Kaspar hauser

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Anselm von Feuerbach Kaspar Hauser

Kaspar Hauser

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Wer war Kaspar Hauser? Diese Frage stellen sich die Menschen noch heute. Im Jahr 1828 findet man einen fremden jungen Mann auf dem Unschlittplatz in Nürnberg. Er spricht kaum, kann nicht richtig laufen und er hält einen Brief in der Hand. Hier beginnt das Rätsel. Paul Johann Anselm Ritter von Feuerbach (1775 - 1833) ist Rechtsgelehrter und interessiert sich für diesen außergewöhnlichen Fall. Er lernt Kaspar kennen und erzählt mit viel psychologischem Gespür seine Geschichte.

Anselm von Feuerbach

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ELI-Lektüren: Texte für Leser jeden Alters. Von spannenden und aktuellen Geschichten bis hin zur zeitlosen Größe der Klassiker.

-V ereinfachter und gekürzter Text mit Erklärung schwieriger Wörter als Fußnoten - Übungen zu Leseverständnis, Wortschatz und Grammatik - Übungen zur Prüfungsvorbereitung A2 - Abschlusstest

Themen Herkunft

Identität

Psychologie

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Anselm von Feuerbach

Kaspar Hauser Nacherz채hlt von Gudrun Gotzmann Illustrationen von Martina Peluso

Erwachsene

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Kaspar Hauser Anselm von Feuerbach Nacherzählt von Gudrun Gotzmann Übungen: Gudrun Gotzmann Illustrationen: Martina Peluso Redaktion: Iris Faigle ELI-Lektüren Konzeption: Paola Accattoli, Grazia Ancillani, Daniele Garbuglia (Art Director) Grafische Gestaltung Sergio Elisei Produktionsleitung Francesco Capitano Layout Diletta Brutti Fotos ELI © 2013 ELI S.r.l. B.P. 6 - 62019 Recanati - Italien Tel. +39 071 750701 Fax +39 071 977851 info@elionline.com www.elionline.com Verwendeter Schriftsatz: Monotype Dante 11,5/15 Druck in Italien: Tecnostampa Recanati - ERA 211.01 ISBN 978-88-536-1598-5 Erste Auflage Februar 2013 www.elireaders.com


Inhalt 6 8 10 18 20 27 30 38 40 48 50 58 60 68 70 78 80 86

Hauptfiguren Vor dem Lesen Kapitel 1 Aufgaben Kapitel 2 Aufgaben Kapitel 3 Aufgaben Kapitel 4 Aufgaben Kapitel 5 Aufgaben Kapitel 6 Aufgaben Kapitel 7 Aufgaben Kapitel 8 Aufgaben

Ein Fremdling in Nürnberg Kaspar unter Menschen Kaspars Leben im Gefängnis Kaspar entdeckt die Welt Umzug zu Professor Daumer Kaspars Besonderheiten Das Attentat Kaspar heute

88 Zum Weiterlesen

Paul Johann Anselm Ritter von Feuerbach

90 Zum Weiterlesen

Wer war Kaspar Hauser?

93 Zum Weiterlesen Kaspars Aktualität 94 Testen sie sich selbst 95 Syllabus

Zeichen für die Hörtexte auf der CD Anfang

Ende


Hauptfiguren

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Vor dem Lesen

Wortschatz 1 Setzen Sie die passenden Wörter ein (Es gibt für jedes Wort

eine Lücke). Stiefel • Kind • Ausdruck • Haare • Hut • sprechen • Jahre • Jacke • Augen Als Kaspar Hauser nach Nürnberg kommt, hat er einen runden roten (1) ___________ von städtischer Form auf dem Kopf. An den Füßen trägt er zerrissene (2) ___________. Über einem Hemd und einer alten Weste trägt er eine graue (3) ___________. Er ist wahrscheinlich 16 oder 17 (4) ___________ alt. Er hat hellbraune, dünne und lockige (5) ___________. Er hat klare bläuliche (6) ___________. Sein Gesicht ist fast ohne (7) ___________. Kaspar geht wie ein kleines (8) ___________. Auch kann er kaum (9) ___________.

