common ground - Ein Zwischenraum in Dagfing

COMMON

HETEROTOPIE ZWISCHENRAUM UTOPIE ANARCHIE GEGENORT COMMONS DEGROWTH EIGENTUM SYNDIKALISMUS

MASTERTHESIS ARCHITEKTUR ELISABETH STÖLZL

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MASTERTHESIS ARCHITEKTUR TECHNISCHE UNIVERSITÄT MÜNCHEN OKTOBER 2021 Professor*innen Reem Almannai Florian Fischer

„Mich interessieren diejenigen Platzierungen, die die sonderbare Eigenschaft haben, sich auf alle anderen Platzierungen zu beziehen, aber so, dass sie die von diesen [...] reflektierten Machtverhältnissen suspendieren, neutralisieren oder umkehren.“ [...] „Diese Räume, die mit allen anderen in Verbindung stehen und dennoch allen anderen Platzierungen widersprechen, gehören zwei großen Typen an.

Es gibt zum einen die Utopien. Utopien sind auch solche Orte, die andere Orte in Frage stellen, aber die gibt es nicht wirklich, denn Utopien sind Platzierungen ohne wirklichen Ort. Es gibt aber auch wirkliche Orte, die in die Einrichtung der Gesellschaft reingezeichnet sind, sozusagen Gegenplatzierungen oder Widerlager.

Ich nenne sie im Gegensatz zu den Utopien, die Heterotopien.“

Michel Foucault, 1967 1

Abb. 1 Peter Fischli / David Weiss - Die Gesetzlosen, 1984, 45x30cm

PROLOG Status Quo

11

Hypothese

15

Arbeitsweise

17

ANALYSE

25

Kritik am Eigentum

27

Commons als Gesellschaftsentwurf

36

Anarchie und Syndikalismus

62

Degrowth / und seine Probleme

78

FALLBEISPIELE Fragebogen

Mietshäusersyndikat

30

Interview mit Peter Pietzler

44

Biomeiler Kartoffelkombinat Heimatwerker

19

Interview mit Rajka Sickinger-Nagorni

46

54

Interview mit Tim Rieniets

Kommune Niederkaufungen

Interview mit Raymond Deuchert

ENTWURF

72

21

Phasenplan

22

Vision I Nutzungscharta

38

Pläne

66

Modellfotos

68

Organigramm

EPILOG

108

FAQ

126

Quellenverzeichnis

128

Abbildungsverzeichnis

129

STA TUS

Das Scheitern der bisherigen Klimaschutzbemühungen darf nicht länger ignoriert werden.

Politiker*innen versuchen die Entscheidungen für Klimaschutz und des sozialen Miteinanders auf die Konsument*innen abzuwälzen, um nicht selber aktiv werden zu müssen. Man reduziert alle Klimaschutzbemühungen auf die individuelle Kaufentscheidung und das Nutzerverhalten der Bürger*innen. Es wird ein ausgeprägtes Wissen und die Auseinandersetzung mit Themen wie ökologischer Landwirtschaft, Ressourcennutzung, Nachhaltigkeit, Mobilität, Städtebau und Thermodynamik vorausgesetzt.

Gleichzeitig sind tatsächliche Energieverbräuche auch vom Nutzerverhalten abhängig. So kann etwa ein verringerter Energieverbrauch durch eine verdoppelte Wohnfläche zunichte gemacht werden oder eingesparte Kosten einen gesteigerten Konsum finanzieren.

Durch grünes Wachstum scheinen sich diese Probleme legitimieren zu lassen. Die uferlose Warenproduktion ist jedoch nicht mehr auf die Bedürfnisse der Menschen zugeschnitten.

Natürliche Ressourcen werden zunehmend vernutzt und sind darüber hinaus weltweit sehr ungleich verteilt.

Leider ist aber auch eine Welt ohne Wachstum unter heutigen Kategorien derzeit nicht möglich, da wird sonst konstatieren müssten, dass 25% der Weltbevölkerung in absoluter und extremer Armut leben müssten bzw. der reiche Westen bis zu 85% seines Vermögens abgeben müsste.2 Es zeigt sich somit, dass es ganz neue strukturelle Kategorien braucht, eine neue Organisationsform, welche sich an den wirklichen Bedürfnissen der Menschen orientiert, dezentral auf unterschiedliche Situation reagieren kann und Produktionsmittel vergesellschaftet, um alle am Erfolg gleichermaßen teilhaben zu lassen.

Man kann eine andere Gesellschaft nicht am Reisbrett entwerfen, dennoch wäre es wünschenswert zumindest über mögliche Alternativen zu diskutieren, sich neue Fragen zu stellen, um mit Freude in die Zukunft zu blicken.

11

WOHNEN ALS Das heutige Wohnen hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Der Immobilienmarkt gibt vor, wer wo und wie wohnt. Sichtbar zieht sich die Gentrifizierung nach und nach durch die Städte. Eine Immobilie gilt als sichere Geldanlage, weshalb in Krisenzeiten verlässliche Renditen erwirtschaftet werden können. Globale Konzerne und internationale Aktiengesellschaften investieren in den deutschen Wohnungsmarkt und privatisieren das begrenzte Gut, den Boden.

Wer besitzt den Boden? Die meisten Deutschen haben kein Eigentum, sondern leben zur Miete. Das macht den deutschen Immobilienmarkt zu etwas Besonderen.

Wohnen ist zu einem Geschäftsmodell und einer Ware geworden, dem sich der Staat entzogen hat. Menschen werden aus der Stadt gezwungen, weil sie es sich nicht mehr leisten können dort zu wohnen. Alle zwölf Minuten geht in Deutschland eine Sozialwohnung verloren.3 Die Verdrängung aus der Wohnung bedeutet die Verdrängung aus der eigenen Lebenswirklichkeit. Es gibt kaum Möglichkeiten sich eine günstigere Wohnung in der Nähe zu suchen.

Der prozentuale Anteil, der für die Wohnkosten aufgewendet werden muss steigt.

Darunter leiden muss das soziokulturelle Leben in der Stadt.

Wünschenswert wäre ein Paradigmenwechsel in der Wohnungspolitik, wodurch Wohnen nicht mehr als Konsumgut gehandelt werden darf. Wohnen ist keine Ware, sondern ein unumgängliches Grundbedürfnis.

WOHNEN ALS Das Herzstück des europäischen Städtebaus, der öffentliche Platz, wird mehr und mehr zurückgedrängt und durch kommerzielle Alternativen ersetzt. Orte des informellen Austauschs sind so immer schwieriger zu finden. Wohngebäude werden aus dem Stadtzentrum verdrängt und lassen Innenstädte veröden. Pandemische Krisen beschleunigen diesen Effekt.

Die kleinfamiläre Privatheit ist wie ihre Wohnform ein Minderheitsprogramm. Das Verhältnis, das diese Wohnform zur Stadt eingeht ist ein Verhältnis das auf Abgrenzung beruht. Sie spiegelt die Gesellschaft heute kaum mehr wieder, gleichzeitig definiert sie den Immobilienmarkt. Für die Rückwärtsorientierung gibt es einen simplen Grund: Das Gewohnte wird zur Gewohnheit, weil wir nichts anderes kennen. Andere Wohnformen sind so nur schwer vorstellbar. 4

12

Die von der Moderne propagierte Funktionstrennung entfremdet uns im Alltag von unserer Lebensrealität. Das Pendeln zwischen Arbeits- und Wohnort verursacht Stress und kostet wertvolle Zeit. Gleichzeitig sind die Wohnungen in ihrer funkionalen Zuschreibung so unflexibel, dass auch die Alternative zum Pendeln, in Form von Home-Office, meist wenig attraktiv erscheint.

Durch die strikte Trennung von Wohn- und Stadtraum vereinsamen außerdem ganze Bevölkerungsschichten, während neu Zugezogene nur schwer Anschluss finden. Eigentumserwerb mit fester Bindung an einen Wohnort erscheint dabei zunehmend unattraktiv und ist außerdem kaum mehr leistbar.

WOHNEN ALS Nachhaltigkeit auf dem deutschen Wohnungsmarkt wird von mehreren Faktoren beeinflusst. Zum einen räumliche Nachhaltigkeit bezogen auf die Qualität im Grundriss, welche nicht im Renditeinteresse der Investoren steht, sondern eine zeitliche Resilienz ausbildet. Zum anderen ökologische Nachhaltigkeitsdebatten, welche im Bauwesen den wirtschaftlichen Regeln untergeordnet sind. Folglich gilt heute fast immer: Neubau ist günstiger als Bestandssanierung.

Der ökologische Fußabdruck in der Bauwirtschaft ist enorm. Etwa 40 Prozent der globalen Ressourcen werden im Gebäudesektor vernutzt.5 Anstatt immer mehr Material in den Kreislauf zu bringen und knappe Ressourcen zu verschleudern sollten wir mit dem Vorhandenen behutsamer umgehen. Potenzielle Einsparungen durch Innovationen oder effizienteres Wirschaften werden durch den Rebound-Effekt, also durch einen erhöhten Verbrauch, wieder zunichte gemacht.

Der Suffizienzgedanke wird nicht berücksichtigt. Das würde bedeuten, dass durch eine Veränderung des menschlichen Lebensstils Ressourcen eingespart werden.6

13

14

HYPO

Alternative Arten des Zusammenlebens sind wünschenswert, aber nur schwer vorstellbar. Es fehlt an positiven Impulsen anders zu denken und auch an einem Aufschrei aus der Bevölkerung, um diesen Diskurs anzuregen.

Statt auf politische Veränderung zu hoffen und Entscheidungen durchzusetzen, wird versucht durch politische Disruption, also Störungen im bestehenden System, Veränderung zu erwirken.

Die postmoderne Welt ist zu komplex und kurzlebig, um mit den langsamen Mühlen der parlamentarischen Demokratie auszukommen. Dennoch sind die Errungenschaften der westlichen Werte unbedingt zu erhalten, müssen daher lediglich ergänzt werden.

Wenn disruptive Systeme angenommen werden, besteht die Möglichkeit, dass sie sich wie ein Lauffeuer auf andere Projekte übertragen. Falls dies nicht stattfindet, verschwinden Sie wieder ...

Die Arbeit kombiniert unterschiedliche bestehende disruptive Systeme und versucht Synergien herzustellen, welche einen ernsthaften Versuch darstellen könnten, den Kapitalismus teilweise aufzuheben.

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Abb. 2 Artenübergreifende Fadenspiele. Zeichnung von Nasser Mufti, 2011.

ARBEITSWEISE

SF verweist auf Science-Fiction, spekulativen Feminismus, Science Fantasy, wissenschaftliche Fakten (science fact), aber auch auf die Spiele mit Fadenfiguren (string figures).

Im Spiel mit Fäden geht es um das Weitergeben und In-Empfang-Nehmen von Mustern, um das Fallenlassen von Fäden und um das Scheitern, aber manchmal auch darum, etwas zu finden, das funktioniert, etwas Konsequentes und vielleicht sogar Schönes; etwas, das noch nicht da war, ein Weitergeben von Verbindungen die zählen; ein Geschichtenerzählen, das von Hand zu Hand geht, von Finger zu Finger, von Anschlussstelle zu Anschlussstelle - um Bedingungen zu schaffen, die auf der Erde, auf Terra, ein endliches Gedeihen ermöglichen. Fadenspiele erfordern, dass man stillhält, um zu empfangen und weiterzugeben.

Fadenspiele können von vielen gespielt werden, mit allen möglichen Arten von Gliedmassen, solange der Rhythmus von Geben und Nehmen aufrechterhalten wird. Wissenschaft und Politik funktionieren genauso. Sie prozessieren in Verwindungen und Strängen, die Hingabe und Aktion verlangen, Reglosigkeit und Bewegung, Ankerwerfen und Hinausfahren.7 > aus Donna Haraways „Fadenspiele“ Unruhig bleiben, 2018, Campus Verlag GmbH, Frankfurt

17

Was hat dich bewegt, nach einer alternativen Lebensform zu suchen?

„verschiedene Fähigkeiten und Kompetenzen kennenlernen „wenn es in der Gemeinschaft klemmt, und teilen “ klemmt es kürzer oder weniger“ „Gegenseitige Unterstützung“

„Austausch“

„soziale Verantwortung füreinander“

„gegenseitige Hilfestellung“ „Leben ist nur möglich, wenn es auch der Natur gut geht“

FR

„Ansporn“

„Effizienz“

„friedliche Auseinandersetzung“

Kannst du dir vorstellen, deine herkömmliche Arbeitszeit zu reduzieren und das Geld mit Eigenproduktionen, Reparationen oder unentgeltlichen Arbeiten innerhalb deiner Gemeinschaft zu kompensieren? „Ich arbeite Teilzeit, zum einen weil ich nicht sehr viel Geld zum Leben brauche, zum Anderen weil ich in unserem Wohnprojekt durch die vielen Werkstätten die Möglichkeit habe eigene Projekte umzusetzen“ ...“z.B. kann ich meinen LKW restaurieren oder zur Zeit bauen wir eine Wechselbrücke zum Wohnen aus, Fahrräder zusammenschrauben, schweißen und bauen...“

Inwieweit spielt Konsumkritik für dich eine Rolle? „Es spielt insofern eine Rolle, da ich in einer Großtadt lebe und ich das überkrasse Konsumieren an jeder Ecke als ein gesellschaftliches Problem ansehe.

Ich habe mir ausgesucht Ressourcen so gut und so viel es geht zu nutzen - meistens habe ich auch noch Spaß dabei.“

„Für ein neues Projek die Idee dafür müsste

„...das finde ich

RAGEBOGEN *Der Fragebogen wurde zu Beginn der Thesis an unterschiedliche alternative Wohnprojekte deutschlandweit verschickt.

Welche individuellen Vorteile entstehen durch die Gemeinschaft für dich? „Ich habe ständigen Austausch mit vielen verschiedenen Menschen.

Das bedeutet auch, ich reflektiere mich häufiger selbst.“ „Ständige Veränderung miterleben und verschiedene Gruppendynamiken kennen lernen.“

„Ich lerne (täglich) sehr viel von anderen, ob sozialer Umgang oder handwerkliche Fertigkeiten.“

„preiswerter“

„Das Gras ist immer grüner auf der anderen Seite“

„Ich brauche privat nicht viele Dinge, da vieles gemeinschaftlich genutzt wird.“

„Ich kann mit Kindern zusammen leben ohne eigene Kinder bekommen zu müssen.“

„Vorbeugen der Vereinsamung im Alter“

Könntest du dir vorstellen, deine Idee mit der planerischen Unterstützung von Architekt*innen zu realisieren und was würde sich dann verändern?

kt fände ich das super, e sich aber erst entwickeln“

h sehr interessant...“

„Ja, speziell für konstruktive und energieplanerische Fragen wäre das sinnvoll!“

„...Impulse für die Raumaufteilung und eine sinnvollere Gestaltung...“

19

Abb. 3 Cybernetic diagram of the Fun Palace program by Gordon Pask.

Cedric Price Archives, Canadian Centre for Architecture, Montreal

Entwurf

Der Entwurf behandelt ein fiktives Projekt in München-Daglfing. Der Entwurfsansatz kombiniert unterschiedliche bereits etablierte Ideen und Projekte, um dadurch neue Synergien herzustellen.

Ein Antrag der Fraktion DIE LINKE / DIE PARTEI im Münchner Stadtrat8 mit dem Vorschlag auf dem öffentlichen, leerstehenden Grundstück ein selbstverwaltetes Wohnprojekt zu etablieren überschneidet sich mit dem Anliegen.

Der Entwurf versteht Architektur als eine politische Profession, entfernt sich daher von den Kernthemen der Architektur, greift neue Themen auf und vereint diese schließlich in einem architektonischen Vorschlag für das Grundstück.

Ziel des Entwurfs ist dabei kein fertiger Zustand in Form eines etablierten Wohnprojekts, sondern der Versuch ein prozesshaftes Geschehen architektonisch zu moderieren. Es wird ein robustes Korsett aufgespannt, das genug Platz für Freiräume und unterschiedliche Entwicklungen zulässt.

Möglicherweise würden sich viele gezeigte Entwicklungen durch eine reale Gruppe ganz anders ausprägen. Der Entwurf versucht deshalb eine mögliche Variante aufzuzeigen, welche Lust machen soll sich mit dem Grundstück zu beschäftigen, jedoch keinerlei Anspruch auf eine absolute Wahrheit erhebt.

Grundstückserwerb Die Stadt verpachtet das Grundstück für 80 Jahre an das Mietshäusersyndikat. Gleichzeitig Bestandszustand verpflichtet sich der autonome Hausvereins des Syndikats innerhalb von zehn Jahren Wohnraum für 100 Menschen zu schaffen.

Grundstückserwerb Stadt verpachtet das Grundstück für 80 Jahre an das Mietshäusersyndikat.

Gleichzeitig verpflichtet sich das Syndikat des Hausvereins innerhalb von 10 Jahren Wohnraum für 100 Leute zu schaffen.

Bestand

00

23

Privatvermögen weltweit

90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0 Ärmstes Zehntel

0,1

0,2

0,3

0,5

0,8

1,4

Fünft ärmstes Zehntel

Abb. 4 Personal Wealth from a global perspective, Oxford Press University, 2009 (S.403)

2,7

ANALYSE

Innerhalb der Broschüre werden unterschiedliche Einzelaspekte aufgegriffen, welche in keiner chronologischen Reihenfolge stehen, sondern lediglich kompakt die Themen widerspiegeln, welche mich während meiner Thesis begleitet haben.

85,2

8,7

Reichstes Zehntel

Bevölkerung weltweit

25

KRITIK Die bürgerliche Begründung des Eigentums: Gebrauch setzt Eigentum voraus. Um eine Sache auf legitime Sache zu besitzen, muss zwangsläufig das Recht der Anderen daran ausgeschlossen werden.

Die Art und Weise wie unsere Gesellschaft Eigentum auffasst ist keineswegs ein Naturgesetz, sondern eine historisch einmaliger Zustand.

Eva von Redecker spricht bei der heutigen Form des Eigentums von „absoluter Sachherrschaft“.

Das bedeutet, dass jedem das Recht zusteht alles mit seinem Eigentum zu machen, auch wenn das bedeutet die Sache dabei zu zerstören.

Liberale Eigentumsbegründung: John Locke legitimiert Eigentum, wie es heute wahrscheinlich die meisten auffassen. Das Recht des Individuums übersteigt das Recht des Staates oder der Gesellschaft. Er begründet das, indem er suggeriert, dass der Gebrauch einer Sache mit dem Verbrauch zusammenfällt: „Das Gras, das mein Pferd gegessen, der Torf, den mein Knecht gestochen, und das Erz, das an irgendeinem Ort gegraben, werden ohne Anweisung und Zustimmung von irgendjemanden mein Eigentum.“ Kritik: Locke setzt hier wie selbstverständlich die Arbeit seines Knechts mit seiner Arbeit gleich. Das impliziert das der Knecht nicht die Möglichkeit besitzt, sich die Arbeit seiner Hände anzueignen: Der Gebrauch für die einen, schließt den Gebrauch für die anderen aus.

Alle Formulierungen sind extrem verkürzt dargestellt und erheben keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. > auf Grundlage von: Missbrauch des Eigentums, Daniel Loick - Junius Verlag GmbH 2016 ©9

K

AM Ontologische Eigentumsbegründung: Hegel argumentiert, nicht per se affirmativ über das Eigentum. Er sieht es dennoch als unablässliches Rechtsinstitut an, dass dem einzelnen Subjekt den Gebrauch von Dingen ermöglichen soll und damit zu dessen freiem Willen beiträgt. Ohne Eigentum kann auch kein freier Wille entstehen. Außerdem argumentiert Hegel, dass das Recht auf Eigentum an einer Sache nicht mit dessen Erwerb abgeschlossen ist, sondern eine Art kontinuierlicher Prozess der Inbesitznahme. Die Abwesenheit des Geistes führt laut Hegel auch zu einem Verlust des Eigentumsstatus.

Kritik: Da Eigentum grundsätzlich entscheidend ist für die Entwicklung des freien Willens, muss sie jedem zur Verfügung stehen. Gleichzeitig kann Hegel allerdings nur konstatieren, dass die „Anhäufung der Reichtümer“ der einen mit der „Abhängigkeit und Not“ der anderen einhergeht. „Was und wie viel jemand besitzt ist eine rechtliche Zufälligkeit“. Darin wird eine spezifisch kapitalistische Ideologie deutlich.

Synthese: Beide Begründungsstrategien entfalten auf ihre jeweilige Weise die bürgerliche Annahme einer Ko-Implikation von Gebrauch und Eigentum. Die kritische Lektüre zeigt jedoch, dass bürgerliche Theorien gezwungen sind, gleichzeitig mit dem Eigentumsrecht auch verschiedene Missbrauchsphänomene zu legitimieren, in Form einer Rechtfertigung bzw. Inkaufnahme von Ausbeutung, Kolonialismus und ökologischer Zerstörung oder wie in der ontologischen Theorie in Form der Verteidigung einer Form von Subjektivität, in der das Individuum sich nur herrschaftförmig auf seine innere und äußere Natur beziehen kann.

27

Der Missbrauch des Eigentums: Bürgerliche Eigentumstheorien basierten auf dem Axiom eines notwendigen Zusammenhangs zwischen Gebrauch und Eigentum. Der Anarchist Pierre-Joseph Proudhon definiert in seinem Pamphlet „Was ist Eigentum?“ (1840) als erster den Gedanken, der sich in dem Begriff des Kaputtbesitzens verdichtet und in den Begriff des Gebrauchs auch den Missbrauch mit einschließt.

Soziale Kritik des Eigentums von Karl Marx: Marx zeigt, dass ein privates Eigentumsregime, das sich auf die gesellschaftlichen Produktionsmittel erstreckt, unweigerlich zu Ausbeutung führt. Privateigentum an Produktionsmitteln erlaubt es den Kapitalist*innen, sich den von anderen produzierten Mehrwert anzueignen. Dies führt zum berühmten Grundwiderspruch zwischen Arbeit und Kapital: Der Reichtum einer Gesellschaft ist gesellschaftlich produziert, wird aber privat angeeignet. Deshalb ist Marx’ Eigentumskritik im Wesentlichen eine Kapitalismuskritik.

Will bedeuten, einen Strukturverhältnis, wie ich in Relation zu anderen stehe, vermittelt über die gesellschaftliche Handlungsstruktur. Das was mir nahe gelegt wird, ist dass ich mich permanent auf Kosten anderer durchsetzen muss, um weiter zu kommen, um meine Lebensbedürfnisse durchzusetzen. Das ist kein Willensakt weil ich ein böser Mensch bin, sondern strukturell so angelegt. > Folge: Ungerechtigkeit: Eine auf Privateigentum an Produktionsmitteln basierende Gesellschaft zwingt unweigerlich einen Teil der Menschen dazu, ihre Arbeitskraft anderen zu verkaufen. Dies wiederum führt dazu, dass die Arbeit, die sie verrichten, immer nur Eigentum für andere produziert. Folge: Heute besitzen 62 Menschen genauso viel wie die ärmsten 3,5 Milliarden Menschen.

- Folge: Dysfunktionalität Aufgrund des technischen Fortschritts steigt der Anteil maschineller Arbeit, während der Anteil menschlicher Arbeit sinkt. Damit sinkt auch der Mehrwert, der sich für die Kapitalist*innen aus der Produktion erzielen lässt. Dies wird durch erhöhte Produktion auszugleichen. Dadurch entsteht ein Überfluss an Waren, dem aber keine Nachfrage auf dem Markt gegenübersteht. Auf diese Weise ereignen sich periodisch wiederkehrende Überproduktions- und Absatzkrisen. Die Dysfunktionalität kapitalistischer Eigentumsverhältnisse hat zu einer Situation geführt, in welcher der gegenwärtige Gebrauch der Ressourcen deren zukünftigen Gebrauch bedroht und verunmöglicht.

- Folge: Entfremdung Eine Gesellschaft die auf Privateigentum an Produktionsmitteln und damit auf Ausbeutung beruht, führt zu einer deformierten, verzerrten und somit defizienten Subjektivität. Weil die Arbeiter*innen von ihren Arbeitsbedingungen, ihrem Arbeitsprodukt, von den anderen Arbeiter*innen selbst entfremdet ist, entwickelt sie ein einseitiges Gefühls- und Verstandsleben.

Ethische Kritik des Eigentums von Giorgio Agamben: Die Franziskaner sahen es als ihre Pflicht an, als Jesus’ Nachfolger ebenfalls ein Leben ohne Geld und ohne jede Form des Eigentums anzustreben. Weil gleichzeitig alle Heiligtümer der Kirche in Frage gestellt wurden schickte der Papst die Franziskaner ins Exil.

Die Ordensbrüder widerstehen damit auf einer sehr fundamentalen Weise jeder Lebensform und Weltbeziehung, die irgendwie auf Eigentum basiert. Dieser Widerstand liegt vor allem darin begründet, dass das Institut des Eigentums für die Franziskaner einen herrschaftförmigen Charakter hat.

Die Eigentümer*innen haben das Recht, sich jede Einmischung zu verbitten.

Agamben sagt daher, dass die Franziskaner mit ihrer Zurückweisung des Eigentums zugleich jedes Recht zurückweisen. Agamben macht den imperialen Charakter des Eigentumsrechts für den andauernden Kriegszustand, in dem sich die Menschen heute befinden (teilweise) mitverantwortlich.

Das ethische Projekt der Franziskaner war dabei keine Romantisierung eines Armutsideals - denn arm hätten sie auch innerhalb des bestehenden Rechts und in friedlicher Koexistenz mit Kirche und Gesellschaft bleiben können. Vielmehr wollten die Ordensbrüder eine Subjektivität herausbilden, die sich der Macht, dem Imperium, der Herrschaft widersetzt. > Die ethische Kritik greift anders als die soziale Kritik am Eigentums die Institution des Eigentums als solche an, nicht nur das Privateigentum an Produktionsmitteln.

Alle Formulierungen sind extrem verkürzt dargestellt und erheben keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. > auf Grundlage von: Missbrauch des Eigentums, Daniel Loick - Junius Verlag GmbH 2016 ©9

29 Abb. 5

MIETSHÄUSERSYNDIKAT

Abb. 6 Peter Pietzler lebt im bisher einzigen Syndikatshaus Münchens in der Ligsalzstraße 7. Zurzeit plant er zusammen mit dem Mietshäuser-Syndikat. ein weiteres Wohnprojekt in München-Ramersdorf.

Gespräch vom 20.08.2021

INTERVIEW MIT PETER PIETZLER

Name Mietshäuser Syndikat (MHS) Idee Das Mietshäuser Syndikat (MHS) ist eine in Deutschland kooperativ und nicht-kommerziell organisierte Beteiligungsgesellschaft zum gemeinschaftlichen Erwerb von Häusern, die in Kollektiveigentum überführt werden, um langfristig bezahlbare Wohnungen und Raum für Initiativen zu schaffen.10 Rechtsform 166 Hausprojekte und 19 Projektinitiativen bilden einen festen Verbund. Das Bindeglied, das diesen Verbund herstellt, heißt Mietshäuser Syndikat. Jedes dieser bestehenden Hausprojekte ist autonom, d. h. rechtlich selbstständig mit einem eigenen Unternehmen, das die Immobilie besitzt. Jedes hat die Rechtsform der GmbH, der „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“.

Finanzierung In der Ligsalzstraße in München können die Bewohner so für dauerhaft 7€ /m2 wohnen.

Der Durchschnitt in München liegt derzeit bei etwa 19,10€/m2. Tendenz steigend.

Website https://www.syndikat.org/de/unternehmensverbund/

Hausprojekt in der Anfangsphase „Pioniergeneration“

Jahre später als etabliertes Hausprojekt

Haussuche bzw. bedrohter Wohnraum schwierige Gründungs- bzw. Bauphase braucht Beratung, öffentl. Unterstützung höchster Kreditbedarf relativ hohe Mieten Defizite in den ersten Jahren

Mieter*innen in gesichterten Räumen stabile Dauerbetriebsphase Know-How, freie Kapazitäten teilweise entschuldet (Kredit abbezahlt) relativ niedrige Mieten Überschuss (Solidarbeitrag)

ES

Was ist der ausschlagebende Grund, der dich dazu

aber dann wäre es wieder ein sehr exklusives und privilegiertes

bewegt hat, in einem Syndikatshaus zu wohnen?

Wohnen.

