Lesesaal

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behet bondzio lin architekten gmbH+co.kg Hafenweg 26b, 48155 Münster Tel. (0251) 136 51-19, Fax (0251) 136 51-29 buero@2bxl.com, www.2bxl.com

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Lüftungstechnik/Innenausbau

Dezentrale Lüftungsgeräte mit Wärmerückgewinnung In Hörsälen, Seminarräumen und Büros nimmt die Luftqualität schnell ab, wenn sich hier mehrere Menschen aufhalten. Regelmäßiges Lüften ist da gefragt: Wer dann das Fenster aufreißt, vernichtet Heizungsenergie und schafft nur kurz Abhilfe. Mit leicht nachrüstbaren dezentralen Lüftungsgeräten verbessert man die Luftqualität erheblich und damit nachhaltig die qualitativen Rahmenbedingungen von Forschung und Lehre. Wenn sich Menschen längere Zeit in einem Raum aufhalten, können sie die „schlechte Luft“ nicht wahrnehmen – Tiere hingegen schon. Forscher haben 2016 entdeckt, dass Mäuse sogar den Sauerstoff-Gehalt in der inhalierten Luft mit Nervenzellen in ihrer Nase wahrnehmen können. Den Menschen fehlen diese Nerven, deshalb müssen sie systematisch für „gute Luft“ in Innenräumen sorgen. CO2 wird heute als guter Indikator für die Luftqualität in Innenräumen angesehen. Die Pettenkofer-Zahl gilt als Grenzwert für eine geringe CO2-Konzentration: Die Zahl liegt bei 1.000 parts per million (ppm), was 0,1 Volumenprozent entspricht. Laut Umweltbundesamt beträgt der Arbeitsplatzgrenzwert für CO2 heute 5.000 ppm nach den Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) 900. Ab einem Wert von 10.000 ppm geht man von einer erhöhten Atemfrequenz aus, bei 30.000 ppm ist mit Kopfschmerz und Schwindel zu rechnen. Das Umweltbundesamt empfiehlt jedoch, bereits bei einem hygienisch auffälligen Wert zwischen 1.000 und 2.000 ppm das Lüftungsverhalten zu überprüfen und zu verbessern. Doch wie lässt sich das in Bestandsgebäuden erreichen?

Lüftungsgeräte einfach unter die Decke Dezentrale Lüftungsgeräte mit Wärmerückgewinnung sind die Lösung auch für Hochschulen, Universitäten, Schulen und Kindergärten. Für Räume in Bereichen mit hoher Personenbelegung ist die Gerätereihe LTM dezent des Systemanbieters tecalor ausgelegt. Die dezentralen Modelle sind für die Verwendung im Sanierungsfall entwickelt worden, ermöglichen aber auch im Neubau einen platzsparenden Einbau sowie einen sicheren und wirtschaftlichen Be-

Bild 2. Funktionsprinzip des dezentralen Lüftungsgerätes LTM dezent von tecalor.

trieb. Sie eignen sich zur platzsparenden Deckenmontage und bieten eine kontrollierte Be- und Entlüftung mit Wärmerückgewinnung. Aktuell wird der Einbau dieser Geräte mit 15 % vom Bund über das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) gefördert. Bis zu 92 % der Wärme aus der Abluft werden von den Geräten beim Luftaustausch zurückgewonnen. Mit Schadstoffen und Keimen belastete Luft tauschen die dezentralen Lüftungsgeräte LTM dezent von tecalor stetig aus gegen frische, erwärmte Zuluft. Bei diesem Luftaustausch verringert sich der CO2-Anteil in der Raumluft, was die Aufnahme- und Konzentrationsfähigkeit steigert. Spezielle Filtersysteme entziehen der Zuluft zudem Pollen und Hausstaub – ein Plus für die steigende Zahl von Allergikern. Außengeräusche, Wind und Wetter bleiben hingegen draußen, da kein Fenster geöffnet werden muss. Die Geräte selbst arbeiten leise im Betrieb dank eines schallgedämmten Kammersystems im Gehäuse.

Lüften und Kühlen mit einem dezentralen Gerät

Bild 1. Die Platzierung des Lüftungsgeräts unter der Decke ermöglicht eine gute Luftzirkulation. Das bedeutet: Stets frische Luft ohne Störgeräusche durch geöffnete Fenster.

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Über einen effizienten Kreuzgegenstrom-Wärmetauscher aus Aluminium findet der Energieaustausch zwischen der verbrauchten, aber energiehaltigen Abluft und der frischen, aber kühlen Außenluft statt. Motorisch selbstschließende Außen- und Fortluftklappen beim LTM dezent verhindern einen unkontrollierten Luftaustausch und damit Wärmeverlust, wie er bei verschiedenen anderen Lüftungsgeräten zu beobachten ist. Die Geräte sind in verschiedenen Luftleistungsklassen verfügbar: von 100 bis 870 m3/h kann der Volumenstrom gewählt und eingestellt werden. Für den Sommer verfügen alle dezent-Geräte über ein intelligentes Lüftungskonzept: In der Nacht nutzen sie die kühle Außenluft, um die Innenräume herunterzukühlen. „Das funktioniert so gut, dass im Sommer schon Lehrer in einer Grundschule meinten, morgens sei die Lufttemperatur im Klassenraum zu niedrig“, erzählt Peter Kvas, Regio-

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Lüftungstechnik/Innenausbau

Bild 3. Das Lüftungsgerät LTM dezent 800 topline KE GIT mit integrierter Kühleinheit von tecalor. (Fotos/Grafik: tecalor)

nalleiter Süd/West von tecalor. Das LTM dezent 800 KE verfügt zusätzlich zur Nachtkühlung über eine aktive Kühlung.

