Land über Lehnen: Folge 1 (Pilot) | Web-Serie von Lars Göllnitz - geschrieben als Drehbuch

EPISODE #

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“PILOT: DIE ERFINDUNG DER RÜCKKEHR”

WRITTEN BY LARS GÖLLNITZ CREATED BY LARS GÖLLNITZ

SKRIPT – xx.xx.2010

FROM BLACK: INT. ONKEL CARLS AUTO – NACHT (22:30UHR) CARL (35) ist mit dem AUTO auf der leeren Autobahn unterwegs. Im RADIO läuft ruhige MUSIK. CARL ist müde und sein MOBILTELEFON klingelt (Der KLINGELTON ist ein Husten).

CARL (gereizt) Was? Ich habe erst vor… Ach so. Seit wann weißt du das? Ich bin gerade erst auf dem Weg zurück aus… Gut, gut ich komme… Ja, jetzt sofort… Natürlich… Wie? Sofort ist, wenn ich da bin. Vielleicht auch früher. Ja… Ja…. (bestimmender) Nein… (singend zu sich selbst) I’m a rolling stone on a lonesome road…

ACT ONE EXT. BAR IN KÖLN – NACHT (22:30UHR) LIU (26) mit 2 FREUNDEN (NEVIN und FREUND #2) auf dem Bordstein nachdem sie aus der BAR geworfen worden sind.

LIU (singend) Wir brauchen keinen, keinen, der uns sagt… (jetzt sprechend) Wir brauchen keinen… Taxi! Taxi! Hast Du das gesehen? (zu NEVIN) Der sah aus, wie Thomas Hackenberg.

LIU (etwas betrunken) Der hat uns auch gesehen. Wieso fährt der weiter. Ich habe doch gewunken.

FREUND #2 (singend) Und wenn der letzte Zug gefällt. Und der letzte Baum gefahren ist…

NEVIN (unterbricht ihn) Kaum hast du deinen Uni-Abschluss, schon fängst du an zu philosophieren. Das bekommt dir alles nicht. Ich frage mich sowieso, wie du es bis hier schaffen konntest.

FREUND #2 Guckt mal eine Bank. Hier möchte ich schlafen.

Das Mobiltelefon von LIU klingelt. Er hebt ab.

LIU (überrascht) Du? Was ist jetzt passiert? Ich bin gerade hier… Du weißt, dass es Nacht ist? Gut… Ich komme. Beweg dich nicht.

Bis gleich… (zu den FREUNDEN) Muss weg.

Wer fährt?

INT. BÜRORAUM BETREUUNGSGRUPPE AACHEN – NACHT (23:30UHR)

LIU mit einer FRAU (ENDE 30) der AACHENER LEBENS UNTERSTÜTZUNG (ALU) am Schreibtisch. Sie sieht zunächst etwas müde aus. Setzt sich langsam hin.

LIU Hören sie, ich wohne etwa eine Stunde von hier entfernt. Ich kann nicht jeden Tag hier hinkommen.

FRAU (unterbricht LIU) Wissen sie. Es wäre gut, wenn ich sie wenigstens telefonisch erreichen könnte.

Sie können auch sitzen.

LIU Ich habe ihnen meine Telefonnummer schon öfter gegeben als mein Onkel der doofen Blonden von 9Live. Manchmal klingelt mein Telefon mitten in der Nacht. Da kann ich auch nicht ausschließen, dass in ihnen da nicht das Feuer des Verlangens brennt.

FRAU Ihr Onkel schläft nun mal nicht nachts.

Da ist das Telefonieren günstiger. Und da kann ich dann auch nicht schlafen.

Können sie nicht hier nach Aachen ziehen? Wir brauchen auch noch Mitarbeiter für unser Büro auf der Schanz.

LIU Wissen sie. Es wäre gut, wenn der Inhalt des Gesprächs bis jetzt niemals an die Öffentlichkeit käme. Wieso sprechen wir nicht über meinen Onkel.

FRAU Apropos. Ich habe heute mit ihrem anderen Onkel telefoniert. Wo wohnt der noch mal?

LIU Ich habe ihn lange nicht gesprochen?

FRAU Ah. Wie bei den Drombuschs?

