Deutsches Theater Berlin Spielzeitbuch 2022/23

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D A S E N S E M B L E in Bildern von Maria Sturm

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Wieviel Zeit hat das Polarmeer, Frau Arndt?

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Wieviel Zeit geben und nehmen uns die digitalen Medien, Frau El Ouassil?

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Wieviel Zeit benötigt Demokratie, Frau Çalışkan?

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Wieviel Zeit verbringen wir mit unserer eigenen Endlichkeit, Herr Bernhardt?

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Wieviel Zeit für Langeweile, Herr Doehlemann?

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Wieviel Zeit noch bis zum Ende des Wachstums, Frau Zahrnt?

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Wieviel Zeit brauchen wir, um zu entschleunigen, Frau Reisch?

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Wieviel Zeit sind 90 Minuten, Herr Meyer?

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Wieviel Zeit bis zur Heißzeit, Herr Latif?

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Wieviel Zeit bis zum Frieden auf Erden, Frau Lux?

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Ulrich Khuon im Gespräch mit Sabine Rennefanz 7


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Sabine Rennefanz: 2009/10 haben Sie die Intendanz am ­Deutschen Theater übernommen. Das war 20 Jahre nach dem Mauerfall. Wie sehr war d ­ amals die Vergangenheit präsent? Ulrich Khuon: Für mich war sie sehr präsent, obwohl ich­­ keine biografischen Verknüpfungen zur DDR hatte. Ursprünglich stamme ich aus Süddeutschland, bin gebürtiger Schwabe. Bevor ich nach Berlin wechselte, war ich in Hamburg am Thalia T ­ heater, davor in Hannover. Als mein Team und ich in Berlin anfingen, haben wir uns mit dem Thema Osten sowohl im Spielplan als auch in den persönlichen ­Gesprächen im Haus intensiv beschäftigt. Das Deutsche Theater war eine der wichtigsten Bühnen der DDR, viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren schon vor 1989 dabei. Es war eine heftige Begegnung, die anstrengender war, als ich vermutet hatte. Auch schlug mir mehr Skepsis entgegen als gedacht. Sie waren der Wessi, dem man erstmal misstraute. Ja, genau. Mein Interesse wurde sehr vorsichtig und distanziert behandelt. Es wurde beobachtet: Ist das jetzt liebedienerisch oder meint er es ernst? Echtes Interesse kann man nur durch Kontinuität unter Beweis stellen. Ich würde sagen, dass mir die Belegschaft, auch die Besucherinnen und ­Besucher das inzwischen abnehmen. Das ist ein Prozess, den ich mühsam und bereichernd fand. Gleichzeitig bin ich da nirgendwo angekommen, so in dem Sinne „Jetzt habe ich alle Themen abgearbeitet und weiß alles über den Osten“. Einer meiner Rechtsprofessoren hat zu mir einmal gesagt: Je mehr man sich einem Thema nähert, desto mehr 8

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entzieht es sich. Das ist auch meine Erfahrung. Je mehr wir uns einer Frage nähern, desto mehr verstehen wir, dass sich der Kern der Fragestellung entfernt. Ich frage trotzdem: Was haben Sie gelernt? Ich habe gelernt, wie übergriffig es ist, als Westdeutscher den Ostdeutschen zu erklären, wie die DDR funktionierte. Viele Westdeutsche kamen in den Osten und fühlten sich als Retter, traten nicht selten mit einer gewissen Überheblichkeit gegenüber dem auf, was sie vorfanden. Die DDR war für sie ein gescheitertes System, und es gab nichts, was erhaltenswert war. Was diese Entwertung jedweder Erfahrungen bewirkt hat, das habe ich unterschätzt. Jedes ­Leben gelingt und scheitert auf seine Weise, das gilt für alle Menschen, in allen Systemen. Und dass es innerhalb von großen Bewegungen auch Stärken geben kann, selbst wenn sie scheitern, das wurde zu wenig gesehen. Ich denke zum Beispiel an die soziale Verbundenheit im Mikrokosmos, die unaufgeregte Nähe, die nicht unter dem Diktat der ständigen Konkurrenz stand – das finde ich schon bemerkenswert. Heute stehen wir unter einem ganz anderen Druck, auch in Bezug auf Zeit, hecheln allem hinterher, der eigenen Optimierung, dem Kampf ums Klima, den Reaktionen auf den Krieg. Den anderen nicht als Konkurrenten wahrzunehmen, sondern als Partner – es wäre schön, sich das zu erhalten oder wiederzubeleben. Als die Coronapandemie im März 2020 begann, prognostizierten Sie, dass es nach der Pandemie mit ihren Einschränkungen eine große Sehnsucht nach Kontakt, also auch nach Kultur, Musik und 9


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­Theater geben würde. Hat sich Ihre Voraussage bestätigt? Für eine Bilanz ist es zu früh. Das Theater war in den vergangenen Monaten und Jahren ein fragiler Partner: Spielpläne wurden geändert, Premieren verschoben, Vorstellungen fielen aus. Das ist dann enttäuschend für die Besucherinnen und Besucher. Aber die Sehnsucht zurückzukommen ist gewaltig. Während Ihrer Intendanz am Deutschen Theater reihte sich gesellschaftlich eine Krise an die andere: Euro-Krise, Griechenland-Krise, der erste Einmarsch in die Ukraine 2014, die Flüchtlingskrise. Wie spiegelt sich Krisenhaftigkeit im Mikrokosmos Theater? Man plant den Spielplan über einen langen Zeitraum im Bewusstsein einer gesamtgesellschaftlichen Situation. Also muss man sich darauf verlassen, dass man mit Hilfe der großen Werke und deren Inszenierungen auf die richtige Weise in die Zeit passt und überraschende Perspektiven ermöglicht. Ein gutes Beispiel, wie etwas an Intensität gewinnt, ist 4 . 4 8 P S Y C H O S E von Sarah Kane. Das Stück ist jahrzehntealt und gewinnt plötzlich neue Bedeutung für ­unsere depressive Welt. Die Selbstwahrnehmung einer männer­dominierten Welt kann man über O E D I P U S oder den Z E R B R O C H N E N K R U G aktuell spiegeln. Wir müssen nicht warten, was passiert, um anschließend dazu ein Stück zu machen. Ich glaube auch, dass das Publikum es schätzt, im Theater keine Verdoppelung der Tagesschau zu erleben. Man kann und sollte jedoch in den Sparten des Diskurses, bei den Lesungen und den Wochenend­ veranstaltungen a ­ ktuell reagieren. Nach dem Anschlag auf 10


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das französische Satiremagazin Charlie Hebdo 2015 öffneten wir das Haus und die Schauspieler:innen haben spontan in ­allen Ecken des Theaters Texte gelesen. Indem wir die Erschüt­ terung verarbeiten, die von einem Anschlag ausgeht, suchen wir den Kontakt zum Publikum in der gegenseitigen Sehnsucht sich miteinander zu verbinden. Ähnlich haben wir auf Putins Krieg gegen die Ukraine ­reagiert. Wie denn? Als Putins Armee am 24. Februar 2022 die Ukraine angriff, haben wir in den Tagen danach das Haus geöffnet und den ukrainischen Künstler:innen in Berlin Raum und unsere Bühnen gegeben. Sie sollten einen ­eigenen Ort haben, um ihre Arbeit zu zeigen. Das war weit mehr als eine einmalige Solidaritätsaktion, sondern als Reihe auf Kontinuität angelegt – von Konzerten und Diskussionen über Sze­nische Lesungen bis hin zu einem Klassenzimmerstück, das in Schulen gezeigt wird. Wir pflegen seit Jahren eine enge Zusammenarbeit mit Künstlerinnen und Künstlern aus Osteuropa, weil wir uns an einer Schnittstelle zwischen Ost und West sehen. Am Deutschen Theater findet unter anderem jährlich das Festival RADAR OST statt, mit vielen Regisseur:innen aus Osteuropa, auch aus der Ukraine. Der Zweifel an der Kraft Europas ist ein weiteres Krisenthema, das uns sehr lang schon begleitet. Im Moment wird die Anziehungskraft Europas wieder stärker, weil die EU physisch bedroht ist. Die Frage allerdings, wie man mit Demokratien umgeht, die sich selbst abschaffen und in eine autoritäre Richtung abdriften, war auch in stabileren Zeiten brennend. 11


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Mit der Orientierung nach Osteuropa hatte das DT der Mehrheitsgesellschaft etwas voraus. Wie groß war vor dem jetzigen Krieg die Resonanz? Es gab zu Beginn eher vorsichtige Neugier. Wenn der russische Regisseur Kirill Serebrennikov etwas inszeniert, ­ gibt es stets ein großes Interesse, aber mit einem Gastspiel aus Warschau oder Tiflis haben wir beim Publikum nicht immer offene Türen eingerannt. Jedoch liegt darin eben ­ auch der Reiz. Solche Kooperationen mit den Regisseurinnen und Regisseuren brauchen eine langfristige Energie. Inzwischen ist RADAR OST in Berlin angekommen und man kann es als Erfolgsgeschichte beschreiben. Draußen am Gebäude des Deutschen Theaters hing lange Zeit ein Banner in blau-gelb, den Farben der Ukraine, und darauf der Schriftzug: „We stand united“. Ist das etwas, was sich in den vergangenen Jahren entwickelt hat: der Drang zum Bekenntnis? Wir haben einen Drang zum Bekenntnis, wenn unterhalb des Bekenntnisses Räume offen bleiben. Deshalb haben wir neben dem Engagement für die Ukraine auch darum gekämpft, dass die Künstler:innen aus Russland weiterhin kommen können. Die Künste haben jenseits der Nationalität oder der Politik die Aufgabe, in ihrer Unterschiedlichkeit etwas Universelles zu suchen. Man darf Solidarität nicht mit Eindimensionalität verwechseln. Es geht darum, das Bescheidwissertum abzulegen. Im Programm für diese Spielzeit steht wieder eine Zusammenarbeit mit dem Regisseur Kirill Serebrennikov, der in Russland 12

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wegen Veruntreuung staatlicher Mittel zu einer dreijährigen Bewährungsstrafe verurteilt wurde und lange unter Hausarrest und Ausreiseverbot stand. Müssen Sie sich dafür rechtfertigen? Ich glaube schon. Aber wir sind einen langen gemeinsamen Weg mit einem Künstler gegangen, der im System Putins große Probleme hatte. Mit seinem Theater, dem Moskauer Gogol Center, gibt es auch auf Ensembleebene gewachsene Verbindungen. Ich fände es verheerend, wenn auf Dauer die Arbeit mit Künstler:innen aus Russland unmöglich gemacht würde. Auch der russische Regisseur Timofej Kuljabin wird in dieser Spielzeit erneut bei uns inszenieren. Der Länderschwerpunkt beim kommenen RADAR OST ­Festival wird allerdings die Ukraine sein. Es ist unsere Aufgabe, nach einem Dialog zu suchen. Ich agiere nicht auf einer politischen Ebene, ich habe eine kulturelle Aufgabe. Wir als Theater schaffen Bewegungen. Grenzpfähle sind ­herumzutragen, hat Brecht gesagt. Schlingensief hat gemeint, er sei eher für Zelte als für Mauern. Irgendwie neigt man in Deutschland zu Extremen. Man bewegt sich sehr schnell, zumindest nach außen. Und die Künste müssen das eher unterbrechen. Aber fordern extreme Ereignisse nicht auch schnelle Reaktionen? Ich habe gelernt, dass man manchmal nicht zögern darf, aber grundsätzlich bin ich eher skeptisch, was diese HauruckMentalität angeht. Weil ich über lange Strecken an verschiedenen Häusern gearbeitet und dabei die Erfahrung gemacht habe, dass man mit Zögern, Geduld und langsamen, aber stetigen Bewegungen häufig weiter kommt. 13


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Deshalb stehe ich auch zu „We stand united“, zu diesem Zusammenhalten. Es kann auch als Abgrenzung gegenüber den Russen gelesen werden. Im Gegenteil: Ich würde es als ein „united“ mit und zwischen ukrainischen und russischen Künstler:innen verstanden wissen wollen. Das ist momentan eine Utopie. Aber mir ist eine ausdifferenzierte Solidarität wichtig. Die Künstler:innen sind in einer Weise heimatlos in Russland und auch Belarus, wie man sich das hier nicht vorstellen kann. Dort wird vermeintlicher Ungehorsam bestraft, und das nimmt nach und nach die Luft zum Atmen. Ich persönlich habe es erst einmal erlebt, dass versucht wurde auf mich Druck auszuüben aufgrund meiner politischen Meinung, aber natürlich in ganz anderen Umständen. Deshalb urteile ich nicht über die Menschen in Russland. Sie sprechen die Angriffe der AfD an. Können Sie das nochmal erklären? Die AfD stellte in der Vergangenheit immer wieder Anträge und Forderungen, dem Deutschen Theater und anderen Häusern Mittel zu streichen. Und die Identitäre Bewegung störte bewusst Inszenierungen. Wir hatten und haben wirklich große Probleme, weil die AfD ein anderes Kultur­ verständnis hat: völkisch, nationalistisch, fremdenfeindlich und abgrenzend. Das ist eine grundsätzliche Differenz. Sich gegen diese Angriffe zu wehren, hat aber nichts Heldenhaftes. Das ist selbstverständlich. Unter anderem erwuchs 14


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nach den Erfolgen der AfD bei der Bundestagswahl 2017 die Bewegung der Vielen, bei der wir als DT auch mitmachten. Das war eine Initiative aus mehr als 4000 Kultureinrichtungen. Sie setzte sich für Diversität und Kunstfreiheit ein. Sie sind in der Nachkriegszeit, 1951, geboren. Hat der Ukraine­ Krieg bei Ihnen persönlich etwas bewirkt? Sind Kriegsängste ­hervorgekommen? Nein, ich finde den Krieg heute schockierender als das, was ich in der Kindheit erlebt habe. Die Erfahrung des Zweiten Weltkrieges war in meiner Kindheit gefühlt sehr fern. Ich wuchs in Stuttgart auf – das war eine ziemlich geschützte Ecke – und erinnere diese Jahre als extrem aufgeräumt und homogen. Ich litt unter den Regeln. Schon als Kind musste man im Anzug herumlaufen, am Kaffeetisch mit Erwachsenen still sitzen, leise sein, die strenge Etikette beachten. Ich wäre lieber draußen frei herumgelaufen, ich wollte sein wie Huckleberry Finn. Über den Weltkrieg sprach man nicht, höchstens punktuell, zum Beispiel in Bezug auf Hunger. Man schaute nicht zurück, es ging nach oben, es war so eine Wirtschaftswunderwelt. Hatten Sie später Angst vor einem Atomkrieg? Mir waren die existenziellen Fragen näher als die politischen. Albert Camus bezieht sich auf die Absurdität der Existenz im Angesicht des Todes. Die Freiheit des Menschen erweist sich, indem er gegen diese Absurdität ankämpft und dennoch das Leben gestaltet, ähnlich wie Sisyphus das tut, ­indem er immer wieder denselben Felsblock den Berg 15


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­hinaufrollt, obwohl er tags darauf wieder von vorne anfangen muss. Welche Freiheit hat man, das Leben, den Raum zu gestalten, der einem bleibt? Solche Fragen bewegten mich. Meine Beobachtungen gingen in Richtung Leere, Nicht-Geliebt-Werden, Abgelehnt-Werden, metaphysische Obdachlosigkeit. Später war ich im sozialpolitischen Arbeitskreis des Sozialistischen Hochschulbundes für Juristen. Aber auch da hat mich interessiert, wie ich beispielsweise Gefangene betreuen kann. Mein Ansatz war die Frage: Wie kann ich konkret etwas in meinem Umfeld verändern? Nicht zuletzt durch die Coronapandemie und den Ukraine-Krieg scheint es eine stärkere Polarisierung der Gesellschaft zu geben. Wie nehmen Sie das wahr? Der Diskurs hat sich verengt, die Positionen sind verhärtet. Ich verstehe schon, dass teilweise ein Vorwurf an die liberale, weitgehend wohlhabende Schicht dahin geht, dass sie alle erziehen und verbessern will und dass sie dies oft in einem sehr unzugänglichen Jargon versucht. Vielleicht kann das Theater als sinnliches Medium, das Positionen nicht nur vertritt, sondern erfahrbar macht, das erzählt und nicht b ­ elehrt, vielleicht kann dieses Theater mehr ­Offenheit bewirken. Das würde ich mir wünschen. Auch, dass wir ein stärkeres Sensorium für die existenziellen Krisen der ­jeweils anderen entwickeln. Ich beobachte, dass das Interesse der Menschen aneinander nachlässt. Vielleicht ist es eine Folge der Pandemie. Es gibt so einen Rückzug ins Private: My home office is my castle. Macht Ihnen das Sorgen? 16

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Wenn ich die Premieren, Proben und Vorstellungen bei uns im Theater erlebe, spüre ich etwas anderes. Dieses Zusammensein, diese kleinen Biotope schaffen – das ist mein Ding. Die Begegnungen im Haus und mit dem Publikum haben sich teilweise verändert, aber die Menschen sind sehr froh, wieder hier zu sein. Wenn man jeden Abend vor Netflix sitzt, will man irgendwann auch wieder etwas anderes und nicht die hundertste mittelmäßige Serie sehen. Die Klagen ­darüber, dass die Theater nicht so voll sind wie vor der ­Pandemie, ärgern mich. Wir sind zuständig dafür, die Leute wieder neugierig zu machen. Und ohne den Optimismus, der Teil meiner Lebenserfahrung ist, würde ich das nicht hinkriegen. Im Prinzip rasen wir mit wenig Zeit auf die Klimakatastrophe zu. Man könnte provokant fragen: Ist es Zeitverschwendung, ins ­Theater zu gehen? Ich merke es an mir selbst: Wenn man sich 24 Stunden nur an einer einzigen Baustelle abarbeitet, kommt man nicht weiter. Das macht eng, fanatisch. Man braucht auch die Ablenkung, der Mensch will auch das Überbordendsinn­liche erleben. Und das passiert im Theater. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Veränderung der Welt auch Spaß und Freude machen soll. Es geht auch darum, den Austausch und die Diskurse zu genießen. Es hat lange gedauert, bis der Klimawandel als Thema mehrheitsfähig geworden ist. Der Mensch ist eben doch ein Erfahrungstier, dem man hundertmal vorrechnen kann, was alles kommt, der es aber erst versteht, wenn er drei trockene Sommer erlebt hat. Die Überschwemmungen im Ahrtal vergangenes Jahr und auch 17


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die Erklärungen danach haben wahrscheinlich mehr bewirkt als viele Leitartikel. Und wir Theatermacher:innen sind, was Klimaschutz angeht, sicher noch nicht Avantgarde. Klimawandel ist theatralisch schwer zu fassen. Oder gibt es gute Stücke, die sich mit dem Klima befassen? Klima ist als Sujet künstlerisch tatsächlich nicht leicht greifbar. Ich glaube, man muss eher bei der grundsätzlichen Frage der Lernfähigkeit der Menschen anfangen und ein­ gefahrene Strukturen in Frage stellen – wie auch in anderen Bereichen der Gesellschaft. Der männlich weiße Blick ist über Jahrhunderte gestärkt und fixiert worden, da müssen jetzt endlich andere Perspektiven vorkommen, müssen sich mehr und andere Kräfte entfalten können. Hier hat das Theater eine große Macht. Man kann einen düsteren Status Quo erzählen oder eine Dystopie auf die Bühne bringen, und die Menschen gehen trotzdem gestärkt heraus. In diesem Sinne müssen wir Wege finden, auch das abstrakte Thema Klima auf der Bühne künstlerisch zu bearbeiten und ermutigend zu verhandeln. Einige Ihrer früheren Kollegen waren geradezu berühmt dafür, Schauspieler:innen anzubrüllen und nach Gutdünken zu entlassen. Wie gehen Sie als Intendant mit der Machtfrage um? Mit der Machtfrage beschäftige ich mich persönlich schon immer. Die Generation von Intendanten wie Claus Peymann und Jürgen Flimm, die etwas älter sind als ich, hatte eine ganz andere Führungsenergie. Da habe ich für mich selbst früh Fragezeichen gesetzt. Gemeinsames Führen war und 18


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ist für mich deshalb seit jeher ein Anspruch. Und dazu gehört ein tolles Dramaturg:innenteam und ein Ensemble, das ich liebe. Es gibt grundsätzlich eine gute Energie im Haus. Es beginnt für Sie Ihre letzte Spielzeit am DT. Als Kanzlerin Angela Merkel gefragt wurde, was sie nach dem Ende ihrer Amtszeit macht, sagte sie, sie wolle erstmal schlafen. Was haben Sie vor? Ich hätte eher Panik vor dem Schlafen, ich bin kein guter Schläfer – schon als Kind nicht. Ich habe keine konkreten Pläne. Ich denke, dass ich weiter Beziehungen pflegen möchte, Lebensfreude stärken. Aber auch im Bereich der Künste und des Theaters würde ich gerne mein Wissen zur Verfügung stellen. Ich bin nicht erschöpft. Hätten Sie gern weitergemacht? Ich war 14 Jahre am Deutschen Theater. Es ist schade, dass die Pandemie uns doch länger beschäftigt hat als gehofft. Sie hat uns insgesamt zweieinhalb Spielzeiten gekostet. Aber ich bin fest entschlossen, dieses letzte Jahr voll auszukosten. Ganz nach dem Motto: Jeder Atemzug ist eine Möglichkeit, neu zu beginnen und sich neu zu erfinden. Ich würde daher sagen: Wir hauen nochmal auf den Putz. Sabine Rennefanz wurde 1974 in Beeskow geboren. Die Autorin und Journalistin schreibt für Tagesspiegel und Spiegel über Politik und Gesellschaft und wurde für ihre Arbeit u. a. mit dem Theodor-Wolff-Preis und dem Deutschen Reporterpreis ausgezeichnet. Bücher: EISENKINDER (2013), DI E M U T T ER MEI NER MUTTE R (2015), MUTTER TO GO (2019) und FRAUEN U N D KI N DER ZULETZT (2022). 19


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DER STURM

von William Shakespeare in einer neuen Übersetzung von Jakob Nolte Regie: Jan Bosse Berlin-Premiere: 1. September 2022, Kammerspiele Koproduktion mit den Bregenzer Festspielen

DER EINZIGE UND SEIN EIGENTUM

Ein Musical nach Max Stirner von Sebastian Hartmann und PC Nackt Regie: Sebastian Hartmann Premiere: 4. September 2022, Deutsches Theater

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MEIN LEBEN IN ASPIK nach dem Roman von Steven Uhly Regie: Friederike Drews Uraufführung: 29. September 2022, Box

MINNA VON BARNHELM

von Gotthold Ephraim Lessing in einer Fassung von Anne Lenk und David Heiligers Regie: Anne Lenk Premiere: 14. Oktober 2022, Deutsches Theater Eine Inszenierung des Jungen DT

IM SPIEGELSAAL

Klassenzimmerstück nach der Graphic Novel Eine Inszenierung des Jungen DT von Liv Strömquist VAKUUM Deutsch von Katharina Erben Regie: Katharina Bill von Maria Ursprung Uraufführung: 21. Oktober 2022, Regie: Romy Weyrauch Box Uraufführung: 21. September 2022, Hermann-HesseGymnasium Kreuzberg DAS HIMMELSZELT von Lucy Kirkwood PLATONOW Deutsch von Corinna Brocher von Anton Tschechow Regie: Jette Steckel in einer Fassung von Timofej Deutsche Erstaufführung: Kuljabin und Roman Dolzhanskij 12. November 2022, Regie: Timofej Kuljabin Deutsches Theater Premiere: 23. September 2022, Deutsches Theater Koproduktion mit Les Théâtres de la Ville de Luxembourg 23


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AS YOU FUCKING LIKE IT

von William Shakesqueer Regie: Bastian Kraft Premiere: 18. November 2022, Kammerspiele

ANGABE DER PERSON von Elfriede Jelinek Regie: Jossi Wieler Uraufführung: 16. Dezember 2022, Deutsches Theater

CALIGULA

von Albert Camus Regie: Lilja Rupprecht Premiere: 17. Dezember 2022, Kammerspiele

LEONCE UND LENA

von Georg Büchner Regie: Ulrich Rasche Premiere: 20. Januar 2023, Deutsches Theater

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EINE FRAU FLIEHT VOR EINER NACHRICHT nach dem Roman von David Grossman in einer Bearbeitung von Armin Petras Regie: Armin Petras Premiere: 19. Februar 2023, Deutsches Theater

AM STRAND DER WEITEN WELT

von Simon Stephens Regie: Daniela Löffner Premiere: 24. Februar 2023, Kammerspiele Eine Inszenierung des Jungen DT

SPACE QUEERS [AT]

Ein SciFi-Abenteuer Regie: Paul Spittler Uraufführung: 4. März 2023, Box

FOREVER YIN FOREVER YOUNG

Eine Inszenierung des Jungen DT Die Welt des Funny van Dannen NATHAN Regie: Tom Kühnel nach Gotthold Ephraim Lessing und Jürgen Kuttner in einer Überschreibung Uraufführung: 31. März 2023, von Joanna Praml und Kammerspiele Dorle Trachternach Regie: Joanna Praml Und eine Inszenierung Premiere: 7. Februar 2023, von Kirill Serebrennikov Kammerspiele 24

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DIRK UND ICH

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Ein Projekt von und mit Marcel Kohler

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DER BAU

RADAR OST

nach Franz Kafka von und mit Max Simonischek

FUCHS 8

Ein illustriertes Hörspiel nach George Saunders von und mit Neues Künstlertheater

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Internationales Festival mit Fokus auf Osteuropa

KUNST UND KRIEG:

Länderschwerpunkt Ukraine 8. – 12. März 2023

AUTOR:INNENTHEATERTAGE

mit Gastspielen neuer Stücke aus dem deutschsprachigen Raum sowie einer LANGEN NACHT DER AUTOR:INNEN

mit Uraufführungen von Caren Jeß, Nele Stuhler und Lukas Bärfuss in der Regie von Stephan Kimmig, Sarah Kurze und András Dömötör 30. April – 7. Mai 2023