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Welches Wort passt nicht? Streichen Sie das unpassende Wort durch. Beispiel: Kaspar 1 Gefängnis 2 lernen 3 Sinne

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fremd, kindlich, dunkel, hilflos Himmel, Käfig, Loch, Unterkunft sprechen, lesen, schreiben, schlafen, zeichnen hören, sehen, riechen, essen


Grammatik 3

Aus welchen einzelnen Substantiven setzen sich die folgenden Wörter zusammen? Nennen Sie bitte auch den bestimmten Artikel (im Singular). 1 2 3 4 5 6 7 8

der Polizeisoldat das Sonnenlicht die Spielsachen das Spiegelbild der Familientisch die Bauernhochzeit die Gartenarbeit der Regenbogen

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und und und und und und und und

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Leseverständnis 4 Welche Definition ist richtig? Kreuzen Sie an. 1 der Fremdling a ■ eine Person, die Touristen durch fremde Orte führt und ihnen Sehenswürdigkeiten erklärt b ■ eine Person, die in einem Ort niemanden kennt und von keinem gekannt wird c ■ eine Person, die in einem Ort fast alle Einwohner kennt 2 der Rittmeister a ■ der Führer einer Kavallerie b ■ ein Reitlehrer c ■ eine Person, die das Reiten lernt 3 der Turm a ■ ein hohes, meist enges Gebäude; häufig Teil einer Burg oder einer Kirche b ■ der Eingang zu einer Stadt oder einem Schloss/einer Burg c ■ eine Tür, die zum Keller eines Schlosses oder einer Burg führt

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Kapitel 1

Ein Fremdling in Nürnberg

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Der zweite Pfingsttag1 gehört in Nürnberg zu den wichtigen Feiertagen. Der größte Teil der Einwohner geht aufs Land und in die benachbarten Orte. Die Stadt wird dann, besonders bei schönem Frühlingswetter, sehr still und menschenleer. Am 26. Mai, zweiter Pfingsttag des Jahres 1828, nachmittags zwischen vier und fünf Uhr, passiert Folgendes: Ein Bürger, der auf dem sogenannten Unschlittplatz wohnt, ist vor seinem Haus und will durch das sogenannte neue Tor gehen. Er sieht ganz in seiner Nähe einen jungen Menschen, der als Bauernjunge gekleidet ist. Er steht in sehr auffallender Körperhaltung da und versucht zu laufen. Er sieht dabei aus wie ein Betrunkener. Der Bürger geht auf den Fremdling zu. Dieser hält ihm einen Brief entgegen mit der Aufschrift: An den Rittmeister bei der 4. Esgataron2 beim 6. Schwolischen Regiment3 in Nürnberg. Weil der Rittmeister ganz in der Nähe des neuen Tors wohnt, bringt der Bürger den Fremden dort hin. Ein Diener4 des Rittmeisters Wessening öffnet die Tür. Der Fremde hat den Hut auf dem Kopf und geht mit seinem Brief in der Hand auf ihn zu. Er sagt: „Ä sechtene möcht ih wähn, wie mei Vottä wähn is.5“

r Pfingsttag, e christliches Fest des Heiligen Geistes, Pentekoste Cavalleggeri (ital.) Kavallerie im Königreich Bayern 4 r Diener, - Hausangestellter e Esgataron, en eigentlich: die Eskadron oder die 5 dialektal für „Ein Sechster möchte ich werden, wie mein Vater Schwadron, kleinste Einheit der Kavallerie 3 Schwolisches Regiment, e eigentlich: die Cheveaulegers (frz.)/ [einer] gewesen ist.“ 1

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Kaspar Hauser

Der Diener fragt ihn, was er will, wer er ist und woher er kommt. Der Fremde scheint1 keine Frage zu verstehen und antwortet immer nur: „Ä sechtene möcht ih wähn, wie mei Vottä wähn is.“ Er weint, weil er starke Schmerzen hat und zeigt auf seine Füße. Er scheint Hunger und Durst zu haben und man gibt ihm ein Stückchen Fleisch. Dies spuckt er sofort wieder aus. Als er etwas Bier probiert, zeigt der denselben Abscheu2. Ein Stück schwarzes Brot und ein Glas frisches Wasser mag er sehr gern. Er scheint zu hören, ohne etwas zu verstehen. Er scheint zu sehen, ohne etwas zu bemerken3. Er scheint seine Füße zu bewegen, ohne dass er sie zum Gehen benutzen kann. Seine Sprache sind meistens Tränen4, Schmerzenslaute, unverständliche Töne oder die Worte: „Reutä wähn, wie mei Vattä wähn is5.“ Im Haus des Rittmeisters denkt man, dass er ein wilder Mensch ist, und führt ihn in den Pferdestall. Dort legt er sich sofort hin und schläft tief ein. Als der Rittmeister nach Hause kommt, erzählen ihm seine Kinder viel Seltsames über den wilden Menschen. Er geht sofort in den Pferdestall und will ihn sehen. Dieser liegt noch in einem tiefen Schlaf. Man versucht, ihn zu wecken. Man hebt ihn vom Boden auf und versucht, ihn auf die Füße zu stellen, aber er schläft weiter. Endlich macht er die Augen auf und wird wach. Er sieht den Rittmeister in seiner bunten, glänzenden Uniform und betrachtet sie mit kindischem Wohlgefallen6. Dann sagt er wieder: „Reutä wähn, wie mei Vattä wähn is.“ Herr von Wessenig kennt den fremden Burschen nicht und versteht auch den Brief nicht. Weil er auf seine Fragen nichts scheinen, schien, geschienen glauben, dass etw. so ist e oder r Abscheu (nur Sg.) Widerwille, Aversion, Ekel 3 bemerken, wahrnehmen, erkennen