LIU Eher wie bei Gaylord Fockers Schwiegereltern.

FRAU Ihre Familie sind Ausländer? Ich kenne viele Ausländer. Habe aber nichts gegen sie. Verstehen sie mich nicht falsch.

LIU Gut zu wissen.

FRAU Ja oder? Meine Familie hat selbst ein paar wenige Verwandte aus dem Ausland.

LIU Irak?

FRAU Nein, Österreich. Die haben aber alle etwas Verständnisschwierigkeiten. (ernst) Ich meine, wir haben ein vereintes Europe. Wo bleibt da die Anpassung?

LIU Mein Onkel?

FRAU Richtig. (Denkpause) Wir sollten die Pillendosis wieder anpassen.

LIU Ich habe damit aufgehört…

FRAU (etwas gereizt) Die ihres Onkels. Ich bin keine Ärztin, aber wir, ihr Onkel und ich, wir haben morgen einen Termin bei Dr. Brinkmann.

(LIU schaut unbeeindruckt). Der heißt wirklich so.

LIU Na dann bis morgen. (beim Aufstehen) Sie melden sich aus dem Schwarzwald?

INT. CARLS LOFTWOHNUNG – SEHR FRÜHER MORGEN

CARL hat eine Tasse KAFFEE in der Hand und liest die TAGESZEITUNG. Er spricht zu einer Person im BADEZIMMER. CARL Das ist unfassbar. Ich konnte letzte Nacht noch insgesamt drei Stunden schlafen. Das ist länger als Tom Buhrow während den Tagesthemen. (kurze Pause) Was mache sie da eigentlich die ganze Zeit?

Schlanke FRAU (SANDRINE, ENDE 30) mit FRANZÖSISCHEM AKZENT betritt den Raum. Sie hat eine BÜRSTE und ein nasses BUCH in der Hand.

SANDRINE Sie haben, als sie gestern nach Hause kamen, wieder vergessen ihn (hält das nasse BUCH hoch) vom Spülkasten zu nehmen. Jetzt ist mir der „Schwarm“ in ihr Edelklo gefallen. Das Lesezeichen ist ganz weg. Wo haben sie aufgehört zu lesen?

CARL Mit diesem Buch habe ich gerade ganz aufgehört.

SANDRINE Geben sie zu, dass es ihnen gefällt.

CARL So? Haben sie mittlerweile herausgefunden, ob Frank Schätzing schon mal geschieden war? Was einmal ging, geht vielleicht nochmal.

CARL Ich arbeite als Galerist. Frank Schätzing ist nur ein Kunde. Außerdem hat der mit seiner Lederjacke und sich selbst genug zu tun. Und nun zu außerdem Nummer 2: Der ist gerade auf Tour. Da hat er keine Zeit für falsche Französinnen.

SANDRINE Ich bin frankophon.

CARL Vielleicht hat Frank Schätzing ja eine Schwäche für Frankophones. Dann ist der Weg ja nicht mehr so weit. Ich war übrigens gestern in Lehnen. Deshalb konnte ich kein Buch mehr richtig herum halten. Vom richtigen Archivieren gar nicht zu sprechen. Außerdem sind wir nicht in Köln.

SANDRINE Bei ihrer Mutter? Was ist mit mon amie?

Ach ich finde die alte Dame so reizend.

CARL Sie kennen meine Mutter nicht.

SANDRINE Doch ich habe gestern erst mit ihr telefoniert. (ONKEL guckt überrascht, aber nicht besonders interessiert) Wo waren sie da eigentlich? Dachte sie waren nicht bei die Arbeit.

CARL (korrigiert sie) Bei der Arbeit. Oder eben am Arbeiten.

Sie haben nicht lange genug im Rheinland gewohnt. Wenigstens erkennt sie sie noch.

SANDRINE Sie stehen im Weg. ONKEL wirft die Zeitung FRAU in die Arme und verlässt die Wohnung.

END OF ACT ONE

ACT TWO INT. RONALDS WG - MITTAG CARL bei seinem BRUDER RONALD (51) in AACHEN. Sie sitzen am Küchentisch der WG. Ein MITBEWOHNER kommt dazu.

CARL Ach, Lanzelot hat auch ausgeschlafen.