Günstiger Betrieb bei maximaler Luftqualität Wie effizient die dezentralen Lüftungsgeräte arbeiten, wurde in einer Studie an einer Schule in Aachen im Dezember untersucht. Eingebaut waren hier tecalor Geräte des Modells LTM dezent 800 mit einem bauseits eingestellten, reduzierten Volumenstrom von 600 m3/h. Bei Außentemperaturen von 5–6 °C nahmen die Geräte nur 100 W auf. Bei der untersuchten Grundschule ergab sich somit ein Stromkostenanteil von 15 Cent/Tag und Gerät. Für diesen Betrag wurden die Räume perfekt gelüftet und verfügten über ein angenehmes Raumklima bei minimalen Heizungsverlusten. Die Geräte sprangen bereits automatisch an bei einem CO2-Gehalt von 600 ppm in der Raumluft. Bei einer Vergleichsmessung im September entstanden Betriebskosten für die LTM dezent von 10 Cent/Tag. Zum Vergleich: Jahresarbeitszahlen von guten Wärmepumpen liegen heute bei 6 – die äquivalente Leistungszahl der Wärmerückgewinnung bei den tecalor-Geräten beträgt 11 bis 25. Zwei Kernbohrungen und eine Steckdose reichen, um ein dezentrales Lüftungsgerät von tecalor unter der Decke zu montieren. Sollte einmal nicht der optimale Platz zur Verfügung stehen, leiten Lenk-Lamellen den Luftstrom in die richtige Richtung. Für innenliegende Räume, bei denen ein Kanalsystem genutzt werden kann, verfügen die LTMdezent-Geräte über eine erhöhte Pressungsreserve für den System-Luftdruck. Angeschlossen an Lüftungskanäle, lässt sich das Modell LTM dezent KZA beispielsweise platzsparend im Nebenraum installieren oder es verschwindet unter der abgehängten Decke aus dem Sichtbereich. Das LTM dezent 800 hat zudem eine Zulassung des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt) nicht nur für die freiblasende, sondern auch für die kanalgeführte Anwendung. „Und selbstverständlich erfüllen wir die Hygienevorschriften der DIN 6022“, sagt der Regionalleiter.

Frische Luft ohne Störung des Unterrichts Gute Erfahrungen mit den dezentralen Lüftungsgeräten von tecalor hat man beispielsweise an der Freien berufsbildenden Schule in Jena gemacht. Insgesamt 24 Lüftungsge-

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räte LTM dezent 800 leiten dort die verbrauchte Raumluft aus den Klassenräumen kontinuierlich nach außen ab und führen ihnen fortlaufend frische Außenluft zu. „Unser Schulgebäude bot damit bereits vor der Pandemie eine optimale Belüftung in den Klassenräumen“, sagt Stephan Riese, Geschäftsführer Bildung und Soziales beim Schulträger. „Die Belüftung sorgt in jeder Jahreszeit zusätzlich zum Stoßlüften für Frischluft und bietet uns damit einen wichtigen hygienischen Vorteil.“ Die tecalor Lüftungsgeräte LTM dezent 800 sind in den Räumen platzsparend mithilfe eines Schienensystems unter der Raumdecke befestigt. Durch einen CO2-Sensor gesteuert, entziehen sie dem Raum bedarfsgerecht die verbrauchte Luft und leiten über das Zuluftgitter an der Stirnseite entsprechend viel Frischluft ein. Bis zu 870 m3 Luft lassen sich je Gerät auf diese Weise pro Stunde austauschen. Der Luftstrom ist dabei so langsam, dass kein unangenehmer Zugeffekt entsteht. „Die Luft in den Klassenräumen ist nie abgestanden, auch wenn die Räume beispielsweise übers Wochenende nicht genutzt wurden“, erzählt Stephan Riese und ergänzt direkt weitere Vorteile: „Die Lüftungsanlage arbeitet leise und stört daher den Unterricht nicht. Dank der Platzierung unter der Decke besteht durch die Anlage auch keine Sichteinschränkung.“ Ähnlich gute Erfahrungen machten die Betreuer in einer sächsischen Kita: Hier sollte ursprünglich nur in den Sanitärräumen eine Abluftanlage montiert werden. Diese Lösung hätte allerdings nicht die bestmögliche Belüftung der Räume bedeutet. Außerdem wären ohne Wärmerückgewinnung energetische Verluste an wertvoller Heizenergie zu erwarten gewesen. Klaus Hupka vom Ingenieurbüro HKS Bautzen ging daher einen anderen Weg. „Da kein Platz für eine zentrale Lösung vorhanden war, haben wir dezentrale Lüftungsgeräte eingebaut“, erläutert er. „Installiert sind sie im Sanitärbereich, wo auch die verbrauchte Raumluft entnommen und nach außen abgeleitet wird. Die Zuluft wird hingegen über Kanäle umgeleitet und in die Schlafräume eingespeist.“

Sanierung mit dezentralen Lüftungsgeräten Bei der energetischen Sanierung von Gebäuden, in denen kein Platz für eine zentrale Lösung ist, bietet eine dezentrale Lüftungslösung mit Wärmerückgewinnung eine bevorzugte Alternative. Die verschiedenen Außenwandanschlüsse von tecalor sind hierbei ein großer Vorteil. Denn besonders Architekten fragen immer wieder nach verschiedenen Anschlüssen an die Fassade: Hier können die tecalor-Varianten zu einer harmonischen Fassaden-Gestaltung beitragen. Neben der ansprechenden Optik bestechen die Lüftungsgeräte LTM dezent von tecalor aber vor allem durch eine optimale Luftqualität bei niedrigeren Heizkosten.

