Dresdner Musikfestspiel Magazin 2014 Nr. 2

N° 3 / GOLDENE 20ER / DRESDNER MUSIKFESTSPIELE 2014 VOM 23. MAI BIS 10. JUNI

GOLDRAUSCH

Dresdner Musikfestspiel Magazin

Unsere Kulturförderung.

Gut für die Sinne. Gut für die Region.

Jan Vogler und die Ostsächsische Sparkasse Dresden laden Sie ein, bei den Dresdner Musikfestspielen weltberühmte Künstler und ein herausragendes Programm in einzigartigen Spielstätten zu erleben.

DRESDNER MUSIKFESTSPIEL MAGAZIN / 2 / ANZEIGE

Inhalt 04 Fliegende Drachen 06 Rausch im Goldenen Garten 08 Tosende Twenties: The Great Gershwin 12 Reden mit Hilary Hahn 14 Festspiel Orchester Feuer 16 Programm 18 Spielstätten 22 Georgia Zwanzig und das Palais im Großen Garten 24 Festspielnachrichten 25 Abbados Erben: das Mahler Chamber Orchestra 27 Berauschende Orte 28 Grüne Fee 29 Dadaistischer Großsieg!

30 Cacao mit Carpenter

08 FRAUENKIRCHE Musik in der Frauenkirche eröffnet immer wieder neue Dimensionen und Begegnungen der Spiritualität und lässt den Konzertbesucher alles Irdische vergessen. Sie berührt in einzigartiger Weise durch das intensive Zusammenwirken von Raum und Klang, aber auch durch den Gedanken der Versöhnung, der in den Konzerten mitschwingt. 1945 zerstört ist die wiederaufgebaute Barockkirche ein Mahnmal des Friedens.

BR-SYMPHONIEORCHESTER UND -CHOR & GARDINER Werke von Bruckner, Haydn, Mendelssohn SA 31. MAI 20.00 LES ARTS FLORISSANTS Werke von Monteverdi MO 26. MAI 20.00

EDITORIAL Liebe Festspielfreunde, liebe Leserinnen und Leser, ein interessantes Phänomen hat mich seit Jahren beschäftigt: Die 20 er Jahre in den letzten vier Jahrhunderten waren in der Musik besonders kreativ und brachten besonders viele Meisterwerke hervor.

Diese Beobachtung hat mich zu „Goldene 20 er“ inspiriert, einem Festspieljahrgang, auf den ich mich sehr freue. Auf den folgenden Seiten unseres dritten Magazins wollen wir etwas von diesem Leuchten einfangen, das diese Jahrgänge so berühmt gemacht hat.

Entdecken Sie die Musik mit uns neu, im Dreiklang mit hervorragenden Interpreten und vielen stimmungsvollen Spielstätten.

Auf einen wunderbaren Festspieljahrgang! Ihr Jan Vogler WILLKOMMEN / 3 / DRESDNER MUSIKFESTSPIEL MAGAZIN

Intendant Jan Vogler über die Faszination der zwanziger Jahre und seine Vision der Musikfestspiele zwischen Rausch und Experiment.

Text TOBIAS HABERL

Bei Musikfestspielen denken viele an wohlhabende, Champagner trinkende Menschen, die nebenbei ein bisschen Musik hören. Ein Klischee?

Wir haben Gäste, die mit dem Privatjet aus Paris einfliegen, zu uns kommt aber auch der Musikliebhaber mit der kleineren Brieftasche, der interessierte Student und der treue Stammgast. Jeder ist herzlich willkommen. Mir ist wichtig, dass diese drei Wochen ein Fest werden, an dem jeder teilnehmen darf.

Was ist das?

Ein Experiment. Wir haben acht junge Künstler aus verschiedenen Sparten und Ländern eingeladen. Einen Videokünstler aus Taiwan, eine Lichtkünstlerin aus Dresden, einen jungen Schauspieler aus Afghanistan, eine Geigerin aus Boston – da ist alles dabei, von ganz still bis exzentrisch. Sie wohnen zusammen und dürfen etwas aushecken, Konzerte, Projekte, Installationen, was auch immer.

Wir unterstützen sie und stellen ihnen die Bühnen zur Verfügung.

Klingt nach einem demokratischen Ansatz.

Musik ist ja auch urdemokratisch und ich finde, dass in einer Gesellschaft jeder einen Anspruch Junge, unbekannte Künstler – das kann auch danedarauf hat. Ein Konzert kann nur lebendig werden, bengehen, oder? wenn es niemanden ausschließt.

Natürlich, aber genau darum geht es ja.

Als Kind war ich fasziniert von Drachen, ich meine Dieses Jahr lautet das Motto „Goldene 20 er“. Welche die, die man steigen lassen kann. Ich habe selbst welIdee verbirgt sich dahinter? che gebaut, riesige Dinger, mit 2,50 Meter SpannDie Idee hatte ich als Cellist, nicht als weite. Und wissen Sie, was mir als erstes auffiel, als Intendant. Wissen Sie, ich liebe die zwanziger Jahre ich meine Karriere als Cellist begann? Junge Künstdes 20. Jahrhunderts, nicht nur die Musik, auch die ler dürfen nicht fliegen.

Malerei und die Literatur: Otto Dix, Max Beckmann, Erich Kästner. Mich hat der Bruch zwischen der Sie meinen, Ihnen wird zu wenig zugetraut? exzessiven Vergnügungssucht und der sich abzeichGenau. Entweder gibt man ihnen eine nenden Katastrophe immer fasziniert. Irgendwann genau abgesteckte Aufgabe, eine Nische, oder sie habe ich dann gemerkt: Die zwanziger Jahre des müssen über Nacht für einen Star einspringen und 19. Jahrhunderts sind fast noch beeindruckender. sollen auf Knopfdruck funktionieren. Das ist unfair, weil sie wie Kinder behandelt werden, wo sie doch Inwiefern?