Schön. (zum MITBEWOHNER) Neue Frisur?

RONALD Das ist wirklich toll, dass du vorbeikommst. Da kannst du gleich hier den Brief aufmachen. (holt einen BRIEF aus der Jackeninnentasche; eine WARNWESTE) Das ist eine Rechnung für die Taschentuchbox, die ich dir über’s Prisma bestellt habe.

CARL (holt Luft) Ich… RONALD Das sind Deluxe Dosen aus der Preußen Edition. Ich habe da auch eine.

CARL Was kostet denn so ein Weltkulturerbe?

RONALD Das geht dich gar nichts an, wie ich mein Geld ausgebe, Brüderchen. (zum MITBEWOHNER) Holst du mir auch einen Kaffee? Ich habe heute übrigens deine Nasendusche benutzt.

CARL (fragend) Wo bleibt eigentlich deine Betreuung?

RONALD Ach das ist doch egal. Wir können doch auch zusammen zu meiner Entspannungsgruppe gehen.

CARL

Wieso hast du eigentlich heute Nacht wieder Remmi Demmi gemacht? Was war schon wieder los?

RONALD Och das war ja nicht so schlimm. Das hat Kuddel alles im Griff. Meine PseudoBetreuung war auch schon da. Den Diplomanden hab’ ich auch unverrichteter Dinge nach Hause geschickt.

CARL Kuddel?

RONALD Das hat doch Opa Holm immer zu mir gesagt. (Pause. Stille. MITBEWOHNER bringt KAFFEE) Das dauert bestimmt noch ein zwei Jahre bis ich wieder anders drauf bin. Wie geht’s Muddi?

CARL War gestern da. Und gestern Nacht noch mal.

INT. UNIVERSITÄTSVERWALTUNG BONN - MITTAG LIU ist an seiner UNI um sein ABSCHLUSSZEUGNIS abzuholen.

Er verlässt gerade den Raum der Dekans-Sekretärin FRAU RUTER. FRAU RUTER (sehr schnell sprechend) Ich wünsche ihnen alles Gute. Übrigens ein wirklich gutes Zeugnis. Das hat Professor Ruter auch gesagt. Der lässt sie grüßen. Kann leider nicht selbst da sein. Sie wissen ja. Forschungssemester.

Da nimmt er sich den Montag und Dienstag immer zur Recherche frei. Ich habe eben erst mit seiner Ex-Frau telefoniert. Die hat ihn auf den Golfplatz geschickt.

LIU Danke Frau Ruter. Sie haben mir vor ein paar Wochen echt geholfen. Ich konnte damals nicht schneller als die KVB. Danke noch mal. Und ihnen auch alles Gute.

FRAU RUTER Was machen sie den jetzt mit einem EinsNeuner-Zeugnis?

LIU Ehrlich gesagt, weiß ich das noch nicht so genau. Sie haben ja sicher auch die neuesten Zahlen gelesen? Wird sich aber schon ’was ergeben?

FRAU RUTER Aber mit so einem Diplom müssten ihnen doch die Wirtschaftsbürotüren offen stehen?

LIU Im Winter lässt keiner gerne die Tür auf. Auch kein Calli mit extra Wärmeisolierung. Außerdem will ich gar nicht…

FRAU RUTER (unterbricht ihn) Ich habe es doch auch geschafft. Schauen sie. Hätte ich nicht den Professor geheiratet… Ich wäre immer noch bei Mengen, Broiker und Partner am Empfang.

LIU Was ist denn hier anders? (kurze Pause beider) Ich muss dann jetzt auch los.

FRAU RUTER Sicher, sicher. Sie kommen aber noch mal reinschauen, oder?

LIU steht vor dem UNIGEBÄUDE und guckt wehmütig über den CAMPUS. STUDENTEN laufen über den PLATZ. LIU dreht sich um und geht langsam los. Sein TELEFON klingelt und Die FRAU der ALU ist dran.

FRAU (am Telefon) Ihr Onkel ist nicht wie verabredet bei Doktor Brinkmann erschienen. Er hatte es mir doch versprochen. Der fährt jetzt wohl nach Lehnen zu seiner Mutter. Das hat mir Ulf aus der WG gesagt.