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1. Juni – 8. Juli 2023 25


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DEUTSCHES THEATER 4.48 PSYCHOSE

von Sarah Kane

AUFERSTEHUNG

von Lew N. Tolstoi in einer Bearbeitung von Armin Petras

AUSLÖSCHUNG. EIN ZERFALL

DER ZERBROCHNE KRUG

von Heinrich von Kleist

DIEBE

von Dea Loher

DIE GLASMENAGERIE

von Tennessee Williams

DIE MÖWE

nach Thomas Bernhard

von Anton Tschechow

DAS SPIEL IST AUS

FRANKENSTEIN

von Jean-Paul Sartre

DECAMERONE

nach Mary Shelley

GIFT

von Kirill Serebrennikov nach Giovanni Boccaccio

von Lot Vekemans

DER IDIOT

von René Pollesch

DER MENSCHENFEIND

LIEBE, EINFACH AUSSERIRDISCH

nach Fjodor Dostojewskij

von Molière

DER STEPPENWOLF

nach Hermann Hesse in einer Bearbeitung von Thomas Melle

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GOODYEAR

von René Pollesch

MARIA STUART

von Friedrich Schiller

MICHAEL KOHLHAAS

von Heinrich von Kleist

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KAMMERSPIELE OEDIPUS

von Sophokles

ONKEL WANJA

BIOGRAFIE: EIN SPIEL

von Max Frisch

BIRTHDAY CANDLES

von Anton Tschechow

von Noah Haidle

SOPHIE ROIS FÄHRT GEGEN DIE WAND IM DEUTSCHEN THEATER

von René Pollesch

BLACK MARIA

DAS MISSVERSTÄNDNIS

nach dem Roman D I E WA N D von Marlen Haushofer

von Albert Camus

TOD EINES HANDLUNGSREISENDEN

von Bertolt Brecht

von Arthur Miller

DER HOFMEISTER DIE HAMLETMASCHINE

von Heiner Müller

DIE RÄUBER

Eine Überschreibung nach Friedrich Schiller

EINSAME MENSCHEN

von Gerhart Hauptmann

ENDSPIEL

von Samuel Beckett

FRÄULEIN JULIE

nach August Strindberg

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IN STANNIOLPAPIER

von Björn SC Deigner

ISMENE, SCHWESTER VON

von Lot Vekemans

KOMMT EIN PFERD IN DIE BAR

von David Grossman

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UGLY DUCKLING

von Bastian Kraft und Ensemble nach Hans Christian Andersen

VÄTER UND SÖHNE

von Brian Friel nach dem Roman von Iwan Turgenjew

WERTHER

MEDEA. STIMMEN

von Christa Wolf

Ein Spiel von Liebe und Freundschaft nach Johann Wolfgang von Goethe

MIROLOI

WOYZECK INTERRUPTED

nach dem Roman von Karen Köhler

ODE

von Thomas Melle

STARKER WIND

von Jon Fosse

TAGEBUCH EINES WAHNSINNIGEN von Nikolai Gogol

TSCHICK

nach dem Roman von Wolfgang Herrndorf

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von Mahin Sadri und Amir Reza Koohestani nach Georg Büchner


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BOX & OPEN AIR DAS AUGENLID IST EIN MUSKEL

von Thomas Perle

DER GARTEN DER LÜSTE

von Alfred Jarry

DIE VIER LETZTEN DINGE

von Thomas Brasch

von Alexander Stutz von Fiston Mwanza Mujila von Danish Blue

GAIA GOOGELT NICHT

von Nele Stuhler

GESCHICHTEN VON HIER: GLAUBE LIEBE HOFFNUNG Ein Projekt von Frank Abt

HIER WIRD KEIN TITEL STEHEN

KARPATENFLECKEN KÖNIG UBU MERCEDES

TRANSIT

von Anna Seghers

UNSPOKEN

Eine Doku-Oper von Kamilė Gudmonaitė & dem Jungen DT

VATER

von Dietrich Brüggemann

Eine Stückentwicklung von Sarah Kurze & dem Jungen DT

HUNDEHERZ

nach Michail Bulgakow

KLASSENZIMMER

JUTTA WACHOWIAK ERZÄHLT JURASSIC PARK

CORPUS DELICTI

Ein Theaterabend von Jutta Wachowiak, Eberhard Petschinka und Rafael Sanchez

nach dem Roman von Juli Zeh

PLAY II PAUSE

Ein Klassenzimmer-Game 31


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REIHEN & SALONS FUSSBALLSALON

mit Christoph Biermann (11Freunde) und Gästen

GREGOR GYSI

trifft Zeitgenoss:innen

KULTURPOLITISCHER SALON

Eine Kooperation mit Deutschlandfunk Kultur, Deutscher Bühnenverein und Deutscher Kulturrat

POPSALON

Balzer und Müller laden ein

WIEVIEL ZEIT

Vortrags- und Gesprächsreihe

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0 9 D A S E N S E M B L E DER ZERBROCHNE K R U G Premiere: 11. September 2022 Deutsches Theater

von Heinrich von Kleist Regie: Anne Lenk

Im Dorfe Huisum ist Gerichtstag, und Richter Adam stolpert gleich am Morgen aus dem Bett und über sich selbst, wie er freimütig erklärt. So sehr dieser Adamsfall als Metapher stimmt, ist es tatsächlich nur die erste einer Vielzahl von Schwindeleien, die der Richter ungeniert von sich geben wird. Denn der wirkliche Grund für sein Humpeln und das zerschundene Gesicht ist die F ­ olge e ­ ines Missbrauchs, den er in der Nacht zuvor begangen hat: Die junge Eve in deren Zimmer bedrängend, wird er überrascht von ihrem Verlobten Ruprecht und verletzt sich beim flüchtenden Sprung durchs Fenster. Obendrein geht dabei ein Krug entzwei. Mit d ­ iesem zieht Eves Mutter Marthe nun vor Gericht und bezichtigt Ruprecht des nächtlichen Übergriffs. Jener widerspricht heftig, während Eve von Adam erpresst wird und schweigt. Dies alles im Beisein von Schreiber Licht, der klüger und mitwissender ist als er es zeigt, sowie unter den Augen der neuen Gerichtsrätin Walter, die zu Prüfung und Revision der Justiz angereist ist. In aller Öffentlichkeit macht Adam sich demnach selbst den Prozess, wobei sein Ziel offensichtlich ist: Ruprecht als Täter zu verurteilen und den Fall schnell zu den Akten zu legen. Was Kleists Drama von 1811 zur Komödie macht, ist vor allem die Dreistigkeit der Lüge, mit der hier vom Patriarchat Macht ausgeübt, Positionen gesichert und Verhältnisse zementiert werden. Die Wahrheit zählt dabei nicht im Geringsten; stattdessen gilt es, unverfroren und skrupellos jede Verantwortung von sich zu schieben. Gestützt von einer Gesellschaft, die scheinheilig ­mitspielt – stolz vor ihrem kulturellen Erbe stehend und sich vormachend, es würde sie die Gerechtigkeit interessieren.

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Das Ensemble des Deutschen Theaters Berlin wurde für die Spielzeit 22/23 von Maria Sturm fotografiert. Maria Sturm wurde in Ploiești / Rumänien geboren und lebt mit ihrem Kind und Partner in Berlin. Sie hat an der FH Bielefeld und der Rhode Island School of Design Fotografie studiert, und fotografiert für die üblichen Verdächtigen, von New York Times bis Zeit Magazin. Ihre freien Arbeiten wurden mehrfach ausgezeichnet, gefördert und international ausgestellt, zuletzt auf der Biennale für aktuelle Fotografie im Heidelberger Kunstverein.

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Elias Arens Harald Baumgartner Maren Eggert Felix Goeser Paul Grill Lorena Handschin Manuel Harder Lisa Hrdina Alexander Khuon Marcel Kohler Peter René Lüdicke Franziska Machens Ulrich Matthes Jeremy Mockridge Helmut Mooshammer Kathleen Morgeneyer Bernd Moss Markwart Müller-Elmau Linda Pöppel Jörg Pose Linn Reusse Anja Schneider Natali Seelig Max Simonischek Caner Sunar Tamer Tahan Enno Trebs Birgit Unterweger Niklas Wetzel Katrin Wichmann Julia Windischbauer Kotbong Yang Almut Zilcher Regine Zimmermann 70

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Premiere: 11. September 2022 Deutsches Theater Leila Abdullah Hilke Altefrohne Filipp Avdeev Jade Pearl Baker Franz Beil Bea Brocks von Heinrich Simon Brusisvon Kleist Regie: Lenk MartinAnne Buczko

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Judith Hofmann Jonas Holopirek Jürgen Huth Toni Jessen Verena Jost Katrin Klein Božidar Kocevski Wolfram Koch Katja Bürkle Johanna Kolberg Im Dorfe Huisum ist Gerichtstag, und Richter Adam stolpert gleich Frank Büttner Kudrenko am Morgen aus dem Bett und überGeorgij sich selbst, wie er freimütig erGérôme Castell Jürgen Kuttner klärt. So sehr dieser Adamsfall als Metapher stimmt, ist es tatsächBen Clark LaDivina die der Richter lich nur die erste einer Vielzahl vonJudy Schwindeleien, Georgette Dee Ole Lagerpusch ungeniert von sich geben wird. Denn der wirkliche Grund für sein Meike Droste Jürgen ist Lehmann Humpeln und das zerschundene Gesicht die F ­ olge e ­ ines MissChristopher Eckert Andreas Leupold brauchs, den er in der Nacht zuvor begangen hat: Die junge Eve Edgar Eckert Benjamin Lillie von ihrem Verin deren Zimmer bedrängend, wird er überrascht Laura Hansflüchtenden Löw lobtenEichten Ruprecht und verletzt sich beim Sprung durchs Lena Maria Eikenbusch ManzelMit d Fenster. Obendrein geht dabei ein Dagmar Krug entzwei. ­ iesem zieht Alexandra Finder Astrid Eves Mutter Marthe nun vor Gericht undMeyerfeldt bezichtigt Ruprecht des Samuel Finzi Übergriffs. Jener widerspricht Viktoria Miroshnichenko nächtlichen heftig, während Eve SvenAdam Frickeerpresst wird und schweigt. Peter Dies Pagelalles im Beisein von von Simon Gal Licht, der klüger und mitwissender Elke Petri Schreiber ist als er es zeigt, Yang Pfankuch sowieGe unter den Augen der neuen Justus Gerichtsrätin Walter, die zu PrüMichael Trystan Pütter fung undGerber Revision der Justiz angereist ist. In aller Öffentlichkeit Juliana Götze sich demnach selbstThea macht Adam den Rasche Prozess, wobei sein Ziel Olivia Gräser ist: Ruprecht als Täter Ruth offensichtlich zuReinecke verurteilen und den Fall Christian Elena Riccardi schnell zuGrashof den Akten zu legen. Was Kleists Komödie Olivia GrigolliDrama von 1811 zur Sophie Roismacht, ist vor allem die Dreistigkeit vom Patriarchat Macht ausChristine Groß der Lüge, mit der hier Katharina Schenk geübt, Positionen gesichert und Verhältnisse Moritz Grove Anna Sophiezementiert Schindler werden. Die Wahrheit Geringsten; stattdessen gilt es, Sarah Grünig zählt dabei nicht im Barbara Schnitzler unverfroren und skrupellos jede Verantwortung Corinna Harfouch Isabel Schosnigvon sich zu schieben. Gestützt scheinheilig ­mitspielt – Barbara Heynenvon einer Gesellschaft, Jonasdie Sippel stolz vor Hierse ihrem kulturellen Erbe stehend und sich vormachend, es Thorsten Bernd Stempel würde Hoevels sie die Gerechtigkeit interessieren. Daniel Holger Stockhaus

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Yannik Stöbener Oliver Stokowski Mathilde Switala Max Thommes Valery Tscheplanowa Brigitte Urhausen Irina Vybornova Jutta Wachowiak Timo Weisschnur Ursula Werner Susanne Wolff Manfred Zapatka Jirka Zett Simone von Zglinicki Daniel Zillmann Przemek Zybowski sowie Student:innen und Absolvent:innen der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ Berlin, der Universität der Künste Berlin und Darsteller:innen des Jungen DT

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Wieviel Zeit hat das Polarmeer, Frau Arndt?

Dr. Stefanie Arndt ist Meereisphysikerin am Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung. Auf ihren 14 Expeditionen in die Polarregionen kann sie seit nunmehr 12 Jahren beobachten, wie sich diese verändern. Ihr Forschungsobjekt, der Schnee auf dem Meereis, gibt der gebürtigen Berlinerin dabei Aufschluss über den voranschreitenden Klimawandel.

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Ich sitze auf einer Eisscholle im gefrorenen arktischen Ozean. Soweit mein Auge reicht, nichts als weiß. Wenn ich mir gedanklich vorstelle, wo ich auf dem Globus sitze, wird schnell klar: ganz schön weit weg vom Rest der Welt. Nächster bekannter Punkt in 100 Meilen Entfernung gen Norden: der Nordpol. Während ich hier sitze, trennen mich nur knapp 1,5 Meter Meereis vom über 4000 Meter tiefen Ozean darunter. Und genau hier liegt eines der großen Probleme. Noch vor 10 Jahren waren das 2 Meter, vor 20 Jahren sogar 2,5 Meter. Der Grund dafür, dass ich dem Eis fast beim Schmelzen zuschauen kann? Der Klimawandel. Denn dieser ist an keinem Ort der Erde so deutlich zu spüren wie hier in den hohen nördlichen Breiten. Seit Jahrzehnten beobachten wir hier nicht nur ein stetiges Dünnerwerden des arktischen Meereises, sondern auch die Fläche, die hier am Ende des Sommers noch gefroren ­ ist, wird immer kleiner. In den vergangenen 40


Jahren hat sie sich halbiert. Stellen Sie sich vor, Sie liegen im Bett und haben nur noch eine halbe Decke, die sie zudeckt. Kein schönes Gefühl, oder? Aber genauso fühlt sich der Ozean. Nur mit dem Unterschied, dass Sie nun mit der halben Decke frieren, während sich der arktische Ozean mit der halben Meereisdecke immer stärker erwärmt. Denn das weiße, stark reflektierende Meereis sorgt dafür, dass die einfallende Solarstrahlung nicht an Ort und Stelle bleibt, sondern in großen Teilen zurück in die Atmosphäre reflektiert wird. Fehlt diese schützende Schicht, wird die Energie und damit Wärme vom dunklen Ozean aufgenommen und erwärmt diesen. Diese Wärme schmilzt weiteres Meereis, die freie Ozeanfläche wird noch größer, noch mehr Wärme kann aufgenommen werden. Ein Teufelskreislauf. Was dabei klar wird: Machen wir so weiter wie bisher, werden wir bis 2050 mindestens einen Sommer haben, in dem die Arktis eisfrei ist. Um dann also hier zu sitzen, wo ich es gerade tue, bräuchte ich ein Schlauchboot. Eine Vorstellung bei der es mir kalt den ­Rücken runterläuft — nicht nur, weil das Pendant im Bett bedeuten würde, dass wir dann ganz ohne Decke daliegen würden. Plötzlich wird dieses Gedankenexperiment in meinem Kopf unterbrochen. Die arktische Stille, in der ich bis eben nichts als das Rauschen des Blutes in meinen Ohren und den leichten Wind über die Schneeoberfläche habe fegen hören, wird von einem ohrenbetäubenden Lärm durchsetzt. In sicherer Entfernung hatte sich vor nicht allzu langer Zeit ein Riss im Eis geöffnet. Ein Phänomen, welches in den vergangenen Wochen und Monaten hier oben im Eis für uns zum Alltag wurde. Diese Risse sorgen einerseits dafür, dass wir dort, wo wir gestern noch langlaufen konnte, heute womöglich schon nicht mehr hinkommen. Andererseits öffnen sie so Fenster zwischen Ozean und Atmosphäre. Sie ahnen es. Auch hier kann und wird zusätzliche Wärme in den Ozean eingetragen. Solche Rissstrukturen öffnen sich durch den Wind. Und schließen sich auch wieder durch diesen. Dabei schieben sich die Eisschollen aber nicht wie in einem Puzzlespiel wieder an Ort und Stelle zurück. Vielmehr werden sie kraftvoll ineinandergeschoben und türmen unter tosendem Lärm das Eis an den Kanten auf. Es bilden sich 75


sogenannte Presseisrücken. Genau diesem Naturspektakel kann ich just in diesem Moment beiwohnen und bin wie erstarrt. Es knallt gewaltig. Kleine Eisstückchen fliegen in alle Richtungen. Die Kraft der Natur ist gewaltig. Ich bin sprachlos. So etwas mit eigenen ­Augen zu beobachten, mit eigenen Ohren zu hören und am ganzen Körper zu spüren als würde ein kleines Erdbeben passieren, ist auch für mich nach 12 Jahren Polarforschung nichts Natürliches. Und so beeindruckend es für mich ist, diese Kraft des Eises mit allen Sinnen erleben zu dürfen, so deutlich macht es mir gleichzeitig, wie fragil das System ist. Denn auch diese zunehmende Bewegung des Eises ist Ausdruck der Zerbrechlichkeit und Veränderung des arktischen Meereises in Zeiten des Klimawandels. Das Meereis wird dünner und damit dynamischer. Eine Tatsache, auf die man achten muss — denn einmal mehr: Wer weiß, wie lange wir all diese Phänomene überhaupt noch im Sommer erleben dürfen? Wer weiß, ob die kommende Generation die Arktis noch so sehen, spüren und ­hören darf, wie ich es darf? In all ihrer Schönheit und ihren weißen Weiten. Oder ob dann schon die Farbe Blau dominiert, wenn unser Blick gen Nordpol wandert. Und das nicht nur hier. Wir dürfen nicht vergessen, dass das, was in der Arktis passiert und sich verändert, nicht in der Arktis bleibt. Nein; vielmehr hat das Abschmelzen der Polargebiete deutliche globale Folgen. Und das vor allem auch für uns in den mittleren Breiten. Erinnern Sie sich an die starken Unwetter im Ahrtal im Sommer 2021? Oder die vielen viel zu trockenen Sommer im ganzen Land? All dies sind Folgen der Veränderung in der Arktis. Denn auch wenn uns die Arktis weit weg erscheint, sind wir mit ihr verbunden — durch atmosphärische und ozeanische Zirkulationssysteme, vereinfacht gesagt durch Winde und Ozeanströmungen. Die Polarregionen, am Nord- wie im Südpol, sind dabei so etwas wie der Motor. Und genau diese Motoren überhitzen in den aktuellen Zeiten der globalen Erwärmung am meisten. Während sich die Welt in den vergangenen Jahrzehnten im Mittel um 1 Grad Celsius erwärmt hat, sind es in der Arktis schon 2 bis 3 Grad Celsius. Tendenz steigend. Wir haben keine Zeit mehr. 76


Lassen Sie uns gemeinsam anpacken — für die kommenden Generationen. Damit diese eine Welt kennenlernen dürfen, wie wir sie kennen. Denn die Erde braucht uns nicht, aber wir brauchen die Erde — mit ihren heißen Tropen, gemäßigten mittleren Breiten und kalten ­Polkappen. Der Eisrücken ist nun fertig geformt. Es herrscht wieder Ruhe auf meiner Eisscholle. Ich betrachte die nahezu künstlerische Skulptur aus der Ferne. Langsam wende ich mich wieder meiner Forschung dieses fragilen Systems zu. Ich schaue mir Strukturen im Schnee an. Die weiße Schicht erzählt mir ihre Geschichte — was ist im vergangenen Jahr passiert? Wie unterscheidet sich diese von der vor 20 Jahren? Der Schnee ist als Grenzschicht zwischen Meereis und Atmosphäre der erste, der die klimatischen Veränderungen zu spüren bekommt. Er schmilzt früher. Und spricht dabei eine deutliche Sprache: Die Arktis hat keine Zeit mehr!

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Berlin-Premiere: 1. September 2022 Kammerspiele Koproduktion mit den Bregenzer Festspielen

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von William Shakespeare in einer neuen Übersetzung von Jakob Nolte Regie: Jan Bosse

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Auf einer einsamen Insel lebt Prospero, vormals Herzog von Mailand. Jahre zuvor war er durch eine Intrige seines Bruders ­ ­Antonio vom Thron gestürzt und in einem Boot auf offener See ausgesetzt worden. Wie durch ein Wunder rettete er sich g ­ emeinsam mit Tochter Miranda auf diese Insel. Hier hat er eine neue Welt aufgebaut und herrscht uneingeschränkt über Wesen und Geister – wie ­Caliban oder den Luftgeist Ariel, die Ureinwohner des Eilands. Eines Tages sichtet Prospero die Flotte des Königs von Neapel ­Alonso, der auch sein Bruder Antonio und K ­ önigssohn Ferdinand angehören. Mit Ariels Hilfe entfesselt er einen Sturm, der sie kentern und stranden lässt. Mit diesem inszenierten Schiffbruch ist nun Prospero zurück in der mächtigen Position, hat die Chance auf späte Rache oder Versöhnung und zieht alle Schicksalsfäden neu zusammen. D E R S T U R M von 1611 ist eines der letzten Werke William Shakespeares und sein ultimativer Schöpfungsmythos, welcher das T ­ heater als symbolische Insel der Möglichkeiten betrachtet. Die Ausnahmesituation wird zum Experiment eines Neu­anfangs: Was würd‘ ich machen, wenn ich König wär‘? ­Shakespeare streift dabei spielerisch Themenkomplexe wie Macht und Unterdrückung, Ausbeutung und Aneignung, Natur und Zivilisation. Jakob Noltes Zugriff auf T H E T E M P E S T ist eine spezielle Neuübersetzung, die sich Wort für Wort durch das altenglische Ori­ginal hangelt. Es entsteht eine Phantasiesprache, die sich über ­Melodie und Klang entschlüsselt und so bezaubernd seltsam ist wie die Bewohnerinnen und Bewohner jener Insel. 79


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Premiere: 4. September 2022 Deutsches Theater

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DER EINZIGE UND SEIN EIGENTUM Ein Musical nach Max Stirner von Sebastian Hartmann und PC Nackt Regie: Sebastian Hartmann Komposition: PC Nackt

Er nimmt Thesen Nietzsches vorweg, zieht Hunderte polemischer Marx/Engels-Seiten auf sich und bringt ­Camus dazu, ihn als „nihilistischen Rebellen“ zu bezeichnen. Und in der Tat ist es ­ rebellisch, was Max Stirner 1844 in seinem Hauptwerk D E R ­ E I N Z I G E U N D S E I N E I G E N T U M formuliert: eine Absage an jede ­ Indienstnahme des Ich durch übergeordnete Instanzen, eine Attacke auf alle Moral jenseits des Eigennutzes, ein Plädoyer für einen radikalen Egoismus und dafür, dass allein der Einzelne Verantwortung für sein Handeln übernehmen könne. „Jedes höhere Wesen über Mir, sei es Gott, sei es der Mensch, schwächt das ­Gefühl meiner Einzigkeit und erbleicht erst vor der Sonne ­dieses Bewusstseins.“ So scharf und provozierend wie kaum jemand sonst vermisst dieser randständige, aber höchst einflussreiche philo­sophische Solitär auf neue Weise das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft. Zusammen mit dem Komponisten und Mu­siker PC Nackt und seinem Ensemble möchte Regisseur Sebastian Hartmann das Publikum einladen zu einer lustvollen Begegnung mit den Zumutungen und Widersprüchen, die Stirners Denken bis heute bedeutet. 80


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Uraufführung: 21. September 2022 Hermann-Hesse-Gymnasium Kreuzberg

Klassenzimmerstück Eine Inszenierung des Jungen DT

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von Maria Ursprung Regie: Romy Weyrauch

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YouTuberin Blynkzno hat sich der Ausbildung zukünftiger Influencer:innen verschrieben und forscht nach neuen Talenten. Ihre Rekrutierung wird jedoch bald unterbrochen von einem unerwarteten Gast: Ein junger Mann vermisst seinen Bruder, der sich ins Metaversum zurückgezogen hat und dessen letzter bekannter physischer Standort in diesem Schulzimmer war. Zumindest behauptet er das – denn was Wahrheit und was Lüge ist, ist nicht immer leicht zu ergründen. Verschwörungserzählungen und ihre Verstrickung mit den Sozialen Medien bilden den roten Faden des Auftragswerks von Maria Ursprung. Das Klassenzimmerstück ist ein Aufruf zum kritischen Denken, zum Prüfen von Quellen und dazu, lustvoll technische Hilfsmittel zu verwenden, ohne in verschwörungstheoretische Fallen zu tappen. Es fordert dazu auf, Komplexität nicht aus dem Weg zu gehen, sondern sich dem Unlösbaren anzunehmen, und es ruft dazu auf, auch dann Fragen zu stellen, wenn eine abschließende Antwort unmöglich scheint. Eine Hommage an den Zweifel und eine Ermutigung, die Komplexität der Realität zu umarmen. 81


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Premiere: 23. September 2022 Deutsches Theater Koproduktion mit Les Théâtres de la Ville de Luxembourg

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P L A T O N O W

von Anton Tschechow in einer Fassung von Timofej Kuljabin und Roman Dolzhanskij Regie: Timofej Kuljabin

Ein Seniorenheim für gealterte Künstler:innen irgendwo im Nirgendwo – an diesen letzten Rückzugsort für die Vergessenen und Ausgemusterten versetzt der exilrussische Regisseur Timofej Kuljabin das Ensemble seiner P L A T O N O W - Inszenierung. Hier verbringen Schauspielerinnen und Schauspieler, die keiner mehr sehen will, ihren ­sogenannten Lebensabend. Aber sie warten nicht auf den Tod, sondern ignorieren ihn und beschwören aufs Neue die ­großen Gefühle und Konflikte ihres Lebens herauf. Und so wird die Geschichte von Anton Tschechows erstem Theaterstück über die Liebeswirren um den desillusionierten Dorfschullehrer Platonow in der Endzeit der Todesnähe noch einmal lebendig. Eine ultimative Komödie über die Zukunftslosen und Verlorenen, die noch einmal aufspielen zu einem letzten, makaber-melancholischen Tanz um das Verschwinden der Liebe, des Lebens und vielleicht auch der Kultur. 82


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Uraufführung: 29. September 2022 Box

MEIN IN

nach dem Roman von Steven Uhly Regie: Friederike Drews

9 LEBEN ASPIK

Ein junger Mann erinnert sich an seine Kindheit, die geprägt ist von einem engen Verhältnis zur Großmutter. Ein Highlight: die ­Gutenachtgeschichten der Oma, gespeist aus fantasievollen Mordplänen an ihrem Mann. Auf einmal aber ist der Opa wirklich tot und die Erzählungen der Großmutter wenden sich der sexuellen Aufklärung zu. Zeitlicher Zufall? Doch warum ist die Mutter so angespannt, ihm und der Oma gegenüber, und seit Jahren rastlos auf der Suche nach einem neuen Partner? Der Mann fängt an nachzufragen und aufzudecken. Und was als harmlose Familienhistorie beginnt, enthüllt ihm ansatzlos und urplötzlich eine so aberwitzige und unmoralische Biographie, dass ihm nichts anderes übrigbleibt, als deren endlose Reihe von Tabubrüchen einfach selbst fortzusetzen und die privaten Verstrickungen ins ultimativ Groteske weiterzuführen. Hauptsache, alles bleibt in der Familie. In seinem Debüt überzeichnet Steven Uhly die Abgründe und Perversionen eines fiktiven Clans dermaßen, dass sie sich ins Gegenteil verkehren und zur eigentlichen nackten Wahrheitsfindung führen. M E I N L E B E N I N A S P I K erzählt von Perspektiven aufs andere Geschlecht und den Grenzen unserer scheinbar so offenen und toleranten Gesellschaft. Die Fragen nach Abstammung und dem dunklen Labyrinth unserer Lebensläufe, die diese skurril-böse Familiengeschichte aufwirft, öffnen den Blick auf genetische Traumata, eine lügendurchtränkte westdeutsche Vergangenheit und unsere unauflösbare bittere Unfreiheit. 83


Wieviel Zeit geben und nehmen uns die digitalen Medien, Frau El Ouassil?

