EINSTIEG Abi Magazin 1/2011

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Berufsporträt: Goldschmiedin

Feuer und Flamme Mit Hammer und Amboss haben Goldschmiede nichts zu tun: Bei ihnen sind statt Kraft Fingerfertigkeit und Millimeterarbeit gefragt. Genau das, was Lisa Henrich an ihrem Job so mag. Plötzlich fängt der Goldring Feuer. In der rechten Hand hält Lisa das brennende Lötrohr, mit dem sie den Ring erhitzt, mit der linken Hand führt sie langsam ein Stück Metall an das Schmuckstück heran. Grüne Flammen flackern auf, als die Schutzflüssigkeit verbrennt, in die Lisa das Gold getaucht hat. Mit einem Schlauch pustet sie Sauerstoff in das Feuer und erhöht die Temperatur, damit Gold und Metall verschmelzen können. Millimeterarbeit. „Ach, das ist doch noch gar nichts“, sagt Lisa und lächelt. „Da gibt es viel anspruchsvollere Aufgaben.“ Und das ist es auch, was ihr an dem Beruf so gefällt. Die 22-jährige Lisa Henrich ist Goldschmiedin – ihr Traumberuf. Dass sie nach dem Abitur eine Ausbildung im Handwerk machen würde, wusste sie schon als Schülerin. Sie absolvierte Praktika in einer Schreinerei und in einer Goldschmiede.

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EINSTIEG Abi I-2011

Die filigrane Arbeit mit dem wertvollen Material gefiel ihr. Nach dem Abi lernte sie als Auszubildende daher drei Jahre lang, wie man Edelmetalle auf die richtige Dicke walzt, Ringe herstellt, Ketten repariert oder Schmuck-Verschlüsse anfertigt – bis heute eine ihrer liebsten Aufgaben. „Ich mag es, wenn es kompliziert ist“, sagt Lisa. Meistens fertigt sie Schmuckstücke aber nicht neu an, sondern repariert oder ändert sie. Oft muss sie etwa die Größe von Ringen anpassen, da entweder die Finger ihrer Besitzer dicker geworden sind oder für die Finger neuer Eigentümer zu groß oder zu klein sind. Lisa gefällt auch diese Routine-Arbeit, aber am meisten Spaß bereitet es ihr, ein Stück von der Idee bis zur Fertigstellung ganz alleine umzusetzen. So hat sie es auch bei ihrem Gesellenstück gemacht: Wochenlang hatte sie gezeichnet und vorbereitet, und in der Prüfungszeit musste sie ihr Projekt

innerhalb von 32 Stunden verwirklichen. Es ist ihr gelungen, und sie ist stolz auf ihr Werk: ein Kugelschreiber aus Gold. „Ja, ich weiß, das ist ein wenig prollig“, gibt sie zu. „Aber hätte ich Silber genommen, wäre die Arbeit viel schwieriger gewesen. Mit Gold lässt sich leichter arbeiten.“ Das Material für ihr Gesellenstück musste die 22-Jährige selbst bezahlen – ein Preis, der ihr monatliches Ausbildungsgehalt bei Weitem überstieg. Aber sie wollte ihre Karriere nicht wegen des Geldes aufs Spiel setzen, sie wollte eine besonders gute Prüfung ablegen, weiter in diesem Feld arbeiten und sich vielleicht irgendwann einmal selbstständig machen: Der Schmiedeberuf war ihr Gold wert. Steffen Meyer fme@einstieg.com


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