LIU

Gut, danke. Sie haben auch Franz Josef Jung seine Afghanistan-Versprechen abgenommen, oder?

LIU legt auf und geht weiter.

INT./EXT. CARLS AUTO IN LEHNEN – NACHMITTAG CARL fährt mit seinem AUTO durch die Straßen seines Geburtsortes LEHNEN zur OMA. Er telefoniert mit einem GESCHÄFTSPARTNER RICK (ENRICCO, 34) und es läuft MUSIK. CARL Hallo Rick, was gibt’s?

RICK (am Telefon) Alles tutti. Habe gerade mit dem Japaner telefoniert. Wusstest du, dass da schon der 23te ist?

CARL Zeitumstellung Rick.

RICK Der schräge Japaner hat gesagt, er habe jetzt seine Haare neongrün gefärbt.

CARL Ah… RICK Der hat doch tatsächlich dieses ekelhafte Bild mit dem apokalyptischen Reiter und dem dreibeinigen Pferd gekauft.

CARL Das ist von Giorno Giletti.

RICK …aber doch wohl komplett ekelhaft.

CARL Ekelhaft und dein Monatsscheck.

RICK Verstehe… er hat’s also gekauft. Der hat sich komplett gefreut. Ich habe gesagt, wir hätten noch andere Interessenten.

Unfassbar die Japaner. Aber die mögen ja auch Tokio Hotel.

CARL Wir hatten noch andere Interessenten… (stockt) CARL schaut sich beim Fahren in den Straßen um, während RICK weiter erzählt. Er sieht eine hübsche dunkelhaarige FRAU (MADITA, MITTE 30), die er erkennt aber nicht wiedererkennt.

RICK Was’n?

CARL Nichts mit dir… Ich dachte nur…

RICK Wo bist du eigentlich? Der Empfang ist wie zu Steven Kings Ferienhaus.

CARL Ich bin in Lehnen. Geschäftlich. Melde mich dann morgen. (zu sich selbst) Hmm..?

RICK (beim Auflegen) Das waren doch Pferdehufen im Hintergrund…

END OF ACT TWO

ACT THREE INT. STRAßENBAHN VON BONN NACH KÖLN – NACHMITTAG LIU fährt von der UNI nach HAUSE in KÖLN. Er trifft in der STRAßENBAHN seinen KUMPEL NEVIN. NEVIN Tach. Na, ausgeschlafen?

LIU Ja sicher. Ich ha’ gerade mein Zeugnis geholt.

NEVIN Bei der irren Ruter? Die werde ich vermissen. Mist, ich wollte der eigentlich noch ’nen Topf Pudding vorbeibringen. Die hatte mir doch bei den Fußnoten geholfen.

LIU Die hat auch unserem Prof bei den Fußnoten geholfen. (beide lachen) NEVIN Wieso bist du alleine in der Bahn?

LIU Weißt du, die Partridge Family ist schon mit dem Bus vorgefahren. Wir treffen uns später am Hafen. Da nehmen wir dann das Schiff nach New York. Außerdem habe ich mich mit dem Mann mit der Augenklappe da hinten verabredet. Der liest gerade den Schwarm für mich.

NEVIN Man muss mitreden können. Tolles Buch.

LIU Hmm. NEVIN Ich hab’ erst gestern beim Vorstellungsgespräch gemerkt, wie wichtig ein umfangreiches Allgemeinwissen ist. Oh Mann. Was der gefragt hat. Wusstest du, dass in Afrika eine AU gegründet wurde. So wie die EU.

Nur eben AU. Das A steht dabei für Afrika. Der Armani-Mann gestern fand das wohl toll.

LIU Wo warst du denn beim Gespräch?

NEVIN In Jena bei so ’nem Optikunternehmen. Da kann ich nebenbei auch den Master in Optischer Glasverarbeitung machen. Ist nur für die Visitenkarte, aber…

LIU Ich muss jetzt mal gucken. Habe ein paar Bewerbungen laufen, aber das ist irgendwie nicht so einfach. Eigentlich will ich nicht weiter Kosten-NutzenKurven zeichnen.

NEVIN Verstehe. (überlegt kurz) Kann man denn noch anderswomit gutes Geld verdienen?