Künstler sind. Mich hat das immer gestört, besonDer späte Beethoven, der reife Schubert, ders weil junge Menschen den etablierten Stars das ganze Erbe der Französischen Revolution. Und etwas voraushaben: Sie sind leidenschaftlich und sie dann studiert man die zwanziger Jahre des 18. Jahr- wollen die Welt aus den Angeln heben. hunderts, als Bach in Leipzig gewirkt hat – eine strahlende und prunkvolle Zeit. So hat sich dieses Haben Sie ein gutes Gefühl?

Motto nach und nach mit Leben gefüllt und damit Ganz ehrlich, ich weiß nicht, ob der Dradiese Idee auch in die Zukunft hineinwirken kann, chen fliegt, aber es kommt auf den Versuch an, die haben wir die „Bohème 2020“ ins Leben gerufen.

Gefahr des Scheiterns muss gegeben sein, sonst steht DRESDNER MUSIKFESTSPIEL MAGAZIN / 4 / GOLDENE 20ER

man ja wieder auf der sicheren Seite und das ist töd- Auf der Homepage der Dresdner Musikfestspiele schreiben Sie: „Unsere Zeit und unser Umfeld kann Inspiration fördern oder lich, vor allem in der Kunst. verhindern.“ Wie nehmen Sie unsere Zeit wahr?

Ich bin ein positiver Mensch und fühle mich in der Sie sind seit 2008 Leiter der Dresdner Musikfestspiele. Was haben Sie in den letzten sechs Jahren Gegenwart ganz wohl. Ich bin aber überzeugt davon, dass wir die Macht von Musik noch lange nicht ausschöpfen. gelernt?

Das Spannende war, dass die Stadt Dresden sich damals von mir gewünscht hat, die Musik- Das müssen Sie jetzt aber erklären.

Wir sind stark auf materielle Werte konzentriert. festspiele ganz neu zu erfinden, das Steuerrad also Und wir haben große Angst, den Wohlstand, den wir uns in den komplett herumzureißen. letzten sechzig Jahren aufgebaut haben, einzubüßen. Das führt aber dazu, dass wir ängstlich sind und die Kraft von Kultur und Warum gleich so extrem?

Weil das Festival nicht konkurrenzfähig geistiger Freiheit unterschätzen. war. Ich war aber von Anfang an überzeugt, dass es das Zeug dazu hat, mit den großen Festspielen in Wer ist nervöser: der Intendant Jan Vogler vor den Festspielen Europa mithalten zu können. Denn natürlich ist oder der Cellist Jan Vogler vor einer Uraufführung?

Für mich sind das zwei Seiten einer Medaille, die sich Dresden eine wunderbare Kulturstadt und ich sehe es als meine Aufgabe, mit den Musikfestspielen ihre gegenseitig befruchten. Ich könnte das nicht, im Elfenbeinturm Strahlkraft auch international zu intensivieren. Ich zu sitzen und auf Knopfdruck inspiriert zu sein, wenn ich auf habe gespürt, dass hier etwas ganz Besonderes ent- der Bühne eine Sonate spielen soll. Ich verfolge eher einen stehen kann, wenn wir ein herausragendes Pro- gesamtmusikalischen Ansatz. gramm auf die Beine stellen, denn der Kern ist und Haben Sie ein konkretes Beispiel dafür? bleibt die Musik.

Naja, wenn ich bei einem Empfang mit Sir Simon Rattle über Mahler plaudere, geht mir schon mal ein Licht auf Haben Sie Ihr Ziel inzwischen erreicht?

Ich finde schon, dass ein Hügel entstan- für mein eigenes Cellospiel, und zwar ein helleres, als wenn ich den ist, der aus der ohnehin guten Dresdner Musik- zuhause in meinem Zimmerchen vor mich hin übe. Oder ich landschaft herausragt. Mein Ziel ist es, die Men- sitze nach einem gelungenen Abend in der Hamburger Laeiszschen ins Herz zu treffen. Ich möchte einen Rausch halle mit dem Brahms-Doppelkonzert am nächsten Morgen entstehen lassen, der alle für drei Wochen mitreißt. schon wieder im Zug nach Dresden, weil ich einen Termin mit Mit Musikern und Orchestern aus der ganzen Welt der Oberbürgermeisterin habe. will ich unterschiedliche Perspektiven ermöglichen und zeigen, dass in der Musik wie im Leben Besteht bei so vielen Aufgaben nicht die Gefahr sich zu verzetteln?

Im Gegenteil, mir gibt das Energie. Und ich falle verschiedene Wege möglich sind. Denken Sie daran, was diese Stadt alles durchgemacht hat. Eine nach einem Auftritt nicht in das legendäre schwarze Loch. Das Botschaft dieses Festivals ist, dass wir Menschen ist nämlich nicht nur eine Legende. Es gibt diese Leere. Und epochale Katastrophen überwinden können und glauben Sie mir, so ein Tag ist lang, und wenn man ein bisschen diszipliniert ist, kann man viel schaffen.

Versöhnung möglich ist.

Erinnern Sie sich noch an Ihr schönstes Festspiel- Wie verbringen Sie die drei Festspielwochen – Stress pur?

Wenn ich in eine Stadt komme, in der ich noch nie erlebnis?

Natürlich! Ende der achtziger Jahre war war, bereite ich mich gut vor, damit ich vor Ort spontan sein ich als Cellist beim Kammermusikfestival in und Anregungen aufnehmen kann. Für unser Festival mache Marlboro, das kurz nach dem Zweiten Weltkrieg ich es genau so. Wir haben das Programm monatelang ganz prägegründet wurde, unter anderem vom berühmten zise diskutiert und geplant. Wir haben jeden Stein zweimal umgedreht, da ist nichts dem Zufall überlassen. Das gibt mir die Pianisten Rudolf Serkin.

Möglichkeit, während der Festspiele ein guter Gastgeber zu sein.