PP

ES

Der ausschlaggebende Grund war nicht zwingend

ein Mietshäusersyndikatsprojekt, sondern mit vielen Leuten zu-

Gibt es grundsätzlich viele Leute, die einfach mal

klingeln und fragen, wie es eigentlich aussieht mit Wohnraum?

sammen zu wohnen. Da gibt es in München leider nicht so viele Möglichkeiten in selbstverwalteten Strukturen zu wohnen. Es

PP

gibt sicher ein paar selbstorganisierte WGs, aber das Haus auch

jetzt gerade jemanden, die hat Glück gehabt. Wir kriegen auch

komplett zu stemmen, ist bisher nur in der Ligsalz möglich und

viele E-Mails von Leuten, die einfach mal anfragen, ob man

das fand ich natürlich sehr verlockend. Ich finds insgesamt natür-

grundsätzlich einziehen kann. Und wenn die Leute dann Glück

lich eine super Idee, dass man das Haus komplett nutzen kann.

haben und zu der Zeit wirklich was frei wird dann haben sie halt

Das WG-Leben hier ist natürlich super, man wohnt mit Leuten

Glück gehabt. Kürzlich hat auch jemand angefragt, ob ich Ok-

zusammen, die man gerne hat und natürlich auch irgendwo auf

tober / November bei uns was frei wird zur Untermiete und das

einer Wellenlänge ist, wobei wir auch gleichzeitig versuchen

war bei mir dann tatsächlich so, dass ich in der Zeit nicht da bin.

nicht in einer Blase zu leben. Aber das war auf jeden Fall der

Da muss ich jetzt mal meinen Mitbewohner_innen sagen. Ja, das

ausschlaggebende Grund. Bei mir persönlich ist damals eine

wird dann wohl auch so passieren. Es ist auch tatsächlich schon

längere Beziehung auseinandergegangen und dann hab ich mir

vorgekommen, dass es auf WG-Gesucht ausgeschrieben wurde.

die Frage gestellt, ob ich in dieser Wohnung jetzt alleine blei-

Wenn was frei ist bei uns, dann streuen wir das schon bei uns in

ben soll. Aber mir war relativ schnell klar, dass ich nicht alleine

den Kreisen, weil da einfach auch echt viele Leute dabei sind,

wohnen möchte. Und dann hatte ich einfach Glück hier, weil ich

die es wirklich nicht einfach haben. Diese ganzen selbstorgani-

mal bei den Leuten, die ich hier kannte meinte: „Hey, meldet

sierten, linken Kreise die es sehr schwer haben auf dem Woh-

euch mal, wenn hier was frei wird.“ Und dann war das tatsächlich

nungsmarkt. Deswegen haben wir da auch nicht wirklich das

relativ bald der Fall, dass ich eine SMS gekriegt hab und mich

Gefühl, dass es unfair ist gegenüber Menschen, die überhaupt

dann in der WG vorgestellt habe und jetzt seit vier Jahren da

keinen Zugang zu solchen Strukturen haben.

Klingeln weniger, aber E-Mails schreiben. Ich hatte

wohne. Der ausschlagebende Grund... Das war natürlich letztlich nicht alleine zu wohnen und auch weil ich auf der Suche nach

ES

etwas war, dass mehr ist als ein WG-Leben. Der große Vorteil ist

und wie viel Miete zahlt jede Person?

Und wird die Miete im Mietshäusersyndikat ermittelt

einfach, dadurch, dass uns dieses Ding hier einfach gehört, wir auch alle sonstigen Räumlichkeiten so gestalten können, nutzen

PP

können und anderen anbieten können und Sachen ermöglichen

genannte Projektautonomie. Das heißt der große Verbund aller

können. Das hat viel Gestaltungsspielraum ergeben. Deswegen

Häuser, gerade sind es etwa 180, mischt sich nicht ein, wie wir

wohne ich letztlich in einem Mietshäusersyndikatsprojekt.

dieses Haus finanzieren. Das ist unser Ding. Wir brauchen im

Letztendlich gibt es im Mietshäusersyndikat die so-

Monat circa 4.600€ um das Haus zu finanzieren. Da ist dann wirkES

Das hat sich meine zweite Frage eigentlich schon

lich alles dabei, auch Internet und Heizung. Dabei ist es aber uns

erledigt. Wie bist du an die Wohnung gekommen und wie wird

überlassen, wie wir das Geld auftreiben. Normalerweise wäre es

grundsätzlich entschieden, wer einziehen darf?

natürlich so, dass man für einen Quadratmeter einen bestimmten Mietpreis zahlt. Der Gemeinschaftsraum im Erdgeschoss ist

PP

Ja, wir haben kein klares System, wie entschieden

zum Beispiel über unsere Mieten in den Wohnungen finanziert.

wird. Wir haben eine Dreier-WG, noch eine Dreier-WG und

Genauso auch der Keller und was wir halt sonst noch so nut-

dann noch eine Sechser-WG und immer, wenn ein Zimmer frei

zen. Das heißt wir müssen mit diesen Räumen keinen Gewinn

wird, dann entscheidet erstmal das Stockwerk, wer einziehen

erwirtschaften, das hat uns bei Corona sehr geholfen. Wenn

darf, weil die natürlich auf engem Raum zusammenleben müs-

man den Leuten erzählt, man zahlt pro Quadratmeter nur 10€,

sen. Anschließend stellt sich die Person dann nochmal auf dem

dann finden das alle direkt ziemlich krass. Früher haben alle

Hausplenum vor. Da ist es aber noch nie vorgekommen, dass

noch gesagt, dass das voll teuer ist. Da macht ihr so ein linkes

es dann ein Veto gab oder große Diskussionen, ob jemand ins

Projekt und dann so teuer. Das hat sich auf die schnelle erledigt.

Haus passt oder nicht. Wir haben auch keine Warteliste oder

Ein Zimmer hier kostet jetzt im Schnitt 350€. Der Unterschied

sowas, aber wir schauen natürlich schon, wie passt die Person

zum normalen Wohnen ist aber, dass man das natürlich nicht nur

in die WG, aber natürlich wird auch nach Bedürfigkeit entschie-

auf sein Zimmer beziehen kann. Im ersten Stock, wo ich wohne,

den. Bei wem ist es am dringendsten? Das fließt auch mit in die

da haben wir zum Beispiel diese Gemeinschaftsküche bei uns,

Entscheidungsfindung ein oder wer hat es grundsätzlich beson-

einen Balkon und dann haben wir noch den sogenannten Cat-

ders schwierig auf dem Wohnungsmarkt. Klar ist es dabei sehr

walk gebaut, wo man rüberlaufen kann auf das Anbaudach und

verlockend das ganze Haus mit seinen Leuten voll zu machen,

damit haben wir jetzt nochmal eine riesige Dachterrasse für uns.

Und so machen kannst du halt nur machen, wenn dir das Haus

einem Mietshaus die bösen Blicke, Skandale und Katastrophen

gehört und du da niemanden fragen musst. Natürlich haben wir

von den anderen Leuten nicht direkt mit. Außer es ist so hef-

im Hausplenum darüber diskutiert und es dann über das Haus

tig, dass sie sich fragen, ob sie die Polizei rufen müssen *lacht*.

finanziert, weil es einfach für die gesamte Qualität des Hauses

Es gab schon verschiedenste Konflikte. Sowohl, dass sich zwei

geiler ist. Die Zimmer in der Ligsalz sind auch alle ziemlich groß,

Personen, die vorher best friends waren und dann aus irgend-

was eigentlich total gut ist. Es gibt keine Zimmer, die irgend-

einem Grund einfach nicht mehr sehen können. War echt mal

wie sehr viel schöner sind oder viel weniger schön, wie andere.

interessant. Das konnte man bis dahin auch einfach nicht nach-

Die einen gehen natürlich zur Straße raus, die anderen zum Hof,

vollziehen, dass sowas wirklich passieren kann. Wenn man sich

aber das ist eigentlich nie Thema, dass man da routieren möch-

so auf die Nerven geht, wenn die andere Person nur auftaucht...

te. Das kenne ich nur von anderen Hausprojekten. Das braucht

Da haben wir dann intern routiert und Wohnung gewechselt.

es bei uns nicht. Die Zimmer sind auch alle gleich groß, was es

Aber es gab auch schon Konflikte zwischen Stockwerken. Also

auch fair macht. Da hatten wir zum Beispiel mit der Schwarm-

das Haus ist jetzt auch schon 13, 14 Jahre alt. Es gab unter-

stimmung eine Diskussion drüber, ob wir die Zimmer gleich groß

schiedlichste Sachen. Es gab natürlich auch Liebesbeziehungen,

machen sollen oder nicht. War eine interessante Diskussion.

die auseinander gegangen sind und es dann heftig wurde. Das

Aber hier zahlen alle wie gesagt im Schnitt 350€, die Zimmer

ist dann immer die Frage: Inwieweit ist das eine Sache der ein-

sind im Schnitt circa 20m2. Finde ich auch eine gute Größe als

zelnen und ab wann wird das Haus angefragt, für eine Art Rat.

privaten Rückzugsbereich und diese 10€/m2... Das Haus hat ins-

Das ist natürlich bei Streits relativ schnell. Wir hatten auch echt

gesamt 450m2. Wir machen sogenannte Mietrunden. Das heißt,

schon katastrophale Situationen, wo man wusste, okay das ist

immer wenn jemand neu einzieht oder wenn sich die finanzielle

jetzt für alle Beteiligten richtig scheiße und man sich dann über-

Situation für jemaden im Haus verändert, sei es positiv oder ne-

legt, was das beste für alle ist. In den letzten 4-5 Jahren seit ich

gativ, kann man so eine Runde einberufen. Das läuft dann so,

hier wohne, hatte ich noch keine solche Patt-Situation. Dass sich

dass wir wissen 350€ braucht man im Schnitt pro Zimmer und

eine Person hinstellt und meint das eigene Recht durchdrücken

Person und dann schmeißen in der ersten Runde alle mal so rein,

zu müssen. Und zukünftig wird es auch im Mietshäusersyndikat

was sie für sich selbst für angemessen halten. Meistens liegt man

den sogenannten Binnenvertrag geben. Das hat einen schön

in der ersten Runde noch ein bisschen drunter und in der zwei-

bürokratischen Namen, für was das überhaupt nicht verbindlich

ten Runde passts dann. So kommen dann die unterschiedlichen

ist. Da gehts darum - wir erarbeiten gerade einen für die Görtzer

Mieten zustande. Uns haben am Anfang andere Projekte davon

Straße. Binnenvertrag heißt, dass Leute die einziehen oder sich

abgeraten, weil das ein Ungleichgewicht reinbringen könnte.

beim Mietshäusersyndikat bewerben der Gruppe ihren Binnen-

Aber das ist überhaupt nicht passiert, gerade im Gegenteil. Wir

vertrag vorlegen. Da steht letztendlich nicht verbindliches drin,

haben das zwar nur einmal bisher gemacht, aber wir haben alle

das würde sonst die Autonomie der einzelnen Häuser unter-

individuell über unsere finanzielle Situation geredet, über unsere

graben. Jedenfalls geht es darin nur darum: Habt ihr euch mal

Zukunftsängste, über unseren Druck wie wir gerade finanzielle

Gedanken gemacht, wie ihr mit Konflikten umgeht. Und sei es

dastehen und das hat so gut getan. Weil das einfach immernoch

nur ganz rudimentär, dass man wenn man einzieht weiß was das

ein No-Go ist. Weil das in unserer Gesellschaft einfach so ange-

Wort Mediation bedeutet und bin nicht grundsätzlich dagegen.

legt ist: Für dein Einkommen musst du natürlich selbst sorgen.

Wir hatten beim Syndikat auch schon hin und wieder Fälle wo

Da hatten wir auch vor kurzen mal wieder ein Wochenende ge-

es zu Hausstreits kommt und sich zwei Parteien bilden und am

macht mit allen zusammen und da hat auch jemand gesagt, dass

Schluss die eine Hälfte auszieht und die anderen dann das Haus

es so ein gutes Gefühl ist, weil er einfach weiß, dass er eigentlich

nicht bezahlen können. Dann kann es zu einer Schieflage kom-

nicht rausfliegen kann. Das gibt einem einfach so ne Sicherheit.

men. Wir hatten auch schon Fälle, bei denen es außenstehende

Selbst wenn es bei jemanden finanziell mal richtig schlecht läuft,

Personen gibt, die eine Mediation machen. Das hört sich jetzt an

dann wird er da nicht rausfliegen. Wenn jemand mal wirklich die

als würde das dauernd passieren. Tatsächlich passiert das relativ

Miete nicht mehr zahlen kann, finden wir bestimmt Modelle, wie

selten. Das Syndikat lernt da auch wie ich finde gut daraus. Aber

wir das ummünzen würden, aber in so einer Situation waren wir

wir jedenfalls ein oder zwei Häuser, in denen die Hausgruppe

tatsächlich noch nicht.

gesagt hat, dass alle ausziehen und das ganze Haus einer neuen Gruppe übergeben. Das ist natürlich super in Gegenden wo

ES

Gab es schon mal richtige Konflikte oder ist immer

alles ganz harmonisch?

es kein Problem ist mit dem Wohnungsmarkt. Wir haben auch ein oder zwei Projekte auf dem Land, die gerade leer stehen.

Irgendwo in Sachsen-Anhalt. Da fallen dann die ganzen Einnah-

PP

Klar. Konflikte gibts natürlich. Das gibt es wahr-

men weg und da z.B. hat das Mietshäusersyndikat beschlossen,

scheinlich in jedem erdenklichen Zusammenleben auch, nur ein

dass die ganzen Betriebskosten vom Syndikat getragen werden,

bisschen anders. Bei uns ist es so, dass wir schon viel mitkriegen

bis sich eine neue Gruppe findet, die einziehen will. Da geht es

von den 12 anderen. Normalerweise kriegen die Nachbarn in

im Jahr um circa 10.000€.

ES

Erwischt du dich manchmal dabei, dass du dir

stellt auf Erbpacht, zu einem sehr niedrigen Erbpachtzins. Das

denkst, ob das so gut ist sein ganzes Leben lang Miete zu zahlen

gibt uns natürlich erstmal die Möglichkeit überhaupt ein Projekt

und man nie die Möglichkeit hat es sein Eigentum zu nennen

zu realisieren. Wenn man ein Bestandsgebäude auf dem Markt

oder auch weiterzuvererben.

kaufen würde, dann sind das mittlerweile Mietpreise, die man dann dort verlangen müsste, die sind jenseits. Dadurch, dass wir

PP

Ne, hab ich nicht. Also tatsächlich nicht. Ich finde es

neu bauen, haben wir dann auch schnell entdeckt: Okay, wir sind

einfach unfair dieses System. Ich mache mir da immer wieder

dann jetzt wohl Bauherr_innen. Da haben wir uns viele Gedan-

Gedanken drüber. Auch die Situation der ganzen Welt, die echt

ken gemacht. Vor allem dieses lustige Clusterwohnen, das wir

spannend sind, wenn es um Privilegien, Gerechtigkeit und Un-

machen. In der Stadtplanung hier in München ist das echt ein

gleichheit geht. Und sowas wie Eigenum, gerade wenn es über

Problem, weil die Wohnungen immer nur in Familien gedacht

Familien vererbt wird, ist tatsächlich eine ziemlich unfaire Sache.

werden und im Ausnahmefall ist dann halt mal eine WG in einer

Also bei einem Haus ist es vielleicht noch okay. Wenn es dein

Familienwohnung. Aber dieses Clustermodell zwingt uns natür-

Elternhaus ist, in dem du aufgewachsen bist und dich auch für

lich sehr viele Bäder und auch Küchen auf. Mittlerweile gibts

so ein Leben entscheidest, sprich dass du mal in das Haus ein-

auch im Mietshäusersyndikat eine AG-Neubau. *Ruft* Sabine

ziehen willst. Aber wenn es darum geht fünf Häuser oder so, die

wie viele Neubauprojekte haben wir mittlerweile im Syndikat?

du dann eh nicht mit deinem Kleinen bewohnen kannst und sich SH

15.

Das finde ich ehrlich gesagt fragwürdig und ohne das in Frage

PP

Das heißt durch die Erfahrung mit dem Neubau

stellen zu wollen, dass die Vorgängergenerationen dafür mal

kriegt man natürlich mit, dass man die Raumaufteilung mitge-

heftig viel gearbeitet haben, aber im Großen und Ganzen sorgt

stalten kann. Das ist in einem Bestandshaus eben nicht so. Und

das einfach für eine riesige Ungleichheit. Und für mich selber

klar kannst du dir auch nochmal ein Top-ökologisches Haus

weiß ich auch nicht warum ich Eigentum überhaupt anstreben

hinstellen und kannst es generell nochmal ganz anders denken,

sollte. So viel arbeiten.. Auch wenn ich von der Bildung und von

aber grundsätzlich geht es bei uns schon darüber hinaus. Wir

den Möglichkeiten rundherum sicher auch einen Job hätte ma-

müssen uns wegem diesem Cluster-Wohnen jetzt auch mit so

chen können, in dem ich sehr viel mehr Geld in Monat verdient

einem Scheiß wie Parkplatzschlüsseln mit der Stadt München

hätte und irgendwann wer weiß.. aber jedenfalls habe mich

rumschlagen. Da ist jetzt die Frage, da das Clusterwohnen so

lieber mit einer coolen Truppe zusammengetan und bauen da

eine neue Sache ist, dass sie sich im Planungsreferat und in der

jetzt gemeinsam ein neues Haus in der Görtzer Straße. Es macht

Lokalbaukommission nicht ganz einig sind: Was ist ein Haus-

ja auch viel mehr Spaß sowas zu planen und man weiß für die

halt? Da kann es einfach passieren, dass es uns unseren Garten

nächsten 80 Jahre können da verschiedene Leute drin wohnen.

ganz schön in Mitleidenschaft gezogen wird. Das Grundstück

Wie gestalten wir das, damit auch die zukünftigen Bewohner

ist 200qm und im Moment hätte die Stadt gerne, dass wir da

noch Freiheiten haben. Das macht einfach viel mehr Spaß finde

vier Parkplätze draufmachen und das ganze soll zusätzlich auch

ich. Vor allem zahle ich meine Miete hier nicht an irgendjeman-

nicht in der Vorgartenzone sein. Vorgartenzone ist der Bereich

den sonst wen, sondern ich bezahle einfach das was es kostet,

bis zu 7,5m vom Gehweg. Vollkommen... ja.. Jetzt weiß man

dieses Haus zu erhalten. Natürlich ist es im Mietshäusersyndikat

auch warum alle Nachbarn da eine Tiefgaragenabfahrt haben.

dann aber nicht so, dass zukünftige Generationen irgendwann

Sowas haben Leute natürlich nicht, die im Bestand kaufen. Dafür

umsonst wohnen können, weil wir diesen Solidarfond haben,

müssen wir nicht renovieren. Und die Finanzierung ist schon eine

der dann andere Projekte Anschub finanzieren kann. Das finde

spannende Sache. Gerade mit den Rohstoffkosten ist es gerade

ich alles schon eher sehr viel fairer, wie vererben.

generell schwierig. Unser Keller steht gerade zur Disposition,

dann sozusagen die zwei Generationen, die nachkommen ein schönes Leben machen können, weil sie von der Miete leben.

weil wir nicht wissen, ob wir uns den leisten können. Ziel ist es ES

Ein neues Syndikatshaus ist schon etwas ganz be-

nämlich 11€ pro qm Miete, das setzt den Rahmen. Gleichzeitig

sonderes. Welche Wünsche und Ideen könnt ihr euch dadurch

müssen wir die Auflagen der Stadt was Energieeffizienz usw an-

ermöglichen?

geht erfüllen. Da fragt man sich schon, wie macht das der freie Markt?

PP

Am Anfang haben sich im Mietshäusersyndikat alle

sehr, sehr schwer damit getan neu zu bauen. Wenn du mal drü-

ES

ber nachdenkt: Es ist eigentlich so ein scheiß. Auch in München

tor der die Rendite vielleicht nicht an erster Stelle sieht auf dem

stehen Gebäude teilweise immernoch leer und du denkst dir:

Münchner Wohnungsmarkt keine niedrigeren Mieten anbieten

Warum soll man da jetzt noch zusätzlich neu bauen? Aber wenn

kann. Dafür ist der Grund im Verhältnis viel zu teuer.

Ich denke nämlich schon auch, dass selbst ein Inves-

du dann entdeckst dass es finanziell die Möglichkeiten bietet, dadurch dass uns die Stadt München den Grund zur Verfügung

33

pp

Ich war auch bei der Umweltbank, weil ich mich

man versucht wirklich den Vorstand als Papiertiger zu verwalten.

über Immobiliendarlehen informieren wollte und der hat zu mir

Und trotzdem kann es schon passieren, dass es dann Personen

gesagt, ich solle ihm das mal erklären: Sie haben mal nachge-

gibt, die mehr Arbeit leisten und dadurch, dass sie die Arbeit

schaut, in der Gegend in der wir da bauen, da ist der Mietspie-

machen sammeln die auch Wissen an, das anderen dann fehlt.

gel gerade bei 21€ / Quadratmeter. Wie wollen wir das bitte für

Und letztlich fehlt dann auch etwas Identifikation mit dem Haus.

11€ finanzieren? Aber der kannte sich lustigerweise nicht so gut

Wenn du dich durch das alles durchgegraben hast, dann fühlst

aus mit dem Mietshäusersyndikat. Aber klar, 120.000€ in Form

du es auch, dass es dir gehört. Und das ist denke ich ein wichti-

von Erbpacht und einer Laufzeit von 80 Jahren sind jetzt auch

ger Punkt in der Selbstorganisation. Das möglichst alle involviert

nicht wenig. Da würd ich jetzt auch gerne mal ausrechnen, was

sein sollten und zu dieser Organisationsform auch stehen.

ein Investor da für unser Grundstück verlangen könnte... Hab ich deine Frage beantwortet? *lacht*

ES

Weil was ich auch noch spannend fand: Du meintest

mal, dass es durch die Gemeinschaft auch total wichtig ist, dass ES

Wunderbar! Wie läuft der Planungsprozess ab? Wer

das Individualzimmer schalltechnisch abgekoppelt ist.

hat Mitspracherecht? Seid ihr alle mit in die Planung involviert?

Hast du im Prinzip schon teilweise beantwortet

PP

Klar, das hat denke ich auch mit individuellem Rück-

zugsbereichen zu tun. Rückzugsraum ist natürlich wichtig. Wir PP

Klar, aber ich kann schon noch ein bisschen drauf

sind alle als Individuen aufgewachsen. Da braucht man manche

eingehen. Wir haben uns damals halt für das Architekturbüro

mal mehr, mal weniger aber diesen Raum für sich selbst der ist

entschieden, die haben uns dann erstmal einen Fragebogen ge-

mir schon heilig. Ist ja auch ne unglaubliche Qualität, wenn ich

schickt, in denen wir uns erstmal Gedanken machen sollten, wo-

um 1 Uhr nachts heimkommen kann und laut Musik hören kann.

rauf es uns ankommt beim Zusammenwohnen. Dann haben wir mal zwei Tage bei ihnen darüber diskutiert. Das war auf jeden

ES

Fall ein gutes Wochenende. Balkone? Ja /Nein. Gemeinschaftli-

wäre innerhalb einer Dachorganisation, wie bei euch im Miets-

che Balkone oder individuelle?

häusersyndikat, wenn es möglich wäre leichter Wohnungen tau-

Fände du es grundsätzlich gut, wenn es die möglich

schen zu können?

ES

Und wie ist die Stimmung bei Balkonen?

PP

Hm... Balkon ist jetzt auch so eine Sache. Möglicher-

ßen Mailverteiler, da melden sich schon hin und wieder Leute

weise wird der erst nachgerüstet, wenn noch Geld übrig bleibt.

aus Leipzig, die dann fragen ob bei uns was frei ist oder um-

Grundsätzlich gab jetzt letztlich niemanden der ernsthaft Einzel-

gedreht. Aber wie oft das letztendlich dann vorkommt weiß ich

balkone haben wollte, aber es ist schon auch verständlich, dass

nicht. Aber klar, das wäre natürlich meine erste Adresse. Wenn

es ganz schön ist, wenn man sich mal auf den Balkon setzen

ich jetzt wüsste, dass ich nach Leipzig ziehe wäre mein erster

kann, ohne dass man ständig gestört wird. Deswegen gibt es

Gedanke, dass ich erstmal dem Kollektiv vom Mietshäusersyn-

jetzt Balkone, die um die Ecke rumgehen. Jetzt aktuell ist schon

dikat in Leipzig schreibe. Oder ein Bekannter von mir. Also ich

viel Gestaltungsspielraum übergeben an die ArchitektInnen,

arbeite in der Schwerstbehindertenassistenz und der Bekannte

aber sie wissen jetzt natürlich was uns wichtig ist. Wir sind ja

ist schwerbehindert und findet im Münster jetzt einfach nieman-

auch nur zu sechst letztlich, die die Ausschreibung gewonnen

den, der sich dort um seine Assistenz kümmert. Dann hab ich

haben. Mittlerweile sind wir 10 oder 11. Haben versucht Leute

einfach mal eine Mail aufgesetzt und die an die Syndikatspro-

anzufragen, die Kinder haben. Wir sind alle im Alter zwischen 30

jekte in Münster geschickt und hab gefragt, ob es da Leute in

und 50 würde ich sagen. Es hat auch immer viel damit zu tun sei-

deren Umfeld gibt, die sich da auskennen. Personen, die selb-

ne eigenen Fertigkeiten einschätzen zu können. Ich sag da mei-

storganisiert leben, sind auch oft fürsorgliche Leute, die sowas

ne Meinung, klar. Ich bin auch letztlich einer der wenigen, die da

nicht abschreckt.

PP

Das passiert auch tatsächlich. Wir haben einen gro-

große Kollektiverfahrung haben. Aber letztendlich vertrau ich da natürlich sowohl den ArchitektInnen, als auch der ganzen Crew.

ES

Bin da kein Kontrollfreak. Da fand ichs auch spannender mit um

wäre die Idee des Mietshäusersyndikats auch auf andere Projek-

die Bankverhandlung in Kooperation mit dem Mietshäusersyn-

te zu übertragen?

Und die letzte Frage: Denkst du, dass es möglich

dikat zu kümmern. Das war eher so mein Bereich. Bei der Architektursache hab ich auch darum gebeten, wenn ich nicht so tief

PP

involviert sein müsste. Wissenshierarchien sind natürlich schon

tive, das auf Ackerboden zu übertragen. Jetzt gibt es tatsächlich

ein Problem, gar nicht so sehr, dass Personen ihre Macht aus-

das Acker-Syndikat. Es gibt zwar noch kein konkretes Projekt,

nutzen, sondern eher das dadurch die Arbeit an den Personen

aber das ist echt eine ganz andere Sache. Die gesicherte Finan-

hängenbleibt, die einfach das meiste Wissen über Sachen und

zierung aufzustellen vom Betrieb, also so eine SoLaWi geht halt

Ja. Es gab im Syndikat die letzten 5 Jahre eine Initia-

mal viel schneller pleite. Und da werden sicher auch bald die ersten Projekte gekauft. Bei SoLaWis ist es ja letztlich oft nicht einheitlich geregelt. Es gehört oft einfach einer Person. Manche haben auch eine Trägerverein, aber das ist schon eher selten.

Und ich denke mir geht es gar nicht so sehr um die Struktur vom Mietshäusersyndikat zu übertragen auf verschiedene Bereiche, sondern eher die solidarische Ökonomie generell. Da gibt es ja Kiloweise Sachen. Ich verstehe nicht ganz, warum wir nicht mehr solidarische Buchläden beispielsweise haben. Ein Freund von mir hat ein Plattenlabel. Der bringt permanent super Musik raus. Und hat trotzdem immer Schwierigkeiten seine Sachen zu verkaufen. Da würde ich gerne sagen: Hey du hast so einen guten Musikgeschmack. Ich vertrau dir da vollkommen. Ich nehm die Sachen doch sowieso, also sag mir doch einfach was du brauchst und dann haben wir einfach 50-100 Leute die dir was geben und du weißt einfach sicher, dass du dein Einkommen bekommst. Das gibt einem einfach eine Sicherheit. Sowas finde ich schon super, aber viele sind davon nicht so wirklich überzeugt.

Solidarische Weinwirtschaft fand ich auch richtig gut. Mit dem wollte ich mich mal treffen. Aber das ist sicherlich nochmal eine ganz andere Sache, wie das Mietshäusersynidkat mit der Aushebelung von Eigentum, aber gleichzeitig den Besitz hat. Wir besitzen das Haus, aber das Eigentum haben alle Leute, die in den Häusern deutschlandweit wohnen. Man kann es im Grunde nicht verkaufen, aber drüber bestimmen, das machen die Leute vor Ort. Wenn dir da noch Bereiche einfallen, nur raus damit! Das ist manchmal gar nicht so einfach sich solche Sachen zu überlegen.

Ich bin ja immernoch schwer beeindruckt, von den Leuten, die sich quasi dieses legale Konstrukt Mietshäusersyndikat mit der GmbH-Struktur und den Hausvereinen ausgedacht haben...

ES

Danke für das Gespräch!