Ich kaufe mir in Jena erst mal ein Auto. ’nen Lada oder so was…

LIU (steht auf) Ich muss hier raus.

NEVIN Ja sicher. Wir telefonieren.

LIU Bis dann. Rupert M. EXT. OMA LAMBERTAS WOHNUNG IN LEHNEN – FRÜHER ABEND CARL fährt mit dem AUTO in die EINFAHRT von OMA LAMBERTAS (MITTE 70) HAUS. Er steigt langsam aus und geht zur HAUSTÜR. Er klingelt.

CARL (nach mehreren Sekunden) Hallo…

Die TÜR öffnet sich einen Spalt.

LAMBERTA Ja bitte.

CARL. Ich bin’s LAMBERTA Ah. Unser Little Joe… Komm rein. Ich bin gerade beim Batiken.

INT. OMA LAMBERTAS WOHNUNG IN LEHNEN – FRÜHER ABEND CARL betritt die kleine und etwas schmutzige WOHNUNG. Es riecht nach Katzenfutter. CARLs Bruder RONALD und eine FRAU (WERHAHN) mit DOGGE sitzen auf dem SOFA. LAMBERTA Guckt mal. Meine zwei Burschen. Beide zu Besuch. Die sind ja sonst nie da. Das ist Frau… (stockt) Wie heißt ihr Hund noch mal.

RONALD Das ist doch die Frau WERHAHN, Muddi.

LAMBERTA Richtig. Die Frau Wehrhund. (zu CARL) setz dich.

CARL Ist schon okay. Ich bleib erst mal ’was stehen. Bin die ganze Zeit mit dem Auto gefahren.

RONALD Wo kommst du her?

CARL Ich war bei ’nem Kunden.

RONALD Ja, ja. Die Bilder. Was macht die Kunst? (lacht) CARL Läuft. Hab’ erst kürzlich mein Guernica gefunden.

LAMBERTA Ja. Ich mach doch schon einen Kaffee.

RONALD

Wir wollen keinen Kaffee. Ich trink’ lieber noch einen Met. WERHAHN Da nehm’ ich aber auch noch einen.

LAMBERTA Der ist so süß, der Kleine. Wir hatten ja auch mal einen Hund. Der Hand die Brenner-Zwillinge immer bis zur Kapelle gejagt. Die beiden Proleten. Was aus denen wohl geworden ist?

RONALD Der eine ist schwul. Der ist jetzt Frisör in Berlin. Der andere hat doch dieses Tattoo-Studio aufgemacht. Da habe ich mir gestern eine Sonnenbrille gekauft. (hält die SONNENBRILLE hoch) WERHAHN Ausgesprochen schön. Ich muss aber jetzt los. Kann ich das Glas mitnehmen.

LAMBERTA Ja, was glauben sie denn. Dann kommen sie morgen wieder.

RONALD (zu CARL) Du bist ja auch ziemlich oft hier in letzter Zeit. Warum das?

CARL Das muss manchmal eben sein.

RONALD Jetzt fang’ nicht schon wieder damit an.

So schlimm ist das hier aber auch nicht!?

CARL (noch ruhig) Könnte aber besser sein.

RONALD Das bisschen Hundefutter im Teppich kann man doch rausbürsten.

CARL Riechst du das nicht?

RONALD Och. Ich bin dein älterer Bruder.

Vergiss das nicht.

LAMBERTA (zu beiden) Ihr müsst mir noch die Hand geben.

CARL (verwundert) Ich habe dir doch beim Reinkommen…

LAMBERTA (unterbricht CARL) Für meine Galerie. Ich habe doch hier alle eure Handabdrücke auf dem Tisch stehen. Nur keine Neuen mehr. Mir fehlt noch eine rote Hand von dir, Carl.

CARL Rot? Also die linke Hand?

LAMBERTA Ich mag links nicht.

RONALD Aber so ein bisschen links wählen ist doch nicht schlecht.

LAMBERTA Ich bin 65 Jahre alt, Carl. Da sagt mir keiner was ich wählen soll. Wenn ihr wüsstet, wen ich schon alles gewählt hab’. Da wäre die Welt und Lehnen (stockt) wir sind doch hier in Lehnen? um einiges runder…

CARL (pseudobejahend) Hmm… (überlegt) Du warst 65 als Pabba starb.