Weitere Informationen: tecalor GmbH Lüchtringer Weg 3, 37603 Holzminden Tel. (05531) 990 68-950 82, Fax (05531) 990 68-957 12 info@tecalor.de, www.tecalor.de

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Lüftungstechnik/Innenausbau

Dezentrale und zentrale Lüftungslösungen für Universitäten und Hochschulen Wie elementar frische Luft für das menschliche Wohlbefinden ist, macht sich vor allem in Räumen bemerkbar, in denen viele Menschen für eine längere Zeit zusammenkommen, z. B. in den Hörsälen von Universitäten und Hochschulen. Wird hier nicht für entsprechende Lüftungsmaßnahmen gesorgt, ist die Luft bereits nach kürzester Zeit verbraucht – körperliche Symptome wie Konzentrationsschwierigkeiten, Müdigkeit und Kopfschmerzen sind die Folge. Doch nicht nur der Mensch, auch das Gebäude leidet unter unzureichender Luftzufuhr: Im schlimmsten Fall wird die Bausubstanz durch Feuchtigkeit und daraus resultierenden Schimmel geschädigt. Die zuverlässigste Lösung, um eine angenehme, gesunde Lernatmosphäre für Studierende und Lehrkräfte zu schaffen, sind Lüftungsgeräte. Damit lassen sich alle Räume problemlos in sauerstoffreiche Lernoasen verwandeln, aus denen Luftschadstoffe und hohe CO2-Konzentrationen sicher abgeführt werden. Gegenüber einer Fensterlüftung wird teure Heizenergie eingespart. Als Spezialist im Bereich Lüftung bietet die Airflow Lufttechnik GmbH das umfangreichste Geräte-Portfolio im Markt für eine schnelle, bedarfsgerechte und effiziente Realisierung von Lüftungslösungen.

Ziel: optimale Luftqualität Eine ausreichende Frischluftzufuhr ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für Gesundheit, Konzentration und Leistungsfähigkeit. Vor allem in Bildungseinrichtungen ist eine effiziente Raumbelüftung daher unerlässlich. Manuelles Lüften reicht allerdings meist nicht aus, um eine optimale Luftqualität sicherzustellen, bei der CO2-Werte von 800 ppm nicht überschritten werden. Ralf Nitschke, Vertriebsleiter bei Airflow, weiß um das Problem: „Zu kleine Fensterflächen, eisige Temperaturen im Winter oder Straßenlärm sind nur einige der Faktoren, die den Erfolg des Stoßlüftens einschränken. Im betriebsamen Studienalltag wird regelmäßiges Lüften zudem oft schlichtweg vergessen.“ Lüftungsgeräte hingegen sorgen automatisiert für eine kontinuierliche und bedarfsgerechte Zufuhr von Frischluft und punkten im Vergleich zum manuellen Lüften mit zahlreichen weiteren Vorteilen: Viren und Bakterien, aber auch Staub und Pollen werden zuverlässig aus der Luft gefiltert – das kommt Allergikern im Hörsaal zugute. Zudem sind Lüftungsgeräte weitaus energieeffizienter als manuelles Lüften, da sie die benötigte Luftzufuhr immer zu 100 % bedarfsangepasst durchführen und keine Raumwärme durch das Öffnen der Fenster verloren geht. Auch weitere schädliche Begleiterscheinungen von falschem Lüftungsverhalten, z. B. zu hohe Luftfeuchte, Kondensat und Schimmelbildung, werden mit dem Einsatz intelligenter Lüftungslösungen effektiv verhindert. Werden die Räumlichkeiten beispielsweise in der studienfreien Zeit nicht genutzt, sorgen Lüftungsanlagen für die notwendige Mindestlüftung und sichern so den Werterhalt des Gebäudes.

Dezentrale Lüftungsgeräte: Die clevere Lösung zur Nachrüstung In Neubauten gehören Lüftungsgeräte längst zum gebäudetechnischen Standard – in Bestandsbauten kann mithilfe

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Bild 1. Die dezentralen Lüftungsgeräte der Serie DUPLEX Vent von Airflow versorgen Hörsäle, Seminarräume usw. zuverlässig mit frischer Luft und überzeugen mit ihrem flüsterleisen Betrieb.

dezentraler Lüftungslösungen schnell und unkompliziert nachgerüstet werden. Hierbei kommen statt eines großen zentralen Lüftungssystems mehrere lokale Geräte für die spezifischen Bereiche zum Einsatz. Vor allem in Bildungseinrichtungen ist diese Lösung beliebt und der Bedarf ungebrochen hoch. „Damit eine Lüftungsanlage so effizient wie möglich arbeitet und stets für eine optimale Luftwechselrate sorgt, muss sie passgenau auf das Raumvolumen, die Belegungszeiten sowie die Personenzahl ausgelegt werden, ohne überdimensioniert zu sein“, erklärt Simon Morherr, Produktmanager bei Airflow. Ein weiterer Planungspunkt betrifft die Platzierung der Geräte. Die optimale Versorgung eines Raumes mit dezentraler Lüftung garantiert der Coanda-Effekt: Dieser sorgt für eine gleichmäßige Verteilung über die gesamte Fläche und beugt Zugerscheinungen vor. Um dies zu gewährleisten, ist allerdings die richtige Platzierung der Anlage wichtig, da sonst die Gefahr einer eingeschränkten bzw. einseitigen Durchströmung des Raumes besteht. Hierbei müssen auch bauliche Restriktionen, z. B. herabhängende Lampen, Streben oder Balken, bedacht werden. Bezüglich der Wahl des Wärmetauschers empfiehlt sich für Hörsäle ein Plattenwärmetauscher, da sich hier i. d. R. viele Personen gleichzeitig aufhalten – die Feuchte kann beim Luftaustausch mit abgeführt werden, weil durch die Atemluft der Nutzer genügend

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etappenweise während des laufenden Betriebs umsetzen, da immer nur ein einzelner Raum für kurze Zeit nicht verfügbar ist“, erklärt Ralf Nitschke. „Die Arbeiten nehmen lediglich einen bis anderthalb Tage in Anspruch, sodass Studierende und Lehrkräfte schnell wieder zurück in die Hörsäle können.“ Der organisatorische Aufwand wird damit auf ein Minimum reduziert und die Nachrüstung kann flexibel nach dem individuellen Zeit- und Budgetplan der Hochschulen und Universitäten realisiert werden.