Was war an diesem Festival so faszinierend?

Die Atmosphäre in diesem beschaulichen, Für das Publikum oder die Künstler?

Natürlich für beide. Ich will unsere Gäste kennen leraber traumhaft schönen Ort, die Kammermusik auf höchstem Niveau, die Künstler aus der ganzen Welt. nen und mit ihnen diskutieren. Und ich will, dass die Künstler Mir hat sich damals eine richtig kleine Wunderwelt am Ende sagen: Die Dresdner Musikfestspiele, die kann ich aufgetan, das Vermont von Carl Zuckmayer und nicht auslassen. Das war toll.

Alexander Solschenizyn. Ich habe diese Tage als perfekte Idylle in Erinnerung, mit einer starken Kon- Sie werden aber auch selbst auftreten, oder?

Ja, zweimal. Ich muss mich schon auch in Gefahr zentration auf die Musik. Es ist diese Atmosphäre, die ich im Kopf habe, wenn ich die Dresdner Musik- begeben, denn dann bin ich nicht nur Intendant, sondern auch festspiele konzipiere, diese Mischung aus klein und Kollege und Partner, und das ist mir wichtig. groß, beschaulich und international, sympathisch und intellektuell.

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„Es übertraf die Erwartungen aller und mit ganzer Sicherheit kann gesagt werden, daß alles, was das Altertum sich nur ausdenken konnte, was Italien und Frankreich nur bruchstückweise zu geben imstande waren, hier in aller seiner ganzen Vollkommenheit dargeboten wurde …“ ( Zeitgenössischer Kommentar zum „Venusfest“ im Großen Garten, anlässlich der Kurprinzen- hochzeit von 1719)

Rausch im Goldenen Garten

Als Zeugen einstiger Komödien, Singspiele und Feuerwerke künden die Skulpturen im Lapidarium vom früheren Glanz des Ortes, der heute eine verwunschene Melancholie ausstrahlt.

(Lesen Sie weiter auf Seite 22.)

Ein trefflicher Ort, um „Planetenfeste“ zu feiern: Der Große Garten mit dem in seiner Mitte errichteten Palais bildete im 18. Jahrhundert Dresdens sommerlichen Schauplatz für rauschende Ballnächte.

Fotografie THEKLA EHLING

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THE GREAT GERSHWIN DRESDNER MUSIKFESTSPIEL MAGAZIN / 8 / GOLDENE 20ER

Wer ist Gatsby? Nick Carraway ist inmitten der glamourös-ausgelassenen Party immer noch auf der Suche nach dem geheimnisvollen Gastgeber, als der Stimmungseinpeitscher die Aufführung einer sensationellen „Jazz History of the World“ ankündigt. Als Gatsbys unwiderstehliches Lächeln Nick und dem Kinopublikum dann zum ersten Mal dreidimensional entgegenstrahlt, wird es von einem dissonanten Bläserflattern umnebelt und in Frage gestellt. Der Akkord (für die Jazzer: Bbm7+) stammt von George Gershwin und wie der australische Regisseur und Bildfeuerwerker Baz Luhrmann in seiner Verfilmung von F. Scott Fitzgeralds Klassiker die Party auf diesen Punkt hin hochkocht, um hier nun Passagen aus der „Rhapsody in Blue“ beizumischen, zeugt von bemerkenswerter musikalischer Gestaltungskraft. So wie der ganze Soundtrack, in dem die „Roaring Twenties“, die tosenden zwanziger Jahre, von zeitgenössischen Rap- und Popkünstlern einem ziemlich gerissenen Remix unterzogen werden.

Luhrmanns Wahl der „Rhapsody“ trifft über Umwege voll ins Schwarze. Denn Fitzgerald hatte in einer später aus dem „Great Gatsby“ gestrichenen Passage das Stück zunächst noch ausführlich als „History of the world“ beschrieben, wobei er den Strauss’schen „Zarathustra“ oder Darius Milhauds „La Création du Monde“ im Sinn gehabt haben könnte. Später aber machte er eine „Jazz History of the world“ daraus und es ist durchaus möglich, dass dies nunmehr als ironische Anspielung auf Gerswhins „Rhapsody“ gemeint war.

Sie war gut ein Jahr vor der Romanveröffentlichung, am 12. Februar 1924, an einem New Yorker Abend uraufgeführt worden, der als das „Aeolian Hall Concert“ in die Musikgeschichte eingehen sollte. Paul Whiteman, mit millionenfach verkauften Platten der populärste Bandleader in den Vereinigten Staaten, hatte unter dem Titel „An Experiment in Modern Music“ ein etwas merkwürdiges Programm aus „sweet“ und

„hot music“, also Unterhaltungsmusik und – im weitesten Sinne – Jazz zusammengestellt. Die Zuhörer wurden ob der musikästhetischen Erziehungsmaßnahme schon langsam unruhig, als eine Klarinette ihren zunächst getrillerten Ton plötzlich in einem endlos erscheinenden Glissando in die Höhe und wie einen Spearmint aus William Wrigleys Kaugummimanufaktur in die Länge zu ziehen begann. Ein Star war geboren, ein Stück trat dank Paul Whitemans Tourneekalender seinen Siegeszug durch die Konzertsäle der USA an. „Rhapsody in Blue“ – schon im Titel sind die Zutaten des Erfolgs benannt: Die Gattungsbezeichnung Rhapsodie verheißt das romantische, formal undogmatische Feuer eines Franz Liszt. Sein Geist durchweht, mildernde Umwege über Tschaikowsky, Grieg, Rachmaninov und Debussy einschlagend, auch den dankbaren Klavierpart. Wie einem Filmhelden widerfahren dem konzertanten Protagonisten die Episoden, die er in den Kadenzen quasi improvisierend angestoßen hat. Und die „blue notes“ färben manche der vor melodischer Inspiration schier überbordenden Abschnitte jazzig ein. Sie entführen das Werk – ebenso wie die Stride Piano Elemente im Solopart, die „fascinating rhythms“ und natürlich die begleitende Big Band – aus dem Konzertsaal mal in einen verrauchten Club, dann wieder in eine glitzernde Dance Hall. Oder auf die rauschende Party eines fiktionalen Vertreters jener amerikanischen Epoche, für die Scott Fitzgerald den Namen „The Jazz Age“ geprägt hat.