35

Eines der bekanntesten Commons weltweit ist Wikipedia. Sein Open-Source-Prinzip mit offenem, kostenlosen Zugang aller Menschen weltweit ist einzigartig. Die Zahl der Festangestellten ist gering, jeder Beitrag wird von Freiwilligen neu ausgesetzt, verbessert oder aktualisiert. Das Prinzip des Open-Source hat sich bisher hauptsächlich im digitalen Bereich behauptet, ist aber durch zunehmende Verbreitung von 3D-Drucker auch mehr und mehr in der Realwirtschaft anzutreffen und keineswegs auf den digitalen Raum begrenzt.

Commons und Anarchismus11 Der Anarchismus stellt einerseits die radikale Konsequenz der Maxime der Aufklärung dar, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, weil er alle Angelegenheiten des Lebens und Zusammenlebens in die eigenständige Urteilskompetenz der Einzelnen legt.

Commons-organisierte Gesellschaften bauen auf den Ideen von anarchistischen Vordenkern auf. Bereits Proudhon hat 1840 in seiner Schrift „Was ist Eigentum?“ das Grundmodell anarchistischer Gesellschaften beschrieben. Diese bauen auf einer radikalen Freiwilligkeit der Mitglieder auf, welche sich dann politisch in Kommunen oder wirtschaftlich in Genossenschaften organisieren. Nur eine radikale Freiwilligkeit ohne hierarchische Strukturen kann gewährleisten, dass die Interessen des Individuums dabei nicht übergangen werden.

Ob in Kommunen, in besetzten Häusern, im Kibbuzim und Landwirtschaftsgenossenschaften, immer schon haben Anarchist*innen versucht mit anarchistischen Ideen der gegenseitigen Hilfe, der Solidarität und der Selbstorganisation, innerhalb einer bestehenden Gesellschaft, Ideen Wirklichkeit werden zu lassen.

Werte, die die Commons-Denker aufgreifen und weiterdenken.

Gegenüber der proprietären Produktion basiert die commons-basierte Produktion auf einer intrinsischen Motivation, das heißt, sie trägt zur Selbstverwirklichung und Entfaltung der Produzierenden bei, zum anderen ist sie aufgrund der exponenziell größeren Kooperationsmöglichkeiten auch produktiver und erzeugt qualitativ bessere Produkte.

Sie ermöglicht die freie Zugänglichkeit und eine generelle Bedürfnisorientierung der Produktion: Da die Herstellung ohnehin nicht auf Profitmaximierung angelegt ist, kann sie auf Verbraucher*innen-Bedürfnisse, sowie auf andere, etwa ökologische oder Sicherheitserwägungen, auch dann eingehen, wenn sich dies auf einem Gütermarkt nicht rentieren würde.

In Krisenzeiten kann durch einen Wegfall von Verwertungslogiken unbürokratisch geholfen werden. Ein selbstverwalteter Apparat ist dabei oft effizienter als Entscheidunge, welche zentral getroffen werden, mit der Lebenswirklichkeit vor Ort aber oft nicht übereinstimmen.

Ein weiterer Vorteil anarchistischer Organisationsformen ist ihre Zeitlichkeit. Es gilt nicht auf die große Revolution hinzuarbeiten, sondern man kann vielmehr im hier und jetzt beginnen und Zwischenräume (instand)besetzen.

>auf Grundlage von: Anarchismus zur Einführung, Daniel Loick - Junius Verlag GmbH 2017 ©

36

COMMONS Der Begriff bezeichnet materielle oder immaterielle Ressourcen, die durch prinzipiell alle Mitglieder der Gemeinschaft nutzbar sind.

Commons unterscheiden sind sowohl von Privateigentum als auch von Staatseigentum, weil niemand, weder eine Privatperson noch eine staatliche Institution, die Befugnis besitzt, anderen die Nutzung zu verweigern. Commons verfügen in der Regel über Nutzungsstatuten und Chartas, in denen die Regeln des Gebrauchs festgelegt sind, sodass eine gemeinsame Aushandlung über den gemeinsamen Gebrauch notwendig und möglich ist.9

EIGENTUMSGESELLSCHAFT

COMMONS-GESELLSCHAFT

Ökonomie Privateigentum Wachstumszwang Profitmaximierung

Ökonomie Kooperativer Gebrauch Vergesellschaftung Bedürfnisorientierung

Organisationsform Herrschaftsverhältnis Zwangsverhältnis Konkurrenz

Organisationsform Bedürfnisorientiert Individuelle Interessenlagen Engagement der Einzel­nen

Lohnarbeit Arbeitgeber*innen: Privateigentum an Produktionsmitteln Arbeitnehmer*innen: Kein Eigentum, verkauft Arbeitskraft Arbeitgeber*innen stehen in Konkurrenz

Lohnarbeit Individuelle Entfaltung Produktive- und reproduktive Arbeit gleichgestellt kein Machtverhältnis

Wohnen Hauserwerb durch Mietverhältnis Eigentumserwerb als Kapitalanlage

Wohnen Haus“instandsetzung“ Keine Profite

Währung Zeit und Leistung werden ungleich bewertet.

Währung Das Grundprinzip einer Zeitbank folgt der Idee, dass Zeit, Arbeit und Bedürfnisse aller Beteiligten gleich viel wert sind.

COMMONS

Vision Zweck des Vereins ist es...

Struktur & Organigramm > Seite 108

1. ... eine Möglichkeit als gesellschaftliche Alternative praktisch auszuprobieren Das Dogma des Wirtschaftswachstums und die damit wachsende Ungleichheit wird immer größer und die Politik ist zahnlos den neoliberalen Markt zu bändigen. Deshalb verstehen wir uns als ein Reallabor auf Mikroebene, das versucht eine freudvolle, sozial verantwortbare Wirklichkeit zu schaffen, immer unter dem Aspekt, eine ökologische und sozialgerechte Postwachstumökonomie auf globaler Ebene exemplarisch auszutesten. Dies wollen wir über ein selbstverwaltetes Wohn- und Arbeitsprojekt erreichen.

2. ... das Eigentumsverhältnis anders zu denken Durch den Kapitalismus sind wir gezwungen immer in Konkurrenz zueinander zu agieren. Das was uns nahegelegt wird ist, dass wir uns permanent auf Kosten von Anderen durchsetzen müssen, um weiter zu kommen. Dies ist kein Willensakt, weil wir schlechte Menschen sind, sondern im System so angelegt. Wir versuchen daher innerhalb des Hausvereins den exklusiven Privatbesitz anders aufzufassen und ihn eher am wirklichen Bedarfswert der MitbewohnerInnen zu orientieren.

3. ... mit dem Klimaschutz in Einklang zu kommen Den aktuellen Forschungen zu Folge müssen wir eine radikale Kehrtwende einlegen um die Klimakrise in den Griff zu bekommen. Nach einem global-fairen, ökologischem Budget steht jedem Menschen ca. 1 t CO2 pro Kopf und Jahr zur Verfügung. Ziel des Vereins ist es soziale, gesellschaftliche und bauliche Maßnahmen zu ergreifen, um diesen Wert in Zukunft erreichen zu können.

4. ... alle getroffenen Vereinbarungen stehen jederzeit zur Disposition.

Nutzungscharta 1. Gleiche Rechte

Interview Kommune Niederkaufungen > Seite 72

Alle Mitglieder haben die selben Rechte. Jeder hat ein unbefristetes Recht auf Wohnen. Sie bilden ihre Angelegenheiten durch gemeinschaftliche Beschlussfassung in der Mitgliederversammlung aus.

Interview Mietshäusersyndikat > Seite 30

2. Eigentum vergesellschaften

Das Eigentum des Hauses gehört einer GmbH des Mietshäusersyndikats und zu gleichen Teilen dem autonomen Hausverein. Es gehört somit allen zu gleichen Teilen und niemandem exklusiv.

Ziel ist eine Etablierung von Bedingungen, die keinem mehr eine exklusive Aneignung von Dingen ermöglicht. Die Benutzung und Aufteilung der Sachen orientieren sich am Gebrauchswert. Der Besitz der Gegenstände wird nach dessen Bedarfswert gemeinsam vereinbart. Durch verstärkt gemeinschaftliche Nutzung von Privateigentum werden Ressourcen reduziert.

Analyse Degrowth > Seite 78

3. Mithilfe

Alle Mitglieder verpflichten sich längerfristig nach einem 20-Stunden-Lohnarbeitszeitmodell zu leben, welches u.A. vom Ökonom Prof. Dr. Niko Peach in Hinblick auf seine Theorie der Postwachstumsökonomik vorgeschlagen wird. Der finanzielle Rebound-Effekt der Vereinsmitglieder sinkt damit stark. Die daraus resultierende freie, unentgeltliche Zeit wird durch die folgende Punkte sustituiert.

3.1. Mitbauen

Interview Heimatwerker > Seite 54

Die Gemeinschaft erkennt an, dass der Bausektor einen enormen Anteil an der globalen Klimakrise trägt. Deswegen wird eine ArchitektIn zur Beratung hinzugezogen, welche Planung und Fragestellungen zu ökologischer Konstruktion, sowie den räumlichen Qualitäten erarbeitet. Der handwerkliche Ausbau erfolgt soweit möglich und im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen durch die Hausgemeinschaft.

Interview Kartoffelkombinat > Seite 46

3.2. Suffizienz

Die neu gewonnene Freizeit durch eine verkürzte Lohnarbeit soll für Ehrenamte und Subsistenzwirtschaft genutzt werden. Um uns von den immer knapper werdenden Roh- und Treibstoffen zu entkoppeln, wollen wir von einer fossilabhängigen und globalen Wirtschaft zu einem selbstorganisierten und lokalen Wirtschaften gelangen. Ziel ist es, eine möglichst geringe Abhängigkeit von globalen Wertschöpfungsketten zu erreichen. Jedes Mitglied übernimmt für ihn passende arbeitsteilige Aufgaben, welche einen Beitrag für den Verein und damit der Gesellschaft leisten.

3.3. Persönliche Entwicklung

Analyse Commons > Seite 36

Die ökologische Belastungsgrenze wird aktuell enorm überschritten. Die Mitglieder werden angehalten einen suffizienten Lebensstil auch außerhalb der Hausgemeinschaft zu praktizieren und weniger zu verbrauchen, um die eingesparten Ressourcen nicht auf andere Weise zu verbrauchen. Diese Reduktionsstrategie schafft nicht zuletzt auch mehr freie Zeit für die persönliche Entfaltung und Entwicklung eigener Interessen.

PERSONEN ANZAHL 20 Bewohner*innen 15 Personen externes Ehrenamt bzw Kooperationen 20 Personen externe Unterstützer (zukünftige Bewohner*Innen)

BEDÜRFNIS AUFTEILUNG Phase 1 - Einzug Idealisten

Interne Kooperation Bau

I

(inklusive Auszubildende) 4 Personen fest im Betrieb Personen Anzahl 3 Personen halbtags Helfer 20 Bewohner*Innen 10 Personen externe Helfer (zukünftige Bewohner*Innen) 15 Personen externes Ehrenamt bzw Kooperationen

Personen externe Unterstützer (zukünftige Bewohner*Innen) Ernährung + 20Landwirtschaft

1 Personen fest Bedürfniss Aufteilung 1 Personen halbtags Helfer 2 Personen externe Helfer (zukünftige Bewohner*Innen) Interne Kooperation Bau 4 Personen fest im Betrieb (inklusive Auszubildende)

Erziehung + Pflege 3 Personen halbtags Helfer

10 Personen externe Helfer (zukünftige Bewohner*Innen)

1 Personen fest ErnährungHelfer + Landwirtschaft 1 Personen halbtags 1 Personen fest (zukünftige Bewohner*Innen) 2 Personen externe Helfer

1 Personen halbtags Helfer 2 Personen externe Helfer (zukünftige Bewohner*Innen)

Organisation + Logistik + Außenarbeit Erziehung + Pflege

1 Personen fest 1 Personen fest 1 Personen 50%1 Personen halbtags Helfer 2 Personen externe Helfer (zukünftige Bewohner*Innen)

Anderweitige Beschäftigungen Organisation + Logistik + Außenarbeit 1 Personen fest 13 Personen in Lohnarbeit 1 Personen 50% 7 Personen Vollzeit 6 Personen Teilzeit Anderweitige Beschäftigungen 13 Personen in Lohnarbeit 7 Personen Vollzeit 6 Personen Teilzeit (Geld geht an die Gruppe)

Einzug Idealisten

40

I

Notdach wird errichtet

G

01

Gemüsebeete werden angelegt

Temporäre Unterstützung der bestehenden Struktur in der großen Halle

I

I

I I I

Garagen werden für Mobilität genutzt

- Räumlichkeiten werden bezugsfertig gemacht - 20 Idealist*Innen ziehen in Bestandshaus ein - bestehende Sanitäranlagen können genutzt werden

- Leichtbauwände werden rückgebaut - Fenster werden durch Tore ersetzt - Interne Kooperative HLS richtet sich ein

- Büro der internen Kooperative Bau zieht ein - Bestehende Sanitäranlagen können genutzt werden - Lager im Keller

PERSONEN ANZAHL 20 Bewohner*innen 15 Personen externes Ehrenamt bzw Kooperationen 20 Personen externe Unterstützer (zukünftige Bewohner*Innen)

BEDÜRFNIS AUFTEILUNG Interne Kooperation Bau

Phase 2

Grünschnitt

4 Personen fest im Betrieb (inklusive Auszubildende) 3 Personen halbtags Helfer Personen Anzahl (zukünftige Bewohner*Innen) 10 Personen externe Helfer Externe Kooperation Sägewerk 15 Personen externes Ehrenamt bzw Kooperationen 20 Bewohner*Innen

1 Personen fest im Betrieb 20 Personen externe Unterstützer (zukünftige Bewohner) Ernährung + Bedürfniss Kooperation Solidarische Landwirtschaft Aufteilung

Holzhäcksel und Grünschnitt bespeisen den Biomeiler

1 Personen fest Interne Kooperation 1 Personen halbtags Helfer Bau 4 Personen fest im Betrieb (inklusive Auszubildende) (zukünftige Bewohner*Innen) 2 Personen externe Helfer

I

3 Personen halbtags Helfer 10 Personen externe Helfer (zukünftige Bewohner*Innen)

Erziehung + Pflege

Biomeiler zur Wärmegewinnung wird errichtet

Externe Kooperation Sägewerk

1 Personen fest 1 Personen fest im Betrieb 1 Personen halbtags Helfer 2 Personen externe Helfer (zukünftige Bewohner*Innen) Ernährung + Landwirtschaft

Externe Kooperative Sägewerk liefert Holzreste

1 Personen fest

Personen halbtags Helfer Organisation +1 Logistik + Außenarbeit

2 Personen externe Helfer (zukünftige Bewohner*Innen)

1 Personen fest Erziehung + Pflege 1 Personen 50% 1 Personen fest

1 Personen halbtags Helfer Anderweitige Beschäftigungen

2 Personen externe Helfer (zukünftige Bewohner*Innen)

12 Personen in Lohnarbeit Organisation + Logistik + Außenarbeit 7 Personen Vollzeit 1 Personen fest 6 Personen Teilzeit 1 Personen 50%

I

Anderweitige Beschäftigungen 12 Personen in Lohnarbeit 7 Personen Vollzeit 6 Personen Teilzeit (Geld geht an die Gruppe)

42

I

Kooperation Sägewerkbetrieb trocknet und schneidet Holz für den Baubetrieb zu

02 I

Holzbauberieb richtet sich in bestehenden Hallen ein

Holzbaubetrieb baut Unterstand

I

Getrocknetes Holz von Kooperation Sägewerk wird gelagert

FALLBEISPIEL BIOMEILER

KLIMANEUTRALES HEIZEN ENERGIEGEWINNUNG DURCH KOMPOSTIERUNG 12

Biomeiler als klimaneutrale Energiegewinnung bei der Kompostierung Ein Biomeiler ist ein großer Komposthaufen, dessen Wärmeentwicklung während des Verrottungsprozesses genutzt wird, um Wasser oder Luft für Heizzwecke zu erhitzen. Als Nebenprodukt besteht die Möglichkeit, Biogas zu produzieren, und nach der Nutzungsdauer entsteht hochwertiger Humus, der zur Bodenkultivierung eingesetzt werden.

Humusheizung als konsequente Weiterentwicklung des Biomeilers Die Humusheizung ist ein baulicher Körper der ohne festes Fundament auskommt. Über eine Öffnung werden Holzhäcksel (Ausgangsmaterial) in den Körper geschüttet und die daraus entstehende Verrottungswäre von ca. 50 - 60 °C wird zur energetischen Wärmenutzung des kompletten Hauses - oder Teilen davon wie Heizung oder Warmwasser - genutzt. Das Ausgangsmaterial ist nach einem längeren Zeitraum von ca. 12-18 Monaten in hochwertigen Humus umgewandelt, der zur Bodenkultivierung genutzt werden kann. Somit fand eine Materialveredelung statt. Jährlich ab Oktober können ohne großen Aufwand Holzhäcksel nachgeschüttet werden und der Prozess erneut in Gang gesetzt werden. Somit steht eine konstante Wärmequelle zur Verfügung, die je nach Größe eine Leistung um die 3 - 14 kw/h hat.

Platzbedarf einer Humusheizung Je nach dem, welche Leisung die Heizung bringen soll, richtet sich der Platzbedarf. Grob lässt sich sagen, dass für eine 4 - 5 kw/h Anlage ein baulicher Körper folgende Maße haben sollte: Länge = 4,5 m x Breite = 3,0 m x Höhe = 2,9 m. Zudem muss zwingend ein Zugang zur Holzhäcksel-Lieferung gewährleistet sein.

Interessant vor allem bei Eigenleistung Zweifelsohne ist der Bau eines Biomeilers ein Vorhaben, dass nur wenige durchführen können, da die Voraussetzungen sehr spezifisch sind. Interessant ist es natürlich in Bereichen wo große Mengen Holzhäcksel und Grünschnitt anfallen, oder wo große Mengen Kompost benötigt werden. Letzteres trifft beispielsweise auf Gartenbau- oder ökologische Landwirtschaftsbetriebe zu. Denn neben der Wärme erhält man noch jede Menge reifen Kompost, der als exzellenter Bodenverbesserer eingesetzt werden kann.

In den vergangenen Jahren ist angetrieben durch steigende Energiekosten das Interesse an Biomeilern gestiegen.

Zwar wird diese Form der Energiegewinnung vermutlich immer eine kleine Nische darstellen, aber in zahlreichen Projekten konnte mittlerweile nachgewiesen werden, dass der Betrieb nicht nur technisch machbar, sondern auch wirtschaftlich interessant ist. Dies gilt vor allem dann, wenn das Aufsetzen des Meilers in Eigenleistung erbracht wird.

44

Vorteile einer Humusheizung

1.

LowTechZum Betrieb ist lediglich eine Förderpumpe und eine Regelstation notwendig, um den zuverlässigen Betrieb aufrechtzuerhalten. Damit ist kaum Technik notwendig um eine langlebige und robuste und zuverlässige Heizung zu erhalten

2.

Holzhäcksel sind ein nachwachsender Rohstoff und in großen Mengen verfügbar - zudem meist lokal erhältlich ohne unnötige Transportwege aufzubringen. Dazu wird kaum Primärenergie zur Gewinnung der Häcksel benötigt da diese als lose Ware und verpackungsfrei angeliefert werden.

Ein doppeltes Plus an Nachhaltigkeit

3.

Die Verrottungswärme stellt den maximalen Energiegewinn aus den Holzhäckseln dar

4.

Der entstandene Humus kann händisch oder mittels eines Baggers entnommen und die Heizung somit entleert werden

5.

Die Heizung wird weitgehend autark betrieben: Es fallen keine üblichen Zusatzkosten und Zusatzaufwand durch Schornsteinfeger, Installateure, Wartungstechniker oder auch teuren Filteraustausch an. Auch sind keine Vertragsbindungen notwendig

Abb. 7 Biomeiler, Errichtung in Eigenleistung

45

KARTOFFELKOMBINAT

Abb. 8 Rajka Sickinger-Nagorni war bis August 2021 beim Kartoffelkombinat angestellt und kümmerte sich dort um die Öffentlichkeitsarbeit, die Erstellung des Kartoffeldrucks, betrieb die Kommunikationskanäle und kümmerte sich um die Organisation von Veranstaltungen rund um München.

Gespräch vom 04.08.2021

INTERVIEW MIT RAJKA SICKINGER-NAGORNI Name Kartoffelkombinat eG13 Idee Das Kartoffelkombinat ist eine genossenschaftlich organisierte Gemeinschaft von derzeit über 1.800 Münchner Haushalten, die ihr Gemüse, zusammen mit ausgewählten Partnern, selbst anbaut. Ziel dabei ist der Aufbau einer selbstverwalteten und nachhaltigen Versorgungsstruktur sowie ein gemeinwohlorientiertes statt proftimaximierendes Wirtschaften.

Ziele Die Ziele und Arbeitsbereiche des Kartoffelkombinats entwickeln sich aus einem kontinuierlichen Diskurs über die Bedürfnisse einer zukunftsfähigen Gesellschaft.

Darunter verstehen wir allgemein gesprochen eine gemeinwohlorientierte Wirtschaftweise und nachhaltige Lösungskonzepte für glückliches Leben.

Ganz konkret heißt das, dass das Kartoffelkombinat nur mit Erzeugnissen wirtschaften wird, die vegetarisch sind, aus der Region stammen, die ökologisch erzeugt wurden, die möglichst umweltfreundlich verpackt, gelagert und transportiert werden und deren Auswirkungen auf allen Stufen als sozial verantwortungsvoll gelten können.

Website https://www.kartoffelkombinat.de/blog/ Allgemeine Vorteile - Aufbau einer unabhängigen Grundversorgung - Wiedererlangung gesellschaftlicher, persönlicher, und ökonomischer Souveränität - Stärkung regionaler Kleinbetriebe - Wissen und Kulturtechniken lernen - Aktiver Umweltschutz - Weniger Lebensmittelverschwendung Persönliche Vorteile - Transparenz - Vertrauen - Frische und Geschmack - Saisonale Highlights - Mitgärtnern - Seminare, Workshops, Veranstaltungen - Mitgestaltung

ES

Warum engagierst du dich beim Kartoffelkombinat?

Wunsch, eine eigene Gärtnerei zu betreiben. Und dann wurde das auf der Generalversammlung, dem Hauptorgan der Genos-

RSN

Ich bin hauptamtlich festangestellt im Kartoffelkom-

senschaft, dass sich einmal im Jahr zusammensetzt, besprochen.

binat. Ehrenamtlich bin ich im Münchner Ernährungrat und in der

Da wurde entschieden, dass man eine eigene Gärtnerei kauft.

Münchner Initiative Nachhaltigkeit unterwegs. Aber hauptamt-

Und diese Gärtnerei, eine alte Baumschule in Oberschweinbach

lich arbeite ich im Kartoffelkombinat und betreute die Öffent-

bei Mammendorf wurde 2017 gekauft mit dem Geld aus der

lichkeitsarbeit. Weshalb mich die Idee begeistert hat? Weshalb

Genossenschaft. Es gab einen Aufruf, jeder möge bitte seine

ich vor drei Jahren angefangen habe dort zu arbeiten war schon

Anteile erhöhen, damit dieses Projekt möglich wird. Das hat

der Gedanke, nicht nur eine Ernährungssystem im urbanen

dann auch geklappt und jetzt betreiben wir da 18 Hektar eigene

Raum zu integrieren, was sich ausschließlich aus lokalen, regio-

Landwirtschaft. Das heißt, wir haben uns so ein bisschen entfernt

nalen und saisonalen Bezugsquellen gründet, sondern auch den

von der ursprünglichen Definition der solidarischen Landwirt-

Paradigmenwechsel in der Denke, den es braucht, über unseren

schaft, weil wir jetzt quasi selbst Landwirt_innen sind. Wir haben

Konsum und unser Wirtschaften, voranzutreiben. Also das Kar-

zwar natürlich noch kleinbäuerliche Partner_innenbetriebe, mit

toffelkombinat ist da ja ein Teil, ein Steinchen in diesem großen

denen wir auch stetig kooperieren und dauerhafte Abnahme-

Spiel, wo wir eigentlich hin müssten, damit wir so eine Transfor-

absprachen haben und diese auch einhalten. Aber 70% kommt

mation schaffen, hin zu einer gerechteren, sozialeren, nachhalti-

aus eigenem Anbau. Das war in Kurzfassung die Geschichte des

geren Weltwirtschaft. Und es gibt ja viele Dinge, die grün sind.

Kartoffelkombinats.

Aber ich glaube, wir schaffen den Drechsel nicht, wenn wir jetzt alle wie blöd grün konsumieren. Wir müssen generell unseren

ES

Konsum überdenken und weniger konsumieren und vor allem

die Entscheidungsfindungen. Gibt es Hierarchien? Es gibt ja

auch nochmal genau schauen was wir konsumieren. Gerade die

auch Festangestellte, oder?

Wie laufen denn grundsätzlich die Strukturen ab und

westliche Gesellschaft mit Gurken zu jeder Jahreszeit und Mangos und so. Also nicht, dass ich mich da jetzt ausschließe. Ich

RSN

bin da kein Engel in der Hinsicht, aber es braucht auf jeden Fall

schen. Der Vorstand besteht aus mittlerweile drei Personen.

eine Veränderung. Das war mit der Grund, weshalb mir es mir

Gegründet hat das der Daniel mit dem Simon Stoll gemeinsam.

total getaugt hat beim Kombinatkombinat anzufangen und so

Der Simon hat inzwischen auch andere SoLaWis gegründet und

ein Projekt zu unterstützen. Arbeiten muss man halt, ist leider

hat sich quasi verabschiedet in dieses Netzwerk der solidari-

so. Dann lieber auch für irgendwas, mit dem man sich inhaltlich

schen Landwirtschaft und ist da sehr aktiv. Letztendlich hat es

auch identifizieren kann.

schon sehr flach hierarchisch begonnen. Aber inzwischen muss

Wir haben ungefähr 30 Mitarbeiter_innen inzwi-

man sagen, gibt es schon ein eher hierarchisches Gefälle im ES

Und wie hat das Projekt begonnen? Oder wie seid

Kartoffelkombinat. Es ist einfach ein großer Betrieb. Da geht‘s

ihr überhaupt an die ersten Anbauflächen gekommen? Wie kann

jetzt um Arbeitsplatzerhalt. Es geht um die Qualität des Gemü-

man so etwas starten?

ses. Also so langsam stecken wir schon so ein bisschen in den Mühlen des Wachstums drinnen. Also dass man dann eben nicht

RSN

Das hat vor über neun Jahren begonnen. Also 2012.

mehr ganz so frei und unabhängig entscheiden kann. Man hat

Nächstes Jahr wird das Kartoffel Kombinat 10 Jahre alt. Also

dann halt bestimmte Zwänge und die erfordern dann eben auch

gestartet ist es Kartoffelkombinat, wie eine richtige SoLaWi. Das

ein Strukturwechsel. Da geht es nicht mehr alles auf Augenhöhe

heißt eben, Haushalte haben sich zusammengetan, haben eine

und nicht mehr alles wird ausdiskutiert und nicht mehr jeder Mit-

kleine Gärtnerei gefunden. Das war in Eschenried und haben

arbeiter ist komplett partizipativ eingebunden. Das sind natür-

dann dort mit dem Gärnter Anbauabsprachen getroffen. Wir

lich Werte, die schade sind, wenn sie verloren gehen, die super

wollen hier so und so viele Kilo Kartoffeln nächstes Jahr an un-

sind, wenn sie da sind, aber es ist halt teilweise inkompatibel mit

sere Haushaltsgemeinschaft abgeben. Simon und Daniel haben

entsprechenden Größen. Deswegen gibt‘s natürlich auch Leute,

sich da gefunden und im Freundeskreis erstmal rumgefragt:

die das kritisch sehen wie groß das Kartoffelkombinat wird und

Wer hätte denn wöchentlich Interesse für so eine große Gemü-

wie es weiter wächst. Aber ich würde jetzt mal sagen die Mehr-

sekiste. Und wir machen dann feste Anbauabsprachen und das

heit der Genossen und Genossinnen sieht es unkritisch, was mit

ganze gibt‘s dann regional und bio. So hat das langsam Form

Sicherheit aber auch damit zu tun hat, dass sie es jetzt gar nicht

angenommen. Und dann gab es noch ein paar weitere Statio-

so im Detail durchdenken. Also die kriegen halt das Gemüse

nen, wo dann das Kartoffelkombinat von Gärtnerei zu Gärtnerei

und finden es gut. Aber Entscheidungen werden eigentlich vom

gezogen ist. Und das ist ja im Grunde auch die Definition einer

Vorstand gefällt und das ist jetzt nicht so, dass das Team da al-

SoLaWi. Also, dass man sich als Abnahmegemeinschaft mit ei-

les mitdiskutiert. Es gibt auch noch Bereichsleiter, die involviert

nem Anbieter zusammentut, feste Absprachen trifft und so hat

sind in irgendwelche Entscheidungsprozesse, aber das ist dann

jede Seite ihre Sicherheit. Und irgendwann kam dann auch der

schon eher ein kleiner Kreis, der entscheidet, wo die Reise hin-

geht.