Geräuscharme, energieeffiziente und bedarfsgerechte Lüftung

Bild 2. Kurze Wege machen die Montage schnell und einfach, denn sie erfolgt standardmäßig an der Außenwand oder direkt unter der Decke. (Fotos/Grafiken: Airflow)

Feuchtigkeit abgegeben wird. Hinsichtlich der Filterklassifizierung ist die Außenluftqualität entscheidend: Liegt die Hochschule oder Universität außerhalb der Stadt, ist meist ein Filter der Klasse ePM1 50 % ausreichend, in Großstädten, wo die Feinstaubbelastung höher ist, wird gegebenenfalls eine höhere Filterklasse benötigt.

DUPLEX Vent: Flexible Lüftungslösungen für jeden Anwendungsfall Da jeder Anwendungsfall unterschiedlich ist, bietet die Airflow Lufttechnik GmbH mit der Serie DUPLEX Vent eine breite Auswahl an dezentralen Lüftungsgeräten, die sich optimal zur Nachrüstung in Hochschulen und Universitäten eignen. Ob Wand-, Decken- oder Standausführung – dank der vielseitigen Modelle findet sich für sämtliche Raumsituationen und Nutzungsarten eine passgenaue Lösung. In Altbauten bieten die Decken- und Wandgeräte eine zusätzliche Platzersparnis und schützen vor Vandalismus. DUPLEX Vent Deckengeräte können auf Wunsch zu zwei Dritteln oder einem Drittel teilintegriert werden und sind somit optisch besonders unauffällig. Mit Volumenströmen von 75 bis 1.300 m3/h deckt die DUPLEX Vent Serie den Lüftungsbedarf in kleineren Räumlichkeiten ebenso ab wie in voll belegten Hörsälen.

Minimaler Montageaufwand, maximale Planungsfreiheit Die Installation der dezentralen Lüftungsgeräte ist mit minimalem Aufwand und in kürzester Zeit zu bewerkstelligen: Hierfür müssen lediglich zwei Kernbohrungen in die Bausubstanz vorgenommen werden – zusätzliche Eingriffe, z. B. für Lüftungskanäle, sind nicht nötig. Die Außen- und Fortluft der dezentralen Geräte wird durch die Außenmauer geführt. Motorgesteuerte Verschlussklappen verhindern die direkte Luftdurchströmung. So gelangt die kühlere Frischluft nur gelenkt in das Gerät und weiter in den Raum – die warme Luft verbleibt im Raum. Fassadengitter schützen vor Wettereinflüssen und dem Eindringen von Regen oder Schnee in die Lüftungskanäle. „Dank der unkomplizierten Montage lässt sich der Einbau der DUPLEX Vent Geräte problemlos in den Semesterferien oder sogar

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Nicht nur hinsichtlich der Installation, auch im Betrieb punkten die dezentralen Airflow Geräte mit zahlreichen Vorzügen. „Einer der größten Pluspunkte der DUPLEX Vent Modelle ist der niedrige Schallpegel“, erläutert Simon Morherr. „Bei Nennleistung erzeugen DUPLEX Vent Geräte lediglich einen Schallpegel von ≤ 35 db(A). Bei einer Auslastung von 80 % liegt dieser sogar noch niedriger bei ≤ 30 db(A). Damit sind sie flüsterleise im Betrieb und beeinträchtigen nicht die Konzentrationsfähigkeit der Studierenden.“ Um auch bei den leistungsstarken DUPLEX Vent Geräten S 1000 mit hohem Volumenstrom diesen niedrigen Schallpegel zu erreichen, setzt Airflow auf aktive Geräuschunterdrückung mittels ANC-Technologie, womit insbesondere niederfrequenter Schall gut gedämpft wird.

Individuelle Steuerung leicht gemacht Zum festen Bestandteil des Airflow Kundenservices gehört die fachgerechte Inbetriebnahme und Einregulierung des Geräts durch einen geschulten Techniker. Neben Anschluss und Funktionstest erfolgt hierbei auch eine Einweisung des Personals in die Steuerung des Lüftungsgeräts. Hierfür gibt es unterschiedliche Möglichkeiten: Eine digitale Steuerung mit individuellen Einstellungen gewährleistet die automatische Regelung der Geräte. Über die mitgelieferte Bedieneinheit kann neben zahlreichen Anwenderparametern auch ein Wochenprogramm eingestellt werden. Eine weitere Option ist die Steuerung über diverse externe Sensoren, die für einen bedarfsoptimierten Betrieb sorgen: gemessen werden z. B. Luftfeuchte, CO2-Gehalt oder Luftqualität und dementsprechend wird die Lüftung geregelt. So sind Luftqualität und Energieeffizienz stets gleichermaßen hoch. Hierfür sorgt auch der sehr hohe Wärmerückgewinnungsgrad von bis zu 95 %. Der individuelle Energiebedarf für die DUPLEX Vent Serie lässt sich vorab mit dem Energieberechner auf der Airflow Website ermitteln. Eine dritte Option: Mithilfe der vollautomatischen, cloudbasierten Steuerung Airlinq können Lehrkräfte über einen Touchscreen auf der Bedieneinheit des Geräts die Frischluftzufuhr einfach selbst regeln – oder vor den Semesterferien den Urlaubsmodus auswählen. Sämtliche Funktionen wie der Volumenstrom, das Kondensat und die Ventilatoren werden automatisch überwacht, alle Betriebsdaten werden kontinuierlich gespeichert. Warnhinweise und Alarme werden mit Textbeschreibung angezeigt. Airlinq bietet zudem die Möglichkeit, mehrere dezentrale Lüftungsgeräte zentral und gebündelt zu steuern. Sowohl dezentrale als auch zentrale Lüftungsgeräte können zudem optional in eine Gebäudeleittechnik integriert werden.