Samira El Ouassil ist Schauspielerin und Publizistin. Sie schreibt eine wöchentliche Kolumne für Spiegel Online und Übermedien. Jüngst wurde sie vom Medium Magazin zur Kulturjournalistin des Jahres gekürt. Im Oktober 2021 veröffentlichte sie zusammen mit Friedemann Karig den Bestseller »Erzählende Affen«.

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Interessanterweise ist diese Frage keine, die sich mit einer genauen Zeitangabe beantworten lässt. Denn wenn ich sagen würde, dass mir »die« digitalen Medien pro Tag 3:44 h Zeit geben und 5:28 h nehmen, dann wäre das eine so seltsame wie unwahrscheinliche Antwort; obwohl diese vielleicht gar nicht mal so abwegig wäre, schließlich zeigen uns heutzutage unsere mobilen Geräte die sogenannte Bildschirmzeit an und teilen uns mit, wieviele Stunden und Minuten wir mit welchen Apps und Diensten verbringen. Bemerkenswert an dieser Frage nach der Zeit ist zunächst, dass mit ihr eine bestimmte Vorstellung verbunden ist, nämlich dass digitale Medien uns nicht nur Lebenszeit nehmen oder rauben, sondern eben auch geben oder schenken können. Im Falle anderer Medien existiert diese Auffassung nicht unbedingt — oder wieviel Zeit würden Sie sagen, geben uns ein Buch, ­Radio, Fernsehen oder eine Tageszeitung? Mit


»den« digitalen Medien sind zudem offenbar nicht alle, sondern nur­ bestimmte gemeint. Denn eine digitale Uhr gibt uns nicht mehr Zeit als eine analoge; auf einer Festplatte gespeicherte Dokumente überdauern die Zeit, aber sie »geben« uns diese höchstens in einem ­abstrakten Sinn. Die Frage zielt natürlich darauf ab, dass wir durch die Digitalisierung eine zeitliche Optimierung unseres Alltags erfahren: Ich kann E-Mails schreiben und muss deshalb nicht ständig zur Post; ich bestelle alle möglichen Produkte über Onlineversandhändler und muss nicht mehr in den Supermarkt oder die Innenstadt; ich lasse mir Essen liefern und muss nicht selbst kochen. Vermutlich würden einige, wenn nicht sogar viele Menschen zustimmen, dass wir durch die eine oder andere Möglichkeit digitaler Medien Zeit gewinnen, die wir für andere Tätigkeiten verwenden können — zumindest wenn wir einem Sinus-Milieu angehören, das sich für Medien und deren Innovationen und Vorzüge interessiert und wir uns diese auch leisten können. Ich persönlich habe nicht das Gefühl, dass ich gegenwärtig die Zeit, die ich eventuell irgendwo durch digitale Neuerungen einspare, auf einer anderen Seite der temporalen Bilanz dazugewinne, um dann in irgendeiner Form mehr zu haben, wie beispielsweise mehr Freizeit. Dennoch hoffe ich natürlich darauf, dass irgendwann das paradiesische Versprechen der Digitalisierung eingelöst wird, künstliche Intelligenzen uns bald all die lästige Arbeit abnehmen und wir alle mehr Muße für schöne Dinge haben — eine Utopie, die z.B. Richard David Precht mit Karl Marx in seinem Buch »Jäger, Hirten, Kritiker. Eine Utopie für die digitale Gesellschaft« beschrieben hat. Ich als Sammlerin, Schäferin und Sachbuchautorin könnte solch einer freizeitlicheren Zukunft auf jeden Fall etwas abgewinnen. Ich weiß allerdings nicht, ob die digitalen Medien, die uns das Leben erleichtern, nicht auch neue Zeitkonflikte hervorbringen — ohne gleich kulturpessimistisch werden zu wollen. Aber wie S ­ igmund Freud schon 1930 in »Das Unbehagen in der ­Kultur« schrieb: »Gäbe es keine Eisenbahn, die die Entfernungen überwindet, so hätte das Kind die Vaterstadt nie verlassen, man brauchte kein 85


Telephon, um seine Stimme zu hören. Wäre nicht die Schiffahrt über den Ozean eingerichtet, so hätte der Freund nicht die See­ reise unternommen, ich brauchte den Telegraphen nicht, um meine ­Sorge um ihn zu beschwichtigen. […] Und was soll uns endlich ein langes Leben, wenn es beschwerlich, arm an Freuden und so leidvoll ist, daß wir den Tod nur als Erlöser bewillkommnen können?« Würde es keine Uhren geben, dann gäbe es kein Zuspätkommen und keinen messbaren Zeitverlust. Wenn wir uns heute z. B. dank digitalem Homeoffice den Weg zur Arbeit sparen, dann haben wir ökonomisch betrachtet natürlich auch mehr Zeit für noch mehr Produktivität; und es erscheint selbstverständlich, dass wir auch am Wochenende berufliche E-Mails lesen. Wenn wir diese Zeit für uns behalten wollen, dann müssen wir darum kämpfen — erweisen uns dadurch in der modernen Arbeitswelt jedoch als zeitlich weniger flexibel. Sicherlich verspüren wir aufgrund derartiger Phänomene manchmal den heimlichen Wunsch nach einem digital Detox, um gelegentlich zu dem Zustand einer vordigitalen Medialität ­zurückzukehren — in der Hoffnung irgendwie dann doch wieder Zeit für uns zu gewinnen. Einige digitale Medien scheinen indes auf das Problem zu ­reagieren, dass wir kaum mehr Zeit haben, um alles zu konsumieren, was wir an Informationen und Unterhaltung gerne aufnehmen würden. So kann man mittlerweile bei Streaminganbietern wie YouTube oder Netflix oder auch bei Podcasts die Geschwindigkeit erhöhen und dadurch potenziell auch den Konsum von Serien, Filmen, Audioinhalten. (Mich würde wirklich interessieren, ob es überhaupt jemanden gibt, der die Möglichkeit der Verlangsamung verwendet.) Aber auf gewisse Weise wird uns hier mehr Zeit gegeben. Bei manchen Menschen, deren Podcasts ich regelmäßig höre, nehme ich die 1,4-fache Beschleunigung ihrer Stimmen mittlerweile als natürlich wahr und ich kann ihnen in normaler Geschwindigkeit kaum mehr folgen, bin regelrecht von ihrer Langsamkeit genervt. Hier entsteht meines Erachtens ein neues Bewusstsein dafür, dass manche Informationen schneller konsumiert und bestenfalls auch verstanden werden können, was natürlich einer künstlerischen, ­ästhetisch gewollten Zeitlichkeit widerspricht. Dennoch könnte man heute 86


auch John Cages »4‘33‘‘« oder Samuel Becketts »Warten auf Godot«« in doppelter Geschwindigkeit genießen, wenn man wollte. Ich bin gespannt, wann die ersten Theaterstücke in neuer Geschwindigkeit aufgeführt werden — vielleicht unter dem Titel »Faust 1,5x«? Aber egal ob Radio, Fernsehen, Smartphone, Kindle oder Playstation — man kann diese Frage auch umdrehen: Wieviel Zeit geben und nehmen wir selbst den digitalen Medien? Denn ich hoffe, dass wir noch nicht vollständig Holzknecht eines digitalen Zeitregimes sind und auch noch ein wenig selbst über die Qualität unserer Zeit entscheiden können. Zumindest glaube ich, dass wir am Geben und Nehmen nicht unbeteiligt sind, auch wenn Medien unser Leben unter bestimmte Bedingungen setzen. Und nicht zuletzt kommt es ja immer auch darauf an, wie sinnvoll mir selbst diese Zeiträume erscheinen, die ich mit diversen Apparaten verbringe. Technologie is qua Natur immer ohne Sinn — wir schaffen diesen ja erst durch die Nutzung, dementsprechend stellt sich das Gefühl des Zeitverlustes vor allem da ein, wo man etwas tut, das man selbst als sinnlos betrachtet. Wohingegen auch eine Tätigkeit, die andere für unnötig halten, wie das Binge Watching von Serien, für mich selbst wertvoll und sinnstiftend sein kann, so wie für andere ein ziellos kontemplativer Spaziergang im Wald. Bei aller Sinnsuche, den Optimierungstendenzen und der smarten Anpassungsfähigkeit digitaler Medien an unsere Bedürfnisse und Wünsche sollten wir keine Angst davor haben, unsere Zeit regelmäßig zu verplempern, einfach auch um gedanklich der binären ökonomischen Logik von Geben und Nehmen zu entkommen — denn für dieses dichotome Denken haben wir schließlich schon digitale Medien, die großen Platt­formen und sozialen Netzwerke mit ihrer Sharing- und GigEco­nomy. Mit seinem Buch »Wasting Time on the Internet« plädiert z. B. der Digital- und Konzeptdichter Kenneth Goldsmith dafür, dass wir auch den mutmaßlichen Zeitverlust im Digitalen spielerischer, poetischer, als produktiv und als eine eigene Kultur begreifen sollten. Er hat allerdings auch mal versucht, das gesamte Internet auszudrucken — er verschenkt darin offenbar sehr gerne seine Zeit.

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Premiere: 14. Oktober 2022 Deutsches Theater

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MINNA VON B A R N H E L M

von Gotthold Ephraim Lessing in einer Fassung von Anne Lenk und David Heiligers Regie: Anne Lenk

Major von Tellheim hat sich in ein Gasthaus zurückgezogen. Unehrenhaft aus dem Militär entlassen, verwundet und mit Korrup­ tionsvorwürfen konfrontiert, befindet er sich ohne Mittel in einer Art unruhiger Stagnation. Auch die junge Wirtin benötigt dringend Geld und verweist ihn in ein schlechteres Zimmer als das wohlhabende Edelfräulein Minna von Barnhelm mit ihrer Vertrauten ­Franziska anreist. Minnas Suche nach Tellheim, i­hrem Verlobten, findet damit ein überraschendes Ende – ein Happy End jedoch liegt in weiter Ferne. Denn nach dem Krieg ist nichts wie zuvor. Es beginnen Auseinandersetzungen um die Möglichkeit einer Beziehung auf Augenhöhe, die Tellheim an gleichem Finanz- und Ehrenlevel festmacht. Minna dagegen bemisst diese an nichts Weiterem als der Liebe. Die Frage nach Geschlechterrollen und -zuschreibungen ist auch zu Lessings Zeiten schon Thema: Welche (eigenen) Erwartungen richten sich ans ‚stärkere Geschlecht‘ und die ‚männlichen Versorger‘? Wie und warum muss die Frau darum streiten, frei lieben und unabhängig über ihr Leben bestimmen zu dürfen? Die Liebe als anarchischer und komischer Zustand, der selbst die kühlsten und vernünftigsten Menschen auszuhebeln vermag, deckt unbarmherzig alle Selbstzweifel und fremdbestimmten Bilder auf. ­M I N N A V O N B A R N H E L M zeigt eine vom Geld dominierte und vom Krieg gezeichnete Welt, die sich selbst und ihr gesellschaftliches Pano­rama befragt. Wer kämpft? Wer räumt auf? Wer bleibt übrig? Wer bezahlt? Wer liebt, liebt. 89


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Uraufführung: 21. Oktober 2022 Box

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Eine Inszenierung des Jungen DT

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SPIEGELSAAL

nach der Graphic Novel von Liv Strömquist Deutsch von Katharina Erben Regie: Katharina Bill

„Fakt ist, dass Frauen sich einer 1900 Jahre alten Tradition der westlichen Welt zufolge nicht schön finden oder um ihre Schönheit wissen sollen.“ Die feministische Politikwissenschaftlerin und Comiczeichnerin Liv Strömquist stellt in ihrer neuesten Graphic Novel die ­Frage nach dem Schönheitsempfinden und wie sich dies durch ­gesellschaftliche Entwicklungen verändert hat. Denn wer oder was schön ist, ist immer auch eine politische Frage. I M S P I E G E L S A A L ist eine lustvolle, genau recherchierte Auseinanders­ etzung mit dem Schönheitsdiskurs zwischen Kaiserin Sissi, Marilyn Monroe und Instagram. Die fette* Regisseurin und Performerin Katharina Bill bringt den eigensinnigen Bild- und Sprachwitz der Graphic ­Novel gemeinsam mit Jugendlichen auf die Bühne. Neben ihren Regiearbeiten und der Vermittlung von performativen Formaten forscht Katharina Bill in verschiedenen Kontexten zur Performativität von Körperfett, normativen Darstellungskonventionen und ihren Auswirkungen. *fett = als ermächtigende Selbstbezeichnung 90


Wieviel Zeit benötigt Demokratie, Frau Çalışkan?

Selmin Çalışkan ist seit Januar 2019 Direktorin für Institutionelle Beziehungen im Berliner Büro der Open Society Foundations, davor war sie als Generalsekretärin der deutschen Sektion von Amnesty International tätig. Zwischen den Jahren 2003 und 2012 hat Çalışkan bei den Frauenrechtsorganisationen Medica Mondiale und European Women‘s Lobby die Politikarbeit für Frauenrechte von geflüchteten Frauen, Migrantinnen und Überlebenden sexualisierter Gewalt in Kriegs- und Krisengebieten geleitet.

Das Leben ist eine Baustelle. Die Demokratie auch, denn sie ist zu keiner Zeit je fertig gestellt. Sie lebt von Teilhabe, sozialer Gerechtigkeit und Freiheitsrechten. Sie ist Ausdruck dafür, dass Menschen, egal von woher sie kommen, das tiefe Bedürfnis nach Anerkennung, Menschenwürde und einem Platz in der Gesellschaft haben. Sie ist nicht umsonst zu haben und sie wird jeden Tag herausgefordert — und sie braucht Zeit, um unsere persönlichen, aber auch politischen Erkenntnisse in heilsames Handeln zu übersetzen. In den letzten Jahren haben wir durch die Klimakrise, das Erstarken rechter Gesinnung und Parteien und eine weltweite Pandemie erlebt, wie verletzlich unsere Demokratie, wie verletzlich wir sind. Wir haben erfahren, wie schnell unser Leben einfach vorbei sein kann. Wir ­haben gleichzeitig darüber diskutieren müssen, wie wir antidemokratischen Meinungen, die gezielt gegen bestimmte Gruppen von Menschen Hass schüren, begegnen können ohne selber antidemokratisch 91


zu sein. Wir mussten zusehen, wie die verzweifelte Flucht von Menschen nach Europa 2015 und dann die Pandemie 2020, politisch als Waffe benutzt wurden, um Angst in der Gesellschaft zu schüren, um ganz grundsätzlich die Demokratie als legitimes Politiksystem und die europäische Union in Frage zu stellen. Das war und ist Gift in reinster Form. Das ist aber nicht nur in Deutschland so. Auch in anderen ­Ländern wie Syrien, Afghanistan, Türkei, Ungarn und Ukraine sind ähnliche demokratiefeindliche Kräfte am Werk und/oder es herrscht Krieg, Folter und Vertreibung. Deshalb sind unter denen, die hier ankommen, um eine neue Heimat zu finden, viele Menschenrechtsverteidiger:innen, die von ihren Regierungen durch Repressalien und Anti-NGO-Gesetze unter Druck gesetzt wurden, entweder mit ihrer politischen Arbeit aufzuhören oder das Land zu verlassen.­ Es handelt sich um Engagierte, die sich für Umweltschutz, freie Kunst und Kultur, Frieden, Bildung und Gesundheit, menschenrechtskonforme Arbeitsbedingungen und Lieferketten, gegen Korruption und Armut und für Frauenrechte und Geflüchtete einsetzen. Sie können erst einmal in ihren eigenen Ländern nicht weiterarbeiten. Nach einer Ankommensphase wollen sie meist von Deutschland aus ihre wichtige Arbeit wieder aufnehmen, um in ihren Herkunftsländern Frieden, soziale Gerechtigkeit und Menschenrechte zu fördern. Deutschland hat als Land hierfür auch einiges zu bieten: Es gibt verlässliche rechtliche Strukturen, soziale Absicherung und ein eigenes stabiles Verständnis davon, wie viel Freiheitsrechte wert sind. Genauso wichtig: Deutschland hat eine lebendige Zivilgesellschaft, die zwar zugegeben unter erschwerten Bedingungen arbeitet, sich aber nicht unterkriegen lässt. Unser Land hat durch seine eigene schmerzhafte Vergangenheit eine Demokratie entwickeln müssen, die in den Aufschrei ›Nie wieder Faschismus‹ mündete. Menschenrechtsverteidiger:innen, die bei uns ankommen, können diesen Imperativ gut nachempfinden, haben viele doch selber U ­ nmenschliches erlebt und trotz allem versucht, sich für gerechtere Verhältnisse einzusetzen. 92


Dieses Engagement und die geographische und thematische Expertise brauchen wir heute überall auf der Welt. Denn unsere globalen Herausforderungen als Menschheit sind groß: Es gibt eine Klimakrise, die nicht mehr wegzuleugnen ist. Die globale Schere zwischen Arm und Reich wird größer, der Hunger nimmt zu und es herrscht wieder Krieg in Europa. Die Digitalisierung unseres Lebens braucht einen starken staatlichen Schutz unserer Bürger:innenrechte, und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit wie Rassismus, Antisemitismus und Homophobie vergiftet unser Zusammenleben. Es ist höchste Zeit, es gemeinsam anzupacken und eine Binsenweisheit, dass man Probleme nicht mit den gleichen Mitteln lösen kann, durch die sie entstanden sind. Das bedeutet, wir können die unterschiedlichen Perspektiven auf globale Herausforderungen, die Diversity als Expert:innen mit vielfältigen thematischen Erfahrungen, welche Menschenrechtsverteidiger:innen z.B. aus Afghanistan und der Ukraine gerade automatisch nach Deutschland mitbringen, gut ­gebrauchen. Denn auch wir müssen unsere Demokratie hier weiterentwickeln und stärker gegenüber jenen machen, die Werte wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte auch mit g ­ ewaltsamen Mitteln in Frage stellen. Allerdings ist diese spezifische Gruppe von Geflüchteten bei vielen Menschen noch gar nicht bekannt. Obwohl es auf den Ebenen der Vereinten Nationen und der Europäischen Union inzwischen sogar Gesetzgebungen zum Schutz von Menschenrechtsverteidiger:innen gibt, unter anderem das politische Asyl und die EU-Richtlinien zum Schutz von Menschenrechtsverteidiger:inn en, kennen viele den Begriff noch nicht. Wichtig wäre jetzt, auch im Hinblick auf unsere Zeit, die uns für eine heilsame Transformation auf unserer Erde zur Verfügung steht, auf diese ankommenden, engagierten Menschen auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene aufmerksam zu machen. Sie in ihren Vorhaben ideell und finanziell zu unterstützen und gemeinsame Projekte zu entwickeln, die uns alle als Menschheit weiterbringen. Und wir sollten uns auch die Zeit dafür nehmen, neue Freundschaften zu schließen und dieser besonderen Gruppe und Individuen 93


von Engagierten ein neues, politisches Zuhause in Deutschland anzubieten. Meine Vision für Deutschland ist, dass von unserem Land aus in anderen Ländern friedlichere, gerechtere und demokratischere Verhältnisse entstehen können. Das mag vielleicht naiv klingen, ist es aber nicht. Wir sind es dem Imperativ des ›Nie wieder Faschismus‹ nach dem 2. Weltkrieg schuldig, alles dafür zu tun. Und ich bin überzeugt davon, dass Deutschland das kann.

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Deutsche Erstaufführung: 12. November 2022 Deutsches Theater

DAS

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HIMMELSZELT

von Lucy Kirkwood Deutsch von Corinna Brocher Regie: Jette Steckel

In einem kleinen Dorf an der englischen Ostküste kämpft im März 1759 eine verurteilte Mörderin um ihr Leben. Sally Popper wird von ihrem Ehemann beschuldigt, gemeinsam mit ihrem Liebhaber ein Mädchen ermordet zu haben. Als ihr Todesurteil verkündet wird, behauptet sie schwanger zu sein – in diesem Falle müsste die Hinrichtung ausgesetzt werden. Zwölf Frauen des Dorfes, die selbst bereits mindestens ein Kind geboren haben, werden als „Matronenjury“ eingesetzt, um die Schwangerschaft festzustellen oder auszuschließen. In einem Rechtssystem, das ihnen fremd und feindlich gegenübersteht, machen sich die Frauen erst eher wider- und unfreiwillig auf die Suche nach der Wahrheit, während draußen ein Mob wütet, der Sally Popper hängen sehen will. Ein weiteres Ereignis beschäftigt die Dorfbewohner:innen: das E ­ rscheinen eines lichtstarken Kometen, der sich im Abstand von 74 bis 79 Jahren der Erde nähert. Alle Augen richten sich erwartungsvoll gen Himmel, weg vom weiblichen Körper, der Unter­suchungsgegenstand und Schlachtfeld ist, auf dem der Kampf um Recht und Unrecht ausgetragen wird. Die britische Dramatikerin Lucy Kirkwood hat ein fesselndes, präzises Gerichtsdrama für ein fast ausschließlich weib­liches Ensemble geschrieben. In ihre historische Handlung streut sie ­ ­aktuelle Bezüge hinein, verbindet die Zeiten. „Es geht darum, wie ­Demokratie arbeitet, was es heißt, eine Stimme abzugeben, und wie man innerhalb der vorhandenen Strukturen Handlungsmacht erlangen kann“ (Lucy Kirkwood). 96


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Premiere: 18. November 2022 Kammerspiele

AS YOU LIKE von William Shakesqueer Regie: Bastian Kraft

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„Die ganze Welt ist eine Bühne, und alle Männer und Frauen sind nur Spieler“, beziehungsweise Spieler:innen, die hier zu fünft auf der Bühne die Hauptfigur Rosalinde spielen. Oder spielen sie einen elisabethanischen Knabenschauspieler, der die Rolle der Rosalinde spielt? Oder eine postfeministische Schauspielerin, die einen elisabethanischen Schauspieler spielt, der die Rolle der Rosalinde spielt, die sich wiederum im Stück als Mann verkleidet, der dann spielerisch eine Frau darstellt? Rosalinde jedenfalls ist das Zentrum des Verwirrspiels, das im Wald von Arden etlichen Figuren den Kopf verdreht. Doch wenn die ­Liebe sie auch alle zu Narren macht, so bleibt ihr Wortwitz dabei stets messerscharf und das letzte Mittel, sich in einer aberwitzig verdrehten Realität zu behaupten. Der Wald von Arden erscheint als Ort, an dem sämtliche Regeln vorübergehend außer Kraft gesetzt sind: ein Rückzugsort für die von der Gesellschaft Ausgestoßenen, ein utopischer Ort einer autonomen Gegengesellschaft mit ihren verlockendem Freiheitsversprechen, an dem all die Zufluchtsuchenden sich und die Liebe erst neu finden müssen. Im lustvoll-subversiven Aushebeln festgefügter Normen unterzieht ­Bastian Kraft W I E E S E U C H G E F Ä L L T einer queeren Lesart und zeigt eine Gender-Komödie, die als befreiendes und berührendes Verwirr- und Verwandlungsspiel den Klassiker neu befragt. 97


Wieviel Zeit verbringen wir mit unserer eigenen Endlichkeit, Herr Bernhardt?

Fabian Bernhardt hat Philosophie, Ethnologie und Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft studiert. 2018 wurde er am Philosophischen Institut der Freien Universität Berlin promoviert, wo er zurzeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Sonderforschungsbereich »Affective Societies« forscht. 2021 erschien sein zweites Buch »Rache. Über einen blinden Fleck der Moderne« bei Matthes & Seitz Berlin.