ES

der Werbung: „Hey, alles ist super, alles ist fein“. Im Gegenteil: Und wie werden die Kosten aufgeteilt, wenn ihr

grundsätzlich keinen Gewinn macht?

Wir haben gerade irgendwie Mäuse im Gewächshaus und die fressen uns die Wurzeln der Pflanzenart XY ab oder ein Floh hat den ganzen Grünkohl angenagt und die Jungpflanzen und viel-

RSN

Also der Name sagt es ja schon: Kombinat. Es ist

leicht haben wir gar keine mehr im Herbst. Letztes Jahr hat ein

tatsächlich so, dass wir, wie früher in der DDR Planwirtschaft be-

Hagelsturm einfach 70% der Apfelblüten vernichtet, an einem

treiben. Das heißt wir sind nicht profit-orientiert, wir wirtschaf-

Tag. Das heißt, wir hatten 70% Ernteverlust. Das ist natürlich

ten gemeinwohlorientiert. Es gilt immer die Waage zu halten,

Wahnsinn. Da gab‘s halt dann nicht irgendwie 15 Wochen lang

nicht zwischen zwei Polen, sondern eigentlich zwischen ganz

Äpfel in der Kiste, sondern nur vier. Das ist natürlich ein herber

vielen. Wir sind Produzent_innen, wir sind Erzeuger_innen, wir

Verlust, aber das kommunizieren man auch relativ offen, weil so

sind Konsument_innen, wir sind Genossenschaftler_innen. Wir

ist es nun mal. Das ist ja auch der Clou bei Genossenschaften:

sind einfach ganz viele Positionen, die wir vertreten und da ist es

Was einer allein nicht schafft, schaffen viele gemeinsam. Das

natürlich eine andere Sichtweise. Wenn man ein Unternehmen

heißt, wenn uns da so ein ganzes Kohlrabifeld hopps geht,

hat und mehr Profit machen will, macht man halt seine Produk-

dann sitzen wir nicht auf dem Schaden, weil wir es nicht mehr

te teurer. Dann kann ich meinen Arbeiter_innen bisschen mehr

verkaufen können, sondern im Zweifel hat halt jeder Genosse

Geld geben und ich habe auch ein bisschen mehr. Ist doch fein.

einfach einen Kohlrabi weniger in der Kiste und das ist ertragbar

Wenn wir jetzt im Kartoffelkombinat einfach die Kiste teurer ma-

für jeden. Und wir stehen nicht als konventioneller Bauer oder

chen würden und dann am Ende einen Überschuss erzielen, also

Biobauer da, die jetzt ihre 20.000 Kohlrabi nicht mehr verkaufen

Gewinn machen, dann heißt das ja, dass wir nicht gut gewirt-

können und haben dann einen finanziellen Verlust. Die finan-

schaftet haben, weil wir hätten eigentlich das Geld an unsere

zielle Notlage wird gemeinschaftlich auffangen, aber natürlich:

Mitarbeiter auszahlen können, damit deren Gehälter steigen.

Je größer wir werden, desto weiter entfernt sich auch die Iden-

Ich als Konsument muss das dann mehr bezahlen, das ist dann

tifikation mit dem, was wir da tun. Das liegt in der Natur der

auch blöd. Als Erzeuger finde ich es natürlich super, wenn ich mir

Sache: Desto größer wir werden, desto weiter ntfernt sich auch

Geld bekomme und so muss man das dann immer auszutarie-

die Identifikation mit dem, was wir da tun. Je mehr Mitglieder

ren. Wo ist da jetzt die Balance? Da ist die gemeinwohlorientier-

wir haben, das liegt in der Natur der Sache, desto weniger bist

te Wirtschaftsweise eine sehr gute, weil es eben nicht passiert,

du natürlich persönlich involviert und desto mehr hast du auch

dass sich irgendeiner bereichert oder einer zu kurz kommt. Und

Leute dabei, die dieses Kundendenken haben. Hey, ich zahl da-

wir kucken, dass der Beitrag für die Kiste nie über irgendein Maß

für, also will ich meine Ware und die von guter Qualität. Was

hinaus steigt. Also Nachhaltigkeit heißt ja nicht nur ökologisch

soll das denn, wenn da Löcher sind vom Erdfloh im Grünkohl?

und sozial, sondern auch ökonomisch. Also wenn du dir jetzt

Oder die Zucchini haben irgendwie Hagelschäden. Das ist dann

eine total ökologisch hergestellte Handtasche kaufst, die unter

total schwierig und da ist es in der Kommunikation dann auch

super sozial fairen Bedingungen hergestellt wurde, aber die kos-

nicht so leicht. Da merke ich auch, dass wir uns da ein bisschen

tet dann 5.000€, obwohl sie in der Produktion vielleicht 200€

weg entwickelt haben. Von daher ist Quartiersbezug in dieser

gekostet hat, ist das auch nicht nachhaltig, weil irgendjemand

Hinsicht wahrscheinlich bisschen günstiger, weil man da auch

steckt sich die 4800 Euro in die Tasche. Und deshalb Planwirt-

nochmal mehr den Bezug dazu hat und mehr miterlebt. Was be-

schaft. Wir planen unser Budget übers Jahr ziemlich genau, für

deutet es eigentlich, wenn da so ein Hagelsturm über so einen

was wir Geld ausgeben. Das birgt ziemlich viele Herausforderun-

Apfelgarten zieht oder über so oder so eine Erdflohplage übers

gen und natürlich zum Teil auch Risiken. Da bauen wir natürlich

Grünkohlfeld? Das sind dann die Herausforderungen im Kartof-

Puffer ein. Müssen wir auch, um wirtschaftsfähig zu bleiben. Falls

felkombinat, die wir dann tatsächlich haben und auch viel darü-

jetzt irgendein Hagelschauer eine Ernte vernichtet, dann müs-

ber sprechen: Wie kommunizieren wir was? Wir wollen, natürlich

sen wir vielleicht zukaufen und da gilt es immer eine gute Waage

auch nicht verschrecken, aber es ist halt, wie es ist. Und wir als

zu halten und dann auch situationsbedingt gute Entscheidun-

Konsument_innen, in der Großstadt vor allem, haben ja gänzlich

gen zu treffen. Und die kannst du dann auch nicht mit 50 Leuten

den Bezug verloren dazu. Wie wächst eigentlich so eine Gurke?

durchdiskutieren, drei Wochen lang. Da musst du dann vielleicht

Und was passiert damit, wenn da irgendso eine Wanze ihr Unwe-

auch ein bisschen zügiger eine Entscheidung fällen.

sen treibt? Oder irgendeine Braunfäule durch den Dauerregen, dann kann man es halt leider nicht abbestellen. Klar kannst du

ES

Das wäre nämlich auch meine nächste Frage. Hattet

ihr schon mal eine schlechte Ernte oder gab es Dürren?

dann die Gewächshäuser beheizen, das würde aber auch einen wahnsinnigen Energieverbrauch mit sich bringen, wenn du sie nicht aus erneuerbaren Energien irgendwie gewinnst. Das muss

RSN

Ja, klar! Ich mache ja die Öffentlichkeitsarbeit im

Kartoffelkombinat und was mir immer sehr gefallen hat, ist diese Ehrlichkeit in der Kommunikation. ich komme ursprünglich aus

man erst mal umrüsten und das kostet Geld und das Geld musst du mehr erwirtschaften. Also es ist nicht so einfach.

ES

Das schließt vielleicht schon die nächste Frage mit

RSN

Also ich kann mir das total gut vorstellen in so einem

ein: Gibt es negative Aspekte dieser genossenschaftlichen Or-

Quartier, wenn man da so ne total gute Vernetzung hinkriegt, sei

ganisationen? Habt ihr wesentliche Änderungen seit 2012 vor-

es irgendwie auch so Lebensmittelpunkt. Ich weiß nicht, ob du

genommen, weil ihr gemerkt hat, dass es sonst nicht funktio-

den FoodHub kennst, der sich jetzt gegründet hat?

niert.

ES

Ja, da bin ich auch Mitglied.

Jahre dabei. Eine wesentliche Änderung war natürlich der Kauf

RSN

Na also. Letztendlich ist es ja so was. Das ist ein Mit-

mit der eigenen Gärtnerei, weil es uns einfach unabhängiger

glieder-Supermarkt. Du kannst da drei Stunden im Monat mitar-

gemacht hat. Sonst war da immer eine Abhängigkeit gegeben,

beiten und und kriegst dann da dein Bio-Gemüse zum Einkaufs-

auch von anderen Gärtnern, von anderen Bauern. Das ist na-

preis. Das ist ja sowas, dass du dich irgendwie beteiligst und

türlich super, dass wir so eine Unabhängigkeit gewonnen ha-

dadurch natürlich auch Vorteile generierst. Und die sich nicht

ben und auch nochmal viel mehr über unseren eigenen Betrieb

primär in einem monetären Bereich abspielen, sondern da es ja

schalten und walten können und auch die Genossinnen einladen

auch ganz viel so um gemeinsam was machen, sich vernetzen,

können, dass sie bei uns aufs Feld kommen, zum Mitgärtnern.

nachbarschaftliches Zusammensein, was ja auch ganz viele sozi-

Das können wir jetzt eigentlich selbst gestalten. Das ist eine

ale Faktoren beinhaltet. Gerade für alleinstehende Menschen,

gute Weiterentwicklung. Ich glaube ab nächstem Jahr wird das

alte Menschen, junge Menschen. Dass generationenübergrei-

nochmal erweitert. Da haben wir jetzt nochmal acht Hektar Flä-

fend die Leute wieder zusammenkommen, mehr zusammenfin-

che dazugewonnen. Das ist auch ein großer Schritt. Das sind fast

den, nicht mehr dieser Individualismus in der Gesellschaft im

nochmal 50% mehr Anbaufläche. Das wird sicherlich nochmal

Vordergrund steht. Also wenn man sich überlegt für sich, man ist

eine Herausforderung mit neuen Mitarbeitern. Das sehe ich als

dann alt und alleinstehend. Ich glaube, es gibt da auch schon to-

Herausforderung, wie man da gut die Waage hält. Dass es halt

tal viel in München. Aber es ist halt alles noch sehr verstreut und

nicht einfach nur ein wirtschaftlicher Biobetriebe ist, sondern im-

ich glaube, wenn das in so einem Quartier drinnen steckt, mit

mer noch diese Werte einer Genossenschaft, den partizipativen

mehreren Möglichkeiten. Also ob es jetzt eben so ein Lebens-

Prozess aufrechterhalten. Aber was gab‘s sonst noch für Schwie-

mittelpunkt ist oder so ein gemeinschaftliches Gärtnern oder

rigkeiten, die zu Änderungen geführt haben? Also wenn, dann

Kreativ-Werkstätten, Repair-Cafés, was auch immer, das ist total

sind das so schleichende Sachen, die dann irgendwie nicht mehr

bereichernd für eine Gesellschaft. Aber momentan ist es halt

stattfinden oder wieder stattfinden. Was wir schon gemerkt

die Hürde immer noch sehr groß. Man liest es dann und denkt

haben, während Corona ist, dass es ganz wichtig ist, dass die

immer da gehöre ich nicht dazu, da weiß ich jetzt nicht, wie ich

Leute den Bezug haben zur Gärtnerei und auch kommen und

da reinkommen soll. Also deswegen finde ich auch Infoabend so

Mitgärtnern dürfen. Das ist zwar meistens nur ein kleiner Teil der

wichtig. Die stehen dann prinzipiell allen offen. War natürlich in

Genossenschaft. Es ist jetzt nicht so, dass 1800 Mitglieder auf

den letzten zwei Jahren schwierig mit Corona. Das hat natürlich

dem Feld stehen und es sind auch immer wieder dieselben, die

auch in dieser Hinsicht viel ausgebremst. Aber vorstellen kann

kommen. Aber es ist wichtig, das zu ermöglichen. Wie gesagt,

ich mir das total gut auch für andere Bereiche: Sich gemein-

dieses Quartierbezogene ist mit Sicherheit ein bisschen leichter

schaftlich um Bienen kümmern, gemeinschaftliche Altenpflege

wenn die Gruppe kleiner ist. Du hast zwar jetzt nicht so große

betreiben, gemeinschaftlich kreativ sein, Nachbarschaftshilfe

Synergieeffekte, aber klar, je größer du wirst, desto mehr gibt es

etc. Wer kann mir ein Loch bohren? Hilfe! Ich brauche jemanden,

auch Arbeitsteilung, desto leichter kannst du es irgendwie auch

der mir ein Regal aufbaut! Wie muss ich ein Bewerbungsschrei-

wuppen. Aber da ist halt die Frage, in welche Richtung es geht.

ben schreiben? Gibt‘s jemanden hier, der mir das Korrekturlesen

Das muss man immer kritisch betrachten. Eine ganz klare Her-

kann oder Tipps hat, sich beruflich vernetzen will? Da sind ja

ausforderung ist übrigens auch der Klimawandel. Das merken

keine Grenzen da.

RSN

Das weiß ich nicht, ich bin natürlich jetzt erst drei

wir natürlich jetzt schon. Also dieser Dauerregen hat uns total fertig gemacht. Vorallem die Ernte schaut nicht gut aus dieses

ES

Jahr. Manche Sachen sehen sehr gut aus, aber manche Sachen

hantieren dort auch mit Zeit. Jeder gibt eine andere Sache, eini-

sehen gar nicht gut aus. Wo wir jetzt schon wissen: Das wird nix!

ge komponieren Songs, der andere putzt gerne und putzt dann

Und da fangen wir schon langsam an, dass auch in der Genos-

für die Leute. Umso größer dieser Topf wird, umso mehr Leute

senschaft zu kommunizieren.

etwas geben, umso größer wird der Topf aus dem man wählen

Es gibt ja in München auch die Tauschbörse. Die

kann.

ES

Und denkst du, dass es möglich wäre, dieses Prinzip

des solidarisch miteinander Wirtschaften auch auf andere Be-

RSN

reiche zu übertragen? Also nicht nur in der Ernährung, sondern

einen Song komponieren. Wie viele Stunden Putzen sind das

auch in anderen Arbeitsbereichen oder Betrieben?

jetzt ungefähr. Also es geht dann immer ein bisschen um das

Ja genau, da muss man dann immer sehen: Ich kann

Wie. ES ES

Das wird in diesem Fall gleichgesetzt. Dort ist eine

Stunde komponieren das gleiche wie eine Stunde putzen.

Und könntest du dir zum Beispiel, bezugnehmend

auf meine Masterarbeit, vorstellen, dass hypothetisch ein paar Personen bei euch auf dem Feld mitarbeiten und dafür dann Gemüsekisten beziehen?

RSN

Ah, okay. Es gibt ja auch diese Chiemgauer. Das ist

ja auch so eine alternative Währung. Die machen genau das ei-

RSN

gentlich. Du bist ein Schreiner und dann kommt einer sagt: Ja,

ge, das sind nicht super viele. Aber die Option gibt es bei uns,

ich hätte gerne so ein Regal, dann baust du das. Und dann gibt

das muss man natürlich gucken. Es können jetzt nicht 300 Leute

der halt nicht Geld, sondern einen Chiemgauer als äquivalent.

bei uns auf dem Feld arbeiten, die dann ihr Kiste umsonst be-

Also ich weiß nicht, ob das dann eine individuelle Bewertung ist

kommen. Aber wir haben feste, ehrenamtliche Mitarbeiter. Die

von demjenigen, der gibt oder der nimmt, wie viel Chiemgauer

sagen einfach „Ich habe Zeit. Bevor ich jetzt einfach Geld zahle,

er haben will. Und mit diesem Chiemgauer kann der Schreiner

arbeite ich lieber bei euch mit.“ Da haben wir z.b. zwei im Pack-

dann in Bücherladen gehen und sich dann halt fünf Bücher kau-

Team. Die sind einmal die Woche knapp vier Stunden da und

fen. Also die versuchen ein Tauschmittel zu haben, mit dem sie

kriegen dafür ihre Kiste umsonst. Genau sowas haben wir schon.

unterschiedlichste Waren und Dienstleistungen in Austausch

Aber das muss natürlich immer die Waage halten, komplett geht

bringen können. Das ist eigentlich auch so sowas wie du jetzt

das nicht. Wir können ja nicht nur umtauschen, weil wir müssen

angedacht hast.

auch irgendwie Saatgut einkaufen und so weiter und gleichzeitig

Klar, das gibt es schon. Also wir haben einige weni-

wirtschaftlich liquide bleiben.

ES

Hast du dich schon mal mit Indoor-Farming beschäf-

tigt? Speziell für das Prinzip der produktiven Städte könnte das

ES

ja sinnvoll sein, wenn man gar nicht mehr so viel Anbaufläche

braucht? Wenn man das wieder auf mein Grundstück bezieht,

hat zukünftig, dann könnte man beispielsweise alte Lagerhallen

da sind ungefähr 100 Personen, die da wohnen. Und wie viele

umnutzen. Was meinst du dazu?

Personen und Fläche bräuchte es, damit man für 100 Personen

Ja und weißt du, wie viele Personen das ungefähr

Gemüse anbaut?

RSN

Du meinst Vertical-Farming? Also ich glaub das ist

schon cool, wenn man das auf Dächern macht. Um was es aber

RSN

geht und was dieser Ansatz gänzlich vergessen lässt: Es gibt ein

pazitätsgrenze erreicht worden für 1800 Leute, also 1800 Haus-

Riesenprojekt, was jetzt bald an den Start geht. Das heißt Orga-

halte mit im Schnitt zwei-drei Leuten, also 4000 Leute wöchent-

nic Garden. Die wollen in riesigen Lagerhallen irgendwie Pilze

lich. (...)

Also wir haben jetzt 18 Hektar und da ist unsere Ka-

züchten, Fische züchten, Aquakulturen, ... alles, aber Hightech und kreislaufmäßig und Bio. Ja, keine Ahnung, ob das cool ist

ES

oder nicht. Aber das ist ein Riesending, was die da aufziehen.

toffel Kombinat in die Zukunft blickt. Also gibt‘s irgendwelche

Und was dieser Ansatz vergessen lässt, ist, dass Boden eine le-

Zukunftsträume?

Ja und dann vielleicht als letzte Frage, wie das Kar-

bensnotwendige Grundlage ist und unser Boden degeneriert.

Der geht verloren. Und es gibt eine Studie der UN, die besagt,

RSN

dass unsere Böden noch für 60 Jahre bestehen. Dann sind die

toffel Kombinat ganz groß wird und wächst und schlussendlich

alle kaputt, da können wir nichts mehr anbauen, da wir keinen

einfach immer mehr Leute erreicht. Und da diese Versorgungs-

Boden mehr haben, keine fruchtbare Erde. Das heißt, wenn der

struktur, also die unabhängige Versorgungsstruktur im urbanen

Sauerstoff in der Luft verbraucht ist, ist der Boden weg. Dieses

Raum mit lokalem Bio-Gemüse richtig, richtig gross wird, damit

Vertical-Farming oder Indoor-Farming ist natürlich ein Ansatz,

sie einfach eine ganz konkrete Alternative zu den herkömmlichen

um in urbanen Gebieten Lebensmittel zu produzieren. Das Ge-

Bezugsmöglichkeiten darstellt. Also Lidl und Co, die ja auch Bio-

müse steckt dann im Zweifel in einer Nährlösung, hat nie die

gemüse anbieten, aber das hat ja nicht viel mit ökologischem

Sonne gesehen, es wird künstlich beheizt. Klar, das können re-

Anbau zu tun. Das ist eine ganz klare Vision, diese Versorgungs-

generative Energiequellen sein, trotzdem. Aber was die ökolo-

struktur auszubauen. Das tun wir jetzt auch mit dem Schritt, mit

gische Landwirtschaft eigentlich betreibt ist ja Humus-Aufbau,

diesen acht Hektar nächstes Jahr. Das ist auf jeden Fall eine tolle

weil Humus eben auch CO2 bindet. Und wir haben großes Pro-

Erweiterung mit dann 26 Hektar. Natürlich ist dann die Überle-

blem mit CO2. Das heißt, das wird unser Problem nicht lösen.

gung, dass es nicht an einem Ort weiter wächst. Also jetzt wer-

Und da ist die ökologische Landwirtschaft bzw. der Humus-Auf-

den wir diese acht Hektar an einem Ort weiter bekommen. Das

bau in unseren Böden ganz, ganz wichtig und auch für nachfol-

heißt, die Gärtnerei wird einfach größer. Aber die Überlegung ist

ge folgende Generationen, damit man weiter anbauen kann. Da

auch das an verschiedenen Standorten zu erweitern. Dann hast

wird ein essentieller Teil nicht mitgedacht.

du vielleicht auch im Münchner Osten noch einen Betrieb, der

Ja, der klare Traum ist vom Daniel ist, dass das Kar-

unter der Kartoffelkombinat-Flagge verwaltet wird. Und dann ist da vielleicht der Boden anders, dann werden da eher Karotten angebaut und in Spielberg eher der Kohl oder wie auch immer.

Oder man hat man im Münchner Süden noch ein großes Lager und so bildet sich dann ebenso eine Versorgungsinfrastruktur durchs Kartoffelkombinat um München herum. Das ist glaube ich Daniels Wunsch. Ich sehe das ein bisschen anders. Ich denke das ist auf jeden Fall total cool, wenn da irgendwann 10, 20 oder 50 Millionen Menschen dadurch ernährt werden und sich das dann um jede Stadt bildet. Aber man ist dann eben auch ein großer Player. Und es gibt auch andere Ansätze, die eher so Quartiersbezogen sind oder wie du es jetzt auch planst mit deinem Projekt, wo man versucht, das ein bisschen dezentraler zu halten. Partizipations-fokussierter als Gemeinschaft. Das ist das, was mir sympathischer ist, aber dass es gut ist, dass so eine Initiative wächst und Bio-Gemüse mit regionalen Bezug ermöglicht ist natürlich super. Das sind, denke ich, die zwei Ansätze und da gibt‘s noch ganz viel dazwischen, wie man das anders denken.

ES

Super, danke für deine Zeit.

RSN

Gerne.

51

PERSONEN ANZAHL 20 Bewohner*Innen 15 Personen externes Ehrenamt bzw Kooperationen 20 Personen externe Unterstützer (zukünftige Bewohner*Innen)

BEDÜRFNIS AUFTEILUNG Interne Kooperation Bau

Phase 3

4 Personen fest im Betrieb (inklusive Auszubildende) 3 Personen halbtags Helfer Personen Anzahl (zukünftige Bewohner*Innen) 10 Personen externe Helfer Externe Kooperation Sägewerk 15 Personen externes Ehrenamt bzw Kooperationen 20 Bewohner*Innen

1 Personen fest im Betrieb 20 Personen externe Unterstützer (zukünftige Bewohner*Innen) Ernährung + Bedürfniss Kooperation Solidarische Landwirtschaft Aufteilung 1 Personen fest Interne Kooperation 1 Personen halbtags Helfer Bau 4 Personen fest im Betrieb (inklusive Auszubildende) (zukünftige Bewohner*Innen) 2 Personen externe Helfer

3 Personen halbtags Helfer 10 Personen externe Helfer (zukünftige Bewohner*Innen)

Erziehung + Pflege

Externe Kooperation Sägewerk

1 Personen fest 1 Personen fest im Betrieb 1 Personen halbtags Helfer 2 Personen externe Helfer (zukünftige Bewohner*Innen) Ernährung + Landwirtschaft 1 Personen fest

Personen halbtags Helfer Organisation +1 Logistik + Außenarbeit

2 Personen externe Helfer (zukünftige Bewohner*Innen)

1 Personen fest Erziehung + Pflege 1 Personen 50% 1 Personen fest

1 Personen halbtags Helfer Anderweitige Beschäftigungen

2 Personen externe Helfer (zukünftige Bewohner*Innen)

12 Personen in Lohnarbeit Organisation + Logistik + Außenarbeit 7 Personen Vollzeit 1 Personen fest 6 Personen Teilzeit 1 Personen 50%

Anderweitige Beschäftigungen 12 Personen in Lohnarbeit 7 Personen Vollzeit 6 Personen Teilzeit (Geld geht an die Gruppe)

52

I

Workshops für temporäres Wohnen mit zukünftigen Bewohner*Innen

03 I

Sanitärbereiche/Küchenbereiche werden von internen HLS-Betrieb eingestellt (für die Nachnutzung mitgedacht)

I

Elemente werden hergestellt und können mit Hilfe eines Wendetisches und einem Schiebekran in den Hallen zusammengebaut werden

HEIMATWERKER

Abb. 9 Tim Rieniets (*1972) ist Professor für Stadt- und Raumentwicklung in einer diversifizierten Gesellschaft an der Leibniz Universität Hannover. Ausgebildet als Architekt ist Tim Rieniets als Kurator und Publizist tätig. Von 2013 bis 2018 war er Geschäftsführer bei der Landesinitiative StadtBauKultur NRW und hat in dieser Funktion zahlreiche Projekte und Publikationen zum Thema Umbau initiiert und durchgeführt. Gespräch vom 29.06.2021

INTERVIEW MIT TIM RIENIETS Name Heimatwerker Nieheim e.V.14 Idee Heimatwerker ist ein Projekt für Flüchtlinge, die in Nordrhein-Westfalen ein neues Zuhause suchen. Zusammen mit Studierenden und Anwohnern planen sie die Sanierung und Nutzung eines leerstehenden Gebäudes und setzen ihre Pläne in die Tat um. Auf diese Weise erwerben sie berufliche Qualifikationen, Selbstwertgefühl und das Vertrauen ihrer neuen Nachbarn.

Ziele - Soziale Integration von Zugereisten durch die gemeinsame Arbeit mit Einheimischen - Erwerb beruflicher Qualifikationen und ggf. die Vermittlung von Praktika, Ausbildungs- oder Arbeitsplätzen im Baugewerbe - Erhalt historischer und stadtbild- prägender Bausubstanz - Schaffung von Bleibeperspektiven für Geflüchtete Finanzierung Die Kosten für die Sanierung des Gebäudes (Erdgeschoss) und für das erforderliche Personal (Bauleitung und Projektkoordination) betragen 426.000 Euro. Diese Kosten werden zu 70 % vom Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen getragen und zu 30 % von der Stadt Nieheim. Weitere Kosten für Organisation, Öffentlichkeitsarbeit, Veranstaltungen und Dokumentation werden von der Landesinitiative StadtBauKultur NRW 2020 übernommen. Für die langfristige Nutzung des Gebäudes sollen weitere Fördergeber und Sponsoren gewonnen werden.

Website https://www.heimatwerker.nrw

Bauen ist Bildung.

Bauen bietet Arbeit.

Bauen schafft Vertrauen.

Für Menschen auf der Suche nach Heimat.

Building is education.

‫شرورپ و شزومآ گنهرف داجیا‬ ‫يیاز لاغتشا‬ ‫سفن هب دامتعا داجیا‬ ‫لحم لابند هب هك يدارفا يارب‬ ‫دنتسه يدیدج يگدنز‬ ‫ميلعت ينعي ءانبلا‬

Building provides employment.

‫لمع نمؤي ءانبلا‬

Building creates confidence.

‫ةقثلا ززعي ءانبلا‬

For people in search of a new home.

‫ديدج نطو نع نوثحبي سانال‬

ES

Was war die Intention das Projekt Heimatwerker ins

Leben zu rufen?

natürlich eine schöne Idee ist. Allerdings, ich muss korrigieren.