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Zentrale Lüftungslösungen für Neubauten Auch im Bereich zentrale Lüftungsgeräte hält das Airflow Portfolio eine große Vielfalt an flexiblen und hocheffizienten Lösungen bereit, so z. B. die Serien DUPLEXbase. DUPLEX Multi Eco und DUPLEX Roto. Im Gegensatz zu dezentralen Geräten benötigen zentrale Lüftungssysteme mehr Platz und einen höheren planerischen wie baulichen Aufwand – daher empfiehlt sich der Einsatz vor allem in Neubauten oder im Rahmen einer umfassenden Sanierung. „Aber auch eine Kombinationslösung ist für Hochschulen und Universitäten denkbar“, so Ralf Nitschke. „Beispielsweise können Hörsäle mit dezentralen Geräten und größere Versammlungsräume, wie Aulen oder Kantinen, mit zentralen Lüftungssystemen ausgestattet werden.“ Bei der Planung des zentralen Lüftungssystems gilt es, einige wichtige Aspekte zu beachten: Die Räume, aus denen die Luft abgesaugt wird, sollten innerhalb des Gebäudes möglichst nah beieinander liegen, um zusätzliche Steigleitungen oder lange horizontale Leitungen zu vermeiden. Das verringert den Material- und Kostenaufwand. Auch die externe Pressung sollte so gering wie möglich sein, um effiziente Strömungsverhältnisse zu gewährleisten. Aus energetischen Gründen ist besonderes Augenmerk auf eine dichte Ausführung der Luftleitungsnetze zu legen. Hier empfiehlt sich die Überprüfung der Luftkanäle mit einem

Leckprüfgerät. Für die Reinigung sollten zudem an geeigneter Stelle Revisionsöffnungen eingeplant werden.

Fazit Nach dem Motto „Frische Luft für kluge Köpfe“ bietet Airflow das größte Portfolio an dezentralen Lüftungslösungen für Hochschulen und Universitäten auf dem Markt und sorgt so für eine gesunde Lernatmosphäre. „Unser Ziel ist es, den Studierenden eine optimale Luftqualität zu bieten und damit eine wichtige Voraussetzung für Konzentration und Lernerfolg zu schaffen“, erklärt Ralf Nitschke. Aus Sicht des Experten sollten Lüftungsgeräte in Hochschulen und Universitäten noch viel häufiger eingesetzt werden, um die Konzentrationsfähigkeit konstant hoch zu halten, gesundheitliche Konsequenzen zu vermeiden und die Bausubstanz zu erhalten. Bei der Planung und Umsetzung individueller und wirtschaftlicher Lösungen für die Lüftung stehen die Experten der Airflow Lufttechnik GmbH ihren Kunden jederzeit beratend zur Seite. Weitere Informationen: Airflow Lufttechnik GmbH PF 1208, 53349 Rheinbach Tel. (02226) 92 05-0, Fax (02226) 92 05-11 info@airflow.de, www.airflow.de

Harvard University Science and Engineering Complex: 9.000 m2 Systemtrennwände Mit dem Neubau des Science und Engineering Complex (SEC) der Harvard University hat Behnisch Architekten mit dem LEED Platin und Living Building Challenge Petal zertifizierten Bauwerk neue Maßstäbe im nachhaltigen Hochschulbau und in der Entwicklung einer zukunftsweisenden Lern- und Forschungslandschaft gesetzt. In einem Prüfverfahren, basierend auf den Forschungsergebnissen der Harvard Universität, hat sich das feco-Trennwandsystem als gesundes Bauelement qualifiziert und unterstützt damit die ambitionierten Ziele, einen gesünderen, nachhaltigen Campus zu schaffen.

In der Zeit von April 2019 bis August 2020 hat feco mit seinem amerikanischen Partner Pannello Systems mit 9.000 m2 Systemtrennwänden maßgeblich zur Realisierung der 544.000 m2 großen Lern- und Forschungseinrichtung und zur Erreichung des gesteckten Nachhaltigkeitsziels beigetragen. Die ständerlose Nurglaskonstruktion fecoplan mit 50 mm hohen, E6/EV1 eloxierten Aluminiumprofilen und einer Verglasung mit 12,6 mm (0,5 Inch) ESG bietet maximale Transparenz für Labore, Besprechungsräume sowie Flurwände. Die nur 4 mm breiten Glasstöße sind mit polierten Glaskanten und transparenten Glasklebebändern in einheitlich hoher Qualität als versetzbare Systemtrennwände ausgeführt. Die Elemente können zerstörungsfrei de- und remontiert werden und damit auf veränderte Raumanforderungen in der Zukunft unter Wiederverwendung

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Bild 1. Science and Engineering Complex der Harvard University

des Materials reagieren. Gebogene Glaswände erzeugen einen fließenden Raumeindruck. Die wandbündige Doppelverglasung fecofix mit umlaufend 20 mm schlanken Rahmenprofilen und Ganzglasecken mit einem Schalldämmprüfwert von Rw,P = 49 dB bietet Vertraulichkeit in Räumen mit besonderen Schallschutzanforderungen. 600 m2 absturzsichernde fecoplan-Verglasung lassen das Licht aus den beiden großen Atrien in die Tiefe des Raums hineinwirken und erreichen mit 16 mm VSG einen Schalldämmprüfwert von Rw,P = 40 dB. Von den 600 Türelementen sind 250 als Portal-Türelemente für die Professo-

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Lüftungstechnik/Innenausbau

Bild 3. 600 m 2 absturzsichernde fecoplan-Verglasung

Bild 2. Die absturzsichernde Nur-Glas-Konstruktion lässt das Tageslicht eindringen.