e Träne, n Flüssigkeit, die aus den Augen kommt, wenn man weint dialektal für „Ein Reiter werden, wie mein Vater [einer] gewesen ist.“ 6 s Wohlgefallen (nur Sg.) Gefallen, Freude

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Anselm von Feuerbach

antwortet, ruft er die Polizei. Sie soll sich um den fremden Unbekannten kümmern. Gegen acht Uhr abends hat er den Weg zur Polizeistation zurückgelegt, der für ihn sehr schmerzvoll ist. Dort sind mehrere Beamte1 und Polizeisoldaten. Alle finden, dass er eine seltsame Erscheinung ist und fragen sich, unter welche Kategorie sie zu ordnen ist. Bei den polizeilichen Fragen „Wie heißt er? Welchen Beruf hat er? Woher kommt er? Warum ist er hier? Wo ist sein Reisepass?“ zeigt er keine Reaktion. „Ä Reutä wähn, wie mei Vottä wähn is“, „woas nit“ oder „hoam weissa!2“ sind die einzigen Worte, die er sagt. Er scheint nicht zu wissen, wo er ist. Er zeigt keine Angst, kein Befremden oder Verlegenheit, vielmehr eine fast tierische Stumpf heit3. Äußere Dinge bemerkt er nicht oder starrt sie gedankenlos an. Durch seine Tränen, sein Weinen und seine kindliche Art gewinnt er bald das Mitgefühl der Personen auf der Polizeistation. Ein Soldat bringt ihm ein Stück Fleisch und ein Glas Bier, aber er isst nur Brot zu frischem Wasser. Ein anderer gibt ihm eine Münze. Er zeigt darüber die Freude eines kleinen Kindes. Er spielt damit und ruft mehrmals: „Ross!4 Ross!“ Es scheint, dass er diese Münze einem Ross anhängen möchte. Sein ganzes Wesen5 und Verhalten ist das eines zwei- bis dreijährigen Kindes im Körper eines jungen Mannes. Die Meinungen der Polizeimänner sind darüber geteilt, ob man ihn für einen Blöd- oder Wahnsinnigen6 halten soll oder für einen Halbwilden. Einige meinen, dass der Bursche ein Betrüger7 ist. Man hat die Idee, eine Feder mit Tinte und Papier vor ihn zu legen. Man r Beamte, n hier: Angestellter bei der Polizei dialektal für „[Ich] weiß nicht.“ „ Heim weiß er.“ 3 e Stumpfheit (nur Sg.) Apathie 4 s Ross, e oder "er Reitpferd

s Wesen (nur Sg.) Charakter, Art r Blödsinnige/Wahnsinnige, n Pers., die mental zurückgeblieben/ verrückt ist 7 r Betrüger, - jd., der zu seinem Vorteil lügt