Wir hatten so eine Art Start Workshop gemacht, auch um die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Projektes miteinander be-

TR

Es gab zwei Ereignisse, die da zusammengekommen

kannt zu machen. Das heißt, da waren Flüchtlinge, aber auch

sind. Das eine war die sogenannte Flüchtlingskrise 2015/16 und

Studierende der Hochschule Ostwestfalen-Lippe, die sich auch

das andere war eine schon etwas ältere Bemühung unsererseits

an dem Projekt beteiligt haben. Und wir wollten natürlich auch,

ein Projekt zu starten, bei dem sogenannte Schrottimmobilien

dass Bürgerinnen und Bürger der Stadt Nieheim auf das Pro-

durch sogenannte Muskelhypothek, das heißt durch die hand-

jekt aufmerksam werden oder sich vielleicht auch ehrenamtlich

werkliche Arbeit von Bewohnerinnen und Bewohnern, wieder

engagieren. Und dann haben wir einen großen mehrtägigen

revitalisiert werden können. Das ist ein Projekt gewesen, dass

Workshop organisiert, in dem es tatsächlich auch um die Frage

inspiriert wurde von einem Projekt aus Rotterdam, dem soge-

ging, was man aus diesem Haus machen kann. Und da waren die

nannten Klushuizen-Projekt, bei dem die Stadt Rotterdam so-

Flüchtlinge schon aktiv daran beteiligt, Ideen zu entwickeln. In

genannte Schrottimmobilien aufgekauft hat und diese privaten

diesem Workshop sind auch Ideen zutage getreten, man könne

Eigentümern zu geringen Kosten zur Verfügung gestellt hat, die

dieses Haus doch auch als eine offene Werkstatt nutzen. Das ist

dann diese Immobilien wieder hergestellt haben. Das wollten

tatsächlich auch eine Idee, die von den Flüchtlingen und Stu-

wir eigentlich auch in Nordrhein-Westfalen umsetzen. Das ist

dierenden gekommen ist. Es sind aber auch viele, viele andere

uns aber in der Form wie wir es geplant hatten nicht gelungen

Ideen dagewesen, auch seitens der Flüchtlinge, der männlichen

und dann enstand die Idee, dass man doch ein ganz ähnliches

Flüchtlinge vor allen Dingen, die am Ende dann aber nicht zur

Konzept einsetzen könnte um Flüchtlinge, die auf ihre Asylver-

Umsetzung kommen konnten. Aber nochmal eine richtig partizi-

fahren warten und gleichzeitig auch das Handwerk nach Fach-

pativer Planungsprozess war aus verschiedenen Gründen, dann

kräften schreit sinnvoll zu kombinieren und so den Flüchtlingen

gar nicht möglich. Also Sie müssen sich auch einfach klarma-

eine sinnvolle Arbeit gibt, die sie einerseits qualifiziert für einen

chen, die Stadt Nieheim hatte zu dieser Zeit 130 Flüchtlinge.

Handwerksberuf und sie andererseits auch eine Arbeit machen

Das ist für eine kleine Stadt schon relativ viel gewesen. Nieheim

lässt, mit der sie sich auch als - in Anführungsstrichen - nutz-

hat glaube ich nur 6000 Einwohner. Von diesen knapp 130

bringenden Teil dieser Gesellschaft zeigen können. Indem sie

Flüchtlingen haben wir dann mal ein bis zwei, mal 10 Flüchtlin-

sich eben solcher Immobilien annehmen, die sonst verfallen und

ge die hier auf der Baustelle waren. Und die waren auch nicht

die eigentlich als Ärgernis gelten. Das war so ein bisschen die

alle regelmäßig da, weil wir auch gar keine Handhabe hatten.

Idee, verschiedene Stränge zusammenzuziehen und eigentlich

Wir durften die gar nicht verpflichten, das wäre sonst rechtlich

im Sinne aller ein Projekt aufzuziehen, bei denen die Flüchtlinge

Zwangsarbeit gewesen. Wir konnten sie aber auch nicht be-

im Zentrum stehen.

zahlen, weil wir das leider rein rechtlich nicht durften. Also die konnten kein Geld dafür bekommen. Und dann können sie sich

ES

Und wie ist die Entscheidungsfindung im Planungs-

auch denken, dass der Anreiz für die Flüchtlinge relativ gering

prozess abgelaufen? Gab es klare Hierarchien oder haben die

oder zumindest abstrakt war. Wir haben tatsächlich konkrete An-

Flüchtlinge ihren Input dazu beigetragen, dass so gebaut wird,

gebote, sie auch aktiv in Lehrstellen zu vermitteln, was in einem

wie Sie das möchten?

Fall auch beinahe funktioniert hätte. Aber es sind dann eben auch unvorhergesehende Dinge passiert. Flüchtlinge sind plötz-

TR

Dazu muss man sich einfach klar machen, dass es

lich nicht mehr gekommen, weil sie abgeschoben wurden. Es

wahnsinnig kompliziert gewesen ist, dieses Projekt überhaupt

gab Flüchtlinge, die haben plötzlich den Ort gewechselt. Es gab

ins Leben zu rufen. Es gab viele Hürden auch rechtlicher Art,

Flüchtlinge, die plötzlich eine Arbeitsstelle gefunden haben und

die das Projekt eigentlich von Anfang an erschwert haben und

die waren dann auch weg. Also das heißt, so kontinuierliches Ar-

wir überhaupt froh gewesen sind, dass wir dieses Projekt starten

beiten oder gemeinsames Planen war unter diesen Umständen

konnten und dass wir am Ende tatsächlich ein paar Flüchtlinge

nicht wirklich möglich. Das sind dann diese Hintergründe, die

auf der Baustelle hatten. Und deswegen lag unser Augenmerk

man wissen muss, wenn man mit Flüchtlingen zusammenarbei-

jetzt nicht so sehr darin, die Flüchtlinge an der Planung zu betei-

tet. Die Rechtslage macht es ehrlich gesagt fast nicht möglich,

ligen. Das hätte auch zeitlich gar nicht gepasst, weil wir Förder-

kontinuierlich mit Flüchtlingen zu arbeiten oder zumindest sehr,

gelder gehabt haben, die auch in einem bestimmten Zeitraum

sehr schwer.

verausgabt werden mussten. Das heißt, wir waren dann auch ein bisschen unter Druck und die Planung des Gebäudes oblag

ES

dann eigentlich einem unterbeauftragten Büro, dass sowohl die

Ausbildung machen können? Oder haben sie über einen ausfüh-

Planung, aber auch die Betreuung der Flüchtlinge übernom-

renden Betrieb, der in dem Haus geholfen hat, eine Ausbildung

men hat. Also insofern war das nicht unsere erste Priorität, dass

vermittelt bekommen?

Also haben die Flüchtlinge währenddessen keine

sich Flüchtlinge an der Planung beteiligt sind, auch wenn das

55

TR

Wir haben tatsächlich versucht, Firmen zu finden

gentlich eher Dinge, die wir nicht geplant hatten. Also unser

oder Firmen aufmerksam zu machen, um Flüchtlinge zu vermit-

Konzept war eigentlich ganz anderes gewesen. Wir wollten ei-

teln oder hatten auch die Hoffnung, dass die Firmen, die wir

gentlich ganz ursprünglich wollten wir eigentlich ein Haus mit

beauftragen müssen für Arbeiten, die die Flüchtlinge nicht er-

Flüchtlingen sanieren und wollten auch, dass die Flüchtlinge da-

bringen können, Interesse zu wecken, so dass auch Flüchtlinge

rin leben können. Also die Idee war auch, dass sie sowohl eine

übernommen werden. Tatsächlich hatten wir z.B. den Fall, dass

Private, als auch eine berufliche Perspektive kriegen. Und für die

RTL da gewesen war und irgendwie eine kurze Dokumentation

Stadt wäre das toll gewesen, weil die Stadt schrumpft. Die ist

gesendet hatte. Und am nächsten Tag riefen Dachdecker an. Es

sowieso schon ziemlich klein und somit jede Flüchtlingsfamilie

gab einen Flüchtling, der hat sich da medial gut präsentiert. Und

mit Kindern sehr willkommen gewesen. Das heißt, unsere Idee

am nächsten Tag klingelte das Telefon und dann war ein örtlicher

war eigentlich, Flüchtlingsfamilien in dieses Projekt zu integrie-

Dachdeckerbetrieb am Telefon und hat ihn abgeworben. Er hat

ren. Aber schon das ging nicht. weil die Fördergelder, die wir

das dann auch ein paar Wochen gemacht, hat dann aber wieder

gekriegt haben, durften nicht für Wohnprojekte genutzt werden.

hingeschmissen, weil er sich überlegt hat, er möchte gerne Im-

Also die Fördergelder, die wir vom Land bekommen hatten, dan-

mobilienmakler werden. Und dann war diese Erfolgsgeschichte

kenswerterweise, konnten nur für Gemeinbedarfseinrichtungen

für uns, über die wir uns wahnsinnig gefreut hatten, leider nach

ausgegeben werden, das heißt, wir konnten keinen Wohnraum

sechs Wochen schon wieder vorbei, weil diese betreffende Per-

schaffen. Wir konnten aber dafür dann sowas wie Werkstätten

son einfach auch wie viele Flüchtlinge glaube ich noch völlig

und Arbeitsräume schaffen. Das haben wir dann auch gemacht.

falsche Vorstellungen vom Arbeits- und Ausbildungsmarkt in

Ich erzähle das alles nur so, damit sie irgendwie versteht, dass

Deutschland hatten. Also die meisten von denen sind ja auch

man sich da in wahnsinnig komplexen und unvorhersehbaren

angetreten, weil sie die Hoffnung hatten, ganz schnell Geld ver-

Rahmenbedingungen bewegt, sowohl was die Finanzierung an-

dienen zu können, für sich oder für ihre Familie. Und die kannten

geht, was die Rechtslage angeht, aber auch, dass die Motivatio-

das jetzt z.B. aus Syrien oder Afghanistan natürlich nicht, dass

nen und auch die Erwartungen der Flüchtlinge betraf.

man erst einmal mindestens dreieinhalb Jahre in die Ausbildung geht, bevor man überhaupt irgendwo Geld verdienen kann. Das

ES

war für die natürlich vollkommen unattraktiv und das haben wir

ziert?

Wurde das Projekt nur über die Fördergelder finan-

auch falsch eingeschätzt. Und wir hatten halt gedacht, dass wir, indem wir ihnen eine private und berufliche Perspektive bieten,

TR

Anreize schaffen. Aber dieser langfristige Anreiz, der passte

dazusagen, eine ortsansässige Familie, die uns dieses Haus zur

nicht überein mit den Vorstellungen, die Flüchtlinge tatsächlich

Verfügung gestellt hat. Also nicht geschenkt, sondern ich glau-

hatten, und er passte auch nicht überein mit den finanziellen

be, die Vereinbarung war, dass das Haus für 10 Jahre erst einmal

und rechtlichen Rahmenbedingungen, in dem wir uns bewegen

der Kommune zur Verfügung gestellt wird für dieses Projekt, weil

mussten.

die Familie keine Verwendung mehr für das Haus hatte und auch

Es gab Fördergelder vom Land und das muss man

es keinen gab in der Familie, der in dieses Haus investieren wollES

Das bedeutet es gibt jetzt auch keinen Flüchtling

te. Sie haben ja die Bilder gesehen. Ein ganz schönes Acker-Bür-

mehr, der irgendwie im weiteren Verlauf auf dem Arbeitsmarkt

gerhaus in Nieheim. Es war einfach sanierungsbedürftig. Und

vermittelt wurde oder in einem Handwerksbetrieb tätig ist?

wäre unser Projekt jetzt nicht gekommen, dann wäre dieses Haus entweder für sehr wenig Geld verkauft worden. Oder aber

TR

Das kann ich ehrlich gesagt gar nicht beantworten,

weil ich bin dann durch den eigenen beruflichen Wechsel aus

noch wahrscheinlicher wäre, dass es jetzt einfach immer noch leerstehen und verfallen würde.

dem Projekt ausgestiegen. Das Projekt müsste 2019 abgeschlossen worden sein und da war ich aber auch schon ein paar

ES

Monate raus. Da müsste ich mich selber nochmal erkundigen,

die Baustelle geleitet haben?

Und es gab dann professionelle Arbeiter, die dann

ob es da nicht doch den einen oder anderen gibt, der irgendwie vermittelt wurde. Das klingt jetzt auch alles so negativ. Das

TR

Projekt hat schon auch seine positiven Effekte gehabt für den

immer einen professionellen Bauleiter, der den Bau koordiniert

einen oder anderen Teilnehmer. Es hat auch Frauen gegeben,

hat und auch gleichzeitig die Flüchtlinge betreut hat. Und es

die natürlich nicht auf der Baustelle waren, weil das einfach für

gab ein Architekturbüro, was die Planung gemacht hat. Und

Frauen aus muslimischen Ländern undenkbar ist. Aber es gab

es gab für bestimmte Arbeiten, aber dafür war ich letztlich zu

dann trotzdem eine Gruppe von muslimischen Frauen und von

selten vor Ort, auch professionelle Firmen, die dann kommen

ortsansässigen Frauen, die dann irgendwann angefangen haben

mussten. Aber ich glaube weitestgehend haben die Flüchtlinge

Räume zu nutzen z.B. für Handarbeitstätigkeiten. Das heißt, da

wirklich sehr, sehr viel Arbeit selbst erledigt: Begonnen mit den

haben sich schon diverse Dinge entwickelt, aber das waren ei-

Abbrucharbeiten, sie haben auch gemauert, den neuen Boden

Ja, es gab zwar personelle Wechsel, aber es gab

gemacht. Also alles, was tatsächlich von Ungelernten dort erle-

schon gewünscht, dass da auch in der Öffentlichkeit mehr, mehr

digt werden konnte, wurde auch von den Flüchtlingen erledigt.

Offenheit da ist oder weniger Misstrauen. Was schon auch schon eine schöne Erfahrung war, mal abgesehen vom Bau, dass die

ES

Ja, schön. Das hört sich ja erstmal super an.

Flüchtlinge, die da waren eine Anlaufstelle hatten. Die haben da gemeinsam gekocht. Da musste man dann auch noch tatsäch-

Also wie gesagt, wenn man ein bisschen aus dem

lich Gelder herbekommen, dass wir da ja noch einkaufen gehen

Nähkästchen plaudert. Ich würde definitiv nicht sagen, dass das

konnten. Das gemeinsame Kochen war einfach total wichtig.

Projekt gescheitert ist. Das Haus ist ja auch tatsächlich saniert

Und ich glaube auch der persönliche Austausch mit dem Bau-

worden, das ist ja auch fertig. Also es ist erfolgreich abgeschlos-

leiter, also auch über die persönlichen Probleme, die man ge-

sen worden. Es hat auch positive Effekte gehabt für viele Men-

rade hat oder über Amtsgänge, die man erledigen muss. Ein

schen. Es hat bloß leider nicht so funktioniert, wie wir uns das

ganz schöner Effekt. Ich glaube, einige Flüchtlinge haben auch

ursprünglich gedacht hatten. Das Frustrierende an dem Projekt

wirklich die Sprache einfach lernen können. Die mussten sich

war einfach festzustellen, dass die Rahmenbedingungen, auch

ja irgendwie verständigen. Es waren am Ende zwar nur relativ

die rechtlichen Rahmenbedingungen, überhaupt nicht darauf

wenige Flüchtlinge, die da aktiv waren, aber insgesamt waren

ausgerichtet sind. Ganz im Gegenteil es einem eigentlich sogar

natürlich wahnsinnig viele Leute irgendwie mit ins Spiel gekom-

absolut erschwert haben, so ein Projekt umzusetzen.

men. Die Stadt Nieheim, war aktiv, hat letztlich alles vor Ort ge-

TR

managt. Die Stadt war auch Empfängerinnen der Fördergelder, ES

Und was ist jetzt mit dem Haus? Wird es noch durch

die Bewohner genutzt?

musste dann also entsprechend auch den Bauleiter einstellen.

Das heißt, die Stadt war sehr aktiv oder intensiv in das Projekt verwickelt. Die Hochschule Ostwestfalen-Lippe war durch Stu-

TR

Ja, das ist ja jetzt tatsächlich zu einer Gemeinbe-

denten vertreten, die letztlich auch aktiv am Bau waren bzw. es

darfseinrichtung ausgebaut worden. Da gibt es jetzt eine offene

gab dann auch ich weiß gar nicht, welcher Fachbereich das war,

Werkstatt und in einem Raum ist die Kleiderkammer eingezo-

die dann mit den Flüchtlingsfrauen zusammen gearbeitet ha-

gen. Die Caritas hat diese eingerichtet mit der Idee, dass Flücht-

ben. Es waren Ehrenamtliche aktiv. Das war vielleicht noch eine

lingsfrauen da auch beschäftigt werden können. Es sollten auch

große Stärke des Projektes, dass es doch relativ weite Kreise

Sprachkurse stattfinden. Also was jetzt im Einzelnen genau pas-

gezogen hat, auch medial in der Presse natürlich. Und das fand

siert, weiß ich nicht. Aber es ist ein Haus, das der Kommune im

ich schon schön, weil das Projekt dadurch bei allen Schwierig-

Moment zwar nicht gehört, sie haben aber die Nutzungsrechte

keiten, die es dann vor Ort gegeben hat, doch irgendwie zeigen

an diesem Haus. Und somit ist es eine öffentliche Einrichtung.

konnte, dass man einfach sowas machen kann. Dass man auch

Im Prinzip, wer da jetzt gerade aktuell genau tätig ist kann ich im

mal ungewöhnliche Dinge ausprobieren kann. Ich glaube, die

Moment nicht sagen.

mediale Wirkung dieses Projektes war schon sehr sehr gut und hat glaube ich, andere Leute inspiriert. Das war ganz schön.

ES

Und was hat Sie persönlich an dem Projekt am meis-

ten begeistert oder beschäftigt sie bis heute noch?

ES

Vielleicht nochmal eine Frage bezugnehmend auf

ihr Buch „Umbaukultur“. Sie haben in Ihrem Buch so schön beTR

Das sind mehrere Punkte, also die negativen hatte

schrieben, das Bauen eben nicht nur ein Beruf ist, sondern dass

ich ja schon genannt. Wäre ich am Anfang nicht blauäugig ge-

Bauen, bereits tief in jedem Kind verankert ist und inwiefern Ih-

wesen, und hätte die Erfahrung schon gehabt, die ich jetzt habe,

rer Meinung nach das jetzt noch für die Erwachsenen oder Be-

dann hätte ich das vielleicht erst gar nicht angefangen. Wie das

rufstätigen gilt. Also wenn man so ein selbst Bauprojekt in eine

manchmal so ist, weil es war ja wie gesagt, eine tolle Idee und

Gesellschaft bringen möchte, die jetzt ungelernt sind oder die ja

mit der Idee konnte man auch so viele Menschen begeistern.

die vielleicht einfach mal Lust haben, was auszuprobieren, ohne

Die Idee war auch so simpel und überzeugend. Aber das war

dass sie gelernte Kräfte sind, dass sie sagen Nee, wir können

so ein bisschen wie man zählt einfach eins und eins zusammen

das jetzt auch selber machen. Klar gibt‘s dann vielleicht. Wie

und dann kommt aber mehr als zwei dabei raus. Das war ein-

man sich dazuholen muss, aber einfach auch, dass der größ-

fach von vornherein eine ganz überzeugende Geschichte. Und

te Teil von den Leuten, die daselbe einziehen wollen, es auch

dann muss man aber doch feststellen, dass es wahnsinnig viele

bauen können. Ja, oder wie Sie das sehen, dass man das. Dass

Hürden gibt. Im Übrigen gab es natürlich auch Konflikte mit Be-

man das einfach selber auch durchziehen könnte. Sehen Sie eine

wohnerinnen und Bewohnern im Umfeld. Ja, in so einem kleinen

Chance, dass sowas funktioniert.

ostwestfälischen Städtchen. Wie soll ich sagen? Da gibt es eben auch Mentalitäten, die hinter allen Dingen, die passieren, erst

TR

einmal die schlechten Sachen und die Risiken vermuten. Und

unseren Flüchtlingsprojekt. Es gibt einfach Menschen, die Spaß

auch da haben wir ein bisschen Lehrgeld gezahlt und hätten uns

an sowas haben. Es gibt Menschen, denen liegt nichts ferner, als

Naja, also zum einen glaube ich ist es ähnlich wie bei

ihren Fuß auf eine Baustelle zu setzen. Das hat etwas mit Inter-

Da muss man einen langen Atem mitbringen, da muss man ge-

essen und Veranlagungen zu tun. Das hat natürlich auch etwas

duldig und kompromissbereit sein und letztlich gilt auch da: Es

mit persönlichen Lebenslagen zu tun. Es gibt einfach Menschen,

gibt Menschen, die haben Zeit und Lust, sich an solchen Prozes-

die sich familiär oder beruflich in einer Situation sehen, wo sie

sen zu beteiligen. Und es gibt eben einen wahrscheinlich größe-

sich wahrscheinlich nicht vorstellen können, jetzt wahnsinnig viel

ren Teil von Menschen die dazu keine Lust und keine Zeit haben,

Zeit auf einer Baustelle zu verbringen. Und das ist auch völlig ak-

die das dann eben nicht in Anspruch nehmen. Das muss einem

zeptabel, dass nicht jeder kann und dass es viele Menschen gibt,

einfach klar sein. Also ich glaube, die Vorstellung, dass man alle

die dann lieber professionelle Hilfe beanspruchen, als dass sie

Menschen glücklich macht mit solchen Prozessen von der muss

es selber machen. Aber es gibt natürlich auch Menschen, das ist

man sich, glaube ich freimachen. Da muss man bestimmte Vo-

dann wahrscheinlich eher ein kleiner Teil, die sich sowas durch-

raussetzungen, vor allem zeitlicher Natur mitbringen und auch

aus vorstellen können und auch Freude daran haben. Das hat

den Willen und die Lust haben sich über einen längeren Zeit-

doch sehr viel mit persönlichen Umständen und Leidenschaften,

raum in solchen Projekten zu engagieren.

Interessen und Fähigkeiten zu tun. Also will ich will damit sagen, ich glaube ein Selbstbau-Projekt ist sicherlich kein Projekt für die

ES

breite Masse. Es ist nicht so, dass dann jeder dahinkommt, son-

chitektin in der Hierarchie recht weit oben steht und, dass man

dern das ist eher eine Sparte. Das muss man ganz klar sagen.

planerisch vorgibt, wie die Leute zu leben haben und wohnen

Das andere ist, dass ich glaube, wenn man nicht mit Flüchtlingen

sollen. Und es ja durchaus schön wäre, wenn dieser Prozess

arbeitet, die rechtlichen Rahmenbedingungen sicherlich we-

mehr geöffnet wird, so dass mehr Leute ein Mitspracherecht

sentlich einfacher sind, aber wie gesagt, wir konnten ihnen z.B.

bekommen, wie sich die Welt verändern soll oder wie sich das

kein Geld bezahlen. Nicht mal 5 Euro pro Stunde. Also das heißt

Wohnen verändert.

Aktuell ist es ja so, dass der Architekt oder die Ar-

die Flüchtlinge waren unter so engen rechtlichen Rahmenbedingungen, dass wir einfach Schwierigkeiten hatten, denen das

TR

anzubieten, was für sie attraktiv gewesen wäre. Ich glaube, wenn

ständigkeit halber dazusagen, dass Architektinnen und Archi-

man mit Bürgerinnen und Bürgern zusammenarbeitet, die nicht

tekten natürlich dafür ausgebildet wurden, sowas zu tun und

unter diesen Rahmenbedingungen leben und arbeiten müssen,

deswegen auch manche Dinge besser machen können als ein

ist das sicherlich wesentlich einfacher. Aber auch da muss man

Laie. Also wenn ich ins Krankenhaus gehe und operiert werden

sagen, gerade wenn man neu baut, dass die Mitarbeit, also auch

muss, dann möchte ich auch gerne vom Arzt operiert werden

die körperliche handwerkliche Mitarbeit von Ungelernten natür-

und nicht von einem, der gerade mal partizipiert. Es ist ein biss-

lich nur begrenzt möglich ist, weil bei uns, auch unter den hohen

chen überspitzt. Ich habe größte Sympathie für solche Projek-

baurechtlichen Anforderungen, die wir zu erfüllen haben, natür-

te, aber ich würde trotzdem die Kompetenzen, die sich gute

lich nicht jeder Arbeitsschritt von Ungelernten erledigt werden

Architekten und Architekten in ihrem Berufsleben und ihrem

kann, sondern es bestimmte Dinge kann man tun und andere

Studium erworben haben, auch nicht kleinreden wollen. Die

Dinge muss man einfach Professionellen überlassen.

bringen natürlich Fähigkeiten und auch ein Wissen mit, das an-

Ja, prinzipiell schon. Man muss aber auch der Voll-

dere natürlich nicht haben. Man sollte Bürgerinnen und Bürger ES

Und wie sehen Sie den Aspekt, dass man überhaupt

auch nicht der Illusion aussetzen, dass sie das Gleiche leisten

die Beteiligten mit einbezieht? Zunächst gar nicht auf den Bau

könnten wie Architektinnen und Architekten, sondern da sollte

bezogen, sondern dass zunächst jeder partizipativ seine Vor-

von vornherein klar sein, dass es ein kooperatives Verhältnis ist,

schläge bringen kann, speziell auch die Leute, die das Gebäude

wo die Laien aufgefordert sind, ihre Wünsche oder auch ihre

letztendlich nutzen oder auch nur in der Umgebung wohnen?