ren- und Dozentenbüros mit einem Schalldämmprüfwert von Rw,P = 37 dB ausgeführt. Die mit Eichenfurnier belegten Türelemente und Vollwand-Türseitenteile hat feco in bildhafter Abwicklung in Karlsruhe gefertigt. Die Vollwandseitenteile fecowand wurden entsprechend der bauseitigen Gipskartonwände objektspezifisch auf die Wanddicke 210 mm aufgedoppelt. feco konnte als lizenziertes Unternehmen die ausschließliche Verwendung von Holzwerkstoffen und Furnieren aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern über den gesamten Fertigungsprozess nachweisen (CoC, Chain of Custody, Lizenzcode FSC-C125054). 280 Alurahmen-Glastüren mit 32 bzw. 37 dB Rw,P wurden als ein- und zweiflüglige Türen mit und ohne Querkämpfer in fecoplan-Zargen mit einem zusätzlichen Füllprofil im Sockelbereich gefertigt, um dem in den USA geforderten Building Code für öffentliche Gebäude gerecht zu werden. In diesem wird gefordert, dass eine Rahmentüre im Bodenbereich eine Rahmenbreite von mindestens 25,4 cm (10 Inch) in der Höhe aufweisen muss, sodass ein Rollstuhlfahrer die Tür mit dem Fuß aufstoßen kann. 70 weiße HolzTürelemente fecotür H45 weisen mit 45 mm (1,75 Inch) die

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Bild 4. Transparenz schafft eine kommunikative Atmosphäre (Fotos: Steve Dunwell, Boston)

in den USA typische Türblattdicke auf. Türzargen und Türen wurden für den Einbau US-amerikanischer Türbeschläge vorgerichtet. Das SEC bietet mit seiner großen Vielzahl an unterschiedlichen Lehr- und Vortragsräumen und seinen Laboren und Klassenzimmern in verschiedenen Größen nicht nur ein herausragendes pädagogisches Umfeld, sondern wird mit übergeordneten Einrichtungen wie der Bibliothek sowie vielfältigen gastronomischen Angeboten rund um die Uhr zum zentralen Treffpunkt. So hat Harvard mit der Eröffnung im Herbst 2021 nicht nur ein zukunftsweisendes, gesundes und energieeffizientes Lehr-, Lern- und Forschungsgebäude erhalten, sondern auch einen Ort für Begegnungen und fruchtbaren Austausch. Weitere Informationen: feco-feederle GmbH Am Storrenacker 22, 76139 Karlsruhe Tel. (0721) 62 89-0, Fax (0721) 62 89-190 mail@feco.de, www.feco.de

Ernst & Sohn Special 2023 · Hochschulbauten


Zugang und Orientierung

Zugriff smart organisiert im modernen Hochschulbau Die Digitalisierung und die damit zusammenhängende Gebäudeautomation schreiten auch im modernen Bildungsbau stetig voran. Sie bieten eine Vielzahl an Chancen, die Abläufe etwa im Hochschulalltag neu zu gestalten und nachhaltig zu verbessern. Im Bereich der Zugriffsorganisation sind hier auch konkrete Lösungen für den intelligenten Schrankverschluss gefragt, für ein Plus an Organisation und Sicherheit in den Abläufen. Hier bietet die Schulte-Schlagbaum AG aus Velbert nachhaltige Lösungen, mit denen sich diese Anforderungen gezielt umsetzen lassen. Mit der Produktlinie SAFE-O-TRONIC® access hat die Schulte-Schlagbaum AG eine breit aufgestellte Palette an softwaregesteuerten Schließkomponenten und Identifikationsmöglichkeiten für Möbel im Programm, die gerade auch in Universitäten und Hochschulen entscheidende Vorteile bietet – für Studierende und Besucher*innen genauso wie für Betreibende und Mitarbeitende.

Bild 2. Den Zugriff auf Spinde, Schränke und andere Aufbewahrungsmöbel erhalten die berechtigten Personen mittels persönlichem PIN-Code oder RFIDTransponder. (Fotos: © SchulteSchlagbaum AG)

Intelligenter Schrankverschluss mit System Bei den softwaregesteuerten Schließkomponenten und Identifikationsmöglichkeiten stehen neben dem Sicherheitsaspekt vor allem administrative Vorteile im Vordergrund. Ob Schränke, Spinde oder andere Aufbewahrungsmöbel: Mit den Lösungen des bergischen Premium-Herstellers lassen sich die Zugriffsmöglichkeiten nach individuellen Anforderungen organisieren. Die elektronischen Schließsysteme sind dabei offen für unterschiedliche Apps, mit deren Hilfe Berechtigungen über cloudbasierte Systeme oder Plattformen einfach und zentral verwaltet werden können. Auch im Hinblick auf die Möglichkeiten zur Identifikation zeigt sich das System mit einer komfortablen 2-in-1-Lösung äußerst vielfältig: Die Zugriffsberechtigungen lassen sich mittels RFID-Technologie oder über einen persönlichen

PIN-Code via Smartphone abfragen, ohne zusätzliche App. So lässt sich auch die Mehrfachnutzung von Schränken und Spinden einfach realisieren, wie etwa in der Bibliothek und in den ausgewiesenen Lernbereichen. Zudem schafft die Kombination mit beispielsweise Zutrittskontrollsystemen einen zusätzlichen Mehrwert für die Organisationsabläufe, weil so der Schrankzugriff direkt über den Mitarbeitenden- oder Studierendenausweis erfolgen kann. So werden effiziente Organisationsprozesse und individueller Nutzungskomfort optimal aufeinander abgestimmt.