Auch in Europa bekam das Gold der 1920 er-Jahre in der Kunstmusik eine deutliche

Die rhapsodisch tosenden zwanziger Jahre Text JUAN MARTIN KOCH Illustration GESINE GROTRIAN

16 SEMPEROPER Schon beim Betreten umfängt den Besucher die Aura der langen, reichen Musiktradition, die das Haus und sein Orchester, die Sächsische Staatskapelle unter Christian Thielemann, heute noch fortschreiben. Ob großes Sinfoniekonzert, spritzig-sprühende Matinee oder eindrückliches Klavierrecital – die Bühne der prachtvollen Semperoper ist immer Ort für hochkarätige Festspielbegegnungen.

THE KNIGHTS Werke von Beethoven, Feldman, Honegger, Mozart MI 28. MAI 20.00 GEWANDHAUSORCHESTER & CHAILLY Werke von Brahms, Mozart, Strauss MO 09. JUNI 11.00

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Färbung ins Blaue. Noch bevor Gershwins „Rhapsody“, etwa in Ravels G-Dur-Klavierkonzert, hörbare Spuren hinterließ, tauchten Jazzelemente unter anderem in Werken der Komponisten aus der „Groupe des Six“, vor allem bei Darius Milhaud auf, dem späteren Lehrer Dave Brubecks. Und in Berlin schickte sich ein Schüler Ferruccio Busonis an, mit einem neuen, „jatzigen“ Songstil die Bühnen zu erobern: Kurt Weill.

Musikalisch golden waren die Zwanziger also nicht nur, weil ein Arnold Schönberg mit der Zwölftontechnik und ein Igor Strawinsky mit dem Neoklassizismus fruchtbares Neuland betraten. Mit der Integration des Jazz – bzw. der damals unter diesem Namen erfolgreichen Stile – in die Kunstmusik begannen sich die Grenzlinien zwischen ernster und unterhaltender Musik langsam wieder aufzulösen, die sich mit der Entwicklung des bürgerlichen Konzertbetriebs etwa hundert Jahre vorher zu verfestigen begonnen hatten. Was heute mühsam und künstlerisch meist unbefriedigend als „CrossoverKlassik“ fabriziert und vermarktet wird, funktionierte in den 1920 ern noch mit lässigem Understatement und künstlerischem Mehrwert.

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde dieser Frischzellenkur im deutschsprachigen Raum ein jähes Ende gesetzt: Komponisten wie Kurt Weill oder Ernst Krenek (er machte 1927 mit der ‚Jazzoper‘ „Johnny spielt auf“ Furore) wurden in der berüchtigten Ausstellung „Entartete Musik“ von 1938 an den Pranger gestellt und mussten in die Vereinigten Staaten emigrieren.

Dort hatte sich zwischen der New Yorker „Tin Pan Alley“, dem Broadway und Hollywood eine florierende Unterhaltungs- und Filmmusikindustrie entwickelt, deren Einfluss bis heute anhält und in der die Grenzen zwischen U- und E-Musik immer wieder verschwimmen: Am Broadway, wo Kurt Weill als Berater Gershwins Oper „Porgy and Bess“ posthum in einer bearbeiteten Fassung zu einem durchschlagenen Erfolg verhalf und mit dessen Bruder Ira für „Lady in the dark“ zusammenarbeitete, stellte Filmregisseur Baz Luhrmann 2002 eine Oper auf die Musicalbühne, die er zuvor schon, quasi als Vorstudie zu seinem Film „Moulin Rouge“, an der Sidney Opera erfolgreich inszeniert hatte: Puccinis „La Bohème“…

01 ALBERTINUM Technisch spektakulär und ästhetisch einzigartig war die Überspannnung des Innenhofs des Albertinums nach der Flut 2010 mit einem Werkstattund Depotkomplex. Dem Besucher zeigt er sich dennoch lichtdurchflutet wie ein Atrium und schlägt als Konzertsaal eine spannungsvolle Brücke zwischen den Künsten. So begegnen sich im Albertinum nicht nur Malerei und Skulptur, sondern auch Bildende Kunst und Musik von Dresdner Barock bis zu französischem Chanson.

BRUCKNER ORCHESTER LINZ – SCHIFF – POLTÉRA Werke von Bruckner und Lutosławski SO 01. JUNI 20.00 UTE LEMPER UND FREUNDE Werke von Brel, Eisler, Piazzolla, Schulhoff, Weill u. a.

MO 02. JUNI 20.00

04 BALL- UND BRAUHAUS WATZKE Was 1790 als Schänke für die Bauern der Umgebung begann, beherbergt heute einen der schönsten Säle, historisch restauriert und mit prachtvollen Deckengemälden. In Watzkes Ball- und Brauhaus lebt die Dresdner Ball- und Konzerthaustradition noch immer fort.

THE KING'S SINGERS Werke von Coleman, Ellington, Gershwin, Kern, Porter, Reisfeld/Marcuse, Rogers, Schmidseder u. a.

FR 06. JUNI 20.00 ZUSATZKONZERT SA 07. JUNI 15.00 (PALAIS IM GROSSEN GARTEN)

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Unsere Hommage an die Frau.

Pavonina

Offizieller Partner

Pavonina. Inspiriert von den „Goldenen Zwanzigern“ kreierte Glashütte Original eine neue Generation femininer Zeitmesser. Facettenreich und glanzvoll wie die Dresdner Musikfestspiele präsentiert sich die glamouröse Kollektion der sächsischen Manufaktur. Entdecken Sie die verführerisch schönen Modelle in unserer Boutique oder unter www.glashuette-original-pavonina.com.