Vorstellungen oder Ideen einzubringen. Dass aber auch klar sein

Sollte man diese Menschen mit einbeziehen?

muss, dass es Fachleute gibt, die bestimmte Dinge aber auch am Ende fachlich besser beurteilen können. Und ich glaube, da

TR

Ja, natürlich ist das möglich. Da gibt es ja auch mitt-

geht es auch darum, gleich zu Anfang einfach klarzumachen,

lerweile genügend Beispiele, die auch zeigen, wie gut das geht

wie diese Zusammenarbeit funktionieren kann. Und der zweite

und auch welche Schwierigkeiten das mit sich bringt. Da ist es

Punkt ist, dass Laien eine Menge gute Ideen in solche Projek-

natürlich ähnlich wie beim Bauen. Also ich glaube, sich an der

te einbringen können, auch gerade wenn es darum geht, auch

Planung zu beteiligen. Da ist die Hürde vielleicht sogar geringer,

örtliches Wissen mit einzubringen, was ja vielleicht die professi-

weil da muss ich keine handwerklichen Fähigkeiten mitbringen,

onellen Planerinnen und Planer gar nicht mitbringen, wenn sie

sondern kann im einfachsten Fall einfach meine Meinung sagen.

nicht vor Ort sich auskennen. Ich glaube aber trotzdem gerade

Es ist ja auch hinlänglich dokumentiert in der Fachliteratur: Ein

im Wohnungsbau, dass es nicht darum gehen kann, hochgradig

partizipativer Prozess ist jetzt auch nicht einfach und problem-

individualisierte Projekte zu planen. Ich finde es im Sinne der

frei, wie man sich das vielleicht manchmal denkt oder wünscht,

Nachhaltigkeit nicht richtig, wenn Personen, die sich jetzt an ei-

sondern das sind ja dann teilweise auch langwierige Prozesse.

nem partizipativen Verfahren beteiligen, also für sich und für ihre

eigene Nutzung, hochgradig individualisierte Räume schaffen

leicht zu erfüllen sind. Etwa wenn der Umbau einen bestimm-

können, die aber später, wenn sie selber vielleicht ausziehen,

ten Umfang erreicht, Anforderungen z.B. des Wärmeschutzes

für andere gar nicht mehr attraktiv sind. Also ich glaube schon,

oder des Brandschutzes erfüllen müssen, für die dieses Haus

dass das Ziel sein muss, Räume zu schaffen, die auch für zukünf-

ursprünglich überhaupt gar nicht ausgelegt war. Also jeder, der

tige Nutzerinnen und Nutzer attraktiv sind. Es geht nicht darum,

mal selber umgebaut hat weiß das. Ich sitze hier auch gerade in

für sich selber als irgendwie das Beste rauszuholen, sondern es

einem Haus, welches saniert wurde. Da ging es uns genauso. Da

geht wirklich darum, auch langfristig ein sinnvolles Projekt zu-

wurden wir plötzlich mit Fragen konfrontiert, des Brandschutzes

sammen zu gestalten.

und der Entfluchtung. Für die war dieses Haus niemals ausgelegt. Und das heißt, man wird da mit Schwierigkeiten konfron-

ES

Und vielleicht nochmal zurück zu Abriss und Neubau

tiert, die man beim Neubau so gar nicht hat oder die man im

ganz generell. Auf dem Grundstück welches ich bearbeite, gibt

Neubau sozusagen im Prozess der Neuplanung gleich mit erle-

es Gebäude, bei denen die Stadt sagt, dass sie abgerissen wer-

digen kann. Also da sehe ich durchaus die Notwendigkeit, das

den müssen. Dabei ist das Wohnhaus eigentlich noch relativ gut

Baurecht in der ein oder anderen Stelle anzupassen, damit Um-

in Schuss und man das auch Umnutzung könnte. Und dann hört

bauen zumindest nicht unattraktiver ist als das Neubauen. Das

man immer nur: Es ist dennoch günstiger und planerisch viel ein-

gleiche gilt auch für Verordnungen wie Wärmeschutz, wo ja bis

fach, wenn man es abreißt. Sehen Sie Parameter, die man jetzt

heute ausschließlich die Betriebsenergie berechnet wird. Man

schon verändern könnte oder die es zu verändern gilt, damit der

muss ja einen Wärmeschutznachweis erbringen. Dabei geht es

Umbau einem Abriss vorgezogen wird, ohne dass es immer nur

ausschließlich darum, rechnerisch nachzuweisen, dass eine be-

an der Ökonomie scheitert.

stimmte Transmission von Wärme die Außenwände nicht überschreitet. Also ich muss das Haus dämmen oder sonst wie aus-

TR

Das ist wirklich ein zentraler Punkt meiner Meinung

statten, damit ich eine bestimmte Effizienz bei der Verwendung

nach. Also zum einen geht es natürlich um Abhängigkeitspfade,

der Betriebsenergie erreiche. Das ist ja auch alles sehr sinnvoll.

also sprich es gibt viele Menschen, die im Bauwesen tätig sind,

Was aber nicht eingerechnet wird, ist die graue Energie und das

für die es ganz persönlich ist, sagen wir mal, sinnvoller und vor-

heißt die Energie, die für Abriss und Neubau aufwende. Und

teilhafter erscheint, das so zu tun, wie man es immer schon ge-

es ist auch nicht die Energie eingerechnet, die ich zum Beispiel

macht hat, anstatt sich auf vielleicht etwas risikobehaftete, alter-

für das haushaltsnahe Verkehrsaufkommen erbringen muss. Also

native Vorgehensweisen einzulassen. Ich versuche das jetzt mal

wenn ich ein Haus auf der grünen Wiese baue, dann impliziert

so ganz neutral zu formulieren. An so einem Bauprozess sind ja

das, dass ich wahrscheinlich relativ viel im privaten PKW unter-

wahnsinnig viele Leute beteiligt, auch Leute, die jetzt überhaupt

wegs bin, um dieses Haus bewirtschaften zu können. Das wird

gar keine emotionale Bindung zu dem Projekt haben. Wenn Sie

auch nicht mit einberechnet. Es wird auch nicht mit einberech-

jetzt zum Planungsamt gehen und sich eine Baugenehmigung

net, dass ich für ein Haus auf der grünen Wiese viel technische

holen wollen, dann sind die Leute, die da im Amt sitzen, zwar

Infrastruktur zur Verfügung stellen muss. Also Erschließung, Stra-

keine schlechten Menschen, aber die haben natürlich kein per-

ßen, Kanalisation, Elektrizität, Internet und so. Das sind dann

sönliches Interesse an diesem Projekt, sondern die machen ein-

alles Dinge, die nicht einberechnet werden, wenn es um die Fra-

fach ihren Job. Warum sollte man jetzt persönliches Risiko auf

ge geht inwieweit ein Haus oder ein Bauvorhaben den Umwelt-

sich laden? Das ist natürlich auch im Handwerk so. Wenn Sie

oder Klimazielen entspricht. Würde man das tun, würde man

einen Handwerker oder Bauunternehmer fragen, der hat auch

definitiv viel mehr im Bestand bauen. Die Bundesregierung hat

kein persönliches Interesse an dem Projekt, außer, dass er damit

ja auch sehr ehrgeizige Ziele, was den Flächenverbrauch angeht.

letztlich sein Geld verdient. Den dazu zu bringen, Dinge ganz an-

Das Kuriose ist man hat ganz ehrgeizige Ziele, aber durch die

ders zu machen als sonst... Das hat sehr viel mit Gewohnheiten

aktuelle Entwicklung scheint es im Moment nahezu ausgeschlos-

zu tun oder zum Teil auch mit Abhängigkeiten oder mit Fragen

sen zu sein, dass man diese Ziele auch erreicht. Würde man das

des Risikos oder der Unberechenbarkeit, wo viele Beteiligte, die

ernst nehmen und versuchen, diese Ziele auch mit rechtlichen

keinen persönlichen Grund haben, Risikobereitschaft zu zeigen

Mitteln durchzusetzen, dann würde man wesentlich weniger auf

und eher dazu neigen, Dinge immer so zu machen, wie man

der grünen Wiese bauen dürfen und müsste viel mehr in den

sie sowieso schon immer gemacht hat und damit Risiken ein-

Bestand gehen. Das gleiche gilt für den Ressourcenverbrauch

fach auszuschließen. Das liegt einfach in der Natur dieses sehr

des Bauens. Fürs Bauen muss ich wahnsinnig viele nicht erneu-

komplizierten arbeitsteiligen Prozesses, dass da so viele Leute

erbare Ressourcen einsetzen, also mineralische Baustoffe, wie

daran beteiligt sind, für die es scheinbar keinen persönlichen

Stahl, Holz, was auch immer. Ja, gut, Holz ist erneuerbar, aber

Mehrwert gibt, sich jetzt auf andere Pfade zu begeben. Das mal

eben das meiste sind da ja eben noch mineralische Baustoffe

einen Punkt. Zweiter Punkt ist, dass unser Baurecht den Umbau

und metallische Baustoffe. Würde das irgendwo in Rechnung

zumindest indirekt benachteiligt. Ja, wenn Sie umbauen, wer-

gestellt werden, würde ich auch sehr schnell auf die Idee kom-

den Sie teilweise mit Anforderungen konfrontiert, die sind nicht

men, dass es ökonomisch viel sinnvoller ist, in den Bestand zu

gehen, als alles neu zu bauen. Aber das sind, wie man so schön

überhaupt nicht da sind. Darauf würde ich mich sehr freuen.

sagt, der in der Volkswirtschaftslehre externalisierte Kosten, d.

ES

Ja, super, dann vielen Dank für das Gespräch!

TR

Gerne.

h. da entstehen Umweltprobleme durch die Verwendung nicht erneuerbarer Ressourcen oder durch den Flächenverbrauch, die aber der Bauherr oder die Bauherrin dieses Hauses nicht tragen muss. Das muss die Allgemeinheit tragen. Würde man jetzt Modelle finden, wo der Verantwortliche oder die Verantwortliche, auch diese Umweltkosten tragen muss, dann wäre das Bauen im Bestand sicherlich auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkt viel attraktiver als das Neubauen. Da gibt es also extrem wirkungsvolle Stellschrauben. Aber diese Stellschrauben zu drehen ist halt politisch, glaube ich ziemlich heikel. Da gibt es sicherlich viele Menschen in der Politik, bei denen das sicherlich äußerst umstritten ist und ich glaube, da gibt es einfach Dinge, da traut sich auch niemand ran. Also möglich wäre das. Aber ich befürchte, es wird noch einige Jahre dauern, bis da irgendwas in Bewegung kommt, bevor die dann auch die politische Bereitschaft da ist. Weil das sind ja alles Dinge, die sehr unattraktiv sind. Damit kann man nicht unbedingt Wähler gewinnen. Vielleicht für eine grüne Wählerschaft. Also für die häufig gescholtene bürgerlich grüne Wählerschaft ist das alles akzeptabel. Aber ich glaube die Konservativen, wahrscheinlich auch die SPD, die AfD sowieso nicht. Für die sind das total heiße Eisen.

ES

Na klar. Und vielleicht die letzte Frage: Was stimmt

sie freudig, wenn sie an Architektur in der Zukunft denken?

TR

Ja, wo wir gerade beim Thema sind und da will ich

nicht missverstanden werden. Ich bin ein absoluter Verfechter zeitgenössischer Architektur und bedauere eigentlich, dass wir gerade was das Bauen angeht in einer sehr konservativen Zeit leben, wo die Architektur kaum dazu kommt, ihre auch sozial und gesellschaftlichen Potenziale auszuschöpfen. Trotzdem glaube ich und das ist für mich auch gar kein Widerspruch, dass das Umbauen vor allem auch die Architektursprache der Zukunft sein könnte. Und ich hoffe, dass dieses Schisma zwischen Neubau und Altbau aufgegeben wird. Wir haben ja jetzt knapp hundert Jahre hinter uns, wo es nur diese zwei Kategorien gibt, also entweder Neubau oder Altbauerhalt. Aber das waren zwei Kategorien, die gar nicht miteinander in Einklang zu bringen waren. Also entweder hab ich das eine gemacht oder ich habe das andere gemacht und im besten Fall hab ich eine schöne Schattenfuge dazwischen gebaut. Aber dass man sozusagen hochgradig zeitgenössische und fortschrittliche Architektur im Bestand machen kann, das passt für viele überhaupt gar nicht zusammen. Und darauf freue ich mich oder würde mich freuen, wenn das Realität werden würde, weil ich glaube, dass wir da nicht nur das Ziel des nachhaltigen Bauens erheblich mit unterstützen könnten. Sondern ich bin mir auch sicher, dass wir uns da ganz neue ästhetische Potenziale erschließen könnten wie wir auch versucht haben, in diesem Buch ein bisschen mehr rüberzubringen, die aber im Mainstream noch natürlich auch

61

ANARCHIE UND

SYNDIKALISM

> Anarchie = Ordnung, ohne Herrschaft > Syndikalismus = Weiterentwicklung des Gewerkschafts-Sozialismus

Das Hauptziel des Anarchosyndikalismus ist die revolutionäre Überwindung des Staates und der kapitalistischen Gesellschaft durch die unmittelbare Übernahme der Produktionsmittel in gewerkschaftlicher Selbstorganisation.

Durch diesen Akt soll die staaten- und klassenlose Kollektivordnung entstehen. Um dieses Ziel zu verwirklichen, ist der Anarchosyndikalismus bestrebt, die Arbeiterklasse in allen gesellschaftlichen Lebensbereichen zu organisieren und so eine wirksame Gegenmacht zu Staat und Kapital zu bilden. Der Begriff Arbeiterklasse umfasst dabei nicht nur lohnabhängig Beschäftigte (Arbeiter und Angestellte), sondern auch andere gesellschaftliche Gruppen wie z. B. Arbeitslose, Hausfrauen oder Schüler, also Gruppen, die direkt oder indirekt am gesamtgesellschaftlichen Produktionsprozess beteiligt sind.

Hauptaktionsfelder des Anarchosyndikalismus sind der Klassenkampf im Betrieb mit den Mitteln der direkten Aktion, möglichst breitenwirksame Agitation für seine Ziele und Aspekte der Kultur- und Jugendarbeit. Der Anarchosyndikalismus ist dabei stets bemüht, die Lebensbedingungen der Menschen konkret zu verbessern: Er fordert mehr Lohn, kürzere Arbeitszeiten, Gleichberechtigung und ein würdevolles Leben für alle Menschen. Sein endgültiges Ziel bleibt jedoch die soziale Revolution, weswegen reformistische Tendenzen von der Mehrheit der Anarchosyndikalisten strikt abgelehnt werden.11

Disruption schafft Freiräume, die Welt anders zu sehen und zu organisieren.

Disruption beschreibt einen nicht linearen Vorgang, welcher durch Rückkopplungsschleifen zu großen Veränderungen führen kann. („Prozess-Disruption) Beispiel: Greta Thunberg geht freitags nicht zur Schule, sondern demonstrieren. Ein Jahr später entsteht eine weltweite Bewegung, welche die bestehende Ordnung herausfordert.

Ein linearer Prozess wäre nicht in der Lage eine solche Veränderung zu bewirken. / aus dem Vortrag „Konformität und Disruption“ von Wolfgang Wopperer-Beholz Vortragsreihe „Impulse“ vom 02.06.2021

62

MUS

Abb. 10 Solidarität

Nach dem Wahlsieg der linken Volksfront 1936 versuchten rechte Putschist*innen unter Führung des Generals Franco, die Zweite Republik militärisch zu stürzen. Dieser Putsch wurde in großen Teilen des Landes von der Arbeiter*innenschaft durch bewaffnete Milizen zurückgeschlagen und zugleich mit dem Versuch beantwortet, eine flächendeckende soziale Revolution durchzuführen. Die Zahl der organisierten Anarchist*innen in Spanien lag zu dieser Zeit bei über zwei Millionen. Parallel zur militärischen Verteidigung der Republik begannen sie mit der radikalen Umgestaltung der Gesellschaft: Sie begannen mit der Kollektivierung der Schwerindustrie, der Agrarproduktion, der Verkehrsbetriebe und des Dienstleistungssektors und organisierten sich in rätedemokratischen Genossenschaften. In einigen Teilen des Landes wurde das Geld komplett abgeschafft und sowohl die Arbeit als auch der Konsum an den Bedürfnissen der Menschen orientiert. Trotz Kriegsbedingungen konnte die Produktivität der Betriebe deutlich gesteigert und so die Versorgung der Bevölkerung erheblich verbessert werden.11

Filmzitat aus „Die Grüne Lüge“ ( 2 0 1 8 ) 15

[...]

Noam Chomsky: „Das wahre Problem ist, dass wir vehement an einem Systemwechsel arbeiten müssen, der grüne Lügen überflüssig macht, indem wir Machtsysteme unter öffentliche Kontrolle stellen.“ Werner Boote:“ Was müssen wir ändern? Was sollten wir tun?

Noam Chomsky: „Wenn ein Unternehmen im Besitz seiner Belegschaft wäre, und Teil eines Sytems selbstverwalteter Körperschaften ist, die interagieren dann können seine Ziele das Gemeinwohl sein. Ein demokratisches System, mit einer demokratischen Wirtschaft, unter öffentlicher Aufsicht, würde so etwas wie Profit erwirtschaften und diesen zum Wohle der Belegschaft einsetzen. Aber nicht ein System, dass eine Welt erschafft wie jetzt. Wo nach den aktuellsten Zahlen acht Menschen gleich viel besitzen, wie die Hälfte der Weltbevölkerung. Das ist eine besondere Eigenschaft des privaten Kapitalismus.“ Kathrin Hartmann: „Also sollte eines der Ziele sein transnationale Unternehmen loszuwerden?“ Noam Chomsky: „Oder auch die Nationalen. Im Prinzip jede Form von Hierarchie.“ Werner Boote: „Aber wie wahrscheinlich ist das?“ Noam Chomsky: „Das ist als hätte man im 16.Jahrhundert gefragt: Wie wahrscheinlich ist parlamentarische Demokratie?

Jedes Thema mit dem wir im Laufe der Menschheitsgeschichte konfrontiert waren, on Sklaverei, Bürger- und Frauenrechte oder Demokratie, alles musste mühsam erkämpft werden.“ Werner Boote: „Es ist also nur eine Frage der Zeit bis diese Veränderung eintritt?“ Noam Chomsky: „Nein, überhaupt nicht. Am wahrscheinlichsten ist, wenn sich die aktuellen Tendenzen fortsetzen, die Zerstörung des organisierten, zivilisierten Leben und das nicht erst in ferner Zukunft.“ [...]

Noam Chomsky ist emeritierter Professor für Linguistik am Massachusetts Institute of Technology (MIT), und einer der weltweit bedeutendsten Intellektuellen, Syndikalist und Globalisierungskritiker.

PERSONEN ANZAHL 40 Bewohner*Innen 21 Personen externes Ehrenamt bzw Kooperationen 20 Personen externe Unterstützer (zukünftige Bewohner*Innen)

BEDÜRFNIS AUFTEILUNG Interne Kooperation Bau

Phase 4

6 Personen fest im Betrieb (inklusive Auszubildende) 3 Personen halbtags Helfer Personen Anzahl (zukünftige Bewohner*Innen) 10 Personen externe Helfer

I

Externe Kooperation Sägewerk 21 Personen externes Ehrenamt bzw Kooperationen 40 Bewohner*Innen

2 Personen fest im Betrieb 20 Personen externe Unterstützer (zukünftige Bewohner*Innen) Interne Kooperation Individuell Bedürfniss Aufteilung 2 Personen Interne Kooperation Bau 6 Personen fest imSolidarische Betrieb (inklusive Auszubildende) Ernährung + Kooperation Landwirtschaft 3 Personen halbtags Helfer 10 Personen externe Helfer (zukünftige Bewohner*Innen)

3 Personen fest 1 Personen halbtags Helfer Externe Kooperation Sägewerk 2 Personen externe Helfer (zukünftige Bewohner*Innen) 2 Personen fest im Betrieb

Erziehung + Externe PflegeKooperation Solidarische Landwirtschaft 4 Personen fest 2 Personen fest im Betrieb 3 Personen halbtags Helfer Ernährung + Landwirtschaft 2 Personen externe Helfer (zukünftige Bewohner*Innen) 3 Personen fest 1 Personen halbtags Helfer

Organisation +2Logistik + Außenarbeit Personen externe Helfer (zukünftige Bewohner*Innen) 4 Personen fest Erziehung + Pflege 3 Personen 50%

4 Personen fest 3 Personen halbtags Helfer 2 Personen externe Helfer (zukünftige Bewohner*Innen)

Anderweitige Beschäftigungen

22 Personen in Lohnarbeit Organisation + Logistik + Außenarbeit 7 Personen Vollzeit 4 Personen fest 3 Personen 50% 6 Personen Teilzeit Anderweitige Beschäftigungen 22 Personen in Lohnarbeit 7 Personen Vollzeit 6 Personen Teilzeit (Geld geht an die Gruppe)

64

I

Biomeiler kann angeschlossen werdenund wird zum Heizen genutzt

Versch Nord/ getes

04

hiedene Wohnformen für das /Süd Haus werden von 20 Personen stet - Kontrollierter Rückbau der Halle - Tore werden wiederverwendet

I I

I

Undichte Dachabdeckung wird entfernt

- Bestehende Tore werden restauriert - Mauersteine werden zur Wiederverwendung gereinigt

on

66

WOHNTESTEN

68

69

PERSONEN ANZAHL 40 Bewohner*Innen 21 Personen externes Ehrenamt bzw Kooperationen 20 Personen externe Unterstützer (zukünftige Bewohner*Innen)

BEDÜRFNIS AUFTEILUNG Interne Kooperation Bau

Phase 5

6 Personen fest im Betrieb (inklusive Auszubildende) 3 Personen halbtags Helfer Personen Anzahl (zukünftige Bewohner*Innen) 10 Personen externe Helfer Externe Kooperation Sägewerk 21 Personen externes Ehrenamt bzw Kooperationen 40 Bewohner*Innen

2 Personen fest im Betrieb 20 Personen externe Unterstützer (zukünftige Bewohner) Interne Kooperation Individuell Bedürfniss Aufteilung 2 Personen Interne Kooperation Bau 6 Personen fest imSolidarische Betrieb (inklusive Auszubildende) Ernährung + Kooperation Landwirtschaft 3 Personen halbtags Helfer

3 Personen fest 10 Personen externe Helfer (zukünftige Bewohner*Innen) 1 Personen halbtags Helfer Externe Kooperation Sägewerk 2 Personen externe Helfer (zukünftige Bewohner*Innen) 2 Personen fest im Betrieb

Erziehung + Externe PflegeKooperation Solidarische Landwirtschaft 4 Personen fest 2 Personen fest im Betrieb 3 Personen halbtags Helfer Ernährung + Landwirtschaft 2 Personen externe Helfer (zukünftige Bewohner*Innen) 3 Personen fest 1 Personen halbtags Helfer

Organisation +2Logistik + Außenarbeit Personen externe Helfer (zukünftige Bewohner*Innen) 4 Personen fest Erziehung + Pflege 3 Personen 50%

4 Personen fest 3 Personen halbtags Helfer 2 Personen externe Helfer (zukünftige Bewohner*Innen)

Anderweitige Beschäftigungen

22 Personen in Lohnarbeit Organisation + Logistik + Außenarbeit 7 Personen Vollzeit 4 Personen fest 3 Personen 50% 6 Personen Teilzeit Anderweitige Beschäftigungen 22 Personen in Lohnarbeit 7 Personen Vollzeit 6 Personen Teilzeit (Geld geht an die Gruppe)

70

05 Mit den Elementen des Testwohnens wird der Rohbau gestellt

Rohbau für ersten Bauabschnitt wird schnellstmöglich erstellt

I

I

- bestehende Halle wird neu eingedeckt - Schallschutz wird verbessert - Oberlichter werden eingesetzt

I

I

Barrierefreie Wege werden gepflastert

Halle kann weiterhin als Werkhalle genutzt werden

Abb. 11 Dipl.-Ing. Raymond Deuchert lebt in der Kommune Niederkaufungen, ist freischaffender Architekt und zertifizierter Anlagenplaner für Erneuerbarer Energien und engagiert sich als Vorstand in der EnergieGenossenschaft Niederkaufungen.

Gespräch vom 13.06.2021

KOMMUNE

INTERVIEW MIT RAYMOND DEUCHERT Name Kommune Niederkaufungen16 Wurzeln Seit 1986 Jahren besteht die Kommune in Niederkaufungen. Im Laufe des Jahres diskutierte und plante die wachsende Gruppe von anfangs 12 Personen Inhalt und Form ihrer Utopie einer Lebens- und Arbeitsgemeinschaft. Ende 1983 entstand das Grundsatzpapier, auf dessen Basis ab 1984 bundesweit nach Interessierten gesucht wurde.

Politikverständnis Letztlich beruhen die Grundsätze wie Konsens, gemeinsame Ökonomie, Auflösung kleinfamiliärer (Macht-)Strukturen auf der Idee einer anderen, nicht-hierarchischen Gesellschaft, die aus einer linken Gesellschaftsanalyse erwächst. Von links-ökologischen über marxistische, feministische bis zu anarchistischen Positionen ist alles vertreten.

Gemeinsame Ökonomie Vermögensökonomie: Unser Vermögen setzt sich zusammen aus den Geldern, die die Kommunard*Innen bei Einstieg eingebracht haben, sowie aus Krediten Alltagsökonomie: Die laufenden Einnahmen setzen sich hauptsächlich aus den Löhnen bzw. Einkünften der einzelnen Arbeitsbereiche und den Gehältern der außerhalb der Kommune Beschäftigten zusammen. Dazu kommen Honorargelder, Arbeitslosengeld und Kindergeld.

Konsensentscheidung Alle können sich an der Entschei­dungs­findung beteiligen; es gibt keine Abstimmungen; Jeder Einzelne hat ein Mitsprache- und Vetorecht. Die Form der Entscheidungsfindung ist im Laufe der Zeit mehrfach weiterentwickelt worden. Anstatt im Gesamtplenum wird seit geraumer Zeit in mehreren Plenumskleingruppen intensiver über einzelne Themen diskutiert.

Website https://www.kommune-niederkaufungen.de

ES

Was hat dich bewegt in einer Kommune zu leben?

tegien damit umzugehen, wie Leute das Problem behandeln.

Das kann man grundsätzlich auch nicht verallgemeinern. Es gibt

Das kam in den 80er-Jahren durch die Jugend- und

einfach Leute, die eher dazu tendieren sich dann zurückzuzie-

Umweltszene. Bei der Naturschutzjugend wurde ich politisiert

hen und dann gar nicht mehr in der Gruppe aufhalten und be-

und da hatten wir damals eine Großraumkomune. Das war ein

teiligen, viele Jahrzehnte teilweise. Die sind dann auch schon

Projekt das später dann in Fährden entstanden ist. Wir haben

30 Jahre dabei und haben schon hunderte Leute kommen und

uns während der Schulzeit schon vernetzt und haben gesagt:

gehen sehen. Oder die große Gruppe zerfällt dann in kleinere

Wenn wir später mal groß sind, dann gründen wir eine Kom-

Gruppen, das ist auch schon passiert. Wir haben zum Beispiel

mune. Das vernetzen war damals noch viel schwieriger ohne

einen Gemeinschafsraum mit großer Küche, wo alle zusammen

Messenger und so weiter. Wir haben dann ganz klassisch mit

Mittagessen. Man kann da grundsätzlich drei mal am Tag dort

Zeitungen gearbeitet. Aber ich bin dann nicht nach Fährden ge-

essen und viele gehen da auch einfach nicht hin oder sitzen

zogen, weil da konnte ich keine Architektur studieren, sondern

dann immer am selben Tisch mit den selben Leuten. Das wäre

nach Bremen. Und dann bin ich irgendwann in Niederkaufungen

dann schon was besonderes, wenn man plötzlich mal an einem

gelandet.

anderen Tisch sitzen würde. Das zeigt so ein bisschen, dass sich

RD

die große Gruppe dann gliedert. Der Unterschied zwischen ES

Gab es die Kommune da schon oder wurde sie da

erst gegründet?

einer Gruppe und einer Organisation ist eigentlich genau das.

Eine Gruppe funktioniert über Beziehungen. Da setzt man sich in einen Kreis und redet über alles, alle sind gleich. Und eine Or-

RD

Niederkaufungen gabs da schon lange, knapp 20

ganisation, die hat Regeln, auch Regelverstöße und Sanktionen.

Jahre, als ich dazukam. Die Komune ist mittlerweile fast 40 Jahre

Und da schwanken wir ziemlich hin und her. Eigentlich gibt es

alt, und wurde 1982 gegründet.

viele die wollen lieber eine Gruppe sein, anderseits haben wir sehr viele Regeln, weil es sonst nicht gehen würde. Und wenn

ES

Ihr seid der Kommune aktuell 80 Leute, oder? Fin-

dest du die Gruppengröße sinnvoll?

du halt eine Regel doof findest und dich nicht daran hälst, dann kannst du dich bei uns nicht mit allen zusammensetzen und sagen, dass du die Regel ändern möchtest. Dafür gibt es immer zu

RD

Ja, wir sind knapp 60 Erwachsene und 20 Kinder.

viele, die es dann trotzdem gut finden. Da haben wir ein ziemlich

Das schwankt. Das Thema ist auf vielen Ebenen wichtig und

konservatives Prinzip: Wenn irgendwas mal entschieden wurde,

interessant, auch aus architektonischer Sicht. Ich denke es ist

dann bleibt es so lange, bis man was neues entscheiden kann,

grundsätzlich eine Frage der Gliederung und des Ideals. Für

das dann alle so machen. Da müssen dann alle zustimmen im

mich persönlich ist es schön von vielen Leuten umgeben zu sein,

Konsens und wenn kein neuer Konsens gefunden wird, bleibt es

aber die Wahrnehmung ist durch die persönliche Begrenztheit

so wie es war.

beschränkt, also man sich irgendwann auch nicht mehr alles merken und auch nicht zu allen den Kontakt pflegen. Das ist

ES

schwierig. Und was besonders schwierig ist, ist gescheiterte

aufgebaut? Habt ihr eine Satzung, in der festgelegt ist, wie Ent-

Beziehungen zu heilen. Nicht nur Liebesbeziehungen, sondern

scheidungen getroffen werden?

Und wie sind die hierarchischen Strukturen bei euch

auch einfach, wenn man einen Streit hatte und dann gibt es in einer großen Gruppe, wie der unseren, ein verbreitertes Phä-

RD

nomen, dass es dann so etwas wie eine persönliche Unverträg-

hat sich teilweise auch schon verändert. Es gibt das Plenum,

lichkeit gibt. Also dass Leute teilweise einfach keinen Kontakt

dass die Entscheidungen trifft oder feststellt und die Entschei-

mehr haben, weil sie es vermeiden und das auch wirklich geht.

dungen werden an einer Plenumswand, dem Aushang aufge-

In einer kleineren Gemeinschaft bist du halt aufeinander ange-

hängt. Da werden gewisse Entscheidungen angekündigt oder

wiesen und in einer großen Gemeinschaft kann man sich einfach

vorbereitet, sowohl von Einzelpersonen, als auch von Gruppen.

aus dem Weg gehen und das ist gleichzeitig auch ein Problem.

Die Entscheidungen wird dann angenommen, wenn niemand

Ich denke es ist schon schön, wenn man so ein großes Dach

Einspruch erhebt. Das passiert tatsächlich erstaunlich oft. Hin

hat, das auch mehr als 60, sprich auch 100-200 beherbergt, und

und wieder gibt es aber auch Entscheidungen, wo es dann viel

es dann eben untergeordnet kleinere Hausgruppen gibt. In so

Dissens gibt und das kann dann teilweise viele Monate dauern.

Hausgruppen sind etwa 3-6 WGs, 8-20 Leute. Das ist so eine

Manchmal hört man dann auch einfach auf eine Entscheidung zu

Größe, wo man das Gefühl hat, da bist du zuhause. Da kannst

finden, weil keiner mehr Lust hat und dann wird eben keine Ent-

du die Kontakte halten, du kannst auch das Haus in Ordnung

scheidung getroffen. Das ist eigentlich problematisch. Deshalb

halten. Wenn irgendwas nicht in Ordnung ist, sowohl technisch,

haben wir vor einigen Jahren eingeführt, in so einem Fall noch

als auch sozial, kann man sich darum kümmern. Der Aufwand

einmal gesonderte Termine zu machen, und wenn es dann in der

steht im Verhältnis zum Nutzen. Es gibt auch verschiedene Stra-

Kleingruppe mit dem Dissens nicht klappt, das Problem aus der

Genau. Wir haben ein Entscheidungsverfahren. Das

Welt zu schaffen, dann könnte man sagen, dass wir jetzt noch

ES

zwei Monate lag sechs Treffen vereinbaren und wenn es dann im-

mer nur innerhalb eines Vereins oder gehen auch Leute ge-

mernoch nicht gelingt, dann gibt es ein systemisches Konsensie-

wöhnlicher Lohnarbeit in der der „Außenwelt“ nach?