LAMBERTA (überlegt) Dann bin ich jetzt eben 66 Jahre alt.

RONALD Muddi, das ist über sechs Jahre her.

LAMBERTA

(traurig) Aber es hat sich nichts geändert. Das ist wie gestern für mich…

STILLE im RAUM. CARL So, lass' uns jetzt mal über morgen sprechen.

LAMBERTA (wütend) Was ist morgen?

RONALD Dienstag, Muddi.

CARL Morgen ist in Lehnen „Der Tag der NichtVergessenen Ereignisse“.

LAMBERTA Seid ihr deshalb beide da?

CARLs TELEFON klingelt (Klingelton ist immer noch ein HUSTEN). Er geht dran.

CARL Ja. (pause) Das geht klar. Ich kann aber morgen wahrscheinlich erst später.

LAMBERTA (aus dem OFF) Der Little Joe. Immer erreichbar. Wie bei Derrick. Immer auf Abruf.

CARL Ich melde mich später, ob die Kisten angekommen sind. Wenn da was an der Ware ist. Ich sag dir, ich fahre persönlich zu der ollen Schürze, die da Post spielt. Die verkaufen sonst Mettwurst und verschicken nebenbei Bilder für tausend Euro.

LAMBERTA (aus dem OFF) Tausend Euro. Wo hast du die her? Pack die nur gut weg. Nicht, dass dir die einer aus der Tasche zaubert. Wir haben

auch hier in Lehnen Klaukids. Vergiss das nicht.

RONALD Früher gab es so was hier nicht. Da hab ich meine Simson einfach so auf der Straße stehen gelassen. Dann bin ich in die Spielhalle und als ich mittags zurückkam stand das Ding immer noch da.

- Leider. Wollte keiner klauen das Ding.

Die Diebstahlversicherung hatte ich extra hoch abgeschlossen. Keiner klaute das Ding. Aber dir ist das ja egal. (zu CARL) Wir gehen dir ja auch alle am Hintern vorbei seit du in Berlin bist.

Ich kann nicht immer zu Muddi. Ich muss in meiner WG erreichbar sein.

Essenspläne, Kostenkalkulation. Bin der einzige, der von uns studiert hat. (überlegt) Bis auf Ulf, der war an der VHS. LAMBERTA (unterbricht RONALD) Ich möchte auch wieder arbeiten gehen.

Oder studieren. Kannst du mir da was besorgen, Carl?

END OF ACT THREE

ACT FOUR INT. KÖLNER KNEIPE – ABEND LIU sitzt mit seinen KUMPELS (NEVIN & FREUND #2) in einer Nische in ihrer Kneipe. Sie trinken BIER und sind ausgelassener Stimmung.

NEVIN (flüsternd) Hast du die Bedienung gesehen? Die hat mir drei- bis fünfmal zugezwinkert.

LIU Die hat ein Gerstenkorn. Das ist so groß, wie Peter Maffays Backenwarze.

NEVIN Nein, nein. Ich sag’s dir. Die steht voll auf mich.

FREUND #2 Ich habe die gestern an Ivans Unikiosk gesehen. Da hat die mit dem aus dem Geschichtsseminar rumgeknutscht.

NEVIN Ich dachte, der lebt im Zölibat.

LIU Nein, ich habe dir doch erzählt, der lebt mit Zoel Ibat, der Perserin.

NEVIN Ah. Mal ’was anderes. Noch ’was anderes.

Hat Ivan endlich am Dachbanner seiner Stinkbude diesen falschen Apostroph weggemacht? Ich kann das nicht mehr sehen. Jedes Mal, wenn ich auf’m Campus bin muss ich das lesen. Das genauso, wie wenn ich zu meiner Schwester fahre. Da kann ich vorher unter Garantie sagen, dass mein Blick bei der Ortseinfahrt immer auf dieses alte Schild vom Möbelzentrum abschweift. Da sind so viele Bremsspuren im Asphalt. Das passiert allen. Kein Ort hat so viele von der Straße abgekommene Autos, wie Neunkirchen Seelscheidt. Und trotzdem fährt keiner in diese Möbelbruchbude.