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Das ist eine interessante Frage. Sie lässt nicht nur mehrere Antworten zu, sondern verlangt geradezu danach, aufgrund einer Vieldeutigkeit, die sie unausgesprochen begleitet. Um sie in zulässiger Weise beantworten zu können, scheint mir, müsste man zunächst eine Gegenfrage stellen: Wer ist dieses »wir«, das hier angesprochen ist? Wir, das könnte zunächst einmal schlicht die­ jenigen Menschen meinen, die diesen Text lesen und folglich ein Interesse am Programm des Deutschen Theaters aufbringen. Einerseits handelt es sich dabei um eine heterogene Vielheit: Wir sind unterschiedlich alt, haben unterschiedlich viel Geld, sind unterschiedlich gesund. Das sind alles Faktoren, die einen Einfluss darauf haben, wie wir es als Einzelpersonen jeweils mit unserer Endlichkeit halten. Jemand, der an einer ernsthaften Krankheit leidet, Multiple Sklerose zum Beispiel, wird seine Endlichkeit anders erleben als eine gesunde Person. Das sind gewichtige


Unterschiede. Andererseits teilt dieses Theater-Wir, um es einmal so zu nennen, aber auch eine Reihe von Eigenschaften, insbe­ sondere im Hinblick auf seine soziale, ökonomische und kulturelle ­Situiertheit: Schließlich sind es keineswegs alle Menschen in unserer Gesellschaft, die sich für das Theater interessieren und das ­Privileg besitzen, diesem Interesse auch nachzugehen. Zugleich weiß dieses Wir, das im Theater zusammenkommt, aber auch um andere Menschen, aus den Nachrichten, vermittelt durch andere Kanäle, für die sich diese Frage in einer anderen Weise­ und mit einer größeren Dringlichkeit stellt: die Bevölkerung der ­Ukraine zum Beispiel, die Flüchtenden auf dem Mittelmeer, die Menschen im Globalen Süden, die gerade akut von Hunger bedroht sind. Menschen also, die sich in Situationen befinden, in denen sie Tag für Tag mit der Möglichkeit des Endes ihres eigenen Lebens konfrontiert sind. Wobei man davon ausgehen kann, dass sich die Frage nach der eigenen Endlichkeit als solche umso weniger stellt, je prekärer die Situation ist, je mehr man um sein tägliches Überleben zu kämpfen hat. Man hat dann andere Sorgen, wenn Sie so wollen, solche, die sich direkt auf das Diesseits und die konkreten Möglich­ keiten des Überlebens richten: Wo bekomme ich die ­nächste Mahlzeit her, für mich und meine Kinder, wo sauberes Trinkwasser? Wo kann ich schlafen? Wem vertrauen? Wer hilft mir? Das sind andere Fragen als die, die sich den Besucherinnen und Besuchern des Deutschen Theaters stellen. Wir stehen hier einem Umstand gegenüber, den ich für wichtig halte: Alle Menschen sind endlich, aber nicht alle sind in derselben Weise mit dem Faktum ihrer Endlichkeit konfrontiert. Über Endlichkeit nachzudenken, in einem abstrakten oder philosophischen Sinn, ohne unmittelbar um sein eigenes Leben fürchten zu müssen, können sich keineswegs alle leisten. Wenn die Frage also lautet, »Wieviel Zeit verbringen wir mit unserer eigenen Endlichkeit?«,­ so muss man zunächst feststellen, dass es dieses eine Wir gar nicht gibt, trotz des geteilten Faktums der Sterblichkeit, dass es sozusagen zersplittert und sich auffächert und nach einer genaueren Bestimmung des Standorts, des Kontextes, der Situation verlangt. 99


Anders ausgedrückt: Wir sind immer viele. Aber diese Vielen lassen sich nur unter der Voraussetzung als einheitliches Wir ansprechen, dass man von einer ganzen Reihe von Besonderheiten absieht, die im Hinblick auf die genannte Frage jedoch von großer Relevanz sind. Eine zweite Gegenfrage drängt sich auf: Was genau bedeutet es, Zeit mit seiner eigenen Endlichkeit zu verbringen? Die Frage ­ließe ­sich noch weiter zuspitzen: Ist es überhaupt möglich, nicht Zeit mit seiner eigenen Endlichkeit zu verbringen, und sei es auch nur für eine einzige Minute oder Sekunde? Schließlich steht jeder Moment ­unseres Daseins, vom ersten Atemzug, den wir als Neugeborene tun, bis hin zum letzten, unentrinnbar im Zeichen der Endlichkeit. Man kann diesen Umstand für banal halten, unterliegt doch alles, was in der Zeit ist, Alter, Tod und Verfall. Aber ist es wirklich banal, daran zu erinnern? Denselben Menschen, denen wir die Erfindung des Theaters verdanken, jenen der griechischen Antike, galt dieser Umstand immerhin als so bedeutend und bemerkenswert, dass sie in ihm die Klammer sahen, die das Geschlecht der Menschen über alle Unterschiede hinweg zusammenhält: Wir Sterblichen. Gewiss war ihnen bewusst, dass der Mensch nicht das einzige Wesen ist, das sterben muss. Wenn sie von sich selbst als den Sterblichen sprachen, dann vor allem deshalb, weil sie im ­Menschen dasjenige ­Wesen ­erkannten, das um seine Sterblichkeit weiß und dazu gezwungen ist, sich kulturell zu ihr zu verhalten. In modernen Gesellschaften — das heißt Gesellschaften, die sich selbst für aufgeklärt halten — besteht eine der am meisten verbreiteten Formen, sich zu seiner eigenen Endlichkeit zu verhalten, darin, sie schlichtweg zu ignorieren. Dass in der Fähigkeit zum Wegsehen und Leugnen unter Umständen auch ein Segen liegt, wissen diejenigen am besten, denen diese Möglichkeit nicht gegeben ist, weil sie sich in einer existentiellen Lage befinden, die sie unentwegt an das unvermeidbare Ende erinnert. Privilegiert sind also nicht nur jene, die sich philosophisch mit der Frage der Endlichkeit auseinandersetzen können, sondern auch jene, denen es freisteht, diese Frage einfach zu ignorieren. 100


Was bedeutet das nun aber für uns, das Theater-Wir, das sich im Saal versammelt? Das Besondere am Theater ist, dass es beide Haltungen zulässt: Hinsehen oder Wegsehen. Zwischen dem Zuschauerraum und dem, was auf der Bühne passiert, hat seit jeher beides seinen Platz: selige Ignoranz und kritische Reflexion, das Einschläfernde und das Aufrüttelnde, eskapistische Unterhaltung und der Aufruf zum Umsturz. Nach zwei Jahren Pandemie, diesem großen Crashkurs in Sachen Endlichkeit, wissen die meisten, wie wenig selbstverständlich es ist, solche Orte besuchen zu können. Und diejenigen, die es schon wieder vergessen haben, werden von jedem Niesen der Sitznachbarin und jedem Huster, der durch den Zuschauerraum hallt, erneut an dieses Privileg erinnert. Na endlich! Auch dafür wurde es Zeit.

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Saal versammelt? Das Besondere am Theater ist, dass es beide Haltungen zulässt: Hinsehen oder Wegsehen. Zwischen dem Zuschauerraum und dem, was auf der Bühne passiert, hat seit jeher beides seinen Platz: selige Ignoranz und kritische Reflexion, das Einschläfernde und das Aufrüttelnde, eskapistische Unterhaltung und der Aufruf zum Umsturz. Nach zwei Jahren Pandemie, diesem großen Crashkurs in Sachen Endlichkeit, wissen die meisten, wie wenig selbstverständlich es ist, solche Orte besuchen zu können. Und diejenigen, die es schon wieder vergessen haben, werden von jedem Niesen der Sitznachbarin und jedem Huster, der durch den Zuschauerraum hallt, erneut an dieses Privileg erinnert. Na endlich! Auch dafür wurde es Zeit.

12 Fabian Bernhardt hat Philosophie, Ethnologie und Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft studiert. 2018 wurde er am Philosophischen Institut der Freien Universität Berlin promoviert, wo er zurzeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Sonderforschungsbereich „Affective Societies“ forscht. 2021 erschien sein zweites Buch „Rache. Über einen blinden Fleck der Moderne“ bei Matthes & Seitz Berlin.


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Uraufführung: 16. Dezember 2022 Deutsches Theater

A N DER

von Elfriede Jelinek Regie: Jossi Wieler

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Angabe der Person. Das klingt wie schönstes Behördendeutsch. Und in der Tat: Der deutsche Fiskus geistert durch Elfriede Jelineks neues Stück. Die Steuerfahndung geht um, private Räumlichkeiten werden durchsucht, Papiere beschlagnahmt. Auf diesen Papieren: alles, was sich so ansammelt in einem langen Leben. Geschichten von Lebenden, Geschichten von Toten, mehr von Toten mittler­weile. Denn aus dem Text spricht eine Stimme, die sich als die l­etzte fühlt: „Nach mir ist es unwiderruflich aus mit den Jelineks! Alle weg, alle futsch, außer mir.“ So nimmt die Autorin „die letzten Meter“ zum Anlass, auf die eigene „Lebenslaufbahn“ zu schauen, auf die „Untaten“ der eigenen Vergangenheit, auf die „Untoten“ ihrer Biografie. Sie erzählt von ihren Eltern und Großeltern, vom jüdischen Teil ihrer Familie, von Verwandten, die vertrieben und ermordet wurden, von Flucht und Verfolgung, von der Entschädigung der Täter, von alten und neuen Nazis, früher und heute. Sie schreibt als beschuldigte Klägerin, als Opfer und als Anwältin. Über sich. Über Deutschland. Mal in sich überschlagenden Kaskaden aus Wut und Wort. Mal als Erinner-­ ung an die Vergessenen und als Trauerlied von seltener Klarheit. ­Jossi Wieler, den seit dreißig Jahren eine enge Zusammenarbeit mit Elfriede Jelinek verbindet, bringt mit A N G A B E D E R P E R S O N einen ihrer bisher persönlichsten Theatertexte zur Uraufführung. 103


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Premiere: 17. Dezember 2022 Kammerspiele

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C A L I G U L A

von Albert Camus Regie: Lilja Rupprecht

„Die Menschen sterben, und sie sind nicht glücklich.“ Nach dem Tod seiner Schwester und Geliebten Drusilla nimmt der junge römische Kaiser Caligula die Existenz nur noch in ihrer Begrenztheit wahr. Das Leben erscheint ihm sinnlos. Aus Protest gegen eine Welt, „die in ihrer jetzigen Gestalt nicht zu ertragen ist“, verspricht er, das Lügen auszurotten, Privilegien und Konventionen abzuschaffen. Einst beliebt, treibt Caligula seine Sehnsucht nach einer grenzenlosen Freiheit weiter und weiter, alle Werte nivellierend, bis er schließlich zum Tyrannen und Mörder wird. ­ Nun schließen sich erste Verschwörer zusammen. Unbeeindruckt ­forciert Caligula seinen staatlichen Terror auf immer schrecklichere Weise, aber um die von ihm Gequälten zum Widerstand zu zwingen. Ein Widerstand, der notwendigerweise seine eigene Auslöschung zur Folge haben wird: „Man kann nicht alles zerstören, ohne sich selbst zu zerstören.“ 104


Wieviel Zeit für Langeweile, Herr Doehlemann?

Martin Doehlemann, Prof. em. Dr. rer. soc., Studium der Soziologie, Neueren Deutschen Literaturwissenschaft und Publizistik in München und Zürich, (als Student auch mal Stipendiat des Literarischen Colloquiums Berlin), wissenschaft­ licher Assistent an Hochschulen in Hamburg und Tübingen, Professor für (Kultur-) Soziologie am Fachbereich Sozialwesen der Fachhochschule Münster, (zwischendrin auch mal Stipendiat des Künstlerhauses Schloss Wiepersdorf ).

Was ist das denn, Langeweile? Es ist ein Zustand der Erlebnisarmut, einer inneren Inhaltslosigkeit. Im deutschen Wort wird die Empfindung einer sich verlangsamenden Zeit angesprochen, während in anderen Sprachen (englisch boredom, französisch ennui, italienisch und spanisch tedio, russisch skúka) solche Stimmungsanteile wie Unlust, Verlust, Überdruss, Weltschmerz, Weltverachtung anklingen. Von Langeweile lassen sich vier Spielarten ausmachen. Da ist einmal die Gelegenheitslangeweile, die uns beim Warten auf Behördenfluren, in der Arztpraxis, im Autostau, auf Bahnhöfen, in Warteschlangen vor Kassen und Pforten a­ ller Art oder bei Grußansprachen von Politikern befallen kann. Hier ist Zeit zu überbrücken, unfreiwillig und ohne Ausweichmöglichkeit — und wenn wir ungeduldig auf das neue Laden zum Beispiel eines Films auf Netflix starren, wird uns das zum Relöden. 105


Dann gibt es die überdrüssige Langeweile. Sie ist gegenstandsbezogen. Etwas langweilt mich, zum Beispiel meine Arbeitstätigkeit in vielen ihrer Teile, bestimmte Personen, Betonwüsten in den Städten und darüber hinaus das tägliche Einerlei, das Banale­ — auch in den (Sozialen) Medien: Viele Menschen, die sich mit ­immer kürzeren Aufmerksamkeitsspannen durch die zerstückelten, gerne aufgeregten Belanglosigkeiten zappen, wollen ihre Gefühle der Fadheit durch weiteres Zappen verscheuchen — und fast nichts bleibt als Erlebnis in Erinnerung. Eine dritte Spielart ist die existenzielle Langeweile. Sie ist selbstbezogen. Ich langweile mich mit mir, empfinde Gefühle einer angespannten inneren Leere, von Teilnahmslosigkeit und Sinn­ armut der Welt. Man weiß mit sich und der Welt nichts Rechtes anzufangen — und finge doch gerne etwas an. Es ist eine Art von ­widersinnigem Gefühl, das sich mit leerem Sehnen, ziellosem Streben, Warten ohne Erwartung, Wollen ohne Willen, Ungeduld ohne Verlangen umschreiben lässt. Wenn nun nicht sogleich versucht wird, sich selbst in diesem Zustand zu entfliehen und mit Hilfe der Zerstreuungsindustrien und Sozialen Medien die Zeit zu vertreiben, kann sich so etwas wie schöpferische Langeweile einstellen. Sie ist die attraktivere Schwester der existenziellen, von Goethe »Mutter der Musen« genannt (1790). Sie bereitet möglicherweise die empfängliche Stille vor dem Aufbruch zu neuen Denk-, Sicht- und Erfahrungsweisen, führt zu brachliegenden Möglichkeiten, öffnet vielleicht die Augen für die unscheinbaren Schönheiten und Scheußlichkeiten der Welt. Ich werde mir selbst in der verlangsamten Zeit in anderer Weise g ­ ewahr. Die schöpferische Langeweile kennt durchaus das unruhige Nichts der existenziellen Langeweile, kann daraus aber Funken schlagen für das Feuer einer inneren Lebensfülle und eigenwilliger Lebenszeichen, für Wachstum nach innen und neue Ausstrahlung nach außen. Friedrich Nietzsche hat diese Art von Langeweile »jene unangenehme Windstille der Seele« genannt, »welche der glück­ lichen Fahrt und den lustigen Winden vorangeht« (1880). Er meinte, gerade »Denker« und »empfindsame Geister« hätten sie nötig, wenn 106


ihnen ihre Arbeit gelingen soll. Man »muss sie ertragen, muss ihre Wirkung bei sich abwarten«, und das falle dem Normalbürger sehr schwer. »Wer sich völlig gegen die Langeweile verschanzt, verschanzt sich auch gegen sich selber: den kräftigsten Labetrunk aus dem eigenen innersten Born wird er nie zu trinken bekommen« (1878). Heutzutage gibt es zwar verhältnismäßig viel mehr »empfindsame Geister« als zur Zeit Nietzsches, erklärbar mit der all­gemeinen Erhöhung des Bildungsniveaus und einer gewissen Kultivierung des Bewusstseins vor dem Hintergrund eines verbreiteten Wohlstandes. Aber hat die Fähigkeit, schöpferische Langeweile zu erkennen und zu ertragen, entsprechend zugenommen? Das ist zumindest fraglich. Denn sich Zeit zu nehmen für ein Abstandnehmen von den Dingen, für ein empfindsames Warten auf das Einströmen neuen Lebens in die freigeräumte Seele, ist in der heutigen K ­ onsum- und Entertainmentgesellschaft erschwert: Überall ertönen die ­Erlebnisund Glücksversprechungen von Konsumgütern und ­Medien, sind Teilnahme- und Teilhabeeinflüsterungen zu vernehmen, verlockend, aber trügerisch. Die (nichtberufliche) Zeit, welche die Leute durchschnittlich vor großen und kleinen Bildschirmen verbringen, hat in der jüngsten Vergangenheit deutlich zugenommen — wobei eine gewisse Neigung zur Selbstunterforderung besteht: ständig ohne Mühe seichte Reize wechseln, was eine innere »überfüllte ­Leere« nach sich ziehen kann. Schöpferische Langeweile, versteht sich, gibt es nicht auf Knopfdruck wie das Glück in der Welt der Werbung und kann nicht in den Terminkalender eingetragen werden. Aber entgegen den Leitsätzen der modernen Kultur der Zeitknappheit lädt die Zeit auch dazu ein, sie zu verplempern. Nichts zu tun ist aber gar nicht so einfach und geht, genau genommen, auch gar nicht — und einfach nur herumzutrödeln verspricht noch nicht in jedem Fall den Labetrunk aus dem eigenen innersten Born. Dennoch, der moderne Mensch sollte es öfter mal über sich bringen und eine gewisse Weile aushalten, nicht dauernd »gefragt« und verfügbar zu sein, sich nicht in einer inneren Habachtstellung zu befinden, audiovisuelle ­ 107


Medien links liegen zu lassen — und besonders den größten ­ Zeit-Dieb, das Smartphone, in den Arrest zu schicken —, sondern nur langsam eine fade Zeit zu verschwenden. Dann kann er in seinem Inneren erleben, wie verschwenderisch die Zeit zu sein vermag, wie aus dem Wunderhorn eines Nichts bunte Blüten fallen.

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Premiere: 20. Januar 2023 Deutsches Theater

LEONCE L E

von Georg Büchner Regie: Ulrich Rasche

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Kronprinz Leonce ist von seinem Dasein gelangweilt und frustriert. Die Aussicht auf ein Leben als König erscheint ihm ebenso wenig sinnstiftend wie seine Affäre zur Tänzerin Rosetta. Als er erfährt, dass er mit Prinzessin Lena verheiratet werden soll, flieht er mit seinem Diener Valerio in die Ferne. Auch Lena sträubt sich gegen diese arrangierte Verlobung, weshalb ihre Gouvernante mit ihr verreist, um sie zur Vernunft zu bringen. Kurzzeitigen Trost findet Leonce in Rausch und tiefgreifenden Gesprächen über die Unzulänglichkeit der menschlichen Existenz, während Lena in der Natur ihre Freiheit sucht. Doch immer bleiben da diese elementaren Fragen nach Ziel und Zweck des eigenen Lebens. Ohne sich zu kennen, treffen Leonce und Lena aufeinander und verlieben sich Hals über Kopf. Als Automaten maskiert, werden sie anstelle der unauffindbaren Königskinder vermählt – um nach der Entpuppung festzustellen, dass sich eingelöst hat, wovor sie zu entkommen hofften. In Verbindung mit Büchners Pamphlet D E R H E S S I S C H E L A N D B O T E und in Zusammenarbeit mit dem Choreographen Jefta van Dinther klopft Regisseur Ulrich Rasche das Lustspiel L E O N C E U N D L E N A (1836) auf dessen politischen Gehalt ab: als fundamentale Gesellschaftsanalyse und radikale Kritik an Selbstbezüglichkeit und Ignoranz der herrschenden Klasse. Während sie alle Hebel in der Hand hält, um die sozialen Verhältnisse zugunsten der Ausgebeuteten zu ändern, entschuldigt sie ihr Nichtstun mit der Aussichtslosigkeit persönlichen Handelns, der Unmöglichkeit auf die Welt einzuwirken und der grundsätzlichen Verlorenheit im Universum. 110


Wieviel Zeit noch bis zum Ende des Wachstums, Frau Zahrnt?

Prof. Dr. Angelika Zahrnt ist Volkswirtin und war Vorsitzende des BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland), Mitglied im Rat für Nachhaltige Entwicklung der Bundesregierung und Initiatorin der Studien Zukunftsfähiges Deutschland. Sie arbeitet und publiziert vor allem zu Postwachstumsgesellschaft und Suffizienz.

»Wer in einer begrenzten Welt an unbegrenztes exponentielles Wachstum glaubt, ist entweder ein Idiot oder ein Ökonom«, so formulierte es K ­ enneth Boulding, einer der Gründerväter der Ökologischen Ökonomie in einer drastischen Abgrenzung von der Mehrheit der Ökonom:innen. Zu den alltäglichen Weisheiten und Alltags­ erkenntnissen gehört, dass Bäume nicht in den Himmel wachsen und Kinder erwachsen werden. Was exponentielles Wachstum ist, hat insbesondere die Corona-Pandemie auch Nicht-Ökonom:innen gelehrt: Während beim linearen Wachstum in jedem Zeitabschnitt eine Grundmenge um eine bestimmte gleiche Menge zunimmt (zum Beispiel die Zahl der Corona-Infizierten pro Woche), so bedeutet exponen­tielles Wachstum, dass diese Grundmenge sich um einen gleich bleibenden Prozentanteil erhöht und dies bei dann steigender Grundmenge zu einem massiven und sich beschleunigenden Anstieg (der CoronaInfizierten) führt. 111


Das Wachstum der Wirtschaftsleistung füllt unseren Planeten nicht nur mit Gütern, sondern auch mit Emissionen und Abfällen wie Plastik. Gleichzeitig nehmen seine Bestände an Rohstoffen und Natur als Lebensräume für Menschen, Tiere und Pflanzen ab. Dies gefährdet die Funktionsfähigkeit der Ökosysteme und in Folge auch der Wirtschaftssysteme. Vor 50 Jahren hat der Club of Rome auf Grund von Modellanalysen einen Bericht über die »Grenzen des Wachstums« veröffentlicht. Die Botschaft war damals schockierend und ist es heute noch, denn inzwischen zeigen sich Grenzen des Wachstums und unserer Wirtschaftsweise nicht nur in Mo­dellen, sondern sie sind — am stärksten bei der Erderhitzung — sichtbar und erfahrbar, und das inzwischen nicht nur in der Arktis oder auf Südseeinseln, sondern auch in unseren gemäßigten Breiten, in ­denen wir uns lange sicher glaubten. Wir überschreiten jetzt schon weitere planetare Grenzen und gefährden damit die Lebensgrundlagen vor allem der Länder des Südens, junger Menschen und künftiger Generationen. Dabei hatte sich die Staatengemeinschaft 1992 bei der Konferenz zu Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro auf das Ziel nachhaltiger Entwicklung verpflichtet, auf eine weltweit und generationenübergreifend gerechte Entwicklung. Zur Konkretisierung wurde damals eine Klimarahmenkonvention verabschiedet, de facto­ sind allerdings seither die globalen CO2-Emissionen um mehr als ein Drittel gestiegen, nämlich von 22 Milliarden t (1992) auf 36 ­Milliarden t (2021). Wissenschaftliche Erkenntnisse und politische Bekenntnisse hatten also keine klimapolitischen Folgen im Handeln. Die Hoffnung ruht jetzt trotzdem auf den Pariser Klimazielen von 2015 und den Selbstverpflichtungen der Staaten, die Klima­ erwärmung auf unter 1,5° bis 2050 zu begrenzen. Bisherige klimapolitische Ziele zur Reduktion der CO2-Emissionen werden deshalb nicht erfüllt, weil parallel ökonomische ­Expansionsziele prioritär verfolgt werden. Folglich unterbleiben wirkungsvolle ökologische Maßnahmen oder sie werden wiederholt entschärft mit dem Hinweis, sie könnten das Wirtschaftswachstum gefährden. Der Konflikt zwischen den ökonomischen 112


Wachstumszielen und dem Nachhaltigkeitsziel, die natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten, wurde verbal gelöst durch die schmerzfreie s­ emantische Variante des »nachhaltigen oder grünen« Wachstums. Allerdings hat die dahinterstehende Vorstellung, weiteres Wirtschaftswachstum zu realisieren und gleichzeitig von Ressourcenverbrauch und Umweltbelastungen zu entkoppeln, nicht funktioniert. Ein Grund ist, dass technische Innovationen und ­Effizienzgewinne ökologisch nichts bringen, wenn mehr Produkte verkauft werden oder effizientere Produkte häufiger genutzt werden. Die Erkenntnis, dass technische Lösungen allein nicht zu den nötigen massiven Senkungen der CO2-Emissionen führen, nimmt zu und auch die Einsicht, dass es neben der Technik Verhaltens­ änderungen und andere Lebensstile braucht. Das kann andere Produkte, aber auch weniger Produkte bedeuten und dies kann dann zu weniger Wachstum führen. Doch sind »Weniger« und »Verzicht« politische Tabuworte. Denn unsere Wirtschaft und Gesellschaft und ihre Institutionen bauen bisher darauf auf, dass wir ständiges Wirtschaftswachstum brauchen. Wirtschaft und Gesellschaft sind so ausgerichtet, dass ständig mehr finanzielle Mittel für Infrastrukturen und für unsere sozialen Sicherungssysteme benötigt werden, so für das Gesundheitssystem und für die Altersversorgung. Auch Konsument:innen erwarten weiter steigenden Konsum und steigenden Lebensstandard, obwohl materieller Wohlstand und Glück nur bis zu einer bestimmten Einkommenshöhe korrelieren — wie Forschungen belegen. Die Steigerungslogik des »höher, schneller, weiter, mehr« bleibt das vorherrschende Motto. »Vielleicht werden sich kommende Generationen mit Verwunderung an eine relativ kurze Phase in der Geschichte der Menschheit erinnern, in der ständiges Wirtschaftswachstum für möglich und nötig gehalten wurde« — so der frühere Bundespräsident Horst Köhler in seinem Vorwort zu unserem Buch zur Postwachstumsgesellschaft. Aber der Glaube an die Möglichkeit unbegrenzten Wachstums beginnt, seine Faszination und Unantastbarkeit zu verlieren, 113


genauso wie die bislang nahezu selbstverständliche Priorität für das Ziel des Wachstums. Dazu beigetragen haben nicht nur die zunehmende Dramatik der ökologischen Probleme und die Notwendigkeit eines Ausstiegs aus fossilen Energien und der schnellen Transformation zu einer CO2-freien Wirtschaft, sondern aktuell auch der Ukraine-Krieg, bei dem die verhängnisvolle Abhängigkeit von fossiler Energie auf eine andere, dramatische Weise deutlich wird. Auch die Erfahrungen in der Pandemie, in der wegen der großen gesundheitlichen Gefährdung Maßnahmen ergriffen wurden, die die Wirtschaftstätigkeit einschränkten, relativierten den Fokus auf Wirtschaftswachstum. Die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen ist zwar ein wichtiges wirtschaftliches Ziel, das aber nicht gleichbedeutend ist mit der ständigen Steigerung von Produktion und Konsum. Das Wachstumszeitalter geht seinem Ende entgegen. Wir sollten die Zeit dringend dazu nutzen, uns auf das Postwachstumszeitalter vorzubereiten, mit einem Umbau der gesellschaftlichen ­Institutionen und Infrastrukturen hin zu Wachstumsunabhängigkeit. Auch in unserem Alltagsverhalten ist es an der Zeit, uns umzustellen auf einen ressourcenleichten und umweltverträglichen Lebensstil, der das Genug kennt — und Reichtum stärker in nichtmateriellen Bereichen, in menschlichen Beziehungen und Naturerleben, in Kunst und Kultur sucht und findet.