Und arbeitet man dann innerhalb der Komune im-

ren. Das ist eine Methode, da gibt es mehrere Lösungsvorschläge, die über einen Tag lang gesammelt und vorgestellt werden.

RD

Ein Vorschlag ist immer: Es bleibt so wie es ist. Und dann hat

arbeitet geht das Geld eben in die Alltagsökonomie über.

Tatsächlich immer weniger. Wenn man „draußen“

jeder die Möglichkeit Widerstandspunkte für jeden Vorschlag zu vergeben und die sind dann meistens von 0-10. 0 bedeutet kein

ES

Widerstand und 10 ist eben ganz schlimm. Und dann wird ge-

tal mitbringe. Wie wird das geregelt?

Okay, und wenn ich neu dazukomme und Eigenkapi-

schaut welcher Vorschlag die wenigsten Punkte hat. Und in der dritten Phase versucht man dann eben aus den bestehenden

RD

Vorschlägen mit den wenigsten Widerstandspunkten eben ei-

die Vermögensökonomie. Einfach alles, was man an Vermögen

nen noch besseren Vorschlag zu machen, und die werden dann

hat oder eben auch nicht hat.

Dein Vermögen oder deine Schulden gehen über in

nochmal bewertet. Am Schluss kommt dann ein Vorschlag raus und dieser wiederum wird dann nochmal im Plenum beschlos-

ES

sen und darf nur nicht angenommen werden, wenn insgesamt

Kann man gewisse Parameter gleich zu Beginn ändern, um teil-

vier Personen ein Veto einlegen. Das ist aber noch nie passiert.

weise aus dem Kapitalismus auszusteigen und um so unabhän-

Und weil du ja noch nach den Hierarchien gefragt hast. Dieses

gig zu werden?

Weil ich mich frage, wie der Beginn aussehen kann.

Veto war eben ein sehr wichtiges Instrument, weil du eben sagen kannst: „Nein, das will ich nicht.“ Und ohne dich kann eben

RD

keine Entscheidung getroffen werden, man bekommt dadurch

dungspapier aus den 80er-Jahren war schon die Rede davon,

sehr viel Aufmerksamkeit, Leute müssen mit dir sprechen, um

dass man alle Lebensbereiche, wie Ernährung, Gesundheit, Er-

dich zu überzeugen und du dem Konsens zustimmst. Das wurde

ziehung, Medizin, Bauen und Wohnen abdeckt, aber nie so weit,

leider auch oft missbraucht, meiner Ansicht nach, weil es immer

dass wir sagen können den Stecker zu ziehen. Das fängt ja schon

einige in der Gruppe gibt, die das immer wieder anwenden.

beim Fahrrad an. Da brauchst du Stahl, das kann man in so einer

Da gibt es einfach unterschiedliche Persönlichkeitsstrukturen.

Gruppe gar nicht machen, wollten wir auch nie. Aber es gibt

Dieses Konsensieren ist da eben eine Möglichkeit, um das zu

schon sowas wie einen eigenen Wirtschaftsraum. Viele Betriebe

vermeiden oder zumindest einzugrenzen.

können hier existieren, die auf dem freien Markt keine Chan-

Also Autarkie war nie unser Thema. Also im Grün-

ce hätten, weil dadurch, dass wir sehr wenig Miete zahlen und ES

Wie geht ihr mit Geld um?

RD

Wir haben verschiedene Rechtsformen. Einmal die

beispielsweise nur knapp 100€ pro Person an Miete. Weil uns

Alltagsökonomie, das ist eine GBR. Da tun wir alle alltäglichen

das Grundstück gehört, wir viel in Eigenleistung gemacht haben

Einnahmen und Ausgaben rein. Das war früher ne Holzkiste. In-

und keiner Gewinn machen muss. Viele Sachen brauchen wir

zwischen haben viele auch Konten, aber wichtig ist hierbei, dass

auch gar nicht mehrfach, Autos zum Beispiel. Wir haben halt 10

alle Einsicht haben und sehen können, wer wie viel einnimmt

Autos für 80 Leute und 8 Waschmaschinen. Dadurch können die

und ausgibt. Jeden Monat gibt es eine Monatsabrechnung, wo

Betriebe einfach viel unproduktiver sein, als sie sein müssten. In

das aufgelistet wird. Und dann haben wir noch eine Vermögen-

der Kita und in der Tagespflege haben wir zum Beispiel einen

sökonomie. Das ist ein Verein, der besitzt die Gebäude, Grund-

sehr hohen Personalschlüssel, weil das die Mitarbeiter so möch-

stücke und auch größere Maschinen. Die Vermögensökonomie

ten. Normalerweise würde sowas nicht gehen, weil das dann zu

zahlt Miete an den Verein. Der Verein ist für Investitionen, wenn

teuer ist. Man kann hier einfach viele Sachen machen, die man

zum Beispiel irgendwas gebaut werden soll, für die Planungs-

sonst nicht machen kann. Apfelsaft pressen, Bäume schneiden,

und Baukosten verantwortlich und nimmt Kredite auf. Da gab

... Das würde man halt sonst nicht machen können, höchstens

es früher mal die Überlegung, ob man das als gemeinnützige

als Hobby. Aber da wir unser Leben so organisiert haben, geht

Genossenschaft einträgt, oder als Stiftung. Aber ein Verein ist im

das dann. Das hat auch was mit der Größe zu tun. Dieser eige-

Alltag die einfachste Form. Und dann gibt es noch verschiedene

ne Wirtschaftsraum funktioniert erst ab einer gewissen Größe.

Betriebe, in Form einer GmbH oder auch als Verein. Der Verein

Dadurch, dass es mehrere Betriebe gibt hat man eine gewisse

für Ökologie und Bildung (ÖgB) ist zum Beispiel gemeinnützig,

Resilienz gegenüber einzelnen Personen, die dann entscheiden

und der hat auch viele Geschäftsbetriebe, wie Gemüsebetriebe

ob das geht oder nicht. Da denke ich sind mindenstens 50 not-

und Kita. Das ist fast schon eine Holding, könnte man sagen

wendig. Wir haben auch so eine Art eigene private Rentenkasse,

*lacht*. Der Handwerksbetrieb ist als GmBH organisiert.

wir riestern im Prinzip und da könnten ruhig noch viel mehr Leu-

Großhandelspreise für Verbrauchsgüter bekommen, weil wir gemeinsam einkaufen, sparen wir ein Haufen Geld. Wir zahlen

te dabei sein.

lich sein, dass es verschiedene Ausprägungen zulassen muss.

ES

Ich hab das nämlich auch so angedacht zu sagen,

Es ist auch wichtig für die Selbstwirksamkeit. Wenn du das

die Leute arbeiten zwar anfangs immernoch in herkömmlicher

Gefühl hast, du kannst eh nichts machen, weil immer irgendje-

Lohnarbeit, aber eben viel reduzierter. Und die freigewordene

mand irgendwie reinredet, dann hast du irgendwie keine Lust.

Zeit, die sie haben, können sie dann mit Selbstausbau oder an-

Aber wenn du eine kleines Grundstück hast, wo du weißt du

deren interenen Betrieben, oder externen Kooperativen, etwa

musst das mit deinen 15 Leuten organisieren und nicht mit allen

die solidarische Landwirtschaft, zusammenarbeiten.

200, dann geht das irgendwie. Oder du wechselst dann, das ist dann auch wieder einfacher. Das war auch so unsere Idee, als

RD

Genau, inzwischen gibt es hier ja auch in Kassel ganz

wir eingestiegen sind mit den Kindern. Das die Kindern nicht

andere Lebensgemeinschaften. Da gibt es auch viele die bei uns

so von der Liebesbeziehung der Eltern abhängig sind. Dass es

in den Betrieben arbeiten, aber ganz wo anders wohnen, weil

verschiedene WGs gibt und das auch die Eltern sich trennen

das eben dort geht mit wenig Lohn zu arbeiten.

können und die Kinder trotzdem ihren Lebensraum behalten oder die Kinder ziehen, wenn sie größer sind in Jugend-WGs.

ES

Das wäre auch meine nächste Frage gewesen. Ob

Ich würde auch sowas wie Grundstücksgrenzen definieren und

bei euch in den Betrieben auch weitere Leute arbeiten oder nur

wirklich sagen: Das ist ein Grundstück und das gehört zu dem

ihr intern?

Haus und die können dann dort machen, was sie wollen. Auch, wie sie die Miete zum Beispiel aufbringen oder ob sie sich neue

RD

Das war ein langer, schwerer Konflikt. Am Anfang

Fenster und Türen leisten wollen und so Sachen. Obwohl das ist

war das ganz klar, dass nur Komunarden in den Betrieben ar-

schon wieder ein Grenzfall, das wäre eine Sache die eigentlich

beiten, aber wir haben relativ viele Betriebe gehabt, die haben

die gemeinsame Vermögensökonomie entscheiden sollte.

einfach nicht genug Mitarbeiter gefunden. Da muss alles passen, die meisten haben dann auch noch Familien und Kinder,

ES

da muss man dann in der Kita sehen, ob das funktionieren kann.

selbst ergeben? H at jeder ohne Konflikte einen Job gefunden,

Und dann müssen beide noch eine Arbeit finden, das ist einfach

den er gerne macht oder gab es da Probleme?

Und hat sich die Arbeitsteilung der Komune von

oft schwierig. Deswegen ist es oft einfacher, wenn man Leute von außerhalb auch anstellen kann, wobei das dann auch wieder

RD

ein Thema der Hierarchie ist, bzw. der Verantwortung. Wenn die

higkeiten. Wir inserieren auch für gewisse Aufgaben. Und es

Betriebe bei uns auf dem Gelände sind und eine Katastrophe

kommen dann auch Leute, die diese Aufgaben dann erstaunlich

passiert, wer kümmert sich dann? Das bleibt dann eben an de-

lange machen. Es gibt aber auch Leute, die nach zwei Jahren

nen hängen, die da eben wohnen und denen es praktisch ge-

lieber was anderes machen würden und das dann auch machen.

hört. Ich denke aber insgesamt ist das auch gut so. In der Zeit in

Es gibt auch niemanden, der dir irgendwas vorschreiben kann.

denen es noch keine anderen Gemeinschaft gab, war auch im-

Es gibt zwar Regeln, aber es gibt keine Exekutive, die das dann

mer das Thema, dass einige wussten wie Komune sein muss und

auch durchsetzen kann, nur Restriktionen. Es gibt eigentlich nur

wie eben auch nicht. Und wenn das dann im Nachbarort eben

soziale Kontrolle, indem man den Leuten klarmacht, dass man

eine andere Gemeinschaft ist, die das anders macht, dann sieht

doof findet, was sie gerade machen.

Beides. Wir suchen schon auch nach speziellen Fä-

man eben auch, dass es auch anders geht. Es gibt eben oft nicht nur eine Lösung, sondern mehrere Lösungen. Das ist denke ich

ES

nützlich, dass man sich dann gegenseitig mit unterschiedlichen

werben sich die Leute bei euch und ihr sucht euch welche raus?

Wie bewertet ihr dann wer neu einziehen kann? Be-

Ideen befruchtet. Deswegen finde ich auch, dass eine größere Gruppe von etwa 100 Leuten, die sich dann in Hausgruppen

RD

aufteilt, können die auch verschieden sein. Da muss nicht alles

zess. Wir sind schon recht bekannt, werden auch oft besucht

gleich sein. Viele haben einfach gerne mehr Platz und wollen

von Fernsehteams oder es wird auch zu uns geforscht. Dann

dafür auch gerne mehr arbeiten. Und andere sagen nein, wir

haben wir als ersten Schritt so eine Art Infonachmittag, eine

wollen einfach nicht so viel kaufen, leben vegan. Das verträgt

kleine Führung, dann gibt es ein Infowochenende. Das ist so

sich dann halt nicht, und gleichzeitig ist beides nicht falsch, aber

eine Art Seminar, da werden die Grundsätze der Ökonomie usw.

dann muss man woanders wohnen. Und es ist auch einfach eine

erklärt, Entscheidungsfindung, Auflösung kleinfamiliärer Struk-

persönliche Entwicklung, dass manche so sind und andere sind

turen, ... Wenn die Leute das dann immernoch gut finden, dann

anders und das muss dann für immer so bleiben. Im Gegenteil,

können sie zum Probewohnen kommen. Das Seminar findet im

alle verändern sich ja. Ich habe zum Beispiel auch zehn Jahre in

Tageshaus statt, da hat man gar nicht so viel Kontakt zu den

einem kleinen Zimmer gewohnt und jetzt langsam möchte ich

Komunarden und beim der Kennenlernwoche, da wohnt man

auch mal ein bisschen mehr Platz haben und hätte auch gerne

schon richtig in der Gemeinschaft und arbeitet in den Arbeits-

ein bisschen mehr Geld vielleicht. Das denke ich sollte mög-

bereichen, die einen interessieren. Dieser Prozess bis zum voll-

Wir haben einen recht komplizierten Einstiegspro-

ständigen Umstieg, der dauert schon bis zu einem Jahr. Solange

RD

bis dir ein Person klar ist, was will ich eigentlich genau machen.

dass auch innen gebaut wird. Dafür braucht man dann natürlich

Dann gibt es so einen Probezeitantrag. Wie so eine Bewerbung,

auch keine Firma, ist ja auch teuer. Haftpflichtversicherung und

wo man draufschreibt, was man so mitbringt an Fähigkeiten und

was man dann alles braucht. Deswegen haben wir unsere inter-

Interessen, was sie so machen würden. Und zu diesem Probe-

nen Baustellen meistens in Eigenleistung erbracht. Und natürlich

zeitantrag kriegt man eine Tüte, da müssen dann alle Komunar-

haben Firmen auch geholfen, oder Materialeinkäufe gemacht

den etwas zu schreiben. Manche schreiben auch einfach nur: „Ist

oder wir haben uns Maschinen geliehen. Am Anfang haben das

in Ordnung“. Viele schreiben dann aber auch ein paar Zeilen,

die Firmen auch noch so nebenher mitgemacht, aber das geht

dass sie das schön finden oder eben auch nicht. Kommt auch

auch nicht auf Dauer und dann haben sie begonnen Rechnun-

oft vor, dass dann irgendwelche Probleme auftauchen und das

gen zu schreiben. Dann schreibt halt die KOMBAU eine Rech-

soll dann möglichst zu Beginn der Probezeit angesprochen wer-

nung an den Komune.EV und der bezahlt dann die Rechnung.

Doch, doch. Es kommt auch immer mal wieder vor,

den. Damit man dann nicht einzieht, seine Arbeit gekündigt hat und man sich es dann im Zusammenwohnen überhaupt nicht

ES

vorstellen kann. Dann gibt es drei Monate Probezeit, die kann

ist wie ihr baut?

Gibt es irgendwelche Kriterien, in denen festgelegt

man dann aber auch verlängern, um nochmal drei Monate. Von beiden Seiten aus. Bis dann der Einstieg stattfindet, das ist dann

RD

quasi wie heiraten, also für immer und alles was man hat geht

ökologischen Anspruch, aber da sind wir bestimmt schon lange

über in die Gemeinschaft der Komune, sprich auch das was man

nicht mehr die Speerspitze der Bewegung, wie in den 80ern.

erbt usw. Wir sind eben auch eine Vermögensgemeinschaft.

Das war damals vielleicht innovativ, ist aber heute einfach Stand

Nein, absolut nicht. Wir haben natürlich schon einen

der Technik. Das hängt einfach auch sehr von den Leute ab, die ES

Und was ist, wenn jetzt doch jemand mal wieder aus-

steigen möchte. Quasi die Scheidung anreicht?

das dann machen. Wenn es ein Projekt gibt, dann gibt es ja eine Projektgruppe, die sich zusammenfindet und auch die entsprechenden Entscheidungen vorbereitet. Das ist sehr individuell.

RD

Dann gibt es Ausstiegsverträge. Das hat auch eine

lange Geschichte. Am Anfang war das eher so, dass man Start-

Nimmt man jetzt den Putz oder den Putz? Das sollen einfach die Leute entscheiden, die das dann gerade bearbeiten.

geld für die ersten sechs Monate kriegen soll. Damals waren ES

Habt ihr ein bestimmtes Energiekonzept?

mit der Zeit auch ein bisschen geändert, dass Leute mal öfter

RD

Damals war das einfach sehr innovativ. Eine Stück-

krank sind usw. Das war auch ein Teil des Gründungsgedanken,

holzheizung, die haben wir auch immernoch und dann gibt

dieser Sozialisierungsgedanke, wirklich auch Geld zu sozialisie-

es noch ein BHKW mit Erdgas. Vor acht Jahren haben wir das

ren. Wir sind keine Zugewinngemeinschaft, also keiner muss

dann irgendwann mal erneuert, da war das dann noch okay mit

Angst haben, dass er mit weniger rausgeht als mit dem was er

Erdgas zu heizen als Brückentechnologie. Das sehen wir aber

einbringt. Der Ausstiegsvertrag hat eher die Idee: Was brauchst

inzwischen anders und haben begonnen darüber nachzuden-

du zum Weiterleben oder um dir ein neues Leben aufzubauen?

ken, dass wir das eigentlich ändern müssten. Da gibt es aber

Und nicht was hast du geleistet oder was hast du mitgebracht.

noch kein Konzept. Es wird wohl darauf hinauslaufen, dass wir

Es gibt also nicht sowas wie eine Abfindung, sondern es ist eher

auch mehr Solarthermie haben werden und Energie speichern

eine Starthilfe.

müssen. Unser Wärmespeicher ist schon fast zu klein. Wir haben

ja noch alle Leute jung und gesund, da braucht man nicht viel Geld und macht sich allgemein weniger Sorgen. Das hat sich

jetzt ein Haus vor zehn Jahren dazugekauft, dass so ein bisschen ES

Es gibt bei euch ja auch die KOMBAU-GmbH, die für

weiter weg ist. Da haben wir ein Sonnenhauskonzept umgesetzt,

das Bauen zuständig ist. Wie strukturiert sich dieser Betrieb oder

das funktioniert mit Solarthermie und einem Speicher im Kel-

was macht er genau?

ler. Und dann haben wir noch eine Photovoltaik-Anlage, aber die ist nur für den Verkauf gedacht. Also der produzierte Strom

RD

Zurzeit ist die KOMBAU eher klein geworden. Es

wird verkauft, damals gab es noch eine größere EEG-Förderung.

sind nur noch drei Leute, zwei Schreiner und ein Schlosser und

Dein eigenen Strom beziehen wir aus dem BHKW. Aber ja, mit

die haben eine Schreinerei und eine Schlosserei und bauen

dem Erdgas müssen wir nochmal schauen. Wir könnten natürlich

momentan eher außerhalb. Die waren aber auch schon mal zu

auch Biogas beziehen, aber das ist nicht so einfach. Da muss

sechst und hatten, dann auch eine Art Zimmerei betrieben, ha-

man darauf achten, dass man nicht den Lebensmittelerzeugern

ben Zellulosedämmung selber hergestellt.

Konkurrenz macht sonst hat man das selbe Problem wie beim Biosprit. Lange Zeit haben wir auch einen Biodiesel gefahren,

ES

Sprich auf dem Grundstück wir momentan gar nicht

viel selber gebaut?

aber das gibt es jetzt auch nicht mehr.

ES

Und wie funktioniert es mit der Selbstversorgung?

ES

Könntest du dir die Rolle des Architekten auf der

Du meintest ja ihr kauft beim Großhandel ein, aber ihr pflanzt

Baustelle auch eher als einen Planungsbegleiter vorstellen. Also

auch selber an, oder?

dass man den Bauprozess natürlich begleitet und plant, aber der Ausbau und auch einige Entscheidungen durch die Hausge-

RD

Genau, wir haben so einen Aussiedlerhof irgend-

meinschaft erfolgen?

wann dazugekauft vor 20 Jahren. Da gibt es Milchkühe und produzieren da Milch, Fleisch und Käse. Der wird vor allem ver-

RD

kauft, speziell der Käsebetrieb. Und die Milch und das Fleisch

Das muss jemand planen und dann muss danach gebaut wer-

essen wir meistens selber, deswegen essen wir auch wirklich viel

den. Das ist oft ein Problem in einem solchen Prozess. Als Planer

Fleisch. *lacht* Gemüse wird auch regelmäßig dazugekauft, da

wird man dann zum Moderator oder zum Protokollanten.

Im Prinzip schon. Planung an sich ist hierarchisch.

sind wir auch ein bisschen abhängig von den Saisonen. Tomaten zum Beispiel gibt es nur von Juni bis September. Da kaufen wir

ES

dann auch schon mal Tomaten dazu oder Kartoffeln und Karot-

bringen, die dann gemeinschaftlich diskutiert werden. Und na-

ten. Wir haben eben auch eine Küche, die dann für alle kocht,

türlich klammert das auch Entscheidungen aus, die man als Laie

also auch für die Kita, für die Tagesbetreuung oder auch Cate-

gar nicht wissen kann.

Genau, man könnte zum Beispiel gute Vorschläge

ring.

RD ES

Das heißt auch, dass es in den Hausgruppen gar kei-

ne eigenen Küchen mehr gibt?

Das ist einfach ein erheblicher Kommunikationsauf-

wand, damit man auch die Planungsschritte der HOAI sorgfältig durchdiskutiert. Das hat natürlich auch seine Grenzen. Viele Laien denken auch immer sehr vom Detail aus oder sie sehen

RG

Am Anfang war das tatsächlich auch so. Aber das

gerade ein Problem und möchten das dann gelöst sehen. Aber

hat nicht lang gehalten. Die Leute hatten dann einfach ir-

sowas wie eine Geländeplanung oder ein Flächennutzungs-

gendwann einen Wasserkocher und später einen kleinen

plan... das interessiert die wenigsten. Das ist dann schwierig,

Herd und Kühlschrank. Und inzwischen haben alle Haus-

da weiter zu kommen. Das ist ein Wechselspiel mit der Gemein-

gruppen Küchen. Das Wohnen allgemein ist auch kein so

schaft, aber vielleicht auch gar nicht schlecht. Ich habe früher

einfaches Thema. Es gab zu Beginn, wie gesagt, diese Groß-

auch mit vielen Kollegen von außen zusammengearbeitet. Das

WGs mit jeweils 8 Leuten. Irgendwann hat sich die Wohn-

ist auch manchmal gar nicht so schlecht, dass einer von außen

fläche dann auch vergrößert, aber wir sind dann nicht unbe-

ein bisschen effizienter durchentscheidet und die Gruppe diszi-

dingt mehr Leute geworden und haben jetzt einfach mehr

pliniert. Wenn du der einzige Planer innerhalb der Gruppe bist,

Platz. Das ist ja ohnehin gesellschaftlicher Trend *lacht*

dann hast du es schwer, weil viele sich auch versuchen an dieser Hierarchie abzuarbeiten. Ich kann auch gut planen, bin auch kre-

ES

Und was hast du dir heute für eine arbeitsteilige Auf-

ativ und will das auch zeigen oder sowas.

gabe herausgesucht?

ES RG

Ich mache alles mögliche. Bin ja auch Architekt und

habe früher auch mehr intern geplant und mittlerweile plane

Als vielleicht letzte Frage: Welche positiven oder ne-

gativen Erfahrungen würdest du einer Gruppe, die sich gerade versucht zu organisieren, mit auf den Weg zu geben?

ich auch eher extern. Außerdem bin ich Vorstand der Energiegenossenschaft, mache auch viel politische Sachen. Hier soll

RD

ja eine Autobahn gebaut werden, die A44, und da engagiere

zu entscheiden so zu leben. Also die Idee: „Wir tun uns hier

mich in einem Verein namens „Spurwechsel“, der sich für eine

zusammen und machen es anders.“ Das geht nicht so einfach.

Verkehrswende durch Lastenräder und CarSharing usw. einsetzt.

Vielleicht kann man sich ein paar Jahre anstrengen und diesen

Sowas beschäftigt mich. Außerdem sammel ich das Regenwas-

sozialistischen Gedanken vom neuen Mensch durchziehen, aber

ser für die Gemüsebewässerung. So Sachen interessieren mich

das Problem ist einfach, dass viele an ihre Grenzen stoßen. Wir

einfach mehr. Einfach Sachen für irgendwelche Häuslebauer zu

sind einfach nicht alle erleuchtet, jeder hat einen Defekt. Und

bauen, da hab ich einfach keine Lust zu. Manchmal kommen

das ist das was uns auch am meisten beschäftigt und behindert.

auch andere Gemeinschaften, die z.B. ein Brandschutzproblem

Die Konflikte gehen um diese Dinge. Das ist einfach wichtig

haben. Die kommen dann zu mir oder ich mach dann mal einen

gnädig mit sich selbst zu sein und zu merken, das braucht ein-

Bauantrag oder so Sachen. Das mach ich dann hin und wieder,

fach Zeit.

Was ich hier gelernt habe ist, dass es nicht reicht sich

merke aber dann immer ziemlich schnell, dass ich da wieder raus möchte. Ich bin jetzt nicht Teil eines Kollektives, da ist das auch

ES

Super. Vielen Dank für das Gespräch.

RD

Gerne, hat mich gefreut!

viel schwieriger, mit den individuellen Entscheidungen. Ich bin da eher sozusagen freischaffend. *lacht*

Gedankenexperiment 1: Degrowth wird als Entscheidung interpretiert, das momentane globale BIP auf dem gegenwärtigen Niveau zu halten.

Aktuelle Lage zum Einkommen weltweit: 15% der Weltbevölkerung: Einkommen unter 1,90 US-Dollar / Tag 25% der Weltbevölkerung: Einkommen unter 2,50 US-Dollar / Tag > Folge: Werden die Einkommen nicht umverteilt, werden dauerhaft 25% der Weltbevölkerung in extremer Armut zu leben.

Gedankenexperiment 2: Degrowth wird als Entscheidung interpretiert, das derzeitige europäische Medianeinkommen allen Menschen weltweit zu gewähren.

Westliches Medianeinkommen von 40 US-Dollar / Tag liegt weltweit auf dem 91.Perzentil der globalen Einkommensverteilung. > Folge: Das jetzige BIP wird 2,7-fach überschritten, somit nicht möglich.

Gedankenexperiment 3: Degrowth wird als Entscheidung interpretiert, das derzeitige 13.Perzentil des europäische Medianeinkommen (15 US-Dollar / Tag) auf alle Menschen weltweit gleichmäßig aufzuteilen.

Das entspricht im globalen Durchschnittseinkommen dem 73.Perzentil.

73% der Weltbevölkerung würden daher aufsteigen, 27% der Bevölkerung hauptsächlich im „Westen“ würden abgeben. > Folge: Der durchschnittliche Europäer müsste 2/3 seines Einkommen abgeben, das globale Dezil 80%, die reichsten 5% müssten 84% abgeben.

Die Degrowth-Illusion von Branko Milanovic 19

78

DEGROWTH „Die Degrowth-Idee entspringt der wachstumskritischen Debatte. Wirtschaftswachstum wird als Problem eingestuft und nicht als Lösungsweg für soziale und ökologische Probleme. Technologische Innovationen und die Steigerung von Ressourcen- und Energieeffizienz würden nicht ausreichen, weil Rebound-Effekte auftreten, die die Produktion und den Konsum steigern und somit zu noch mehr Umweltverbrauch führen. Degrowth richtet sich in seiner Kritik gegen die neoliberale ökonomische Theorie und Praxis auch gegen das Konzept der nachhaltigen Entwicklung. Jede Form von zusätzlichem Wirtschaftswachstum, sei es nachhaltiger, grüner oder sozialer, legitimiere die Fortführung des Status Quo und lenke vom Widerspruch ab, dass BIP-Wachstum und eine Renaturierung auf ein nachhaltiges Niveau nicht miteinander vereinbar sind.17

Commons und Degrowth Degrowth: wachstumskritische Gegenbewegung Commoning: alternative Welt, in der unsere Lebensbedingungen auf eine nicht kapitalistische Art (re) produziert werden, jenseits von Wachstumszwängen.

Gemeinsamkeiten: Commoning ist bei der Formulierung einer Postwachstumsgesellschaft vielfach als integraler Bestandteil betrachtet. Vor allem die im Degrowth-Kontext herangezogenen Überlegungen zu Buen Vivir (vgl. Acosta 2016; Muraca 2014) – dem guten Leben – weisen bemerkenswerte Ähnlichkeiten mit Commons-Ansätzen auf.

Unterschiede: Degrowth-Kreise legen den Fokus auf Resilienz und Suffizienz. Bei Commons sind diese eher implizit enthalten, als offensiv im Sinne der ökologischen Grenzen der Erde diskutiert zu werden.