Nachhaltige Investitionssicherheit von Anfang an Der digitale Wandel im Bildungsbau kann nur gelingen, wenn er exakt auf die Einrichtung, die Standorte, die Gebäude, die Organisationen und nicht zuletzt auf die Nutzenden zugeschnitten ist. So unterschiedlich die Strukturen in den diversen Bereichen sein mögen, so heterogen können auch die Umsetzungsprozesse des Zugriffsmanagements sein. Die smarten Schließsysteme der Schulte-Schlagbaum AG lassen sich jederzeit flexibel konfigurieren und so optimal in die jeweiligen Digitalisierungsprozesse integrieren. Universitäten und Hochschulen sind damit bestens beraten – sei es bereits in der Projektentwicklung oder auch bei der Nachrüstung im Bestand.

Weitere Informationen:

Bild 1. Zugriffe im gesamten Gebäude lassen sich mit smarten Möbelschließsystemen ganz gezielt und nutzergerecht regeln.

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Schulte-Schlagbaum AG Nevigeser Straße 100–110, 42553 Velbert Tel. (02054) 2086-0 saghotline@sag-schlagbaum.com, www.sag-schlagbaum.com

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Zugang und Orientierung

Dynamische Orientierung und Information für innovativen Think Tank Auf dem Innovation Campus Lemgo wurde Anfang des Jahres 2023 mit dem InnovationSPIN ein zukunftsweisender Forschungsbau fertiggestellt. In dem architektonisch expressiven und hoch digitalisierten Neubau werden unterschiedlichste Projekte der Nachhaltigkeit, Mobilität und Fachkräfteentwicklung vorangetrieben. Um allen Besuchern eine schnelle und transparente Raumnutzung zu ermöglichen, konzipierte die Agentur für Kommunikation Kuhl|Frenzel ein anpassungsfähiges, digitales Leitund Orientierungssystem. Bauherren des InnovationSPIN, in dem fortschrittliche Lösungen für den regionalen Mittelstand entwickelt werden sollen, sind der Kreis Lippe, die Kreishandwerkerschaft Paderborn-Lippe und die Technische Hochschule Ostwestfalen-Lippe. Im InnovationSPIN wurden kreative und offene Raumkonzepte umgesetzt, in denen sich junge Köpfe aus unterschiedlichen Handwerks-, Bildungs- und Wissenschaftsbereichen begegnen und in Laboren und Werkstätten gemeinsam arbeiten können. Die von Matern Architekten und Wiewiorra Studio stammende Gebäudeund Raumgestaltung im unkonventionellen Think Tank baut Barrieren und Hemmschwellen zwischen Nutzern verschiedener Disziplinen ab und schafft Flächen für Austausch, Zusammenarbeit und Innovation. Das mit einer skulpturalen Treppe ausgestattete viergeschossige Atrium ist der zentrale Ort des Gebäudes und der Raum, in dem die ambitionierten Ziele der Bauherren ihren architektonischen Ausdruck finden. Hierzu wurden die Bleche von der Fassade auch im Innenbereich verwendet. Das Atrium fungiert als ein Schaufenster in die Zukunft, das in alle Richtungen offen gestaltet ist, das gemeinschaftlich genutzt wird und dem die Rolle eines Zentrums von bereichsübergreifender Kommunikation, Beratung und Information zukommt. Über die Regelnutzungen hinaus ist der gesamte InnovationSPIN ein multifunktional nutzbarer Veranstaltungsort, der die heterogenen Zielgruppen zum gegenseitigen Austausch jenseits institutioneller Grenzen anregt. Die innovative Raumgestaltung verlangt ein flexibles und dynamisches, aber auch eindeutiges Leit- und Orientierungssystem, das Besuchern schnell einen Überblick verschafft und unkompliziert durch das Gebäude führt. Kuhl|Frenzel erfüllte diese Anforderungen in Anlehnung

Bild 1. Zur Adressierung des Gebäudes weisen zwei Pylone Besuchern den Weg.

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Bild 2. An der skulpturalen Treppe im viergeschossigen Atrium ermöglicht ein großformatiger Monitor mit einem 55"-Touch-LED-Display, Informationen abzurufen.

an das progressive Konzept, das dem Neubau zugrunde liegt. Um Besucher*innen aus allen vier Himmelsrichtungen in das Gebäude zu leiten und Orientierung im CrossOver-Working zu bieten, wurden innen und außen unterschiedliche Informationsdisplays eingesetzt. Großformatige Informationsdisplays im Außen- und Innenbereich wurden als 55-Zoll-LED-Displays realisiert und bieten Besuchern einen ersten Überblick zum Raumangebot und zum aktuellen Veranstaltungsprogramm. Die Monitore sind in matt-schwarzen Gehäusen eingebaut. Die Elemente nehmen sich entsprechend des architektonischen Konzepts zurück. Im Foyer gibt es neben freistehenden Elementen auch an Stützen orientierte Elemente. Zusätzlich gibt es auch von der Decke abgehängte Elemente, welche die Höhe des Atriums betonen. Als zusätzlicher Anlaufpunkt im Foyer dient ein digitales Schaufenster mit drei gekoppelten 55-Zoll-Signage-Monitoren zur synchronen oder erweiterten Darstellung von Inhalten. Sowohl die digitalen Richtungsweiser als auch die Etagenübersichten wurden als 32-Zoll-E-Paper ausgeführt. Neben digitalen Raumschildern als 13-Zoll-E-Paper sorgen auch analoge Elemente wie Raumschilder und Etagenziffern für Orientierung. Mit zusätzlichen, großzügigen 3D-LED-Leuchtschriftzügen werden die verschiedenen Zonen im Innova-

Bild 3. In den Nebentreppenhäusern sorgen Etagenziffern für Orientierung.