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Premiere: 7. Februar 2023 Kammerspiele

Eine Inszenierung des Jungen DT

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nach Gotthold Ephraim Lessing in einer Überschreibung von Joanna Praml und Dorle Trachternach Regie: Joanna Praml

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Oh Gott, holy shit: die Ringparabel. Eine Patchworkfamilie zu Zeiten der religiösen Kreuzzüge im Melting Pot Jerusalem. Der weise jüdische Kaufmann Nathan ­ ­findet sein Haus abgebrannt und seine Ziehtochter Recha nur knapp dem Tod entronnen. Auf der Suche nach dem Retter Rechas ­und innerhalb intriganter Machtkämpfe unterschiedlicher reli­giö­ser Gruppen hebt Nathan an zur Erzählung der Ringparabel – Lessings berühmtem Sinnbild für Toleranz und Humanität. Er zeigt darin bildhaft, wie sich eben noch tiefe Gräben in Wohlgefallen auflösen. Welch grandiose Utopie … Joanna Praml inszeniert am Jungen DT nach Schillers D I E ­R Ä U B E R (2020) mit N A T H A N nun Lessings letztes Werk. Sie begibt sich auf die ­Suche nach Verbindungen des Dramatischen Gedichts mit den Biografien der Jugendlichen im Ensem­ble. Woran glaubst Du, eher an Gott oder ans Geld? Zu wem betest Du in Gefahr? Wie können wir erreichen, uns nicht mehr über Unterschiedlichkeiten zu definieren und endlich die Diversität unserer Gesellschaft verdammt noch mal feiern? Und ist die aufklärerische Vernunft wirklich die Antwort auf alle Probleme? 116


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Premiere: 19. Februar 2023 Deutsches Theater

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EINE FRAU FLIEHT V O R EINER NACHRICHT von David Grossman in einer Bearbeitung von Armin Petras Regie: Armin Petras

Ora, die Frau, die vor einer Nachricht flieht, ist unterwegs in Israel. Sie will unerreichbar, einfach nicht da sein, falls schreckliche Neuigkeiten sie ereilen sollten. Denn ihr Sohn Ofer hat sich freiwillig zum Militäreinsatz im Westjordanland gemeldet. Zusammen mit ihrer Jugendliebe Avram, dem biologischen Vater ihres Sohnes und einst ein Soldat im Sechstagekrieg, flieht Ora in die Berge. Sie erzählt und erinnert sich, um durch ihr unaufhörliches Erinnern den Sohn am Leben zu erhalten. Sie erzählt von ihren zwei Lieben, von ihren Söhnen, vom Krieg, ihrer Wut, der Verzweiflung und dem Glück. Mit E I N E F R A U F L I E H T V O R E I N E R N A C H R I C H T hat David Grossman eine beinahe zarte Familiengeschichte geschrieben, in der sich die Zerrissenheit eines Landes und das Unglück des Krieges für etliche Generationen im Großen spiegelt. Nach A U S D E R Z E I T F A L L E N und K O M M T E I N P F E R D I N D I E B A R ist dies der dritte Text Grossmans, den das Deutsche Theater auf die Bühne bringt. 117


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Premiere: 24. Februar 2023 Kammerspiele

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AM STRAND DER WEITEN WELT von Simon Stephens Regie: Daniela Löffner

Eigentlich läuft bei den Holmes alles nach Plan. Peter ist in das Unternehmen seines Vaters eingestiegen und bringt alte Häuser wieder auf Vordermann, Alice sorgt für die zwei gemeinsamen Söhne Alex und Christopher. An einem ganz gewöhnlichen Sonntagmorgen möchte Alex mit seiner Freundin Sarah in die nahegelegene Stadt fahren, Christopher hingegen zieht es zum Airport, um den startenden und landenden Flugzeugen zuzusehen. Bei e­inem Unfall kommt er ums Leben. Der Tod des Kindes krempelt die bisherige Normalität der Familie um. Doch wie tiefgreifend die Erschüt­terungen tatsächlich sind, die sein Ableben auslöst, wird erst allmählich greifbar. Simon Stephens ist einer der bedeutendsten Gegenwarts­ dramatiker Großbritanniens. A M S T R A N D D E R W E I T E N W E L T wurde 2006 mit dem Laurence Olivier Award ausgezeichnet. 118


Wieviel Zeit brauchen wir, um zu entschleunigen, Frau Reisch?

Lucia A. Reisch ist Professorin für Verhaltensökonomik und -politik an der Cambridge Judge Business School in Cambridge, England. Sie beschäftigt sich vor allem mit Fragen, wie Lebensstile nachhaltiger werden und wie Menschen ihren Wohlstand im Rahmen der planetarischen Grenzen ausgestalten können.

Ist das eine akademische Frage? Wir hören doch überall, dass es »Fünf vor oder nach Zwölf« sei. Und somit eh alles zu spät: Erderwärmung, ­Abschmelzen der Pole, Weltuntergang. Deswegen hätten wir keine Zeit mehr für Frage- und Antwortspiele. Denn: »Der Worte sind genug gewechselt, lasst mich auch endlich Taten sehen.« (Vorspiel auf dem Theater, »Faust«, Goethe) In Cambridge, der Stadt, in der ich seit September letzten Jahres wohne und arbeite, steht ein »Time Eater«. Eine riesige Uhr. John C. ­Taylors »Chronophage«, der dort 2008 von Stephen Hawking eingeweiht wurde. Für Touristen die Attraktion, die häufiger als die Colleges mit ihren Chapels besucht wird und als beliebtes Foto­motiv dient. Auf der riesigen goldenen U ­ hrenscheibe sitzt ein Monster, ein riesiger K ­ äfer, vielleicht eine Libelle, die die Sekunden zu verschlingen scheint. Die sie verschlingt. Vielleicht fühlen sich die Menschen beim Anblick im Mark getroffen: 119


Wenn die Zeit weggefressen wird, dürfen wir keine ­Sekunde mehr Zeit verlieren, um zu entschleunigen. Sondern sollten sofort damit beginnen. Wenn es nur so leicht ginge. Haben Sie mir die Frage »Wie viel Zeit brauchen wir, um zu entschleunigen« gestellt, ahnend, dass Sie da genau die Richtige fragen? Ich versuchte mit der Geburt meiner Kinder zu entschleunigen und hetze doch noch nach 20 Jahren von Termin zu Termin. Die, die ich so viel über Zeit und Beschleunigung und Entschleunigung geforscht und geschrieben habe und doch so wenig in mein eigenes Leben integrieren konnte. Doch — da war und ist COVID. Und das hat auch bei mir viel verändert. Verordnetes Innehalten, gar nicht so ungern angenommene Zwangs-Entschleunigung — vom Gesetzesgeber, von mir selbst. Durch zweieinhalb Jahre COVID haben viele Menschen die Zeitorientierung verloren. Immer häufiger höre ich den Satz: »War das jetzt vor drei oder vier Jahren?« Denn uns fehlt mindestens ein Jahr im subjektiven Zeitgedächtnis. Disruptiv, weil wir uns an ­wiederkehrenden Ereignissen in der Zeit orientieren. Und diese ­Ereignisse weitgehend weggefallen sind oder reduziert erlebt wurden. Weihnachten, Ostern in den Kirchen ohne Gesang — oder sie sind ganz ausgefallen, als es noch keinen Impfschutz gab. Theater waren geschlossen oder nur für ein Viertel der Zuschauer geöffnet, so dass wir uns entweder gar nicht hintrauten oder uns vor Verunsicherung am falschen Ort fühlten. Was der russische Angriffskrieg mit uns und unserem Zeitempfinden macht, ist abzuwarten. In der Physik gibt es die Zeit, genauer, die Jetztzeit eigentlich gar nicht. Selbst Albert Einstein hat etwas an der Zeit »ernstlich« ­beunruhigt. Und zwar: das »Jetzt«. Denn für Gegenwart oder für das »Jetzt«, was wir Menschen ja stets erleben, gibt es in der Physik keinerlei Berechnungsmethoden und auch keinerlei Hinweise. Kurz: Das »Jetzt«, also der gegenwärtige Moment, existiert in der Physik nicht. Da stellt sich natürlich die Frage: Ist unser Erleben von Gegenwart nur eine Illusion? Dann würde auch die Frage, wieviel Zeit wir brauchen, um zu entschleunigen, überflüssig geworden sein. 120


Entschleunigung ist nicht absolut gut. Manches muss auch beschleunigt werden. Der letzte Weltklimabericht hat wieder deutlich gemacht, dass, wenn wir auf diesem Planeten überleben wollen, wir die Energiewende beschleunigen müssen; den Ausstieg aus den fossilen Energien; die Dekarbonisierung der Wirtschaft; den Wertewandel der Bürgerinnen und Konsumenten; den Struktur- und Systemwandel in der Automobilindustrie und der Landwirtschaft; auch das Auffüllen der Gasspeicher und die Suche nach neuen regenerativen Energie-Quellen. Das muss alles viel schneller gehen und politisch flankiert werden. Und: Entschleunigung wirft auch Probleme auf, denn: »Je mehr Zeit wir durch Zeiteinsparungen haben, desto mehr haben wir zu wenig.« Was absurd klingt, ist auch absurd und wird von den Beschleunigern des Systems gerne gegen die Entschleunigung angeführt. Aber das Zu-wenig-Haben an Zeit muss auch nicht sein. Und die Sehnsucht, der Falle des »gehetzten Zeitsparens« zu entgehen, besteht bei sehr vielen Menschen, verbunden mit dem Wunsch, mehr Zeit zur Verfügung zu haben, weniger Zeitdruck, der intuitiv mit Zeitwohlstand verbunden wird. Lange Zeit war — und ist es — eine wichtige Verheißung unseres Wirtschaftssystems, dass wir durch weiteren technischen, digitalen und KI-Fortschritt eine ungeahnte, anhaltende Produktivitätssteigerung erleben werden. Und dass uns dies gleichzeitig beides ermöglichen würde: eine anhaltende Steigerung des Güterwohlstandes bei gleichzeitiger Zunahme der verfügbaren Zeit zum Konsumieren und zum Genießen dieses Güterwohlstandes. Und zum Innehalten. Zum Entschleunigen. Und nicht, um die freie Zeit mit neuen Pflichten zu »stopfen«. Zeitwohlstand eben, der sogar in der bundesrepublikanischen Gesellschaft angekommen zu sein scheint und seit Jahren vom Statistischen Bundesamt mit ­Daten und Fakten erhoben und gemessen wird. Doch leider funktioniert dies so in aller Regel nicht. Wir ­müssen den Umgang mit dem Entschleunigen erst wieder erlernen. Uns Zeit zum Entschleunigen nehmen und darin Kompetenzen ­entwickeln, auch weil Entschleunigung etwas Individuelles 121


und Subjektives ist. Zum Beispiel zeigen viele Arbeitslose Stress­ symptome und haben eine hohe Wahrscheinlichkeit entsprechende Krank­heiten zu entwickeln, in der Intensität durchaus vergleichbar mit Menschen in Berufen, die stark unter Zeit- und Beschleunigungsdruck stehen. Denn sie haben sich ihre Arbeitslosigkeit nicht ausgesucht. Zeitwohlstand ist nicht »mehr Zeit«, sondern vor allem, selbstbestimmt verbrachte Zeit. Wir brauchen Zeitsouveränität und sollten zeitwohlhabend sein. Und dies auch zum Entschleunigen nutzen. Selbstbestimmt und kompetent mit der Zeit umgehen zu können, ist jedoch auch stark von äußeren Umständen abhängig. Zum Beispiel hat eine ­alleinerziehende Mutter mit zwei Jobs weniger Zeit für sich zur Verfügung als ein Topmanager. Dies zeigen bevölkerungsweite Zeitverwendungsstudien. Diese Umstände aber müssen nicht unverrückbar bleiben, sondern können zumindest in Ansätzen und mit der richtigen Schwerpunktsetzung manchmal eine Veränderung erfahren. Wir können eben auch selbst etwas tun, wenn uns Entschleunigung wichtig und unser Tun intrinsisch motiviert ist. Die Mindfulnessforschung zeigt, dass es für die individuelle Zufriedenheit letztlich gar nicht so wichtig ist, welche Tätigkeit man ausführt, sondern, dass man sie selbstbestimmt erlebt und in ihr »aufgeht«. Schauen wir uns spielende Kinder an, die stundenlang im Schlamm vor sich hin wühlen können — auch dann, wenn sie nur scheinbar kleine Aufgaben ­haben. Dabei zu sein ist hier fast alles. Doch ich bin kein Kind mehr und entwerfe kein rückwärts­ gewandtes Modell. Etwas jetzt tun, aber auch lassen können. Dadurch kann Entschleunigung, aber auch Gelassenheit entstehen. Vielleicht nennen wir es Muße. Muße als ein besonderer Moment von Ruhe. Muße braucht es, um zu entschleunigen. Vor dem Entschleunigen, mit dem Entschleunigen und nach dem Entschleunigen? Muße, aktive Entspannung. Sie kann Kontemplation bedeuten. In der Natur, mit Gedichten, im Theater, mit anderer Kunst, ­Meditation. Die Formen und Möglichkeiten sind so vielfältig wie die menschlichen Charaktere. Und die Witze über Muße auch: 122


»In einem gut besuchten Biergarten, an einem langen, lichten Juniabend, setzt sich ein älterer Einheimischer, der an seiner stoisch immobilen Gelassenheit sowie an seiner Kleidung als Bayer zu erkennen ist, mit einer Maß Bier an einen der halbleeren Tische. Andere, junge, sportliche Menschen setzen sich ihm gegenüber, ­packen ­einen Wurstsalat aus und trinken dazu koffeinhaltige Limonade. Diese ungewöhnliche Kombination von Speis und Trank vermag den schnauzbärtigen Bayern nur für einen kurzen Moment in seiner kontemplativen Ruhe zu stören. Ein zweiter Liter Bier muss her, damit die Ruhe des Gemütes wieder die richtige Balance findet und dann, eine halbe Stunde später, eine dritte Maß. Einen der umtriebigen jüngeren ­Colatrinker irritiert dieser Sachverhalt sichtbar und hörbar: »Wissen Sie eigentlich«, so seine suggestive Frage an den Tischnachbarn, »wissen Sie eigentlich, dass man langsam blöde wird, wenn man so viel Bier trinkt. »Wieso«, die unaufgeregte Antwort des Bayern, »wieso, ich hab` doch Zeit.« (Karl Heinz Geißler:« Wart‘ mal schnell — Minima Temporalia«) Aber wir alle kennen den Moment, an dem die Zeit scheinbar stehen bleibt. In sehr intensiven Augenblicken. Und als Sehnsucht. Faust: »Werd ich zum Augenblicke sagen, verweile doch! du bist so schön! Dann magst du mich in Fesseln schlagen. Dann will ich gern zu Grunde gehen.« (»Faust I«, Mephisto, Pakt) Entschleunigung klingt gut und ist für viele eine attraktive ­Vision. Auch deswegen wird sie mit gelebten Utopien wie Slow Citys, Slow Food, Slow Design, Slow Anything in Verbindung ­ ­gebracht. Aber auch Gendergerechtigkeit ist untrennbar mit ihr verbunden. Alle Geschlechter müssen alles tun können und wollen. Mal entschleunigen, mal beschleunigen. Klingt etwas utopisch, ist auch so. Doch COVID hat neue Möglichkeitsfenster geöffnet, von der Heimarbeit bis zur Änderung gesellschaftlicher Vorstel­lungen und Normen von »guter Arbeit«. Wir sollten uns dafür die Zeit nehmen, diese neuen Optionen genau zu erkunden und was uns gut tut, zu behalten. Auch gegen Widerstand der neu erwachten Hetze.­ Dies wird am Ende nicht nur uns Menschen, sondern auch dem ­ge­plagten Planeten gut tun. 123


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Uraufführung: 4. März 2023 Box

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Eine Inszenierung des Jungen DT

SPACE QUEERS [AT] Ein SciFi-Abenteuer Regie: Paul Spittler

Der Weltraum. Unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2023. Dies sind die Abenteuer der S P A C E Q U E E R S . Viele Lichtjahre von ihrem Heimatplaneten Qeerius entfernt, erforscht die Besatzung fremde Galaxien, neues Leben und andere Zivilisationen. Dabei sind sie immer auf der Suche nach neuen Partner:innen-Planeten, um diese in die „Vereinigte Föderation der Geschlechter und Sexuali-­ täten“ aufzunehmen. Auf ihrer Reise erleben sie kuriose, furchterregende, witzige, aufschlussreiche, sexy, bedrohliche, empowernde und ultimativ queere Abenteuer! Gefährdet wird ihre Mission durch das böse, heteronorme, patriarchale Imperium mit seinem Pimperator. Allen voran seine rechte Hand Dark Invader, der mit dem Heteronormisierungsplaneten Deaf Star die „Vereinigte ­Föderation“ zerstören und eine diverse interstellare Gesellschaft verhindern will. Der Kampf der Sternchen, die Rebellion der Unangepassten beginnt! Regisseur Paul Spittler, der 2022 mit seinem Theaterfilm D A R K R O O M R E V I S I T E D zum Heidelberger Stückemarkt eingeladen wurde, besticht mit seinen queer- und popfeministischen Arbeiten. Für das Junge DT erfindet er mit Jugendlichen aus der LGBTIQ+-Community und ihren Allies ein SciFi-Abenteuer, das mit Humor, Glitzer und Trash das Konzept der Heteronormativität ad absurdum führt. 125


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Uraufführung: 31. März 2023 Kammerspiele

FOREVER FOREVER

YIN YOUNG

Die Welt des Funny van Dannen

Regie: Tom Kühnel und Jürgen Kuttner

„Lass uns in den Park gehen / und den Hang hinunterrollen / oder hast du eine bessere Idee / wie wir dem Wahnsinn unserer Zeit begegnen sollen.“ In den Songs und Texten von Funny van Dannen sind der Sinn und der Unsinn, das Politische und das Private, das Kritische und das Alltägliche bis zur Ununterscheidbarkeit miteinander verwoben. Daher rühren ihre Tiefe und ihre Nahbarkeit. Oft handeln sie, mit den Worten der Frankfurter Rundschau, „von Leuten, die aufs falsche Pferd gesetzt haben und sich anschließend fragen, ob das überhaupt ein Pferd war.“ Kaum jemand ist in der Lage, deutsche Befindlichkeiten so fein zu sezieren wie der ­Maler, Schriftsteller und Musiker Funny van Dannen. Grund genug für Tom Kühnel und Jürgen Kuttner, aus seinem Schaffen eine musikalische Revue herauszupräparieren, die den Wahnsinn unserer Zeit zu sich selber bringt. 126


Wieviel Zeit sind 90 Minuten, Herr Meyer?

Hans Meyer ist Lehrer für Sport und Geschichte. Er trainierte auf 10 Trainerstationen 8 Fußballclubs in der DDROberliga und ­— nach der sogenannten Wende — in der holländischen Eredivisie und der Bundesliga.

Mit dieser Frage konfrontiert, habe ich mir den Spaß gemacht, folgendes nachzurechnen: Wenn ich all meine wichtigen Spiele als Fußballlehrer in 40 Jahren zusammenzähle — also Punktspiele, Pokalspiele und internationale Spiele — komme ich auf 1.301 Spiele. 1.301 mal 90 Minuten. Das klingt schon ziemlich gewaltig, oder? Wenn ich Nachspielzeiten und Verlängerungen vernachlässige, komme ich auf insgesamt 117.000 Minuten oder 81,3 Tage oder 2,7 Monate oder 0,23 Jahre. 0,004 Jahre meines fast 80-jährigen Lebens saß ich also auf der Trainerbank. Das klingt nun wieder alles andere als gewaltig. Trotzdem haben diese 90 Minuten lange Zeit meines Lebens eine übergeordnete Rolle gespielt. Und darum soll es ja hier gehen, die Länge eines einzelnen Spiels. Das Besondere an ihnen ist die Art, wie man sie erlebt. Sie waren das Aufregendste in meinem beruflichen Alltag. Auf der Bank war ich so auf das Spiel konzentriert, dass ich zum ­ Beispiel 127


nicht mitbekommen habe, was auf der Tribüne los war. Dabei hängt das subjektive Zeitgefühl stark vom Spielverlauf ab. Der ist selten so, dass man sich entspannen kann. Nur wenn man kurz vor Abpfiff mit 4 Toren führt oder schon in der ersten Halbzeit 0:5 zurückliegt, hält sich die Aufregung in Grenzen. Wenn man zur Pause 0:5 hinten liegt, ist die einzige Ansage, die man in der Kabine noch machen kann: »Das war scheiße bisher, tut mir einen Gefallen und seht zu, dass wir wenigstens nicht noch mehr Tore bekommen.« Spätestens wenn man alle Auswechs­lungen vorgenommen hat, ist da für einen Trainer nichts mehr zu tun, ­außer in der 80. Minute zu überlegen, wie man das in der Pressekon­ferenz erklärt oder ob noch Steaks im Kühlschrank liegen. Viel häufiger ist es aber so, dass man unter Zeitdruck Entscheidungen treffen muss. Man bereitet sich natürlich vor, überlegt vorher verschiedene Szenarien, Auswechslungen oder Umstellungen je nach Spielstand. Dann gibt es aber immer wieder Situationen, auf die man sich nicht vorbereiten kann. Zum Beispiel fliegt ein Spieler vom Platz, der für das Spielkonzept wichtig ist und man hat maximal eine Minute Zeit, um eine Entscheidung zu treffen, die dem weiteren Spiel eine komplette Wendung geben kann. Es geht für einen Trainer also weniger um die 90 Minuten an sich, als um die nicht planbaren Ereignisse innerhalb der 90 Minuten. (Dass ich nicht von Spielerinnnen spreche, hat übrigens nur damit zu tun, dass ich niemals eine Frauenmannschaft trainierte.) Auch die vielen Zeitbegriffe, die rund um ein Fußballspiel benutzt werden, beweisen, dass die gemessene Zeit wenig mit der gefühlten Zeit zu tun hat. Man kann Zeit schinden oder auf Zeit spielen, was mit einer gelben Karte bestraft werden könnte. Man kann ein Ergebnis über die Zeit retten. Eine gern benutzte Phrase ist auch der psychologisch schlechte Zeitpunkt für ein Gegentor.­­ Da möchte ich nur meinen wunderbaren Kollegen Jürgen Klopp zitieren, der immer noch auf der Suche nach dem psychologisch guten Zeitpunkt für ein Gegentor ist. Nachspielzeit, auch so ein seltsames Wort. Wahrscheinlich ist der Fußballplatz der einzige Ort, an dem man verloren gegangene Zeit nachgereicht bekommt. 128


Wenn man über die Bedeutung des Zeitbegriffs innerhalb der alles entscheidenden 90 Minuten sinniert, kommt man auch nicht vorbei an der von den Spielern geforderten Schnelligkeit. Das bezieht sich sowohl auf das Lauftempo als auch vor allem auf die Reaktions- und Handlungsschnelligkeit auf dem Platz. Beim viel zitierten Pressing ist in erster Linie Gedankenschnelligkeit gefragt, man will den Gegner in Raum- und Zeitnot bringen und muss selber damit klarkommen, dass man in Raum- und Zeitnot gebracht wird. Die körperliche Konstitution entscheidet darüber hinaus, ob ein Spieler die Zeit als zu lang oder eher als kurz empfindet. Im Schnitt läuft ein Spieler in 90 Minuten um die 12 Kilometer, davon 800 bis 1200 Meter im Sprint. Wenn ein Spiel auf der Kippe steht und man nach einer längeren Verletzungspause 90 Minuten spielen muss, kann das zur Qual werden. Da beide Mannschaften das Spiel gewinnen wollen, ist das Zeitgefühl in den 90 Minuten natürlich extrem ungleich verteilt. Ein Zeitspiel kann je nach Blickwinkel eine verständliche taktische Maßnahme oder eine gelbwürdige Provokation sein. Der gefoulte Spieler, der bei einer knappen 1:0 Führung in der 85. Minute lange liegen bleibt, ist entweder schwer getroffen worden oder, je nach Sichtweise, ein elender Simulant oder ein geschickter Taktiker. Es gibt bei objektiv gleichem Spielverlauf also immer zwei gefühlte Zeitzonen auf dem Platz. Der Verlauf der Meisterschaft spielt natürlich auch eine große Rolle. Es wäre gelogen zu behaupten, dass man am vorletzten Spieltag, irgendwo im Mittelfeld rumdümpelnd, ohne Chance, noch ­einen internationalen Platz zu erreichen oder ohne Angst abzusteigen, die 90 Minuten so intensiv erlebt wie in einem Pokalfinale. Zusammenfassend kann man vielleicht sagen: 90 Minuten sind in der Regel nicht lang genug, dass einem als Trainer auf dem Platz langweilig werden könnte. Als nicht besonders konditionsstarker Spieler in der DDR-Oberliga empfand ich sie — wenn ich überhaupt mal über die vollen 90 Minuten eingesetzt wurde — ­allerdings ehrlich gesagt IMMER als zu lang. 129