Aus Commons-Perspektive kann argumentiert werden, dass Teile der Degrowth-Bewegung der kapitalistischen Verwertungslogik nicht kritisch genug gegenüberstehen, sowie zu sehr auf staatliche Steuerungsmechanismen setzen. In gewisser Weise handelt es sich hier sowohl um eine (auch in der Theorie angelegte) unterschiedliche Problemfokussierung als auch um eine andere Herangehensweise, was die Frage der Transformationsstrategie anbelangt.18

PERSONEN ANZAHL 70 Bewohner*Innen 20 Personen externes Ehrenamt bzw Kooperationen 20 Personen externe Unterstützer (zukünftige Bewohner*Innen)

BEDÜRFNIS AUFTEILUNG Interne Kooperation Bau

Phase 6

6 Personen fest im Betrieb (inklusive Auszubildende) 3 Personen halbtags Helfer Personen Anzahl (zukünftige Bewohner*Innen) 10 Personen externe Helfer Externe Kooperation Sägewerk 20 Personen externes Ehrenamt bzw Kooperationen 70 Bewohner*Innen

2 Personen fest im Betrieb 20 Personen externe Unterstützer (zukünftige Bewohner*Innen) Interne Kooperation Individuell Bedürfniss Aufteilung 15 Personen Interne Kooperation Bau 6 PersonenIndividuell fest im Betrieb (inklusive Auszubildende) Externe Kooperation 3 Personen halbtags Helfer

Personen externe Helfer (zukünftige Bewohner*Innen) 12 Personen fest10 im Betrieb

Ernährung + Kooperation Solidarische Landwirtschaft Externe Kooperation Sägewerk 2 Personen fest im Betrieb

3 Personen fest 1 Personen halbtags Helfer Interne Kooperationen Individuell 2 Personen externe Helfer (zukünftige Bewohner*Innen) 15 Personen Erziehung + Externe PflegeKooperationen Individuell 12 Personen

4 Personen fest 3 Personen halbtags Helfer Solidarische Landwirtschaft Externe Kooperation 2 Personen externe Helfer (zukünftige Bewohner*Innen) 2 Personen fest im Betrieb + Landwirtschaft OrganisationErnährung + Logistik + Außenarbeit Personen fest 4 Personen fest 31 Personen halbtags Helfer 3 Personen 50%2 Personen externe Helfer (zukünftige Bewohner*Innen)

Erziehung + Pflege Anderweitige Beschäftigungen 4 Personen fest

22 Personen in Lohnarbeit 3 Personen halbtags Helfer 2 Personen externe Helfer (zukünftige Bewohner*Innen) 7 Personen Vollzeit 6 Personen Teilzeit Organisation + Logistik + Außenarbeit 4 Personen fest 3 Personen 50%

Anderweitige Beschäftigungen 22 Personen in Lohnarbeit 7 Personen Vollzeit 6 Personen Teilzeit (Geld geht an die Gruppe)

80

I

- Verschiedene Wohnformen für das Nord/Süd Haus werden getestet - Wohnraum für weitere 20 Personen

06 I

- Innenausbau durch Bewohner*Innen - 20 Testbewohner und 10 weitere Personen können einziehen

I

Holzbaubetrieb zieht um in fertige Halle

I

I I

Elemente für zweiten Bauabschnitt werden vorgefertigt

- Bestehende Tore werden restauriert - Mauersteine werden zur Wiederverwendung gereinigt

- Kontrollierter Rückbau - Materialien werden wiederverwendet - undichte Dachabdeckung wird entfernt

+17,18

Sonnenschutz

2,49

Entwässerung

35

2%

2,60

Sonnenschutz

35

2%

2,60

Sonnenschutz

35

2%

Sonnenschutz

Deckenelement:

2,60

- Lignatur Flächenelement F60 1001x92 mit 50kg/ Splitt für Schallschutz

46

2%

3,69

restaurierte Tore

Anfahrschutz 0,00

Tragende Elemente F 60

Entwässerung Dachaufbau: (Neigung 10°)

2,30

- 3-Schichtplatten - Kanthölzer - Wärmedämmung mineralisch - Unterdachbahn - Konterlattung - Trägerlattung für Welleternit - Welleternit, kleinwellig, naturgrau gesamt:

27 mm 8 x 20 mm

50 x 60 mm 60 x 60 mm 54 mm 146 mm

Deckenelement: - Lignatur Flächenelement F60 1001x92 mit 50kg/ Splitt für Schallschutz Tragende Elemente F 60

Bodenaufbau I: mit Heizsystem Biomeiler - Massivholzdiele 36 mm - Lithotherm Formplatte (Ton) inkl. Heizrohr 45 mm - Trittschalldämmung 30 mm - Abdeckplatte Holzfaser 18 mm - Trockenschüttung 30 mm - Rieselschutz - Lagerholz 80 x 30 mm gesamt:

146 mm

Tragende Elemente F 60

Bodenaufbau II: - Massivholzdiele - Trockenestrich - Trittschalldämmung - Abdeckplatte Holzfaser - Trockenschüttung - Rieselschutz - Lagerholz gesamt:

36 mm 20 mm 30 mm 18 mm 30 mm 80 x 55 mm 146 mm

Fenster Klappladen

Tragende Elemente F 60

Oberlichter

F 60 Brandschutzverkleidung

Halle 2 - Bestand 1959

Dachaufbau Bestand: (undicht) - 2 Lagen Dachpappe geklebt - Estrich - Durisolplatten - Unterzug Ortbeton

35 mm

Wandaufbau Bestand: - gemauert? oder betoniert?

30 mm

Bodenaufbau Bestand: - Estrich - Unterbeton

40 mm 200 mm

FASSADENSCHNITT I ANSICHT

PERSONEN ANZAHL 50 Bewohner*Innen 20 Personen externes Ehrenamt bzw Kooperationen 20 Personen externe Unterstützer (zukünftige Bewohner*Innen)

BEDÜRFNIS AUFTEILUNG Interne Kooperation Bau

Phase 7

6 Personen fest im Betrieb (inklusive Auszubildende) 3 Personen halbtags Helfer Personen Anzahl (zukünftige Bewohner*Innen) 10 Personen externe Helfer Externe Kooperation Sägewerk 20 Personen externes Ehrenamt bzw Kooperationen 50 Bewohner*Innen

2 Personen fest im Betrieb 20 Personen externe Unterstützer (zukünftige Bewohner) Interne Kooperation Individuell Bedürfniss Aufteilung 10 Personen Interne Kooperation Bau 6 PersonenIndividuell fest im Betrieb (inklusive Auszubildende) Externe Kooperation 3 Personen halbtags Helfer

Personen externe Helfer (zukünftige Bewohner) 10 Personen fest10 im Betrieb

Externe Kooperation Sägewerk

Kooperation Abbau Betrieb

2 Personen fest im Betrieb

2 Personen fest im Betrieb Externe Kooperationen Individuell 10 Personen Ernährung + Kooperation Solidarische Landwirtschaft

3 Personen fest Externe Kooperation Solidarische Landwirtschaft 1 Personen halbtags Helfer 2 Personen fest im Betrieb 2 Personen externe Helfer (zukünftige Bewohner*Innen) Ernährung + Landwirtschaft

Erziehung + Pflege 3 Personen fest

1 Personen halbtags Helfer

4 Personen fest 2 Personen externe Helfer (zukünftige Bewohner) 3 Personen halbtags Helfer Erziehung + Pflege 2 Personen externe Helfer (zukünftige Bewohner*Innen) 4 Personen fest

Personen halbtags Helfer Organisation +32Logistik + Außenarbeit Personen externe Helfer (zukünftige Bewohner)

4 Personen fest Organisation + Logistik + Außenarbeit 3 Personen 50% 4 Personen fest 3 Personen 50%

Anderweitige Beschäftigungen Anderweitige Beschäftigungen 22 Personen in Lohnarbeit 22 Personen in Lohnarbeit 7 Personen Vollzeit 7 Personen Vollzeit 6 Personen Teilzeit 6 Personen Teilzeit (Geld geht an die Gruppe)

86

07 I

I

Zweiter Biomeiler wird aufgrund des erhöhten Wärmebedarfs errichtet

Rohbau für zweiten Bauabschnitt wird gestellt

88

GRUNDRISS ERDGESCHOSS

90

GRUNDRISS REGELGESCHOSS

Bodenaufbau I: mit Heizsystem Biomeiler - Massivholzdiele - Lithotherm Formplatte (Ton) inkl. Heizrohr - Trittschalldämmung - Abdeckplatte Holzfaser - Trockenschüttung - Rieselschutz - Lagerholz

36 mm 45 mm 30 mm 18 mm 30 mm 80 x 30 mm

gesamt:

146 mm

Bodenaufbau II: - Massivholzdiele - Trockenestrich - Trittschalldämmung - Abdeckplatte Holzfaser - Trockenschüttung - Rieselschutz - Lagerholz gesamt: GSEducationalVersion

92

36 mm 20 mm 30 mm 18 mm 30 mm 80 x 55 mm 146 mm

Wandaufbau: Holztafelelemente - Fassadenlattung - Konterlattung - Unterkonstruktion - MDF Platte - Holzständer mit Wärmedämmausfachung - OSB Platte - Lehmputz gesamt:

19 mm 35 mm 24 mm 40 mm 240 mm 22 mm 380 mm

AXONOMETRIE KONSTRUKTION

GROSS WG

WOHN

KLEIN WG

FAMILIEN WOHNEN

EIGENAUSBAU

95

96

97

PERSONEN ANZAHL 95 Bewohner*Innen 30 Personen externes Ehrenamt bzw Kooperationen 20 Personen externe Unterstützer (zukünftige Bewohner*Innen)

BEDÜRFNIS AUFTEILUNG Interne Kooperation Bau

Phase 8

6 Personen fest im Betrieb (inklusive Auszubildende) 3 Personen halbtags Helfer Personen Anzahl (zukünftige Bewohner*Innen) 10 Personen externe Helfer Externe Kooperation Sägewerk 30 Personen externes Ehrenamt bzw Kooperationen 95 Bewohner*Innen

2 Personen fest im Betrieb 20 Personen externe Unterstützer (zukünftige Bewohner*Innen) Interne Kooperation Individuell Bedürfniss Aufteilung 15 Personen Interne Kooperation Bau 6 PersonenIndividuell fest im Betrieb (inklusive Auszubildende) Externe Kooperation 3 Personen halbtags Helfer

Personen externe Helfer (zukünftige Bewohner*Innen) 13 Personen fest10 im Betrieb

Externe Kooperation Sägewerk

Kooperation Abbau Betrieb

2 Personen fest im Betrieb

3 Personen fest im Betrieb Interne Kooperationen Individuell

Ernährung + Kooperation Solidarische Landwirtschaft 15 Personen 3 Personen fest Externe Kooperationen Individuell 1 Personen halbtags Helfer 13 Personen 2 Personen externe Helfer (zukünftige Bewohner*Innen) Externe Kooperation Solidarische Landwirtschaft

Erziehung + Pflege 3 Personen fest im Betrieb

4 Personen fest Ernährung + Landwirtschaft 3 Personen halbtags Helfer 3 Personen fest 2 Personen externe Helfer (zukünftige Bewohner*Innen) 1 Personen halbtags Helfer 2 Personen externe Helfer (zukünftige Bewohner*Innen)

Organisation + Logistik + Außenarbeit Erziehung + Pflege

4 Personen fest 4 Personen fest 3 Personen 50%3 Personen halbtags Helfer 2 Personen externe Helfer (zukünftige Bewohner*Innen)

Anderweitige Beschäftigungen Organisation + Logistik + Außenarbeit 45 Personen in Lohnarbeit 4 Personen fest 3 Personen 50% 7 Personen Vollzeit 6 Personen Teilzeit

Anderweitige Beschäftigungen 45 Personen in Lohnarbeit 7 Personen Vollzeit 6 Personen Teilzeit (Geld geht an die Gruppe)

98

I

- Verschiedene Wohnformen für das Ost/West Haus werden getestet - Wohnraum für weitere 20 Personen

08 I

- Innenausbau durch Bewohner*Innen - 20 Testbewohner und 5 weitere Personen können einziehen

PERSONEN ANZAHL 110 Bewohner*Innen 30 Personen externes Ehrenamt bzw Kooperationen x Personen externe Unterstützer (zukünftige Bewohner*Innen)

BEDÜRFNIS AUFTEILUNG Interne Kooperation Bau

Phase 9

6 Personen fest im Betrieb (inklusive Auszubildende) 3 Personen halbtags Helfer Personen Anzahl (zukünftige Bewohner*Innen) 10 Personen externe Helfer Externe Kooperation Sägewerk 30 Personen externes Ehrenamt bzw Kooperationen 110 Bewohner*Innen

3 Personen fest im Betrieb x Personen externe Unterstützer und Interessierte Interne Kooperation Individuell Bedürfniss Aufteilung 15 Personen Interne Kooperation Bau 6 PersonenIndividuell fest im Betrieb (inklusive Auszubildende) Externe Kooperation 3 Personen halbtags Helfer

Personen externe Helfer (zukünftige Bewohner) 15 Personen fest10 im Betrieb

Externe Kooperation Sägewerk

Kooperation Abbau Betrieb

3 Personen fest im Betrieb

4 Personen fest im Betrieb Interne Kooperationen Individuell 15 Personen Ernährung + Kooperation Solidarische Landwirtschaft

5 Personen fest Externe Kooperationen Individuell 1 Personen halbtags Helfer 15 Personen 2 Personen externe Helfer (zukünftige Bewohner*Innen) Externe Kooperation Solidarische Landwirtschaft

Erziehung + Pflege 4 Personen fest im Betrieb

6 Personen fest Ernährung + Landwirtschaft 3 Personen halbtags Helfer 5 Personen fest 2 Personen externe Helfer (zukünftige Bewohner*Innen) 1 Personen halbtags Helfer 2 Personen externe Helfer (zukünftige Bewohner)

Organisation + Logistik + Außenarbeit Erziehung + Pflege

6 Personen fest 6 Personen fest 3 Personen 50%3 Personen halbtags Helfer 2 Personen externe Helfer (zukünftige Bewohner)

Anderweitige Beschäftigungen Organisation + Logistik + Außenarbeit 50 Personen in Lohnarbeit 6 Personen fest 3 Personen 50% x Personen Vollzeit x Personen Teilzeit

Anderweitige Beschäftigungen 50 Personen in Lohnarbeit x Personen Vollzeit x Personen Teilzeit (Geld geht an die Gruppe)

100

I

Rohbau wird gestellt

09 I

- Innenaußbau durch Bewohner*Innen - 20 Testbewohner*Innen und 15 weitere Personen können einziehen

rten

a bstg

O r

eile

m Bio

102

GRUNDRISS ERDGESCHOSS

104

GRUNDRISS REGELGESCHOSS

Interview Mietshäusersyndikat > Seite 30

Grundstückserwerb

Zielgröße des Grundstücksvereins

Ökonomie Finanzen

ORGANIGRAM Das öffentliche Grundstück wird für 80 Jahre an das Mietshäusersyndikat verpachtet, um ein Pilotprojekt für selbstverwaltetes Wohnen zu etablieren. Das Mietshäusersyndikat stellt das erworbene Grundstück dem Hausverein zur Verfügung. Der Hausverein verwaltet das Grundstück. Die Bewohnerschaft definiert das Regelwerk in einer Charta

Vergleichsprojekt Mietshäusersyndikatsprojekt Görzer Straße, 2021 715m2, 120.000€ Erbpachtrecht für 80 Jahre

Annahme Mietshäusersyndikatsprojekt Kattowitzer Straße, 2023 6.700m2, 1.120.000€ Erbpachtrecht für 80 Jahre

Auch in einer Commonswelt hat das erworbene Grundstück nur eine bestimmte Größe und kann damit nicht grundsätzlich allen zur freien Verfügung stehen. Gleichzeitig führt auch der Druck auf dem Wohnungsmarkt in München zur Verpflichtung einer gewissen Dichte an Bewohnern. In Zusammenarbeit mit der Stadt wird in die Satzung die verpflichtende Unterbringung von 100 Personen, eines Kindergarten und zweier Betriebe innerhalb von 10 Jahren festgelegt. > s.Quelle 7 (Dunbar-Zahl)

Es gibt zwei „Währungen“: Lohnarbeit Um die Kontakte zur wirklichen Welt zu pflegen, wird ein Teil der Gruppe für einen Teil ihrer Zeit weiterhin kapitalistischer, ausbeutender Lohnarbeit nachgehen.

Der Lohn geht anteilig zu 30% an die Gemeinschaft der Daglfinger Straße. Davon werden Investitionen getätigt, die in der Welt draußen stattfinden müssen. Gleichzeitig profitiert man von den Vorzügen der Commons-Welt, die ohne Hierarchie und Eigentum auskommt. Intern sind alle gleich.

Es gibt auch keinen Zwang zur Arbeit, sondern es gilt ein Solidaritätsprinzip. s. Quelle 3 (Kibbuz Samar, Israel) s. Quelle X (Interview mit Raymond von der Komune Niederkaufungen) Für externe Einkäufe, Investitionen, welche auf dem Grundstück oder mit Kooperativen nicht erreicht werden können.

Modell „Zeitbank“ Auf der Grundstück des Mietshäusersyndikats gilt die Zeitbank. Das Grundprinzip einer Zeitbank folgt der Idee, dass Zeit, Arbeit und Bedürfnisse aller Beteiligten gleich viel wert sind. Eine Stunde Babysitten zählt also gleich viel wie eine Stunde Altenbetreuung oder eine Stunde Buchhaltung. Dieses Wesensmerkmal von Zeitbanken steht mit den Grundannahmen des gegenwärtigen Geldsystems und des kapitalistischen Marktes in offenem Kontrast: Dort werden Zeit und Leistungen verschiedener Menschen ungleich bewertet. Zeitbanken bieten dazu eine Alternative. Sie können die Bedürfnisse der Einzelnen oder die ihres unmittelbaren Lebensumfeldes auf sozialere Weise befriedigen. s. Quelle 4 (Helsinki Zeitbank)

Interview Kommune Niederkaufungen > Seite 72

Arbeitsgruppen

108

Eine arbeitsteilige Gesellschaft schafft viele Freiheiten und erlaubt es jedem seinen individuellen Bedürfnissen nachzugehen. Wer möchte arbeitet in einer internen Arbeitsgruppe oder geht herkömmlicher Lohnarbeit nach. Keiner muss Brot backen oder sich um die Erziehung von Kindern kümmern, wenn er das nicht möchte. Wer möchte engagiert sich in einer internen Arbeitsgruppe oder geht herkömmlicher Lohnarbeit nach. Gleichzeitig profitiert man von den Anderen. Ein Austausch mit vernetzten Kooperativen bietet Anknüpfungspunkte zu anderen Gruppen. Dadurch entsteht ein sinnstiftender Bezug zu den Produkten, die hergestellt oder verbraucht werden, ein Abbau entfremdeter Arbeit, Befriedigung von Grundbedürfnisse z.T. selbst abdecken zu können, Aufwertung reproduktiver (Haus­)arbeit, Ab­bau geschlechtsspezifischer Arbeitsstrukturen.

MM Verwaltung

Bürokratische Aufgaben, an denen niemand wirklich Gefallen findet, werden in einem Routinesystem aufgeteilt. Dadurch macht keiner ganztägig Dinge, die er nicht machen möchte

Umwelt Energie

Ziel der Gruppe ist es so weit wie möglich ökologische Ansprüche zu erfüllen, welche auf der Mikroebene umgesetzt werden können. Ein struktureller Wandel der Verhältnisse wird so im kleinen vorgelebt. Die Neubauten werden in Holzbauweise errichtet. Zur Vermeidung von CO2-Emissionen werden zwei Biomeiler aufgebaut, welche durch Verrottung Wärme erzeugen.

Fallbeispiel Biomeiler > Seite 44

30-35% Hauptware > Unterzüge + Ständer 30% Bretter > Wandverkleidungen + Böden 30-35% Sägerau / Hackschnitzel > Biomeiler

Holzbau

Syndikatsbetrieb „Sägewerk“

Arbeitsgruppe „COMBAU“

Das Mietshäusersyndikat gründet mit Hilfe des Hausvereins ein Sägewerk.Der Betrieb trocknet Holz auf natürliche Weise und verkauft es ohne Gewinn an die COMBAU. Später stellt der Betrieb Holz und Bretter für sämtliche Syndikatsprojekte zur Verfügung. Überschüsse durch externe Einkäufe gehen als Solidarbeitrags an das Mietshäusersyndikat.

Das Mietshäusersyndikat fördert die Gründung eines Betriebs auf dem Grundstück, sowie einem externen Sägewerk. Der Betrieb besteht aus Facharbeitern, welche ihr Handwerk beherrschen, allerdings nicht mehr dem gewöhnlichen Druck der kapitalistischen Arbeitsweise unterstehen wollen.

Biomeiler

Interview Heimatwerker > Seite 54

Eigenleistung Bewohner

Um die Baukosten wesentlich zu senken, wird ein Teil der Gemeinschaft einen realistischen Großteil der Bauleistung in Eigenleistung erbringen. Die Arbeitsgruppe „COMBAU“ leitet den Bau in Kooperation mit der beauftragten ArchitektIn.

Ein wesentlicher Baustein und Idee des Grundstücks ist das Mitarbeiten, um wesentliche Kosten einzusparen. Es wird einen ArchitekIn beauftragt, welche die Planung leitet und in ständiger Koordination mit den Bewohnern steht.

Interview Kartoffelkombinat > Seite 46

Mitbauen

Interne Kooperative

Interne Kooperative

Interne Kooperative

Zeit Ware

Zeit Ware

Geld Ware

Externe Kooperativen

Externe Individuelle

Externe Unternehmen

Regionalökonomie Vernetzung mit externen Kooperativen.

Mitglieder des Hausvereins arbeiten in externen Kooperativen und ernten hierfür „die Früchte ihrer Arbeit“. Ziel der Gruppe ist es möglichst viele Kooperativen zu etablieren.

Währungstausch Externe Interessierte können sich jederzeit in Arbeitsgruppen engagieren.

Voraussetzung ist keine Entlohnung, aber Erwerb von Zeitgutschriften

Klassisches Modell Wenn ein Ziel anders nicht erreicht werden kann, kauft der Hausverein, als Zusammenschluss aller Mitglieder, Ware extern ein

Arbeitsgruppe „SoLaWi“ Eine Gruppe von Personen findet Gefallen daran sich bei einer solidarischen Landwirtschaft zu engagieren. So organisiert sie das Gemüse für den gesamten Hausverein.

Arbeitsgruppe „Zirkulär“ Eine Gruppe von Personen findet Gefallen daran auf Baustellen nach alten Objekte zu suchen und diese vor dem Abbruch zu retten. Durch Solidarität der Gemeinschaft muss damit kein Geld verdient werden. In einer kapitalistischen Gesellschaft ist sowas nur schwer denkbar.

109

111

III

I

Obstgarten

Biomeiler

II

112

III

I

III

Eingang

Katto

witze rs

traße

Biomeiler

Krausst

raße

113

GSEducationalVersion

mö

glic

he d

ritte

Eta

ppe

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120

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FREQUENTLY ASKED

Wer macht dann die Müllabfuhr?

In Reaktion auf den Satz „Wir tun freiwillig, was wir wichtig finden“ bricht häufig das kapitalistisch formierte Unverständnis hervor: „Unmöglich! Alle werden nur am Strand liegen und die wichtigen Arbeiten bleiben liegen.

Klar ist, dass niemand zu unangenehmen Tätigkeiten gezwungen werden kann.

Deshalb sollten die Tätigkeiten so organisiert sein, dass sie motivierend sind. Das kann bedeuten, sie zu automatisieren, zu verteilen (nicht 40 Stunden die Woche Müll abfahren, sondern beispielsweise einen halben Tag), schöner zu gestalten etc. Wir wissen, dass der menschliche Tätigkeitsantrieb zwischen Lust und Notwendigkeit oszilliert. Wir tun nicht nur, was uns Spaß macht, sondern wozu wir motiviert sind, auch wenn das Notwendige mühselig sein sollte.20

Leben wir dann nicht im Kommunismus?

Eine commons-organisierte Gesellschaft hat nichts mit einem sozialistischen, autokratischen Staatsapparat zu tun. Neben dem schwarz-weiß aus Kapitalismus und Kommunismus gibt es auch noch tausende Grauabstufungen und auch ganz andere Farben. Es geht viel mehr darum eine dezentral organisierte Gesellschaft aufzubauen, welche ohne jede Form von Hierarchie die Grundbedürfnisse der Mitglieder der Gemeinschaft befriedigt.

Wenn man keine Macht auf andere Personen ausüben kann, gibt es auch keinen Grund sich auf den eigenen Vorteil zu beziehen, sondern man sucht automatisch nach der besten Lösung für einen selber, aber auch für den anderen!

„Tut mir Leid, ich lebe lieber in einem freien System!“ Der Glaube, der Kapitalismus sei das freieste Sytem, ist tief in jedem von uns verankert. Aber was für eine Freiheit ist das eigentlich? Die Freiheit besteht darin, dass Arbeitnehmer*innen (welche ihre Arbeit eigentlich „geben“) in den allermeisten Fällen einer entfremdeten Arbeit nachgehen, Lohn zu bekommen, um sich nach Feierabend zu reproduzieren.

Die Arbeitgeber*innen profitieren von der Arbeit des Arbeitnehmers, eignen sich den entstandenen Mehrwert an, erzeugen also Profit. Diesen müssen sie aber zwangsläufig wieder investieren, da sie sonst im Konkurrenzsystem der Unternehmen nicht überleben könnten.

Ein Hamsterrad für alle Seiten, mit den Ergebnis, dass immer mehr produziert werden muss und das Kapital durch Akkumulation Schritt für Schritt in die Hände weniger gespült wird und die berühmte Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinanderklafft.

Wichtig ist dabei: Keiner tut das, weil er ein böser Mensch ist, sondern es ist im System so angelegt.

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Quelle 01 Michel Foucaults „Die Heterotopien“, Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main, 2005 Quelle 02 https://makronom.de/die-degrowth-illusion-24137 Quelle 03 https://www.gegen-hartz.de/news/hartz-iv-alle-12-minuten-geht-eine-sozialwohnung-verloren Quelle 04 Ernst Hubeli „Die neue Krise der Städte“, Rotpunktverlag, Zürich, 2020 Quelle 05 https://www.tagesspiegel.de/wissen/gebaeude-verursachen-40-prozent-der-co2-emissionen.html Quelle 06 https://derarchitektbda.de/klimaschutz/ Quelle 07 Donna Haraways, „Unruhig bleiben“, Campus Verlag GmbH, Frankfurt, 2018 Quelle 08 https://www.ris-muenchen.de/RII/RII/ris_antrag_detail.jsp?risid=6618268 Quelle 09 Daniel Loick, „Missbrauch des Eigentums“, Junius Verlag GmbH 2016 © Quelle 10 https://www.syndikat.org/de/unternehmensverbund/ Quelle 11 Anarchismus zur Einführung, Daniel Loick - Junius Verlag GmbH 2017 © Quelle 12 https://www.oekologisch-bauen.info/news/heizsysteme/biomeiler-193.html Quelle 13 https://www.kartoffelkombinat.de/blog/ Quelle 14 https://heimatwerker.nrw Quelle 15 Werner Boote „Die Grüne Lüge“ – Dokumentarfilm, Little Dream Entertainment, Österreich, 2018 Quelle 16 https://www.kommune-niederkaufungen.de Quelle 17 https://www.nachhaltigkeit.info/artikel/degrowth_1849.htm?sid=va1iio8tm9rtll0fdacooe6gk3 Quelle 18 https://commons-institut.org/commons-und-degrowth Quelle 19 https://makronom.de/die-degrowth-illusion-24137 Quelle 20 https://commonism.us/files/Sutterluetti-Meretz_Kapitalismus-aufheben.pdf

Abb. 01 https://www.artlog.net/de/kunstbulletin-6-2016/alexander-calder-fischli-weiss Abb. 02 https://www.campus.de/uploads/tx_campus/leseproben/9783593508283.pdf Abb. 03 https://jilliancrandall.net/theatricality-of-performance-systems/ Abb. 04 https://upload.wikimedia.org/wikipedia/de/timeline/sjlsv6s8wugf98d8a1wrc5kfcha10y7.png Abb. 05 https://berlin.museum-digital.de/index.php?t=objekt&suinin=1&oges=7569&navlang=pt Abb. 06 Sueddeutsche Zeitung, Samstag/Sonntag, 15.16. Mai 2021, Nr. 110 - Foto: Stephan Rumpf Abb. 07 https://native-power.de Abb. 08 https://www.xing.com/profile/Rajka_SickingerNagorni Abb. 09 https://www.staedtebau.uni-hannover.de/de/stadt-und-raumentwicklung/team/prof-tim-rieniets/ Abb. 10 https://www.anarchismus.at/anarchistische-bilder/anarchosyndikalismus Abb. 11 https://www.energiegenossenschaft-kaufungen.de/geno/index.php/ueber-uns/aktive-mitglieder

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