Die sind bald pleite, wenn da nicht mal ein Investmentrusse von der Straße fällt.

FREUND #2 Ich habe Ivan letztens gesagt, dass es IVANS SCHLECKECKE und nicht IVAN’S SCHLECKECKE heißen muss. Der versteht das nicht. Der versteht nicht mal mich.

LIU Hat er wieder gefragt, ob du eine Nussecke kaufen willst?

FREUND #2 Exakt.

NEVIN Da, sie zwinkert wieder. Süß, die Maus.

LIU Du sollst deine Rechnung zahlen.

Die BEDIENUNG kommt.

NEVIN Hallo. Kennst du Ivan?

BEDIENUNG Natürlich.

NEVIN Ich habe dem letztens sein Schild an der Schleckecke korrigiert…

Die BEDIENUNG guckt LIU und NEVIN fragend an?

BEDIENUNG Alles zusammen?

FREUND #2 Muss wohl. Bayern hat verloren.

BEDIENUNG Du bist Bayern-Fan. FREUND #2 Ja. BEDIENUNG Ruf mich mal an.

FREUND #2 Cool.

Die BEDIENUNG schreibt FREUND #2 ihre Nummer auf den Arm und geht zurück zur BAR. FREUND #2 Wow. Mit Edding. Das hält ’ne Woche.

NEVIN (ein bisschen wütend) Du alte Latzhose…

LIU Übrigens. Ich habe heute meinen Artikel über das c/o Festival an die „Intro“ geschickt.

FREUND #2 Die machen doch auch „11 Freunde“, oder?

LIU Ich hoffe, da kommt was zurück. Ich will nicht ab dem nächsten Ersten in der Waldos Waschanlage Jaguars polieren.

NEVIN Ruf’ deinen Onkel an.

LIU Nein. Geht nicht. Immer noch nicht. Den einen zumindest nicht. Der andere ruft von selbst andauernd an. Du kriegst übrigens morgen deine Bayern-Untertasse.

Die Rechnung schickt er mit.

END OF ACT FOUR

TAG INT. ZWEIZIMMERWOHNUNG LAMBERTA – ABEND CARL mit seiner MUTTER LAMBERTA in ihrem HAUS. Beide sitzen auf dem SOFA, trinken MALZBIER. LAMBERTA Wo ist Ronald?

CARL Der ist doch schon seit dem letzten Gezeitenwechsel zurück nach Aachen.

LAMBERTA Ich bin froh, dass der jetzt mal zurück fährt. Der kann ja nicht immer auf seinen jüngeren Bruder aufpassen. Der muss ja auch mal nach sich selbst gucken. Bin froh, dass es dem momentan so gut geht…

CARL schweigt, obwohl er es besser weiß.

LAMBERTA Musst du nicht langsam mal los? Du hast doch dein eigenes Leben? Wo geht’s noch mal hin?

CARL Ach, du weißt doch. Ich muss noch nach Frankfurt. Immer noch.

LAMBERTA Main, oder?

CARL Ja. (schnell) Und du kannst ja jetzt schon mal in die Pofe gehen.

LAMBERTA guckt verständnislos.

CARL Ich komme morgen dann vorbei. Wir trinken noch einen Gute-Laune-Tee und ich fahre danach mal nach Frankfurt, um alles zu klären.

LAMBERTA Zu deinem Schatz?

CARL Nein. (müde zu sich selbst) Es gibt keinen Schatz im Silbersee. (zu LAMBERTA) Wir sehen uns dann bald wieder…

LAMBERTA (hört irgendetwas) Wieso? Du erzählst doch nie etwas von deinem Neffen… Du hast doch einen?

CARL (überrascht und kalt erwischt) Ja sicher habe ich einen. Du weißt, dass er Liu heißt?

LAMBERTA (ein bisschen gleichgültig) Du erzählst nie etwas von dem. Wie es dem so geht, oder so. Oder habt ihr kein gutes Verhältnis..?

CARL (GROßAUFNAHME SEINES GESICHTS) sitzt etwas traurig und ertappt auf dem Sofa. Beide sagen nichts mehr.

LAMBERTA guckt durch den Raum und denkt offensichtlich wieder an etwas Anderes.

FADE TO BLACK

END OF TAG/EPISODE