Glashütte Original Boutique ∧ QF, Quartier an der Frauenkirche ∧ Töpferstraße 4 ∧ 01067 Dresden Tel. +49 (0)351 82 12 59 70 ∧ E-mail: Boutique.Dresden@glashuette-original.com

Sie erhalten den Glashütte Original MusikFestspielPreis ja ausdrücklich auch dafür, dass Sie mit Ihrer Musik und Ihrer Präsenz im Netz junge Menschen erreichen. Ist Ihnen das ein besonderes Anliegen?

Text JUAN MARTIN KOCH Ich fühle mich sehr geehrt durch diesen Preis, das Fotografie MICHAEL PATRICK O'LEARY habe ich wirklich nicht erwartet! Es geht aber nicht nur um Frau Hahn, Sie sind sehr aktiv im Internet, machen Interviews junge Leute. Nach meinen Konzerten treffe ich alle Generatiomit Musikerkollegen und Komponisten, haben einen eigenen nen: von Fünfjährigen, die gerade mit dem Geigenunterricht YouTube-Kanal, sogar Ihr Geigenkasten hat einen Twitterac- beginnen, bis zu Menschen, die Heifetz noch im Konzert erlebt count … Sind Sie ein Kommunikations-Junkie? haben. Alle im Publikum haben für mich den gleichen Wert, Es geht nicht so sehr darum, dass ich unbedingt kom- denn jeder hat seine eigene Hörerfahrung. Sehr interessant sind munizieren muss. Eher ist es so, dass ich gerne Fragen stelle und ja oft gerade die Reaktionen und Fragen von Leuten, die nur selüber die Dinge nachdenke, die um mich herum passieren. Dafür ten ins Konzert gehen. Sie nehmen ganz andere Dinge wahr. Ich brauche ich ein Ventil. Auf diese Weise andere Perspektiven ken- lasse mir davon gerne meine eigene Perspektive auffrischen. nen zu lernen, ist faszinierend für mich und ich hoffe, anderen geht es genauso. Das Internet ist ein gutes Medium, um etwas Hier wird viel über die Zukunft des Konzertlebens, die Überaltedarüber zu erfahren, wie die klassische Musikszene funktioniert – rung des Publikums diskutiert … für junge Menschen, die in diesen Bereich einsteigen wollen, Man muss darüber nachdenken, wie sich Kultur insaber auch für das Publikum, das einen Blick hinter die Kulissen gesamt verändert und welche Rolle die Musik darin zukünftig werfen will. So sehe ich meine Web-Aktivitäten: als Einblick in spielen wird. Das Problem ist die feste Kategorisierung: Klassidie Art, wie ich meinen Beruf, mein Musikmachen erlebe. sche Musik ist genau dies und genau das, und nun müssen wir 2014 WIRD SIE MIT DEM 11. GLASHÜTTE ORIGINAL MUSIKFESTSPIELPREIS AUSGEZEICHNET – DIE GEIGENVIRTUOSIN UND MUSIKKOMMUNIKATORIN HILARY HAHN IM GESPRÄCH

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Hilary Hahn spielt am 4. Juni in der Semperoper das Violinkonzert von Johannes Brahms. Das hrSinfonieorchester ist außerdem unter Paavo Järvo mit Anton Bruckners 3. Sinfonie d-Moll zu hören.

Mit Hingabe und Risiko alles auf eine bestimmte Weise anders machen, damit sie überlebt. Diesen Verzweiflungsdruck aufzubauen, ist falsch. Niemand sollte etwas machen müssen. Jeder spürt, wenn etwas authentisch ist. Du musst also authentisch sein, voller Hingabe und Liebe für die Sache, wobei diese Liebe ganz unterschiedliche Formen annehmen kann. Auch Risikobereitschaft gehört dazu.

worfen zu bekommen. Das verändert die eigene Vorstellungskraft. Üben heißt also, auf solche Momente vorbereitet zu sein.

Etwas überzeugend spielen zu können, in welche Richtung auch immer es sich entwickelt.

Wenn man Ihnen zuhört, entsteht manchmal der Eindruck, Sie würden die Violine und ihren Ton für sich sprechen lassen, Sie gehen oft ein Risiko ein, wenn Sie sich mit neuem, unge- ohne selbst allzu stark einzugreifen. Stimmt dieser Eindruck? wöhnlichem Repertoire beschäftigen oder mit Musikern aus Daran habe ich gar nicht gedacht! Aber instinktiv ist anderen Stilbereichen zusammenarbeiten, zum Beispiel mit es etwas, das ich gerne erreichen möchte. Es ist wichtig, über eine dem Singer-Songwriter Josh Ritter oder dem Pianisten Hauschka. Palette von Ausdruckscharakteren und Qualitäten des Tones verWie kommt es dazu? fügen zu können, aber man darf nicht ständig etwas forcieren.