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Anselm von Feuerbach

sagt ihm, dass er schreiben soll. Er nimmt die Feder in die Hand und schreibt deutlich den Namen Kaspar Hauser Er soll auch den Namen des Ortes schreiben, aus dem er kommt. Aber er sagt nur wieder: „Reutä wähn“, „Hoam weissä“ und „Woas nit.“ Ein Polizeidiener bringt ihn auf den Turm des Vestner Tors, der für Polizeisträflinge bestimmt ist. In dem Arreststübchen1 fällt er sofort in einen tiefen Schlaf. Als Kaspar Hauser nach Nürnberg kommt, trägt er auf dem Kopf einen runden, großen roten Hut von städtischer Form. Er trägt Stiefel mit Absätzen2. Aus diesen sehen die Zehen seiner nackten Füße heraus. Sie sind ganz zerrissen und passen nicht. Über einem Hemd und einer Weste trägt er eine graue Jacke. Sie war früher ein Frack3, bei dem die Hinterteile abgeschnitten und dann wieder zusammengenäht wurden. Seine Hose sieht aus wie eine alte Reithose. In seiner Tasche findet man einen hölzernen Rosenkranz4 und mehrere religiöse Schriften. In dem Brief, der an den Rittmeister der 4. Eskadron des 6. Cheveaulegers-Regiments adressiert ist, steht Folgendes: Ich schicke Ihnen diesen Knaben. Er möchte seinem König dienen. Er heißt Kaspar. Man hat mir diesen Knaben am 7. Oktober 1812 gegeben. Ich bin selbst ein armer Tagelöhner5, ich habe selbst 10 Kinder und ich habe selbst genug zu tun. 1 s Arreststübchen, - kleine Stube/ kleines Zimmer, wo Gefangene wohnen 2 r Absatz, "e am hinteren Teil des Schuhs unter der Sohle befestigt 3 r Frack, "e lange elegante Jacke

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r Rosenkranz, "e eine Art Kette, die man zum Beten benutzt r Tagelöhner, - Arbeiter, der jeden Tag sein Gehalt bekommt

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Kaspar Hauser

Seine Mutter hat ihn mir zur Erziehung1 gegeben. Ich konnte seine Mutter nicht fragen. Ich habe niemandem gesagt, dass man mir den Knaben gegeben hat. Ich habe mir gedacht, dass ich ihn als Sohn bekommen habe. Ich habe ihn christlich erzogen. Seit 1812 habe ich ihn nicht aus dem Haus gelassen. Kein Mensch und auch er selbst weiß nicht, wo ich wohne. Lesen und Schreiben habe ich ihn schon gelehrt. Wenn man ihn fragt, was er werden will, sagt er, dass er auch ein Schwolischer werden will, wie sein Vater gewesen ist. Er weiß nicht, wo ich bin. Ich habe ihn in der Nacht weggeführt und deshalb kennt er den Weg nach Hause nicht. Ich nenne meinen Namen nicht, weil ich bestraft werden könnte. Er hat kein Geld bei sich, weil ich selbst nichts habe. Bei dem Brief liegt ein Zettel, wahrscheinlich von der gleichen Hand geschrieben: Das Kind ist schon getauft2. Es heißt Kaspar. Einen Schreibnamen müssen Sie ihm selbst geben. Sein Vater ist ein Schwolischer gewesen. Wenn er 17 Jahre alt ist, schicken Sie ihn nach Nürnberg zum 6. Schwolischen Regiment. Da ist auch sein Vater gewesen. Ich bitte um die Erziehung bis zum 17. Jahr. Geboren ist er am 30. April im Jahr 1812. Ich bin eine arme Magd und kann das Kind nicht ernähren3. Sein Vater ist gestorben. Kaspar Hauser war bei seinem Erscheinen in Nürnberg 4 Schuh4 und 9 Zoll5 groß und in seinem 16. bis 17. Lebensjahr. Ein ganz dünner 1 e Erziehung (nur Sg.) das Sorgen, Kümmern um eine Pers., meist ein Kind; 3ernähren jdm. zu essen geben 4 es gehören viele Aspekte dazu, wie z.B. das Lehren von Verhaltensformen r Schuh, - veraltete Längeneinheit: 1 Schuh = ca. 30 cm 2 5 taufen das Sakrament geben, durch das man ein Christ wird; r Zoll, - veraltete Längeneinheit: 1 Zoll = ca. 2,4 cm