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Zugang und Orientierung

Bild 4. E-Paper-Displays dienen der Richtungsverteilung.

tionSPIN eindeutig gekennzeichnet. Zu den auf diese Weise markierten Laboren und Kommunikationsräumen gehören u. a. die FORM.BAR, die LERN.BAR die MACH. BAR und das COWORKING. Die digitalen Displays im InnovationSPIN sind Beschilderung, digitale Etagenübersicht, Veranstaltungskalender, Menüplan fürs Bistro und Informationstafel in einem. Ein Wechsel in eine barrierefreie Ansicht wurde integriert. Veranstaltungen werden vom Informationsdisplay über die Richtungswegweiser bis zum Raumschild angezeigt. Ein agiles Interface wurde dabei mithilfe einer eigens dafür programmierten Software auf Basis des CMS TYPO3 umgesetzt. Änderungen in der Raumnutzung und bei Veranstaltungen können mit dem System unkompliziert kommuniziert werden. Eine leichte Inhaltspflege wird den dynamischen Abläufen im InnovationSPIN gerecht und informiert Besuchern von jedem Standort aus zuverlässig. Um die bestmögliche Lesbarkeit aller Leitinformationen sicherzustellen, wurden die Richtungswegweiser, Etagenübersichten und digitalen Raumschilder mit E-PaperDisplays ausgestattet. Reflexionen können so vermieden und der Betrachtungswinkel erhöht werden. Außerdem wird der Kontrast höher, je stärker der Lichteinfall ist, wodurch auch die visuelle Barrierefreiheit optimiert wird. E-Papers sind zudem sehr energieeffizient und bieten auch bei Stromausfällen verlässlich die benötigten Informationen.

Bild 7. Im Atrium sind auch freistehende 32"-E-Paper-Displays zur Richtungsverteilung im Einsatz.

Bild 5. Digitale 13"-E-Paper-Displays als Raumschilder erfüllen die Funktion der Zielbestätigung.

Bild 8. Analoge LED-Schriften mit einem dynamischen Farbverlauf verweisen über die Geschosse auf die dahinterliegenden Bereiche.

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Bild 6. Analoge Türschilder ergänzen die Zielbestätigung.

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Zugang und Orientierung

Bild 9. Großformatige Informationsdisplays im Außen- und Innenbereich bieten Besuchern einen ersten Überblick zum Raumangebot und Veranstaltungsprogramm.

Bild 10. Im Foyer dient ein digitales Schaufenster mit drei gekoppelten 55"-SignageMonitoren als zusätzlicher Anlaufpunkt. (Fotos: © Stefan Brückner)

Das Gestaltungskonzept trägt zu einer identitätsstiftenden und ganzheitlichen Nutzerführung bei und ist auch in der SPINApp wiederzufinden, die ebenfalls der Orientierung, aber auch der Organisation und Kommunikation untereinander dient. Im gesamten Leit- und Orientierungssystem wählte Kuhl|Frenzel eine nicht proportionale oder auch Monospace-Schriftart, die in ihrer Ästhetik an einen Programmiercode erinnert und damit auf den hohen Grad der Digitalisierung im Gebäude verweist. Klare und moderne Schriftschnitte werden durch zurückhaltende Beschilderungen unterstützt. Die analogen LED-Schriften mit ihrem dynamischen Farbverlauf verweisen über die Geschosse auf die dahinterliegenden offenen Bereiche und

kennzeichnen so die Zonen. Durch den Hintergrund der Infodisplays wird die ineinandergreifende Vielfalt der Akteure im InnovationSPIN symbolisiert. Zusätzlich wirkt der mäandernde Farbverlauf inspirierend in den Raum und strahlt eine Lebendigkeit aus, die der gemeinschaftlichen Nutzung des Gebäudes entspricht. Weitere Informationen: Kuhl|Frenzel GmbH & Co. KG Max-Heinrich Müller Aachener Straße 37–39, 50674 Köln Tel. (0221) 677 69 58 10 mueller@kuhlfrenzel.de, www.kuhlfrenzel.de

Impressum Ernst & Sohn Special: Hochschulbauten

Ernst & Sohn GmbH Rotherstraße 21, 10245 Berlin, Tel. (030) 470 31-200, Fax (030) 470 31-270 www.ernst-und-sohn.de Redaktion Thomas Arndtz, Berlin Rainer Bratfisch, Berlin Dr. Burkhard Talebitari (verantw.) Tel. (030) 470 31-273, Fax (030) 470 31-229 btalebitar@wiley.com Kunden-/Leserservice Abonnementbetreuung, Einzelheft-Verkauf, Probehefte, Adressänderungen WILEY-VCH Kundenservice für Verlag Ernst & Sohn, Boschstraße 12, 69469 Weinheim, Tel. (06201) 606-400, Fax (06201) 606-184, service@wiley-vch.de Einzelheft 25,– € inkl. MwSt. und Versand/Porto Bestellnummer 2134-2315 Weitere Sonderhefte online bestellen auf: www.ernst-und-sohn.de/sonderhefte

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Gesamtanzeigenleitung Fred Doischer Anzeigenverkauf Andrea Thieme Tel. +49 (0) 30 470 31-246, Fax +49 (0) 30 470 31-230 Andrea.Thieme@wiley.com Es gilt die Anzeigenpreisliste 2023. Bankverbindung J.P. Morgan AG Frankfurt IBAN DE55 5011 0800 6161 5174 43 BIC/S.W.I.F.T.: CHAS DE FX Gestaltung/Satz LVD GmbH, Berlin Druck Westermann DRUCK | pva, Zwickau © 2023 Ernst & Sohn GmbH, Berlin Die in dem Special veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere das des Nachdrucks und der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieses Specials darf ohne vorherige Zustimmung des Verlages gewerblich als Kopie vervielfältigt, in elektronische Datenbanken aufgenommen oder auf CD-ROM vervielfältigt werden. Namentlich gekennzeichnete Beiträge stellen in erster Linie die persönliche Meinung der Verfasserin oder des Verfassers dar. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotografien übernimmt der Verlag keine Haftung.

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