S P E C I A L S


DIRK

Ein Projekt von und mit Marcel Kohler

UND

ICH

Als mir Dirk begegnete, da hatte ich drei Nächte hintereinander nicht geschlafen, aus Angst, einmal eingeschlafen zu sein, würde ich nicht mehr aufwachen. Wenn ich die Augen schloss, war ich mir sicher, ich würde sie nie wieder öffnen. Um mir zu beweisen, dass das nicht stimmte, musste ich sie zwangsläufig wieder öffnen. Eine Spirale aus Müdigkeit, Augenschließen, Angst, Augenöffnen begann. Sie wiederum führte eben dazu, dass ich drei Nächte nicht geschlafen hatte und mir Dirk Nowitzki begegnete. Plötzlich stand er da – mitten in meinem Zimmer, einen Basketball in der Hand. Er spielte gerade seine letzte Saison bei den Dallas Mavericks und war direkt aus meinem Laptop in mein dunkles Zimmer gesprungen. Eine Zeit lang sahen wir uns an. Dirk, ich kann nicht mehr. Das sehe ich. Er warf mir den Ball zu und verschwand. Und ich? Ich schlief ein und schlief und schlief. Und als ich aufwachte, da lag neben meinem Kopfkissen ein Basketball. D I R K U N D I C H ist ein Abend über Erfolge und Niederlagen, über Höhenflüge und Panikattacken und über einen der größten Sportler unserer Zeit. 131


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DER

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nach Franz Kafka von und mit Max Simonischek

E

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BAU

Kafkas Erzählung D E R B A U ist das Protokoll einer unterirdischen Welt, in der Glück und Paranoia eng verschwistert sind. Es beschreibt die Gedankenwelt einer Art Menschentier. Dieses Wesen – eben ein kafkaeskes, denkendes Tier – lebt in einem gedanklichen Kreuzzug: Es befindet sich in einem permanenten Ausnahme­zustand, gerichtet gegen die Außenwelt, gegen mögliche Eindringlinge, gegen das Fremde. Das kleinste Geräusch ist Maximal-Stress für den Erschaffer des Baus. D E R B A U ist eine Parabel über die Gesellschaft, die permanent Risiken schafft, indem sie diese zu verhindern sucht. Wie in allen Erzählungen Kafkas werden auch hier die Wesen, Tiere, Menschen, Männer von den Konsequenzen ihres Handelns und ­ Denkens unerbittlich vor sich hergetrieben, meist verlassen von jeglichem ­Realitätssinn. 132


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von George Saunders Ein illustriertes Hörspiel von und mit Neues Künstlertheater

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Ein Fuchs schreibt einen Brief an die Menschheit. Vor ihren Fenstern sitzend, hat er die Sprache der Menschen gelernt, wenn auch nicht ganz nach den Regeln der Rechtschreibung. So schreibt er also an die Mänschen einen Brif und erzählt darin seine Geschichte von Füksen und Boimen, von Elkawes und besonderen Mo Mänten. Der amerikanische Schriftsteller George Saunders lässt ­seinen F U C H S 8 die großen Fragen an die Menschheit stellen und ermöglicht durch den humorvollen Blick des Fuchses über­raschende Perspektiven auf die drängenden Probleme unserer Zeit. 133


Wieviel Zeit bis zur Heißzeit, Herr Latif?

Mojib Latif, geb. 1954, promovierte 1987 und habilitierte 1989 in Ozeanografie an der Universität Hamburg. Seit 2003 ist er Professor für Klimadynamik an der Christian-AlbrechtsUniversität zu Kiel und forscht am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Latif hat über 200 wissenschaftliche Veröffentlichungen und mehrere Bücher verfasst. Zahl­ reiche Auszeichnungen, u.a. 2000 die Sverdrup Gold Medal, 2015 der Deutsche Umweltpreis und 2019 die AlfredWegener-Medaille. 134

Vor nunmehr 50 Jahren, 1972, veröffentlichte der Club of Rome den Bericht »Die Grenzen des Wachstums«. In dem Bericht heißt es: »Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht.« Die Trends haben nicht nur angehalten, sondern sich sogar noch beschleunigt. Wir müssen heute, ein halbes Jahrhundert später, erkennen, dass wir bereits an die Wachstumsgrenzen stoßen. Prominentes Beispiel hierfür ist der durch die Menschen verursachte Klimawandel in Form der globalen Erwärmung, deren Auswirkungen inzwischen überall auf der Erde spürbar sind, selbst in entlegenen Gebieten wie den ­ Polarregionen. Die Menschen rasen buchstäblich mit Vollgas in die Richtung einer


Heißzeit, eines überhitzten Erdklimas, in dem sich die Lebensgrundlagen extrem verschlechtern würden. Die Ursache der globalen Erwärmung ist wissenschaftlich unbestritten. Die Menschen emittieren gewaltige Mengen Treibhausgase in die Atmosphäre, allen voran das Kohlendioxid (CO2), von dem wir seit weit mehr als einhundert Jahren wissen, dass es die Erdoberfläche erwärmt. Der CO2-Gehalt der Luft ist in den letzten Jahrzehnten förmlich explodiert. Er ist inzwischen so hoch wie seit mindestens drei Millionen Jahren nicht. Die globale Erwärmung gegenüber der vorindustriellen Zeit beträgt schon gut ein Grad Celsius, ein außergewöhnlich schneller Temperaturanstieg, wenn man berücksichtigt, dass die globale Erwärmung von der letzten Eiszeit mit ihrem Höhepunkt vor etwa 20.000 Jahren in die gegenwärtige Warmzeit ungefähr vier Grad betragen hat. Setzt sich der Anstieg des atmosphärischen CO2-Gehalts in den kommenden Jahrzehnten ungebremst fort, wird sich der Planet in einem Maße erwärmen, wie es die Menschen noch nicht erlebt haben. Das ergibt sich aus den physikalischen Grundprinzipien. Mit Physik kann man nicht verhandeln und auch keine Kompromisse schließen. Die Naturgesetze können wir nicht außer Kraft setzen. Das müssen wir begreifen. Die Menschen haben jahrzehntelang versucht, das Klimaproblem auszusitzen, obwohl die Wissenschaft beständig davor gewarnt hatte, dass ein »weiter so wie bisher« keine Option sein kann. Die Vogel-Strauß-Taktik der P ­ olitik hat dazu geführt, dass der weltweite Ausstoß von Treibhausgasen immer weiter angestiegen ist. Auch 2021 gab es einen neuen Höchststand bei den Emissionen. Die Weltgemeinschaft muss jetzt endlich handeln. Der ehemalige amerikanische Präsident Barack Obama zitierte anlässlich der Weltklimakonferenz 2015 in Paris den amerikanischen Bürgerrechtler Martin Luther King Jr. mit den Worten: »Es gibt so etwas wie zu spät zu kommen«. Obama ergänzte: »…und wenn es um den Klimawandel geht, ist diese Zeit schon fast gekommen«. Die Zeit läuft ab, um eine Klimakatstrophe zu verhindern. Der Countdown hat begonnen. Viel Zeit zum Umsteuern bleibt nicht mehr. 135


Die Folgen der globalen Erwärmung sind unübersehbar. Das Eis der Erde schmilzt, die Meeresspiegel erhöhen sich und Wetter­ extreme nehmen zu, seien es Hitzewellen mit unmenschlichen Temperaturen, begleitet von Dürre und Waldbränden, oder Starkregenereignisse mit Überschwemmungen nicht gekannten Ausmaßes. Das ist erst der Anfang. Das Klima reagiert träge, weswegen wir das volle Ausmaß der Veränderungen noch gar nicht spüren. Deswegen müssen wir vorausschauend handeln. In »Die Grenzen des Wachstums« ist gegen Ende zu lesen: »Nichts zu tun, erhöht das Risiko eines Kollapses […] Wenn die Weltgesellschaft wartet, bis die Belastungen und Zwänge offen zutage treten, hat sie zu lange gewartet.« Die Auswirkungen der globalen Erwärmung sind offensichtlich und bringen schon viel Leid über die Menschen. An den Folgen der globalen Erwärmung sterben jedes Jahr viele Menschen ­— auch in Deutschland, allein schon wegen der sich häufenden extrem heißen Temperaturen. Die Menschen stehen mit dem Rücken zur Wand. Immer öfter stehen wir fassungslos vor Extremwetterereignissen, die wir nicht für möglich gehalten haben. Wir müssen die Notbremse ziehen, d. h. es müssen jetzt schnelle und tiefgreifende Maßnahmen her. Der Weltklimarat hat sie in seinem Bericht aus dem Jahr 2018 als »beispiellos« bezeichnet. Das Klimaproblem ist in erster Linie ein Energieproblem. Wir erzeugen Energie hauptsächlich durch die Verbrennung der fossilen Brennstoffe — das sind Kohle, Öl und Erdgas. Dabei entweicht unweigerlich das Treibhausgas CO2 in die Atmosphäre. Die Krux ist, dass das CO2 für eine »Ewigkeit« in der Atmosphäre verweilt. Der Ort seines Ausstoßes ist aus diesem Grund irrelevant. Das Gas verteilt sich buchstäblich in Windeseile um den Erdball und ist damit überall wirksam. Selbst über der Antarktis schießen die CO2-Werte in die Höhe. Und außerdem: das, was wir an CO2 ausstoßen, addiert sich zu dem bereits vorhandenen. Deswegen muss der weltweite CO2Ausstoß innerhalb weniger Jahrzehnte auf Null sinken. Nur dann werden die Menschen den Anstieg des atmosphärischen CO2Gehalts stoppen können. Bleiben die Emissionen in etwa auf 136


dem heutigen Stand oder sinken sie nur leicht ist die Katastrophe programmiert. Wir müssen klar in unserem Denken sein, damit das Klima nicht außer Kontrolle gerät. Albert Einstein sagte sinngemäß, dass man Probleme niemals mit derselben Denkweise lösen kann, durch die sie entstanden sind. Wir müssen weg von den fossilen Brennstoffen, die uns auf der einen Seite Wohlstand bescheren, aber auf der anderen Seite das Klima an den Rand des Abgrunds gebracht haben. Ein Energieproblem gibt es auf der Erde nicht. Erneuerbare Energie ist im Überfluss vorhanden. Sie ist sauber und umsonst. »Die Sonne schickt uns keine Rechnung«, schreibt der Fernsehjournalist Franz Alt. Die Techniken zur Nutzung von Sonne, Wind oder Erdwärme sind vorhanden. Die Finanzmittel für die nötigen Investitionen ­wären verfügbar, um eine globale Energiewende zügig umzusetzen. Es braucht aber den politischen Willen dafür. Zuallererst gehören die Subventionen für die konventionellen Energien abgeschafft, die weltweit auf mehrere Hundert Milliarden Dollar geschätzt werden und damit die Subventionen für die erneuerbaren Energien um ein Vielfaches übersteigen. Wir alle sind im Raumschiff Erde gefangen, das unentwegt die Sonne umkreist. Das Problem der globalen Erwärmung stellt eine völlig neue Art von Herausforderung für die Menschheit dar. Wir meistern die Klimakrise gemeinsam oder tragen alle gemeinsam die Konsequenzen für unsere Ignoranz. Nutzen wir das kleine noch verbleibende Zeitfenster von einigen wenigen Jahrzehnten, um ­klimaneutral zu werden. Aurelio Peccei, einer der Mitbegründer des Club of Rome, forderte eine kulturelle Revolution, damit die Weltgesellschaft nicht im Elend versinkt. Angesichts des Kriegs in der Ukraine und der vielen Umweltprobleme scheint mir diese notwendiger denn je.

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„Immer sagen sie, es gruselt mir, es gruselt mir! Mir gruselt‘s nicht. Das wird wohl eine Kunst sein, von der ich auch nichts verstehe.“ VON EINEM DER AUSZOG, DAS FÜRCHTEN ZU LERNEN

Gebrüder Grimm

Wovor fürchtest Du Dich so richtig? Mit aufgestellten Haaren und pochendem Puls? Vor der Zukunft? Zu versagen? Deine Freund:innen zu verlieren? Vor dem Krieg? Vor Long Covid? Vor dem Rechtsruck? Vor Insekten? Vor dem Insektensterben? Der Inflation? Der Zunahme von Frauenfeindlichkeit? Deinem Zahnarzt? Wovor Menschen sich fürchten – fürchten müssen – hängt ­direkt mit Ort und Zeit zusammen, in die sie hineingeboren wurden. Welches Furcht-Los hat die Geburtslotterie Dir beschert? Fürchtest Du Dich vor den Verhältnissen oder davor, Deine Privilegien zu verlieren? Bei Umständen, die wir selbst beeinflussen können, ist Furcht ein hilfreicher Begleiter. Anders als Angst, die uns gelähmt auf die Gegebenheiten schauen lässt, ist Furcht ein Motor zu handeln. Sie motiviert uns aktiv zu werden, uns zu wehren, aufzustehen gegen Gefahren, wie beispielsweise toxische Verhältnisse und Verhaltensweisen, die nahende Klimakatastrophe oder die Folgen der Pandemie. Angst lähmt – Furcht schützt und aktiviert. Wie können wir im Theater Räume schaffen, uns unserer Furcht zu stellen und loszulegen? Furchtlos zu sein? Zu werden? Über uns selbst hinaus zu wachsen? Und wie können wir das ­Theater zu einem Ort machen, an dem wir sicher aufgehoben sind und nichts zu fürchten haben? Lasst uns gemeinsam auf die Suche gehen! Ohne Furcht legen wir los in die erste Spielzeit mit der Doppel­spitze Christiane Lehmann und Maura Meyer! WIR HABEN NICHTS ZU VERLIEREN. Willkommen im Jungen DT! 139


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INSZENIERUNGEN

Wer oder was ist schön? Woran soll ich glauben oder eben nicht? Wen oder was liebe und begehre ich? Wer bin ich eigentlich? Wer will ich sein? Zwischen Spiegeln, Weltreligionen und im Weltraum sucht das Junge DT nach Verwandlungen, Widerständen, Leichtigkeit und Freiräumen. In den drei Theaterabenden dreht sich alles um scheinbar festgeschriebene Regeln und Strukturen. Wie können wir gemeinsam aufbrechen, ausbrechen und uns lustvoll in ­Szene setzen? Furchtlos stellen wir uns diesen Fragen gemeinsam mit den jugendlichen Ensembles. Liv Strömquist nimmt uns in ihrer neuesten Graphic Novel

I M S P I E G E L S A A L mit durch den Schönheitsdiskurs der letzten

1900 ­Jahre. Sie erklärt darin mit viel Witz, genauer Recherche und spielerischer Leichtigkeit, warum die Frage nach Schönheit Fluch und Segen zugleich ist. Die Performerin und Regisseurin K ­ atharina Bill bringt die Graphic Novel in der Box zur Uraufführung. 240 Jahre nachdem Lessing dem Weisen N A T H A N die Ringparabel in den Mund gelegt hat, lässt Regisseurin Joanna Praml das Dramatische Gedicht mit den Biografien eines jugendlichen ­Ensembles interagieren. Sie überprüfen das Credo für ein tolerantes Miteinander in einer diversen Stadt wie Berlin, befragen die Ideale der Aufklärung und finden heraus, wer von ihnen überhaupt noch an das Konzept von Welt­religion glaubt. Mit der Stückentwicklung S P A C E Q U E E R S [AT] geht ­ egisseur Paul Spittler mit Jugendlichen auf Mission in die unendR lichen Weiten des Weltraums. In der popfeministischen Auseinandersetzung von Sternchen und SciFi treten Jugendliche aus der LGBTIQ+-Community und deren Allies gemeinsam den Kampf gegen das Heteronormativitätskonzept an. Möge die Macht mit uns sein! 140


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Camps und Clubs

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PROJEKTE

Theater ist mehr als der Platz im Zuschauerraum! Für alle zwischen 12 und 22 Jahren öffnen wir die Bühne und schaffen einen Raum, in dem sich Jugendliche furchtlos und spielerisch mit der Welt und aktuellen Diskursen auseinandersetzen und neue Theaterformen entdecken können. Die Spielzeit eröffnen wir mit einer Szenischen Lesung in ­ ooperation mit LESART. Der für den Jugendliteraturpreis nomiK nierte Roman W I E M A N E I N E R A U M K A P S E L V E R L Ä S S T von Alison McGhee hat am 14. September Premiere in der Box. Mit viel Lust am Experimentieren wird in drei J U G E N D C L U B S in wöchentlichen Proben je eine Inszenierung erarbeitet,

die am Ende der Spielzeit in der Box zu erleben ist. In unserem C A M P „Was traust du dich?“ werden die Osterferien zu einer performativen Misson, in der wir mit Theater, Tanz, Literatur und Musik über unsere Grenzen hinauswachsen. Und in der einmal monatlich stattfindenden T H E A T E R G Y M gibt es spielpraktische Einblicke in das Theaterleben mit Background-Storys. Verschiedene Künstler:innen und Schauspieler:innen des DT laden zum Kennenlernen und gemeinsamen künstlerischen Forschungs­reisen in Kurzform ein. Es sind keine Vorkenntnisse erforderlich, es braucht nur Mut sich anzumelden! Alle Informationen zu unseren Ange­boten gibt es auf jungesdt.de und in der „Mediathek der Formate“. 141


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Theater & Schule sind Komplizen für gesamtgesellschaftliche Teilhabe, ein Rendezvous der beiden Institutionen ist Türöffner für ein Theater für Alle. Im Jungen DT bieten wir Erfahrungsräume, die Möglichkeit für erste Male und vertiefende Einblicke. Wir sind nah dran an den Bedürfnissen des Lernortes Schule und möglichst anders als er. Dazu finden Sie am Jungen DT eine Vielzahl unterschiedlicher Formate, die im Austausch mit dem Lehrendenbeirat stetig weiterentwickelt werden.

R A U S A U S D E M T H E AT E R , R E I N I N D I E S C H U L E Mit unseren Klassenzimmerstücken kommt das DT zu Ihnen! Unsere neue Inszenierung V A K U U M von Maria Ursprung (­Regie: Romy Weyrauch) lotet die Wirkungsweise von Verschwörungsmythen aus (ab Klasse 8). Das interaktive Klassen­zimmer-Game P L A Y I I P A U S E lädt die Klassen 5 – 8 zum Mitspielen ein, und der lehrplanrelevante Romanklassiker C O R P U S D E L I C T I bietet für alle ab der 9. Klasse eine multimediale Theatererfahrung zum Thema Gesundheitsdiktatur.

SPIELPLANVERMITTLUNG Uns ist wichtig, dass der Vorstellungsbesuch die Faszination ­ heater nachhaltig erlebbar macht. Kulturwandertage, vor- und T nachbereitende Workshops, Nachgespräche – digital und analog – sowie umfassende Materialien zu den Inszenierungen ermöglichen, dass Theater zum Erlebnisraum wird. 142


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T U S C H - K O O P E R AT I O N Die Kooperation mit der Willy-Brandt-Teamschule geht im neuen Schuljahr ins dritte und finale Jahr. Nach einem digitalen WhatsAppDrama und einem Bühnenstück mit variantenreicher Superpower der Schüler:innen laden wir die Klasse 8b nun ein, sich, inspiriert durch die Inszenierung I M S P I E G E L S A A L , über die Themen Körper, Bilder und Körperbilder mit dem aktuellen Schönheits­ begriff auseinanderzusetzen.

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EIGENER

SACHE

Die kommende Spielzeit hat für das Junge DT einen ganz besonderen Vibe. Sie ist gleichzeitig Aufbruch und Abschied, erste und vor dem Intendanzwechsel letzte Spielzeit der neuen Doppelspitze Christiane Lehmann und Maura Meyer. Die langjährige und prägende Leiterin Birgit Lengers verlässt Berlin und wechselt als Spartenleitung des Stadt:Kollektiv ans Düsseldorfer Schauspielhaus. Wir danken ihr sehr für ihre leidenschaftliche und visionäre Arbeit. Sie hat das Junge DT zu einem einzigartigen, kreativen und familiären Ort für die jungen Akteur:innen gemacht und es zu einem herausragenden Ort für Junges Theater in der deutschsprachigen Theaterlandschaft erstrahlen lassen. Danke, Birgit Lengers! Für den Bereich Theater & Schule begrüßen wir ganz herzlich Caroline Ader als neue Kollegin im Team des Jungen DT. Weitere Projekte und Details unter jungesdt.de und im Spielzeitheft des Jungen DT. Mit unseren monatlichen Newslettern halten wir Sie und Euch immer auf dem Laufenden. 143


Wieviel Zeit bis zum Frieden auf Erden, Frau Lux?

Lana Lux, geboren 1986 in Dnipropetrowsk (Ukraine), wanderte im Alter von zehn Jahren mit ihren Eltern als Kontingentflüchtling nach Deutschland aus. Sie machte Abitur und studierte zunächst Ernährungswissenschaften in Mönchengladbach. Später absolvierte sie eine Schauspielausbildung am Michael Tschechow Studio in Berlin. Seit 2010 lebt und arbeitet sie als Schauspielerin und Autorin in Berlin. 2017 erschien ihr Debüt »Kukolka«, das in mehrere Sprachen übersetzt wurde, 2020 »Jägerin und Sammlerin«. 144

Ich muss gestehen, die spontane Antwort die mir in den Sinn kommt ist: Der Frieden auf Erden wird mit dem Ende der menschlichen Spezies beginnen. Auf der einen Seite bin ich unsentimental, wenn es um uns Menschen geht. Wie jede andere Spezies sind wir entstanden, haben uns ent­wickelt und werden früher oder später unser Ende finden. Ich will nicht den Eindruck erwecken, als würde ich das Leben nicht zu schätzen wissen. Das tue ich. Sehr sogar. Es bietet so viel Schönes und ich bin sowohl in der Lage es zu erkennen, als auch es zu genießen (wenn ich nicht gerade eine meiner depressiven Episoden durchleiden muss). Jetzt gerade sitze ich mit meinem Hund im Lietzensee-Park. Das Wetter ist herrlich, der Duft des Flieders weckt schöne Erinnerungen in mir, das Licht bricht sich interessant im Glas meiner Wasserflasche. Menschen sitzen auf Bänken,


­ ecken und im Gras, essen, lesen, reden, lachen. Meine unmittel­ D bare Umgebung in diesem Moment ist vollkommen friedlich. Und ich bin es auch. Es ist nur nicht von Dauer. Vielleicht sollten wir uns eher die Frage stellen, wie lange der Frieden andauern kann? Wie lange können wir ihn andauern ­lassen? Frieden ist ja etwas, das wir tun, es ist kein Naturphänomen. Er r­ esultiert aus unserer Friedfertigkeit. Die ebenfalls kein Naturphänomen ist, sondern eine Fertigkeit. Friedfertigkeit muss also wie jede andere Fertigkeit erlernt und geübt werden. Denn selbst der Frieden mit sich selbst muss Augenblick für Augenblick immer ­wieder hergestellt werden. Gerade wenn es um mich herum friedlich und harmonisch ist, Menschen sich zu vergnügen scheinen, sehr unterschiedliche Bevölkerungsgruppen mit mutmaßlich sehr verschiedenen Werten, Ansichten und Möglichkeiten einfach nebeneinander existieren, sich nicht anfeinden, sich keine Gewalt antun, muss ich an Krieg denken. Nicht erst seit dem Krieg in der Ukraine, meinem Geburtsland. Sondern schon immer, schon seit meiner Kindheit. Seit den Erzählungen meiner Oma vom Zweiten Weltkrieg. Seit den Erzählungen meiner Grundschulfreundin vom Krieg in Jugoslawien. Seit ich weiß, dass ich, hätte ich in den 40ern in Deutschland gelebt, als Jüdin nicht auf einer Parkbank hätte sitzen dürfen und meine lieben Nachbarn mich für das Vergehen gemeldet hätten. Im Krieg könnten diese Menschen, die hier gerade auf Bänken, Decken und im Gras liegen, diese ganz normalen, diese gewöhn­ lichen Menschen aufeinander losgehen, einander beklauen, verraten, verletzen oder gar töten. Diese Möglichkeit macht mir Angst. Am meisten macht mir aber die Möglichkeit Angst zu erfahren, zu was ich selbst fähig wäre. Früher, bevor ich ein Kind hatte, war ich mir sicher, ich würde mich nicht wehren und als eine der ersten der Gewalt zum Opfer fallen. Heute bin ich anders. Ich muss anders sein. Ich weiß ich würde alles für mein Kind tun. Und ich will wirklich niemals herausfinden müssen, was alles. Aber warum erzähle hier vom Krieg, während nach dem ­Frieden gefragt wurde? 145


Ich weiß nicht, was ich zum Frieden schreiben kann. Ich will nicht negativ klingen, aber ich habe das Gefühl, er ist immer nur so eine kurze Verschnaufpause, ein Wundenlecken, bevor der Wahnsinn der Gewalt von vorne beginnt. Ich liebe mein Leben. Ich bin in Berlin, es ist Sommer und um mich herum sitzen Menschen auf Bänken, Decken und im Gras. Gleichzeitig ist mein Frieden von vor wenigen Minuten wieder weg. Ich bin im Krieg. Mein Handy macht es möglich. Ich könnte alles Mögliche durch mein Handy sehen. Ich müsste es nur sagen. Aber ich sage immer nur: »Zeig mir den Krieg.« So geht es schon knapp drei Monate. Ich hänge an den Kriegsberichten aus der Ukraine, was mein Nervensystem völlig zerrüttet. Aber ich kann nicht anders. Ich habe das Gefühl, nicht wegschauen zu dürfen, auch wenn es mir (in diesem Umfang) schadet und vermutlich niemandem hilft. Und so kämpfe ich Tag für Tag meine kleinen, bedeutungs­ losen Kämpfe. Mit Verwandten und ihrem Putinismus. Mit dem Alltag und den Geschirrbergen, ich kämpfe um diese Wörter hier, die mir leer und banal erscheinen. Nein, ich kann mir einen andauenden Frieden auf diesem Planeten nicht vorstellen. Noch nicht mal als sogenannten negativen Frieden, der in Abwesenheit von Krieg besteht. Warum? Weil wir Menschen die vermutlich aggressivste aller Spezies sind. Weil wir ein Bedürfnis nach Gruppe, nach Masse haben, in der wir aufgehen können. Weil wir immer wieder Anführerpersönlichkeiten hervorbringen. Weil die Masse in einer Weise lenkbar ist, in der das Individuum es nicht wäre. Und gleichzeitig können wir als Individuen keine großen Veränderungen herbeiführen. Das Gefühl, allein und machtlos zu sein, schmerzt. Als ich beispielsweise aufgehört hatte Tiere zu essen, um zur Lösung eines ethischen und ökologischen Problems beizutragen, wurde das von meiner Familie als sinnlos bezeichnet. Das ist jetzt fünfzehn Jahre her, und vermutlich hat wegen mir tatsächlich noch kein Schlachthof schließen müssen. Aber ich bleibe dabei, weil ich damals einen Leitsatz für mein Leben formuliert habe: Sei Teil der Lösung, nicht des Problems. 146


Der gleiche Leitsatz kann und wird jedoch auch von Machthabern genutzt, um die Masse zu lenken. Es wurden und werden auch heute die furchtbarsten Dinge getan, mit der Behauptung, sie würden Teil der Lösung sein. Was im Individuellen also einigermaßen gut funktionieren mag, kann in der Masse missbraucht werden. Was tun? Vielleicht sollten wir uns zunächst auf unsere eigene Friedfertigkeit konzentrieren. Uns darin üben. So wie ich gerade, während ich einem (für meinen Geschmack) nervigen Kind geduldig erkläre, wie es meinen Hund streicheln kann (und wie nicht), anstatt meinem Impuls zu folgen und das Kind zurück zu der Decke zu schicken, von der es gekommen ist. Jetzt, am Ende meiner Überlegungen, ist mir doch noch eine andere Antwort eingefallen: Es dauert bis zum Frieden auf Erden nur noch so lange, bis der Messias kommt. Dafür müssen wir nur das Lamm zu den Löwen legen (und es regelmäßig ersetzen).