Ich mag es, einen Anlass zu bekommen, neues Repertoire zu lernen. In letzter Zeit haben mir oft Dirigenten, zu Die Dresdner Musikfestspiele stehen unter dem Motto „Goldene denen ich engen Kontakt habe, Stücke vorgeschlagen, auf die 20 er“. Wie könnte das Musikleben 2020 aussehen und was ich sonst nicht gekommen wäre. Wenn ich ein Werk höre, könnte es zu einem goldenen Zeitalter der Musik machen? merke ich schnell, ob ich eine genaue Vorstellung davon Das ist gar nicht so weit weg! Ist das nicht erstaunbekomme, wie ich es selbst spielen würde, oder nicht. Es hat lich? Schwer zu sagen, denn die Dinge verändern sich auf uneretwas damit zu tun, wie das Stück zu mir spricht. Das gilt auch wartete Weise. Die klassische Musik hat eine so lange Geschichte, für zeitgenössische Musik. So kommt es dann zu Kompositions- dass vieles bis dahin gleich bleiben wird, auch wenn sich vielaufträgen. Was den nicht-klassischen Bereich angeht, so liebe leicht die Formen der Finanzierung verändern oder neue Konich es grundsätzlich, etwas über kreative Prozesse zu erfahren, zertorte und -formen entstehen werden. Was neu komponierte mit Menschen zu sprechen, die künstlerisch oder handwerklich Musik betrifft, so hoffe ich auf eine Aufgeschlossenheit, damit tätig sind. Ich will herausfinden, was sie in ihrer Arbeit antreibt. Menschen die Musik machen und hören können, die sie machen Wenn ich dann auf jemanden wie Josh Ritter treffe, spüre ich und hören wollen, ohne gesagt zu bekommen, was sie zu mögen etwas davon, wie seine Verbindung zum Publikum ist, das ist oder zu komponieren haben. Das Internet wird diese Offenheit ein wunderbarer Perspektivwechsel. Bei Hauschka war es so, hoffentlich fördern. Es könnte eine sehr aufregende Zeit werdass uns ein gemeinsamer Kollege zusammengebracht hat. den, was das Entdecken von Musik betrifft. Andererseits glaube Zuerst wollten wir nur etwas ausprobieren, improvisieren … Die ich, dass nichts an den Konzertsaal heranreicht: Er ist der pergemeinsame CD ist eher zufällig entstanden. fekte Ort, um Musik zu erleben. Um Momente zu spüren, die ganz für sich sprechen. Es gibt so vieles, was uns Tag für Tag von Gibt es auch bei einem Konzertabend mit Orchester Raum für uns selbst wegbewegt – in der Musik kommt man wieder zu Unvorhergesehenes? sich, das macht sie wertvoll. Es wäre wunderbar, wenn all das in Das mag für manche überraschend klingen: Aber auf einer stimmigen Balance existieren könnte. Das wäre so eine der Bühne gibt es viele improvisierte Momente. Nicht im Sinne Art perfekte Welt, oder? Aber hoffen darf man ja schließlich … improvisierter Noten, aber im Sinne des Ausdrucks. Auf einmal setzt jemand lauter ein als sonst, und an einer Crescendo-Stelle Der Glashütte Original MusikFestspielPreis würdigt Verdienste um ergibt sich ein Decrescendo, was dann wieder Auswirkungen die Nachwuchsförderung und die Vermittlung klassischer Musik. auf die nächste Passage hat … Das ist es auch, was ich am gemein- Er wird 2014 zum 11. Mal von der Uhrenmanufaktur Glashütte samen Musizieren mit anderen mag: etwas Unerwartetes zuge- Original gestiftet und im Rahmen der Festspiele verliehen.

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Festspiel Orchester Feuer Im dritten Jahr seines Bestehens würdigt das Dresdner Festspielorchester den Jubilar Richard Strauss in einer Koproduktion mit der Semperoper mit der Wiederentdeckung seiner „Feuersnot“ im Originalklang.

Text KLAUS KALCHSCHMID Fotografie THEKLA EHLING

Auf historischem Instrumentarium lässt das Festspielorchester die Klangwelt ihrer Entstehungszeit lebendig werden. Eine Begegnung mit Dirigent und Balancetüftler Stefan Klingele.

Im Jahr 1924 schenkte Richard Strauss das Particell der 1901 in Dresden uraufgeführten „Feuersnot“ seiner Heimatstadt München. Sie hatte ihn gerade aus Anlass des 60. Geburtstages zum Ehrenbürger ernannt. Sicher geschah die Schenkung mit Hintersinn, war doch die Handlung dieses Einakters, der in der prominenten Sendlinger Straße der Bayerischen Landeshauptstadt spielt, eine ironische Abrechnung mit München.

Hier arbeitete Strauss von 1886 bis 1889 als Kapellmeister an der Hofoper, schimpfte am Ende seiner Amtszeit aber: „Ich habe nun allmählich eingesehen, daß hier absolut nicht der Boden ist, wo ein erfreuliches Musikleben gedeihen kann. Aus dem Dreck, in dem ich hier alles finde, könnte ich allein den Karren nie herausziehen. Öder Sumpf, Biersumpf überall“, schrieb er an Hans von Bülow. In seine zweite Münchner Amtszeit – von 1894 bis 1898 als Hofkapellmeister – in der er bei der Wahl eines neuen Generalmusikdirektors allerdings übergangen wurde, fielen die tumultartigen Querelen um die Erstaufführung des „Guntram“, den die Theaterleitung nach einer einzigen Aufführung absetzte.

Zufrieden war Strauss mit seinem Erstling keineswegs, aber die Suche nach einem geeigneten Libretto für eine zweite Oper gestaltete sich schwierig: „Da fiel mir die flämische Sage ‚Das erloschene Feuer zu Audenaerde‘ in die Hand und gab mir die Idee, ein kleines Intermezzo gegen das Theater zu schreiben, mit persönlichen Motiven und kleiner Rache an der lieben Vaterstadt, wo wie vor 30 Jahren der große Richard I. nunmehr auch der kleine Richard III. (einen ‚Zweiten‘ gibt es nicht, hatte Hans von Bülow DRESDNER MUSIKFESTSPIEL MAGAZIN / 14 / WERKSTATT

einmal gesagt) so wenig erfreuliche Erfahrungen gemacht hatte.“ So die Erinnerung von Strauss aus der Rückschau (1942).