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Anselm von Feuerbach

Bartwuchs überzieht Kinn und Lippen. Er hat hellbraune dünne und lockige Haare. Sein Körperbau ist kräftig und breitschultrig und ohne sichtbare Gebrechen1. Seine Haut ist sehr weiß und fein. Auch seine Beine und Arme sind fein. Die kleinen Hände sind schön geformt. So auch die Füße, die wahrscheinlich noch nie Schuhe getragen haben. Sie sind sehr weich, aber voll von frischen Blutblasen. An beiden Armen zeigen sich die Narben einer Impfung2. Sein Gesicht ist, wenn es ruhig ist, fast ohne Ausdruck. Die unteren Teile treten etwas hervor. Das gibt ihm ein tierisches Aussehen. Auch der starre Blick seiner klaren bläulichen Augen hat den Ausdruck tierischer Stumpf heit. Die Physiognomie seines Gesichts ändert sich nach einigen Monaten völlig. Der Blick gewinnt an Ausdruck und Leben und die unteren Teile treten mehr zurück. Das Weinen ist in der ersten Zeit ein hässliches Verzerren des Mundes. Bei etwas Schönem lächelt er mit einer liebenswerten Freundlichkeit. Das ist die Freude eines unschuldigen Kindes. Er weiß nicht, wie er seine Hände und Finger gebrauchen soll. Wenn andere Menschen nur einige Finger brauchen, nimmt er die ganze Hand. Er ist sehr ungeschickt3. Sein Gehen ist wie das eines Kindes, das seine ersten Laufversuche macht. Er setzt mit gehobenen Beinen den ganzen Fuß auf den Boden. Sein Oberkörper hängt nach vorn über und seine Arme sind weit ausgestreckt4. Langsam und ungeschickt bewegt er sich vorwärts. Oft fällt er in seinem Zimmer hin, der Länge nach zu Boden. Beim Aufs Gebrechen, - körperliches Problem e Impfung, en eine Person bekommt einen bestimmten Impfstoff, weil sie nicht krank werden soll 1

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ungeschickt wenn man unpräzise Bewegungen macht ausstrecken in einer geraden Position vom Körper weg halten


Kaspar Hauser

und Absteigen von Treppen muss er noch lange nach seiner Ankunft geführt werden. Bei einer gerichtsärztlichen Untersuchung1 im Jahr 1830 findet man folgende Besonderheiten, die Licht in sein Leben und sein Schicksal bringen. Dr. Osterhausen sagt, dass das Knie eine anormale Bildung hat. Beim Strecken des Unterschenkels tritt in der Regel die Kniescheibe2 hervor. Bei Hauser aber liegt sie in einer starken Vertiefung. Wenn er mit ausgestreckten Beinen in horizontaler Lage auf dem Boden sitzt, liegt das Knie so fest auf dem Boden, dass kaum ein Kartenblatt unter die Kniekehle3 zu schieben ist.

1 gerichtsärztliche Untersuchung vom Gericht veranlasste ärztliche Untersuchung; das Gericht: staatliche Institution, die über Recht und Unrecht entscheiden soll 2 e Kniescheibe, n oberer Teil des Knies 3 e Kniekehle, n unterer Teil des Knies

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AUFGABEN

START 2 - Lesen 1 Sind die folgenden Aussagen richtig (R) oder falsch (F)?

Kreuzen Sie an. Beispiel: Kaspar trägt einen Brief für den Rittmeister bei sich.

R F ✓ ■ ■

1 Der Rittmeister will Kaspar als Soldat in sein Regiment aufnehmen. ■ ■ 2 Weil Kaspars Mutter und Vater gestorben sind, hat sein Onkel ihn erzogen. ■ ■ 3 Kaspar sieht aus wie ein Jugendlicher, seine Sprache ist aber die eines kleinen Kindes. ■ ■

Schreiben 2 Bringen Sie die Wörter in die richtige Reihenfolge. Schreiben Sie die Sätze und achten Sie dabei auf die Zeichensetzung (Komma und Punkt) und Groß- und Kleinschreibung. Beispiel: einen jungen Menschen Er sieht der gekleidet ist als Bauernjunge ganz in seiner Nähe. Er sieht ganz in seiner Nähe einen jungen Menschen, der als ___________________________________________________ Bauernjunge gekleidet ist. ___________________________________________________ 1 zeigt starke Schmerzen Er weint weil er hat und auf seine Füße ___________________________________________________ 2 und will sofort in den Pferdestall Er geht ihn sehen ___________________________________________________ 3 seinen Namen Er in die Hand nimmt die Feder und deutlich schreibt ___________________________________________________ 4 Hände und Finger Er weiß nicht gebrauchen soll wie er seine ___________________________________________________