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RADAR

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OST 2023

KRIEG: Ukraine

Das internationale Festival RADAR OST ist seit 2018 Spiegel politischer und ästhetischer Bewegungen in den östlichen Nachbarländern. Ausgangspunkt bei Gründung des Festivals war – eine Generation nach 1989 – die künstlerische Reflexion der großen gesellschaftlichen Umbrüche. Über das Festival hinaus entstanden und vertieften sich seitdem Arbeitsbeziehungen zu Regisseur:innen aus Georgien, der Ukraine, Ungarn, Polen und Russland. Die Zusammenarbeit hat unseren Blick auf die Verbindungs- und Bruchlinien zwischen Ost und West verändert und g ­ eweitet. Seit der Pandemie 2020 mit geschlossenen Grenzen und Theatern ist das länderübergreifende Kollaborieren wichtiger geworden als das Kuratieren. Bereits zuvor entstand gemeinsam mit dem Gogol Center in Moskau in D E C A M E R O N E eine zweisprachige Inszenierung eines russisch-deutschen Teams und Ensembles, welche in beiden Ländern regelmäßig zu sehen ist. Die erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Regisseur Kirill Serebrennikov wird in der Spielzeit 2022/23 fortgeführt. Das vergangene RADAR OST Festival im Oktober 2021 hat unter dem Motto ART[ISTS] AT RISK mit Belarus einen besonderen Länderschwerpunkt gesetzt. Neben den eingeladenen Gastspielen entstanden vier Koproduktionen vor Ort in Berlin, und Künstler:innen der Theatergruppe Kupalaucy aus Minsk verbrachten eine Residenz am DT. Die Fragen, die das Festival, aufgeladen durch die brutale Niederschlagung der Protestbewegungen in Belarus, aufgeworfen hat, haben sich heute in ungeahnter Weise verschärft: Welchem Risiko sind Künstler:innen aus­ gesetzt, und ­ welches ist die Kunst bereit einzugehen? Wie ­werden Künstler:innen ignoriert, diskriminiert und zum Schweigen­ 150

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gebracht? Kann Kunst vom Krieg, von Kriegsverbrechen erzählen? Wie positionieren sich Theatermacher:innen politisch, und welchen Preis zahlen sie dafür? Und wie können wir uns im Westen mit gefährdeten Kolleg:innen solidarisieren? Kein halbes Jahr später war die Welt eine andere. Seit dem 24. Februar, dem brutalen Angriff Russlands auf die Ukraine, tobt ein Krieg mitten in Europa. Die Politik spricht von „Epochenbruch“ und „Zeitenwende“ und mit dem „Ende der Geschichte“ längst überwunden geglaubte Fronten scheinen verhärteter denn je. Alte Ängste vor einem Dritten Weltkrieg werden wach und pazifistische Werte und Gewissheiten radikal in Frage gestellt. Auf den Schock über den Krieg und die Geschichte, die uns wieder hat, wird die fünfte Ausgabe von RADAR OST reagieren. Das Deutsche Theater zeigt mit der Reihe STAY UNITED Solidarität mit Künstler:innen aus der Ukraine, arbeitet mit ihnen zusammen und gibt ihren Stimmen eine Bühne. Der Länderschwerpunkt „Ukraine“ stand schon vor Kriegsausbruch fest, ebenso wie Gastspiel­ein­ladungen aus Russland und Belarus. Wie die Welt im März 2023 aussehen wird, kann heute niemand sagen. Woran wir nicht aufhören werden zu glauben und mit RADAR OST arbeiten, ist die Gewissheit, dass Theaterkunst jenseits von Schwarz-WeißZeichnungen Schattierungen beschreiben kann, dass sie uns lehrt Widersprüche auszuhalten. Kunst richtet nicht, sie schafft beides: Nähe und Distanz. Wir wissen noch nicht, wie es möglich sein wird, 2023 neben ukrainischer und belarussischer Kunst auch Inszenierungen aus Russland zu zeigen. Wir wissen noch nicht, was in den Residenzen und Kollaborationen mit Künstler:innen im Exil entstehen wird. Was wir wissen, ist, dass Theater einen utopischen, aber erfahrbaren Raum eröffnen kann, in dem die Anerkennung von Differenz das Gemeinschaftsstiftende unserer Zeit ist. Seien Sie mit uns gespannt auf theatrale Grenzüberschreitungen vom 8. bis 12. März in Berlin! 151


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AUTOR:INNEN T H E AT E RTA G E 30.

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Die A U T O R : I N N E N T H E A T E R T A G E sind das Fest der zeitgenössischen Dramatik – aus einer langen Tradition heraus bleibt das Festival stabil und gleichzeitig immer jung: 2020 initiierten die ATT parallel zum Festival eine neue Kurzstückreihe, 2021 kam ein neues Residenzprogramm für Dramatiker:innen, 2022 ein gemeinsames Buchprojekt der Autor:innen hinzu. Auch das Jahr 2023 wird besonders: Statt eines Wettbewerbs plant das Deutsche Theater – bereits im Mai – ein großes Autor:innenspektakel mit mehreren Uraufführungen in einer einzigen L A N G E N N A C H T . Mit dabei sind Autor:innen wie Caren Jeß, Nele Stuhler oder Lukas Bärfuss. Außerdem freuen wir uns wieder auf Gastspiele neuer Stücke aus dem deutschsprachigen Raum. 152


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Caren Jeß

D E M M A R D E R D I E TA U B E Regie: Stephan Kimmig

Zwei Frauen am Rand der Gesellschaft: Erike ist Krankenpflegerin und lebt zuhause in ihrer eigenen, bizarren Welt; Thetis hat ihr früheres Leben verlassen und teilt alles, was sie hat, mit den ­Tauben. Stadt und Kleingarten, Tier und Mensch, Leben mit den Toten: Das neue Theaterstück von Caren Jeß führt in die Zwischenwelten einer ungewöhnlichen Freundschaft. Nele Stuhler

G A I A A M D E U T S C H E N T H E AT E R ( G Ö ) [ AT ] Regie: Sarah Kurze

Gaia ist die Erdmutter und Weltenschöpferin – für die Autor:innentheatertage ist sie in den vergangenen Jahren zur Haus- und Hofgöttin geworden. Die ersten beiden Teile von Nele Stuhlers G A I A -Trilogie waren im Deutschen Theater, in den Kammerspielen und Open Air zu sehen. Für die ATT 2023 kommt die Trilogie zu ihrem Abschluss. Lukas Bärfuss

VERFÜHRUNG

Regie: András Dömötör

Verführt werden wir gern. Aber nicht von allen und schon gar nicht zu allem. Doch wer hochstapelnd das politische, amouröse oder religiöse Verführen beherrscht, setzt sich über derlei Widerstände spielend hinweg. Denn vielleicht beginnt wahre Verführung erst dann, wenn die dem Selbst eigene Führung ans Ende gelangt. Mit seinem neuen Stück geht Lukas Bärfuss den erotischen und politischen Dimensionen der Hochstapelei auf den Grund. Neben den Uraufführungen und Gastspielen präsentiert das Festival weitere zeitgenössische Theatertexte. 153


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Zum Ende der Intendanz von Ulrich Khuon (2009 – 2023) ver­abschieden wir uns in einer langen Reihe letzter Vorstellungen von unserem Repertoire, warten mit einem Abschlussspektakel auf und feiern mit Künstler:innen, Mitarbeiter:innen und Publikum diese 14 gemeinsamen Jahre!


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KÜNSTLERISCHE LEITUNG Intendant: Ulrich Khuon; Chefdramaturg und Stellv. Intendant: Claus Caesar; Künstlerischer Betriebsdirektor: Michael de Vivie; Leitung Junges DT: Christiane Lehmann und Maura Meyer; Atelierleitung: Janja Valjarević; Leitung Kommunikation: Luisa Männel INTENDANZ Intendant: Ulrich Khuon; Persönliche Referentin, DT Freunde: Anouk Wallerath / Anna Gerhards (in Elternzeit); Persönliche Mitarbeiterin, Sponsoring: Caroline Elsen GESCHÄFTSFÜHRENDE DIREKTION Geschäftsführender Direktor und Stellv. Intendant: Klaus Steppat; Persönliche Referentin des Geschäftsführenden Direktors, Leitung Gastvertragsangelegenheiten: Selma Ilhan; Assistent: Axel Möbius D R A M AT U R G I E U N D J U N G E S D T Chefdramaturg: Claus Caesar; Dramaturg:innen: Sima Djabar Zadegan, John von Düffel, David Heiligers, Bernd Isele, Juliane Koepp, Franziska Trinkaus; Dramaturgieassistent: Tillmann Drews; Autor:innentheatertage: Bernd Isele, Franziska Trinkaus; Radar Ost: Birgit Lengers; Gäste: Sonja Anders, Ulrich Beck, Roman Dolzhanskij, Anna Heesen, Birgit Lengers, Jarosław Murawski, Meike Schmitz, Bettina Schültke, Patric Seibert-Wolf, Anika Steinhoff, Rita Thiele, Dorle Trachternach, Eva-Maria Voigtländer; Dolmetscher, Teammanager: Rustam Akhmedshin; Leitung Junges DT: Christiane Lehmann und Maura Meyer; Mitarbeiter:innen Junges DT: Peter Kolb; Theater & Schule: Caroline Ader; Koordination TUSCH: Sofie Hüsler; FSJ Kultur: Julian Jesse KÜNSTLERISCHES BETRIEBSBÜRO Künstlerischer Betriebsdirektor: Michael de Vivie; Mitarbeiterin, Gastspiele und Sonderveranstaltungen, Leitung Statisterie: Christine Drawer; Mitarbeiterinnen: Djuna Boguhn / Maria Dinkel (in Elternzeit), Simone Pasemann, Marie Speckmann TECHNISCHE DIREKTION Technischer Direktor: Olaf Grambow; Stellv. Technischer Direktor: Marco Fanke; Koordinator für Baubetreuung und Nachhaltigkeit: Torsten Bill; Mitarbeiterin des Technischen Direktors: Susann Rakowski K O M M U N I K AT I O N Leitung Kommunikation und Pressesprecherin: Luisa Männel; Stellv. Leitung Kommunikation, Stellv. Pressesprecherin: Lena Domeyer; Presse und Onlineredaktion: Vanessa Desmarattes, Caroline Elsen; Marketing: Friederike Busch; Social Media: Inke Johannsen; Grafik: Julia Kuon, Sabine Meyer; Fotos: Arno Declair; Trailer: Alexander Dluzak BESUCHER:INNENSERVICE Vertriebsleitung: Jörg Freckmann; Mitarbeiter: Philip Mario Jakobs; Abenddienstleitung: Thomas Koch, Nele Feuring; Kassenleitung: Olaf Grolmes; 157


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Mitarbeiter:innen: Sarah Bakenhus, Jana Gleichauf, Charlott R. Rühmling, Barbara Schmidt, Luciano Siliprandi, Trung Tran Duc D I G I TA L I S I E R U N G , O P T I M I E R U N G U N D A R C H I V Sandra Miehlbradt REGIE Frank Abt, Anna Bergmann, Katharina Bill, Jan Bosse, Dietrich Brüggemann, Liesbeth Coltof, András Dömötör, Friederike Drews, Jorinde Dröse, Jürgen Gosch, Dimiter Gotscheff, Kamilė Gudmonaitė, Sebastian Hartmann, Sarah Fartuun Heinze, Karin Henkel, Hannes Kapsch, Stephan Kimmig, Tilmann Köhler, Amir Reza Koohestani, Bastian Kraft, Andreas Kriegenburg, Jürgen Kruse, Tom Kühnel, Timofej Kuljabin, Sarah Kurze, Jürgen Kuttner, Robert Lehniger, Anne Lenk, Adrian Linz, Daniela Löffner, Ewelina Marciniak, Dušan David Pařízek, Armin Petras, René Pollesch, Joanna Praml, Ulrich Rasche, Carina Riedl, Alexander Riemenschneider, Hanna Rudolph, Lilja Rupprecht, Rafael Sanchez, Clemens Maria Schönborn, Christian Schwochow, Kirill Serebrennikov, Paul Spittler, Charlotte Sprenger, Kristina Stang, Jette Steckel, Romy Weyrauch, Jossi Wieler BÜHNE UND KOSTÜM Atelierleitung: Janja Valjarević; Geraldine Arnold, Ben Baur, Peter Baur, Ev-Simone Benzing, Adriana Braga Peretzki, Tabea Braun, Sigi Colpe, Franz Dittrich, Tatjana Dolmatovskaya, Barbara Drosihn, Anne Ehrlich, Carly Everaert, Guus van Geffen, Oleg Golovko, Pia Greven, Konstanze Grotkopp, Sebastian Hartmann, Katja Haß, Volker Hintermeier, Pauline Hüners, Henrike Huppertsberg, Mirek Kaczmarek, Juliane Kalkowski, Katharina Kownatzki, Hannah Krauß, Mareile Krettek, Andreas Kriegenburg, Aino Laberenz, Manuel La Casta, Stéphane Laimé, Mark Lammert, Clemens Leander, Johanna Leitner, Sophie Leypold, Florian Lösche, Regina Lorenz-Schweer, Lina Marie Mayer, Nina von Mechow, Wolfgang Menardi, Jelena Miletić, Natalia Mleczak, Mitra Nadjmabadi, Judith Oswald, Dušan David Pařízek, Aleksandra Pavlović, Kathrin Plath, Kamila Polívková, Vlada Pomirkovanaya, Anja Rabes, Ulrich Rasche, Thilo Reuther, Annette Riedel, Karoly Risz, Karin Rosemann, Lane Schäfer, Peta Schickart, Christina Schmitt, Carolin Schogs, Andrea Schraad, Jo Schramm, Johannes Schütz, Daniela Selig, Kirill Serebrennikov, Lea Søvsø, Linda Spörl, Romy Springsguth, Rimma Starodubzeva, Barbara Steiner, Katja Strohschneider, Barbora Šulniūtė, Maja Svartåker, Harald Thor, Inga Timm, Susanne Uhl, Thomas Unthan, Annelies Vanlaere, Teresa Vergho, Sibylle Wallum, Leonie Wolf MUSIK Mark Badur, Friederike Bernhardt, Carolina Bigge, Marcel Braun, Björn SC Deigner, Dominykas Digimas, Jan Duszyński, Matthias Erhard, Katharina Ernst, Fatoni, Daniel Freitag, Romain Frequency, Hannes Gwisdek, 158

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Camill Jammal, Arne Jansen, Sven Kaiser, Jörg Kleemann, Max Knoth, Arno Kraehahn, Jonas Landerschier, Tamás Matkó, Lenny Mockridge, PC Nackt, Eberhard Petschinka, Matthias Peyker, Pollyester, Philipp Rohmer, Jacob Suske, The Notwist, Matthias Trippner, Michael Verhovec, Tobias Vethake, Jörg-Martin Wagner, Nico van Wersch, Samuel Wiese, Hajo Wiesemann; Einstudierung Chor: Toni Jessen; Einstudierung Musik: Katharina Debus, Ingo Schröder, Undine Unger, Pascal von Wroblewsky BÜHNENMUSIKER:INNEN Carolina Bigge, Carsten Brocker, Katharina Ernst, Daniel Freitag, Felix Gebhard, Earl Harvin, Carsten Hein, Arne Jansen, Sven Kaiser, Katelyn King, Isabelle Klemt, Max Knoth, Kristina Koropecki, Christopher Lübeck, Sabrina Ma, Špela Mastnak, Thomsen Merkel, Michael Metzler, PC Nackt, Daniel Regenberg, Benedikt Reidenbach, Philipp Rohmer, Taiko Saito, Maria Schneider, Matthias Trippner, Tobias Vethake, Arno Waschk, Samuel Wiese VIDEOKÜNSTLER:INNEN Voxi Bärenklau, Tilo Baumgärtel, Peter Baur, Stefan Bischoff, Alexander Bunge, Przemysław Chojnacki, Hannes Francke, Moritz Grewenig, Phillip Hohenwarter, Benjamin Krieg, Sebastian Pircher, Billy Roisz, Ute Schall, David Benjamin Schulz, Florian Seufert, Ilya Shagalov, Dorian Sorg, Moritz Tessendorf LICHTDESIGN Lothar Baumgarte, Gerrit Jurda, Sergey Kucher CHOREOGRAPHIE Martin Buczko, Jefta van Dinther, Dominika Knapik, Evgeny Kulagin, Ronni Maciel, Jana Rath REGIEASSISTENZ Friederike Drews, Giulia Lancellotti, Adrian Linz, Marike Moiteaux, Elisabeth Schrödter; Gäste: Anna Berndt, Ireen Bernhard, Clara Dörr, Tillmann Drews, Christina Maria Eickhoff, Simon Gal, Barbara Galego, Tabea Gesche, Bettina Ihde, Nora Josif, Sarah Kurze, Saskia Mommertz, Maxi Oehrlein, Johann Otten, Tobias Radcke, Thomas Schmale, Anna-Katharina Schröder, Anastasia Weinmar A U S S TAT T U N G S A S S I S T E N Z Bühnenbildassistenz: Mara Barnabó, Ev-Simone Benzing, Yuni Hwang, Alaz Deniz Köymen, Mira Phumdorkmai; Kostümassistenz: Henrike Huppertsberg, Juliane Kalkowski, Anna Weidemann; Gastassistenz: Zoë Agathos INSPIZIENZ Kathrin Bergel, Anna Carolina Freiheit, Andreas Grimmert, Marike Moiteaux, Frank Ulbig SOUFFLAGE Heike Irmert, Martina Jonigk, Simona Wanko; Gäste: Petra Gaubatz, 159


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Bärbel Kleemann, Marion Rommel, Suheer Saleh MASKE Chefmaskenbildner: Andreas Müller; Stellvertretung: Susanne Rothert; Maskenbildner:innen: Franziska Becker, Julia Berten, Bernd Dietrich, Meike Hildebrand, Grischa Hörmann, Heike Küpper, Mike Schmiedel, Juliane Schulz, Karen Schulze, Monika Stahl, Franziska Stiller, Günter Trümpelmann; Auszubildender: Vito Melchiorre PRODUKTIONSLEITUNG Produktionsleitung: Herbert Lines-Weber; Konstrukteure: Nico Hoppe, NN BETRIEBS- UND GEBÄUDEMANAGEMENT Abteilungsleitung: Katrin Dywicki; Leitung Hausinspektion: Arnd-Ullrich Schumann; Torsten Petri; Leitung Betriebstechnik: Karsten Matthes; Burkhard Jastram, Dirk Kirchhof, Mario Meyer, Frank Schmidt BÜHNENTECHNIK Leitung: Jörg Luxath; Theaterobermeister: Thomas Lachmann, Dirk Salchow; Theatermeister: Rubin Gerull, Mathias Jahnke-Schöpe, Enrico Knorr, Steffen Labahn; Bühnenhandwerker:innen: Thomas Ahrend, Mark Aust, Leonard Bielig, Stefano Dallari, Andreas Dietrich, Karsten Franz, Rick Freiberg, Uwe Haack, Marcus Hauser, Jean Hofer, Jan Hoffmann, Jörg Hoffmann, Maximilian Jäger, Patrick Janicke, Heiko Keller, Daniel Koch, Stefan Koch, Hans Martin Kolasinski, Jochen Kolasinski, Michael Kroker, Martin Kulke, Philipp Kurth, Katharina Langer, Dawid Langner, Frank Lehmann, Lars Lehmann, Rainer Marx, Oliver Mende, Martin Merker, Michael Mett, Jakob Meyer-Gohde, Robert Mosel, Maria Murillo Garcia, Karsten Rahnenführer, Jaline Richter, Enrico Sachse, Stefan Schlegel, Frank Schulz, Michael Schulz, Thomas Schulze, Christian Sterl, Jörg Tiepelmann, Alessandro Vincenzi, Martin Vorwald, Vera Wessels, Michael Simon Witte, Arne Zimmermann; Fuhrpark: André Däweritz, Frank Mohaupt BELEUCHTUNG Leitung: Robert Grauel; Beleuchtungsobermeister:innen: Cornelia Gloth, Marco Scherle; Beleuchtungsmeister:innen: Kristina Jedelsky, Thomas Langguth, Mike Schmitz, Matthias Vogel; Erste Beleuchter: Frank Kuhnert, Ralf Reckmann; Beleuchter:innen im Stellwerk: Karl Boese, Kevin Görtz, Peter Grahn, Peter Heymann, Charley-Beth Kriehn, Bella Kühne, Ronald Mühlnikel, Lars Peiler, Andreas Ripperger, Maria Schreiber, Heiko Thomas, Linus Zahn (Netzwerkadministrator); Beleuchter:innen: Alejandro Amaya, Helmuth Esch, Justin Hennig, Mike Herrford, Dirk Hilgenhof, Margit Jacob, Bernd Krakowski, Daniel Kuhn, David Kusche, Udo Merker, Thorsten Nickstat, Stella Pollei, Peter Radtke, Holger Sand, Peter Schniegeler, Olaf Winter TON UND VIDEO Leitung Ton und Videotechnik: Marek Sawitza; Stellv. Leitung Tonabteilung: Matthias Lunow; Tonmeister: Marcel Braun, Oliver Kupfer, Eric Markert, 160

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Björn Mauder, Richard Nürnberg, Martin Person, Bernd Schindler, Leopold Stoffels; Stellv. Leitung Videotechnik: Jens Kuffel; Videotechniker: Robert Hanisch, Max Hohendahl, Jonas Klipp, Roman Kuskowski, Peter Stoltz A U S Z U B I L D E N D E D E R V E R A N S TA LT U N G S T E C H N I K Marcus Hoppe, Alexei Muscat, Philip Schneider, Theodor Späthe, Julia Wardenberg ANKLEIDEDIENST Leitung Kostümwesen, Leitung Ankleiderinnen: Sabine Reinfeldt; Stellv. Leitung: Bärbel Krepp; Maria Buske, Kordula Horn, Sandra Luber, Francesca Pesce, Jessika Reichel, Ines Scheminowski, Katja Tausch, Gitte Thoma REQUISITE Leitung: Jens Thomas Günther; Sven Arnold, Alisa Fechter, Renan Harari, Regina Heinrich, Karsten Klein, Luise Krolik, Siegmar Kuske, Miriam Lüdtke, Frank Papist, Carsten Raatzsch, Nora Stifter, Marco Weihrauch R E C H T U N D O R G A N I S AT I O N Leitung: Natalja Pastian-Gause; Fortbildung und Gesundheitsmanagement: Christine Hoffmann; Bewerbungsmanagement: Semra Ilhan B E H Ö R D L I C H E D AT E N S C H U T Z B E A U F T R A G T E Natalja Pastian-Gause I T- M A N A G E M E N T Leitung: Andreas Rutenberg; Christian Birzle, Christoph Küchler PERSONALABTEILUNG Leitung: NN; Manuela Bernt, Anne Braun, Stephanie Metzger, Martina Stark, Daniela Wendler FINANZABTEILUNG Leitung Finanzen: Anke Flemme; Ingrid Döll, Corina Golditzsch, Jeanette Krause, Kristiane Lindner, Natalia Poniakowska, Ulrike Schallau; Gruppenleitung Einkauf und Materialwirtschaft: Peter Grunhold; Poststelle: Jana Looks CONTROLLING Danny Bamberg P E R S O N A L R AT Philip Mario Jakobs, Stefan Koch, Philipp Kurth SCHWERBEHINDERTENVERTRETUNG Stefan Koch FRAUENVERTRETUNG Franziska Stiller ÜBERTITEL PANTHEA STREAMING dringeblieben.de 161