Stefan Klingele, der neben Ivor Bolton heuer das Dresdner Festspielorchester dirigiert, sieht in der „Feuersnot“ keineswegs nur das Produkt eines Rachefeldzugs, dafür hätte der Komponist einen viel zu großen orchestralen Aufwand betrieben, und dennoch: „Verschmähte Liebe ist die Keimzelle der ganzen Handlung. Diemut ist quasi das personifizierte München, dem sich Kunrad alias Richard Strauss anbietet und abgewiesen wird. Die Posse, das Satirische ist aber nur eine Ebene, als zentraler Vorgang des Stücks steht am Ende – in direkter Wagner-Nachfolge – die Erlösung durch die Frau. Und das durchaus provokativ, denn ins Zentrum einer Oper eine Entjungferung zu stellen war sicher gewagt.“

„Dem frühen Ventilhorn des 19. Jahrhunderts ist ein sehr farben- und obertonreicher Klang eigen, der sich ausgezeichnet mit den Farben der Holzbläser mischt.“ Oliver Kersken (Neue Düsseldorfer Hofmusik)

Anders als „Guntram“ versteht Richard Strauss seine zweite Oper nicht als Jugendsünde, nennt sie zwar „Nichtöperchen“, stellt sie aber sogar in eine Reihe mit der Komik des „Ariadne“-Vorspiels und mit dem Experiment der autobiografischen Ehekomödie „Intermezzo“. 1949 schreibt er in einer Tagebuchaufzeichnung: „In der ‚Feuersnot‘ ist bewußt der Ton des Spottes, der Ironie, der Protest gegen den landläufigen Operntext das individuelle Neue. Darum die heitere Persiflage der Wagnerschen Diktion.“ Und man darf ergänzen: darum auch die vielen Zitate aus Wagnerschen Werken – vom Riesen- und Walhall-Motiv bis zu Persiflagen einzelner Textpassagen aus den „Meistersingern“ oder „Parsifal“.

HERTZSCHRITTMACHER IM SCHLOSSHOF

In Dresden stand die „Feuersnot“ seit 1901 immer wieder auf dem Spielplan. Allein bis zum zweiten Weltkrieg gab es vier Neueinstudierungen (1904, 1909, 1924, 1939), immer in der Semperoper. Erstmals wird sie nun im großen Hof des Residenzschlosses mit Chor und Solisten der Semperoper Dresden in semikonzertanter Aufführung gegeben; ja überhaupt zum ersten Mal ist an diesem Ort nach seiner Wiedereröffnung ein Abend mit klassischer Musik zu erleben. Fest steht, dass es keine elektronische Verstärkung geben wird und Stefan Klingele kennt die Größe des Festspielorchesters: „Wir haben nur eine 10er-Besetzung bei den Streichern, also 10 erste, 8 zweite Geigen, 6 Bratschen, 6 Celli und 5 Bässe. Das ist etwas weniger als die Partitur vorsieht und unsere Streicher spielen alle wie damals üblich mit Darmsaiten! Wir haben mit 438 Hertz eine tiefere Stimmung gewählt, die zwischen den heute üblichen

443 oder gar 447 und den extrem tiefen 415 Hertz liegt. Die originalen Blasinstrumente der Zeit sind etwas länger und haben auch eine andere Klangcharakteristik: meist dunkler und doch durchsichtiger und feiner.“ Der Dirigent ist sich sicher: „Es dürfte also auf jeden Fall nicht zu laut werden. Die gute Präsenz der Streicher wird im Hof die größere Herausforderung sein.“ Klingele gibt zu bedenken: „Bei der Uraufführung von der ‚Feuersnot‘ war allen Orchestermusikern klar, was die Angaben in den Noten aussagten, wie sie umzusetzen waren. Das heißt für mich heute, dass ich an einigen Stellen mit Retuschen eine Gesamtbalance erzeugen muss, die damals automatisch entstand. Posaunen und Trompeten dürfen niemals ein Fortissimo spielen, wie es auf heutigen Instrumenten problemlos möglich wäre.“ Fortsetzung Seite 20 WERKSTATT / 15 / DRESDNER MUSIKFESTSPIEL MAGAZIN

Programmübersicht DO FR

22. MAI 19.00 23. MAI 20.00

QF-QUARTIER AN DER FRAUENKIRCHE SEMPEROPER

FESTSPIELNACHT: EINE REISE DURCH DIE GOLDENEN 20ER Mit Festspielkünstlern und Mitgliedern Dresdner Ensembles. (Eintritt frei)

ERÖFFNUNGSKONZERT: STAATSKAPELLE BERLIN & BARENBOIM

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Staatskapelle Berlin, Daniel Barenboim. Werke von Strauss und Wagner

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24. MAI 19.00

24. MAI 19.30

24. MAI 20.00

BRÜHLSCHE TERRASSE / SCHLOSSPLATZ

ALBERTINUM (LICHTHOF) SCHAUSPIELHAUS

DRESDEN SINGT & MUSIZIERT (OPEN-AIR-KONZERT)

02

Elbland Philharmonie Sachsen, Mitglieder Dresdner Chöre und weitere Chöre des Verbandes Deutscher Konzertchöre, Ekkehard Klemm (Dirigent), Andrea Thilo (Moderation). (Eintritt frei) Werke von Beethoven, Honegger, Kodály, Schubert, Schütz, Vivaldi, Weber u. a.

DRESDNER PHILHARMONIE – SANDERLING – TORADZE

03 K

Dresdner Philharmonie, Michael Sanderling, Alexander Toradze.