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Wortschatz 3

Finden Sie das Gegenteil zu den kursiv gedruckten Adjektiven und notieren Sie die Adjektive (in der Grundform). Beispiel: Die Stadt wird dann sehr still und ist menschenleer. laut voller Menschen ___________________________________________________ 1 Er sieht ganz in seiner Nähe einen jungen Menschen. ___________________________________________________ 2 Seine Sprache sind meistens Tränen, Schmerzenslaute und unverständliche Töne oder Worte. ___________________________________________________ 3 Dieser liegt noch in einem tiefen Schlaf. ___________________________________________________ 4 Ich bin eine arme Magd und kann das Kind nicht ernähren. ___________________________________________________

Vor dem Lesen 4 Was glauben Sie? Was passiert im nächsten Kapitel? Kreuzen Sie die Alternative an, die Sie für richtig halten. 1 A ■ Kaspar isst nur Brot und trinkt nur Wasser und hat Probleme, sich an andere Speisen zu gewöhnen. B ■ Kaspar gewöhnt sich schnell an neue Speisen. Am liebsten mag er Milch und Fleischgerichte. 2 A ■ Kaspar spielt gerne mit dem Spielzeug, das ihm die Nürnberger geschenkt haben. B ■ Kaspar beschäftigt sich nicht mit dem Spielzeug, das man ihm geschenkt hat. 3 A ■ Anfangs spricht er unverständlich und die Zuhörer müssen häufig erraten, was er sagen will. B ■ Er spricht sofort verständlich und erzählt den Nürnbergern von seiner Vergangenheit.

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Zum Weiterlesen

Paul Johann Anselm Ritter von Feuerbach Paul Johann Anselm Ritter von Feuerbach wird am 14. November 1775 in Hainichen bei Jena geboren. Er wächst in Frankfurt am Main auf, wo sein Vater Advokat ist. Ab 1792 studiert er an der Universität Jena Philosophie und ab 1796 Rechtslehre und promoviert in beiden Fächern. Er möchte ursprünglich Professor für Philosophie werden. Als er seine spätere Frau Wilhelmine Tröster kennenlernt, entscheidet er sich aber für die Rechtswissenschaft. Er glaubt, dass er als Jurist besser eine Familie ernähren kann. Paul Johann Anselm Ritter von Feuerbach

Jurist und Kriminologe 1801 wird er Professor für Recht in Jena, später in Kiel und Landshut. Er arbeitet auch als Richter. Feuerbach setzt sich für humanere Strafen und die Abschaffung der Folter ein. Er entwirft 1813 ein neues Strafgesetzbuch für das Königreich Bayern. Darin spielt die Idee, dass die Strafe als Abschreckung für potenzielle Straftäter dient, eine große Rolle. Das von ihm formulierte Prinzip „keine Strafe ohne Gesetz“ gehört zu den heutigen Justizgrundrechten. (Es bedeutet, dass eine Tat nur bestraft werden 88

kann, wenn diese Tat in einem Gesetz festgeschrieben ist.) Ab 1814 ist Feuerbach Richter in hohen Ämtern in Bamberg und Ansbach. Er wird zum Ritter (Paul Johann Anselm Ritter von Feuerbach) und zum Staatsrat ernannt. Feuerbach veröffentlicht 1828 und 1829 in zwei Bänden die Aktenmäßige Darstellungen merkwürdiger Verbrechen. Er beschreibt darin die psychologischen Hintergründe verschiedener Straftaten und leistet somit einen wichtigen Beitrag für die Kriminalpsychologie.


Syllabus Europäischer Referenzrahmen – Niveaustufe A2 Themen Herkunft Lernen, Entwicklung Fähigkeiten, Charaktereigenschaften Gefühle Schicksal Psychologie Kriminalität Sprechen sich vorstellen, Fragen formulieren, auf Fragen antworten, über Gefühle sprechen, über Farben sprechen. Grammatik Verben (Präsens, Perfekt und Präteritum), Präpositionen, Adjektive, Pronomen, Komposita, Satzverbindungen (wenn, dass, weil, trotzdem, deshalb, aber)

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Erwachsene

Lektüren

NIVEAU 1

Emanuel Schikaneder, Die Zauberflöte

NIVEAU 2

Joseph Roth, Die Kapuzinergruft Joseph von Eichendorff, Aus dem Leben eines Taugenichts Theodor Fontane, Effi Briest Anselm von Feuerbach, Kaspar Hauser

NIVEAU 3

J. W. von Goethe, Die Leiden des jungen Werther Franz Kafka, Die Verwandlung Georg Büchner, Woyzeck


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NIVEAU 2

Anselm von Feuerbach Kaspar Hauser

Kaspar Hauser

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