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FREUNDE


Freunde und Förderer des Deutschen Theaters und der Kammerspiele e. V. „Noch näher dran“ sind Sie als DT Freund:in oder bis einschließlich 35 Jahre als Junge:r Freund:in. Gemeinsam mit Mitgliedern des Hauses werfen Sie Blicke hinter die Kulissen, besuchen Proben oder exklusive Sonderveranstaltungen, treffen Regisseur:innen, Dramaturg:innen oder Ensemblemitglieder, begleiten das DT auf Gastspielreisen und können über den Besucherservice bereits drei Tage vor dem offiziellen Vorverkauf Karten bestellen. Darüber hinaus gibt es speziell für die Jungen DT Freund:innen einen monatlichen Stammtisch und Möglichkeiten des Austauschs mit künstlerischen Teams. Künstlerische Spielräume ermöglichen und sichern, Ihre Verbundenheit zum Deutschen Theater ausdrücken – das können Sie als DT Freund:in durch Ihre ideelle und finanzielle Unterstützung im Rahmen des Vereins. Weitere Informationen rund um die DT Freunde finden Sie unter: dtfreunde.de Ihr DT Freunde-Kontakt im Deutschen Theater: Anouk Wallerath und Sarah Bakenhus E-Mail: dt-freunde@deutschestheater.de Telefon: 030. 28441 231 Fax: 030. 28441 410 163


ZUKUNFTSFÄHIGES D T


Auf dem Weg zu einem (ökologisch) nachhaltigeren Theater Neben dem Wertebasierten Verhaltenskodex des Deutschen ­Bühnenvereins, dem wir uns seit 2018 verpflichten, haben wir in intern entwickelten Führungsgrundsätzen die Statuten und Richtlinien unseres Arbeitens und Wirkens am Deutschen Theater formuliert und fixiert. Darin wurden „Nachhaltigkeit und Vielfalt“ als eine unserer essentiellen Aufgaben festgesetzt. Strategien und Arbeitsweisen zu entwickeln, die gleichermaßen soziale, ökolo­ gische und ökonomische Komponenten enthalten, ist ein wesent­ licher Aspekt von gutem Führungsverhalten und einem funktionierenden Miteinander – und somit auch Teil unserer künstlerischen und gesellschaftlichen Verantwortung. Mithilfe verschiedener prozessbegleitender Formate, Coachings und Fortbildungen – wie u. a. Erarbeitung des Frauenförderplans, Critical-Whiteness-Seminare, Workshops zum Thema Diversität, Gefährdungsanalyse psychischer Belastungen, Trainings zu Konfliktmanagement und Kommunikation – haben wir uns und unsere Arbeit in den vergangenen ­Jahren reflektiert. Solche Aufarbeitungs- und Feedbackinstrumente­ werden auch weiterhin Begleiter unseres Tuns und Schaffens sein, uns in unserem Verhalten spiegeln und in den laufenden Transformationsprozessen unterstützen. Wir stellen uns den Themen unserer Zeit, verbunden mit den drängenden Fragen: Wie sieht ein zukunftsfähiges, grünes, in jeder Hinsicht nachhaltiges Theater aus – auf sowie hinter der Bühne? Was können und müssen wir dafür tun – welche Strukturen verändern, Ziele festlegen und Regeln definieren? Wie schaffen wir im und mit dem DT einen offenen, diversen und demokratischen Ort sowie ein 165


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­ lima von Angstfreiheit, Solidarität und Pluralität – im BewusstK sein unserer Verantwortung und Privilegien sowie im konstruktivkritischen Dialog? Wie ermöglichen wir Teilhabe, schaffen und erhalten Gleichberechtigung, und wie verhindern wir Machtmissbrauch und Diskriminierung – für unseren Arbeitsplatz, aber auch als einer der analogen Gesellschaftsräume? Wie kann das DT seinen ökologischen Fußabdruck verkleinern und insgesamt nachhaltiger agieren – als Institution und Arbeitgeber von rund 300 festen Mitarbeiter:innen, aber auch in den künstlerischen Abläufen und dem, was unser Publikum zu sehen bekommt? In besonderem Maße verfolgen wir dabei das Ziel, den Punkt der ökologischen Nachhaltigkeit langfristig, umfassend und auf unterschiedlichen Ebenen noch stärker und tiefgreifender in unserer Arbeit zu verankern, das heißt kontinuierlich und stetig steigernd Maßnahmen für einen klimafreundlicheren Theaterbetrieb zu ergreifen und diese in allen betrieblichen und künstlerischen Entscheidungen mitzudenken und umzusetzen. Was in einem Neubau wie unserem Probebühnenzentrum, welches 2016 fertiggestellt wurde, von vornherein mitgedacht und integriert werden kann, gestaltet sich bei den Bühnen und teilweise denkmalgeschützten Altbauten herausfordernder. Aber auch hier sind technische Erneuerungen und Instandsetzungen ein wichtiger Faktor im Engagement um ein ressourcenschonenderes Theater. So wurde beispielsweise eine komplette Umstellung auf LED-Lichtquellen und eine Komplettsanierung der Fenster in allen Teilen des Hauses veranlasst. In diesem Zuge wurde zudem eine neue Vollzeitstelle für Baubetreuung und Nachhaltigkeit geschaffen. Darüber hinaus gründete sich im Herbst 2019 die DTKlimagruppe, deren Mitglieder verschiedensten Abteilungen des Hauses entstammen. Neben Aktionen wie z. B. der Erstellung e ­ ines Grünen Leitfadens als Orientierungshilfe und selbstverpflichtendem Antrieb für alle Mitarbeiter:innen, der Beteiligung an Klimademos oder der Einführung von Monatsaktionen (Kampagne, die ein Bewusstsein schaffen will für nachhaltigeres und energiesparenderes Verhalten und Handeln im individuellen ­ Arbeitsalltag), 166


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sind kontinuierliche Vernetzung und Weiterbildung über das ­ igene Haus hinaus wichtige Anliegen der Gruppe. So haben wir e uns seit Herbst 2019 an folgenden Initiativen beteiligt: Green Culture Desk (auf Einladung der Fraktion B90/DIE GRÜNE im Bundestag), Green Managers Meeting (organisiert von mitos21), Green ­Theatre Conference (organisiert von der ETC), Forum Betriebsökologie (organisiert vom Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit) sowie Forum Ökologische Nachhaltigkeit im Theater (organisiert vom Berliner Theatertreffen in Kooperation mit dem Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit) – drei Mitarbeiter:innen wurden in diesem Rahmen zu Grünen Botschafter:innen ausgebildet. Innerhalb des Hauses versteht sich die Klimagruppe insbesondere als Sprachrohr und Impuls­geber, um Verzicht zu lernen und proaktiv neue Wege zu gehen, w­as sich unter anderem bereits in der weitestgehenden Vermeidung von Flügen, Verbesserungen in Mülltrennung und ­Recycling, einer Reduzierung von Druck und Papier, einem Pfandbechersystem für die Kantine und umweltfreundlichem Merchandise niederschlägt. In enger Abstimmung und Kooperation mit der 2023 neu antretenden Intendanz von Iris Laufenberg setzen wir im und für das Deutsche Theater Berlin die Themen von Nachhaltigkeit und ökologischer Transformation prioritär und gehen auch auf institu­ tioneller Ebene die nächsten dringlichen Schritte hin zu einem ­grünen, offenen und zukunftsfähigen DT.

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EUROPÄISCHE V E R N E T Z U N G


ETC – European Theatre Convention Als größtes Theaternetzwerk in Europa repräsentiert die European Theatre Convention (ETC) mit 54 Mitgliedern öffentliche Stadt-, Staats- und Nationaltheater aus 30 Ländern. Sie ist eine Kunstorganisation, die das europäische Theater als wichtige Plattform für Dialog, Demokratie und Interaktion fördert, die auf das vielfältige Publikum und die sich wandelnden Gesellschaften von heute reagiert, sie reflektiert und sich mit ihnen auseinandersetzt. Mit seinen Mitgliedstheatern setzt die ETC Impulse zur inter­ nationalen Entwicklung von neuer zeitgenössischer Dramatik, neuen ästhetischen Formen und Kooperationen und prägt einen integrativen Theaterbegriff, der das soziale, sprachliche und kultu­ relle Erbe Europas für alle Gemeinschaften in Europa und darüber hinaus zugänglich macht. Die ETC ist als Kulturnetzwerk ein strategischer Partner der Europäischen Kommission und bietet euro­päischen Theatern und jungen Künstler:innen ein internationales Programm von künstlerischem Austausch hin zur Entwicklung neuer Ideen und Formate, zu Austausch und Fortbildung und zur Interessensvertretung der Theater in europäischer Kulturpolitik. Aktuelle Themen umfassen die Erforschung, Einführung und ­Anwendung von sozialer, ökologischer und ökonomischer Nachhaltigkeit, Geschlechtergleichstellung und Vielfalt im Theater sowie die Nutzung digitaler Technologien. Das DT ist seit 2009 Mitglied der ETC und hat seitdem an zahlreichen Projekten teilgenommen: Artist Residency Programme, Young Europe, Staff und Performance Exchanges, ENGAGE Readings. Seit 2018 befindet sich der Sitz der ETC im Deutschen Theater Berlin. europeantheatre.eu 169


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mitos21 „Mitos“ ist das altgriechische Wort für „Faden“ und bezieht sich auf den mythischen Faden der Ariadne, der Theseus half, den Weg aus dem Labyrinth zu finden. Das internationale Theaternetzwerk mitos21 wurde 2008 ins Leben gerufen mit dem Ziel, über Länder- und Sprachgrenzen hinweg Künstler:innen und Theaterschaffende zusammenzubringen, die daran interessiert sind, die zeitgenös­sische Rolle des Theaters zu überdenken und zu stärken und ­Gelegenheiten für professionellen Austausch, Weiterbildung, Nachwuchsförderung und künstlerische Zusammenarbeit zu schaffen. Im Rahmen der LESSINGTAGE 2021 DIGITAL am Thalia Theater Hamburg entstand mit „Stories from Europe“ eine Plattform, auf der neun Theater, darunter auch das DT, herausragende Inszenierungen präsentierten. Das Publikum war eingeladen, auf einer paneuropäischen Couch Platz zu nehmen – zu Hause und doch gemeinsam: in Paris, Turin, Berlin, Budapest oder Moskau. Dieser internationale Showcase soll in Zukunft regelmäßig digital stattfinden, organisiert von jeweils wechselnden Tandems der Partnertheater. Anfang 2023 ist die 4. Ausgabe von PLAS (Performance Laboratory Salzburg for Young Directors) geplant. Eine ausge­ wählte Gruppe junger europäischer Regisseur:innen trifft sich in Salzburg zu einem Theaterlabor. Mit Studierenden des Thomas Bernhard Instituts und der SEAD Dance Academy entwickeln sie zu einem vorgegebenen Thema ihre jeweils eigenen Inszenierungen und Projekte, die am Ende in einer gemeinsamen Aufführung in Salzburg präsentiert werden. 170


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18 führende europäische Theaterinstitutionen gehören aktuell dem Netzwerk mitos21 an: BERLINER ENSEMBLE; BURGTHEATER WIEN; COMÈDIE DE GÉNÈVE, Genf; DEUTSCHES THEATER BERLIN; DRAMATEN – KUNGLIGA DRAMATISKA TEATERN, Stockholm; DÜSSELDORFER SCHAUSPIELHAUS; EUROPEAN CAPITAL OF CULTURE – BAD ISCHL 2024; INTERNATONAAL THEATER AMSTERDAM; KATONA JÓZSEF SZÍNHÁZ, Budapest; DET KONGELIGE TEATER, Kopenhagen; NATIONAL THEATRE, London; ODÉON-THÉÂTRE DE L’EUROPE, Paris; TEATR POWSZECHNY IM. ZYGMUNTA HÜBNERA, Warschau; TEATRE LLIURE, Barcelona; TEATRO STABILE DI TORINO – TEATRO NAZIONALE, Turin; THALIA THEATER, Hamburg; TONEELHUIS, Antwerpen; THOMAS BERNHARD INSTITUT – UNIVERSITÄT MOZARTEUM, Salzburg mitos21.com

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BESUCHER:INNEN SERVICE Montag – Freitag 11.00 – 18.30 Uhr Telefon: 030.28 441-221 Postanschrift: DT Besucherservice Postfach 04 02 09 10061 Berlin service@deutschestheater.de KASSE Tageskasse im Foyer des DT Montag – Samstag: 11.00 – 18.30 Uhr Sonn- und Feiertage: 15.00 – 18.30 Uhr Telefon: 030.28 441-225 Persönlicher und telefonischer Kartenverkauf und Reservierungen. Die Abendkasse öffnet eine Stunde vor Vorstellungsbeginn (eingeschränkter Vorverkauf). SERVICELEISTUNGEN • Kartenbuchungen für DT Freunde • Reservierung für Schüler:innengruppen und Besucher:innenorganisationen • Verkauf der DT Cards • Informationen über den Spielplan und die Aktivitäten des Theaters

• Unterstützung bei der Gestaltung Ihres Theaterbesuchs vor und nach der Vorstellung • Sonderarrangements für Gruppen • Vermittlung von Gesprächen mit Schauspieler:innen, Regisseur:innen und Dramaturg:innen • Vermittlung von Führungen durch das Deutsche Theater • Verkauf von Programmheften und anderen Publikationen VORVERKAUF Der Vorverkauf beginnt am 10. des Monats für den Folgemonat. Vorverkauf für DT Freunde bereits ab 7. des Vormonats, für Gruppen und DT Card-Besitzer:innen ab dem 8. des Vormonats. Der telefonische Kartenvorverkauf ist mit Kreditkarte (Visa, Mastercard, American Express), der Online-Vorverkauf zusätzlich per giropay möglich. Telefonisch gekaufte Karten können wir Ihnen als e-Ticket zusenden, das Sie direkt in die Wallet auf Ihrem iOS/Android Smartphone speichern oder auch als PDF ausdrucken können. 173


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KARTEN BESTELLUNGEN Online-Reservierungen über die Website sind ab Vorverkaufsbeginn möglich, schriftliche Bestellungen an den Besucherservice ab Veröffentlichung des Spielplans auf unserer Website. Diese Bestellungen werden mit Beginn des Vorverkaufs in der Reihenfolge des Eingangs bearbeitet.

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Inhaber:innen der Ehrenamtskarte • Ermäßigung von 25 % bei Vorlage der Welcome Card • Sonderkonditionen für Gruppen und Schulklassen • Einmal im Monat ist „Blauer Tag”: 12 € auf allen Plätzen • Ermäßigungen werden auch im Vorverkauf (nach Verfügbarkeit) gewährt. Sie gelten nicht für Sonderveranstaltungen. Bitte bringen Sie Ihre ErmäßigungsBuchung Klassenzimmerstücke und berechtigung auch zum Besuch Angebote des Jungen DT: der Vorstellung mit. 030.28 441-220 / info@jungesdt.de • Das DT unterstützt die Vereine klassenzimmer@jungesdt.de „Kulturleben Berlin“ und „himate!“, die Theaterkarten an Menschen mit geringem Einkommen und unEINTRITTSPREISE terschiedlichen kulturellen HinterUND ERMÄSSIGUNGEN gründen vermitteln. Geflüchtete • Die für die jeweilige Vorstellung erhalten bei Vorlage eines entgeltenden Eintrittspreise entnehsprechenden Nachweises Karten men Sie bitte dem Monatsspielplan. für 3 €. • Karten zum Preis von 9 € für Schüler:innen, Student:innen, Azubis und Empfänger:innen von GESCHENK Arbeitslosengeld I GUTSCHEINE • Karten zum Preis von 3 € Verschenken Sie DT-Gutscheine in bei Vorlage des berlinpass beliebiger Höhe! Die Gutscheine • Ermäßigung von 20 % für können für Vorstellungsbesuche 174

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Ihrer Wahl innerhalb von drei Jahren • Bitte bringen Sie Ihre DT Card auch eingelöst werden (vor Ort an der zum Besuch der Vorstellung mit. Theaterkasse oder auch online). Sie erhalten Gutscheine an der Weitere Vorteile mit der DT Card: Theaterkasse und in unserem Online- Gegen Vorlage Ihrer DT Card erhalTicketshop. ten Sie in der Deutschen Oper 10 % Ermäßigung für zwei Eintrittskarten. ETC-Europa-Abo: Mit der DT Card DT CARD können Sie die Vorstellungen aller Mit der DT Card erhalten Sie 40 % Mitgliedstheater der European Ermäßigung auf den Kartenpreis Theatre Convention im Ausland (im DT in den Preisgruppen I bis IV). kostenlos besuchen; die deutschen Sie ist personengebunden und gilt Mitgliedstheater gewähren 12 Monate ab Ausstellungsdatum. Ermäßigungen. Sie gilt nicht für SonderveranstalMehr Infos: europeantheatre.eu tungen und den monatlichen „Blauen Tag”. Sie haben die Wahl: • Die DT Card für 55 €: eine erPERFORMANCES WITH mäßigte Karte pro Vorstellung SURTITLES • Die DT Partner Card für 90 €: We ask you to consider surtitles zwei ermäßigte Karten pro Voras a service from which not all seats stellung can benefit. We recommend that • Die DT Familien Card für 100 €: you book seats in the DT either in zwei ermäßigte Karten für zwei the 1st gallery or in the stalls in row Erwachsene und bis zu drei 10 or higher (except for the last Karten für jeweils 3 € für Kinder three rows), and in the Kammerspiele und Jugendliche bis 18 Jahre in row 8 or higher. The box office Mit einer DT Card beginnt der staff will be happy to advise you on Vorverkauf am 8. des Monats für which seats will give you the best den Folgemonat. view of the surtitles. 175


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GARDEROBE Ihre Garderobe können Sie kostenlos in den Foyers abgeben. B U C H S TA N D Am Buchstand im Foyer finden Sie eine gut sortierte Auswahl von Büchern zu unserem Programm, Theater- und Musikliteratur, sowie Programmhefte, Geschenke, Postkarten, Taschen und Designartikel. Unser Kooperationspartner ist die Buchhandlung LangerBlomqvist. R E S TA U R A N T & B A R Vor den Vorstellungen sowie in der Pause erhalten Sie Getränke im Spiegelfoyer, im Saal (Rangfoyer) und in der Bar. Das Restaurant im Deutschen Theater ist täglich zwei Stunden vor Vorstellungsbeginn geöffnet. Reservierungen unter reservierung@tamtamimdt.berlin oder unter 0152.07028831

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ANGEBOTE FÜR EIN JUNGES PUBLIKUM Ermäßigte Karten für Schüler:innen, Student:innen und Auszubildende kosten 9 € bzw. 6 € in der Box, auch im Vorverkauf (ausgenommen Sonderveranstaltungen). DT Campus: Zweimal im Jahr kommen Student:innen noch günstiger ins DT. Bei DT Campus an den Berliner Hochschulen kosten alle Tickets für Student:innen 6 €. JUNGE DT FREUNDE Noch näher dran: Die Jungen DT Freund:innen begleiten in Workshops, Gesprächen und Proben­ besuchen die Arbeitsprozesse am DT. Für alle unter 35 beträgt die Mitgliedschaft bei den DT Freunden nur 1 € pro Lebensjahr. Weitere Infos auf dtfreunde.de

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JUNGES DT Improvisieren, experimentieren und Theater spielen! Das Programm des Jungen DT bietet zahlreiche Möglichkeiten, selbst aktiv zu werden: jungesdt.de BARRIEREFREIHEIT Das Deutsche Theater und die Kammerspiele verfügen über Rollstuhlfahrer:innenplätze (bitte melden Sie Ihren Besuch bis einen Tag vor der Vorstellung an). Zugang zu den Spielstätten über die Rampe und den Hublift am Eingang zum DT. Die behindertengerechten Sanitäranlagen befinden sich im Foyer des DT. Schwerbehinderte, die auf eine Begleitperson angewiesen sind, erhalten zwei Karten zum halben Preis. Nutzen Sie die Möglichkeit des schriftlichen Vorverkaufs. Ihre Kartenwünsche werden vorrangig bearbeitet. Der SAAL (Rangfoyer) ist nicht barrierefrei zugänglich.

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SCHWERHÖRIGEN ANLAGE Das Deutsche Theater verfügt im Parkett und 1. Rang (überwiegend auf der linken Seite) über eine Schwerhörigenanlage, die Kammerspiele bis Reihe 7. AUDIODESKRIPTION Das Deutsche Theater bietet in Kooperation mit dem Berliner Spielplan Audiodeskription für ausgewählte Produktionen Vorstellungen mit Audiodeskription sowie Tastführungen für blinde und sehbehinderte Menschen an. Die Aufführungstermine sind im Spielplan ausgewiesen. GESCHÄFTS BEDINGUNGEN Die AGB können an der Theaterkasse und unter deutschestheater.de eingesehen werden.

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D AT E N S C H U T Z Die Speicherung der personenbezogenen Daten erfolgt zur direkten Kundenbetreuung. Die Daten werden nicht an Dritte weitergegeben. Alle Daten werden ausschließlich gemäß den gesetzlichen Bestimmungen verarbeitet. VERKEHRSANBINDUNG Schumannstraße 13a, 10117 Berlin S-/U-Bahn: Bahnhof Friedrichstraße U-Bahn: Oranienburger Tor Bus: Linie 147 (Haltestelle Deutsches Theater) Straßenbahn: M1, M5, 12 (Haltestelle Oranienburger Tor)

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Berlin in English since 2002

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Bühne Parkett

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DEUTSCHES T H E AT E R

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48 € 39 €  Preisgruppe III 30 €  Preisgruppe IV 21 €  Preisgruppe V 12 €  Preisgruppe VI 5€

42 € 34 € 26 € 18 € 10 € 5€

35 € 28 € 21 € 14 € 8€ 5€

 Preisgruppe I  Preisgruppe II

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KAMMERSPIELE

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Preisgruppe I 30 € Preisgruppe II 23 €

25 € 19 €

19 € 14 €

BOX /BAR/ SAAL

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18 € 8€

14 € 6€

8€ 6€

6€ 4€

Preisgruppe Ermäßigt

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TAMTAM Restaurant imim Deutschen TAMTAM- Das – Das Restaurant Deutschen Theater begrüßt Sie am Abend mit Theater Berlin begrüßt Sie am Abend mit gehobener, raffi nierter Küche. gehobener, raffinierter Küche. In klassischer, stilvoller Atmosphäre, In klassischer, stilvoller Atmosphäre, innen innen und auf der Terrasse unmittelbar und auf der Terrasse unmittelbar vor dem vor dem Deutschen Theater Berlin, Deutschen Theater Berlin, erwartet die erwartet die Gäste casual fi ne dining Gäste casual fine dining mit Charmemit und Charme und Gastfreundlichkeit. Gastfreundlichkeit. Die TAMTAM-Abendkarte überrascht Sie Die TAMTAM-Abendkarte überrascht vor als auch während den Vorstellungen Sie sowohl vor als auch während den mit gehobenen europäischen Gerichten, Vorstellungen mit gehobenen eurodie mit EinflGerichten, üssen internationaler Küche päischen die mit Einflüssen aufgewertet undKüche modern präsentiert internatio­ naler aufgewertet und werden. modern präsentiert werden.

WARME KÜCHE WARME KÜCHE Mittwoch bis Sonntag von 22Uhr Uhr Mittwoch bis Sonntag 1717 – -22 Schumannstraße 13A Schumannstraße 13 a 10117 Berlin 10117 Berlin

reservierung@tamtamimdt.berlin reservierung@tamtamimdt.berlin Tel. 030 25099475 T 030 25099475

folgt uns gerne auf Instagram @tamtam.deutschestheater

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HÖHNE

Frank Höhne, Jahrgang 1981, lebt bescheiden und arbeitet glücklich in Berlin. Sein Alltag nennt ihn liebevoll Vati und Hausmann für drei Mädchen, mehr verlangt er vom verblühenden Leben nicht. Ihm fehlt es an Eloquenz. Eleganz. Ehrgeiz. Empathie. Erfolg. Und das ist nur der Buchstabe E. Aber schon allein dieser zeigt auf: Ihm bleibt nur etwas wie die Illustration und der Versuch damit besagten E‘s entgegenzuwirken. Entgegenwirken ist auch seit E und je sein Allheilmittel für seine Alltagsprobleme mit Familie und dem Heranwachsen in einer ihm zunehmend hemmungslos erscheinenden Gesellschaft. Entgegenwirken durch Beobachten, das dann zeichnerisch festhalten und zum Überdenken an die ­digitale Wäscheleine, einem Internet beispielsweise, hängen. Das macht der. Ihm reichts.

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N A C H W E I S E

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I M P R E S S U M

Die Essays von Stefanie Arndt, Fabian Bernhardt, Selmin Çalışkan, Martin Doehlemann, Samira El Ouassil, Mojib Latif, Lana Lux, Hans Meyer, Lucia A. Reisch und Angelika Zahrnt sowie das Gespräch mit Ulrich Khuon von Sabine Rennefanz sind Originalbeiträge für dieses Spielzeitheft.

Herausgeber: Deutsches Theater Berlin Schumannstr. 13 a, 10117 Berlin Intendant: Ulrich Khuon Geschäfts­führender Direktor: Klaus Steppat Redaktion: David Heiligers, Claus Caesar Gestaltung: Julia Kuon, Sabine Meyer Illustration: Frank Höhne, frankhoehne.de Ensemblefotos: Maria Sturm, mariasturm.com Druck und Herstellung: ELBE-DRUCKEREI WITTENBERG GmbH Redaktionsschluss: 14. Juni 2022 140. Spielzeit 22 / 23

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