Werke von Bartók, Prokofjew, Weill

MARK MORRIS DANCE GROUP

04

Mark Morris Dance Group, Dresdner Kammerchor, Mark Morris, Georgy Valtchev, Jan Vogler, Colin Fowler. Mit Musik von J. S. Bach und Harrison

SO

25. MAI 10.00

ZWINGER (INNENHOF)

SO

25. MAI 11.30

SCHAUSPIELHAUS (BÜHNE)

SO

25. MAI 20.00

SCHAUSPIELHAUS

MARK MORRIS DANCE GROUP: WARM-UP FÜR ALLE

05

WORKSHOP FÜR PROFITÄNZER

06

MARK MORRIS DANCE GROUP

07

Mark Morris Dance Group, Dresdner Kammerchor, Mark Morris, Georgy Valtchev, Jan Vogler, Colin Fowler. Mit Musik von J. S. Bach und Harrison

SO

25. MAI 20.00

PALAIS IM GROSSEN GARTEN

LIEDERABEND MATTHIAS GOERNE

08

Matthias Goerne, Alexander Schmalcz. Lieder von Berg, Brahms, Schostakowitsch, Schubert, Wolf

MO

26. MAI 20.00

FRAUENKIRCHE

LES ARTS FLORISSANTS

09

Les Arts Florissants, Paul Agnew. Monteverdi: 7. Madrigalbuch „Concerto“

MO DI

DI

26. MAI 20.00 27. MAI 20.00

27. MAI 20.00

TU DRESDEN (HOCHSPANNUNGSHALLE/ALTANA GALERIE) RESIDENZSCHLOSS (KLEINER SCHLOSSHOF) SCHLOSS WACKERBARTH

MUSIKALISCHE HOCHSPANNUNG: THE KNIGHTS NYC MEET BOHÈME

09a

Werke von Glass, Strawinsky u. a.

SABINE MEYER UND FREUNDE

10

Trio di Clarone, Michael Riessler, Pierre Charial. „Paris mécanique“: Werke von Ligeti, Milhaud, Poulenc, Riessler, Satie, Strawinsky u. a.

KAREN GOMYO & ISMO ESKELINEN

11

Werke von Giuliani, Locatelli, Paganini, Vivaldi

MI

28. MAI 20.00

SEMPEROPER

THE KNIGHTS

12

The Knights, Eric Jacobsen, Colin Jacobsen, Jan Vogler, Antti Siirala.

Werke von Beethoven, Feldman, Honegger, Mozart

DO

29. MAI 11.00

SEMPEROPER

THE PHILHARMONICS & HAMPSON

13

The Philharmonics, Thomas Hampson.

Werke von Gershwin, Kern, Kreisler, Strauss u. a.

DO

DO

29. MAI 19.30

29. MAI 20.00

HOCHSCHULE FÜR MUSIK (KONZERTSAAL) SEMPEROPER

„LEBEN IN DIESER ZEIT“

14 K

Orchester, Chor und Solisten der Staatsoperette Dresden, Andreas Schüller.

Werke von Gronostay und Nick (Radiomusiken)

ANOUSHKA SHANKAR

15

Anoushka Shankar und Musiker.

FR

30. MAI 20.00

SCHLOSS WACKERBARTH

KLAVIERDUO CHRISTINA & MICHELLE NAUGHTON

16

Werke von Brahms, Debussy, Gershwin, Nancarrow, Schubert

FR

SA

30. MAI 21.00

31. MAI 17.00

DIE GLÄSERNE MANUFAKTUR VON VW (ORANGERIE) DOM ST. MARIEN (FREIBERG)

BAROCK-LOUNGE: SCHMID & LA FOLIA BAROCKORCHESTER

17

La Folia Barockorchester, Benjamin Schmid, Antoni Donchev, Georg Breinschmid.

Vivaldi: „Die vier Jahreszeiten“ op.8 und Jazzimprovisationen zum Werk

ORGELKONZERT JOHN SCOTT

18

Geführtes Reiseprogramm, Abfahrt 10.00 Werke von J. S. Bach, Mendelssohn, Schumann u. a.

SA

31. MAI 20.00

FRAUENKIRCHE

BR-SYMPHONIEORCHESTER- UND CHOR & GARDINER

19

Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Chor des Bayerischen Rundfunks, Sir John Eliot Gardiner, Lucy Crowe, Jennifer Johnston, Toby Spence, Günther Groissböck.

Werke von Bruckner, Haydn, Mendelssohn

K BEI SO GEKENNZEICHNETEN VERANSTALTUNGEN GELTEN DIE PREISE DES KOOPERATIONSPARTNERS / FREMDVERANSTALTERS. ES STEHT

DRESDNER MUSIKFESTSPIEL MAGAZIN / 16 / PROGRAMMÜBERSICHT

besucherservice@musikfestspiele.com Weiße Gasse 8 in 01067 Dresden Mo bis Fr 10 –19 und Sa 10 –16 Uhr 0049351 656 06 700 Mo bis Fr 9 –18 und Sa 9 –12 Uhr www.musikfestspiele.com SO

01. JUNI 11.00

PALAIS IM GROSSEN GARTEN

KINDERKONZERT „DIE VIER JAHRESZEITEN“

20

La Folia Barockorchester, Robin Peter Müller, Christine Marx. Musik von Vivaldi

SO MO

DI MI

01. JUNI 20.00 02. JUNI 20.00

03. JUNI 20.00 04. JUNI 20.00

ALBERTINUM (LICHTHOF) ALBERTINUM (LICHTHOF) DIE GLÄSERNE MANUFAKTUR VON VW (ORANGERIE) SEMPEROPER

21

BRUCKNER ORCHESTER LINZ – SCHIFF – POLTÉRA Bruckner Orchester Linz, Heinrich Schiff, Christian Poltéra. Werke von Bruckner und Lutosławski

22

UTE LEMPER UND FREUNDE Ute Lemper, Vogler Quartett, Stefan Malzew. „Paris Days – Berlin Nights“: Werke von Brel, Eisler, Moustaki, Schulhoff, Weill u. a.

23

„BOHÈME 2020“ Vertreter der neuen „Bohème“ präsentieren sich und die Kunstsprache ihrer Zeit.

24

HR-SINFONIEORCHESTER – JÄRVI – HAHN hr-Sinfonieorchester, Paavo Järvi, Hilary Hahn. Werke von Brahms und Bruckner

DO

05. JUNI 20.00

ANNENKIRCHE

HOMILIUS ZUM 300.

25 K

Batzdorfer Hofkapelle, Sächsisches Vocalensemble, Matthias Jung, Solisten.

Homilius: „Der Messias“

DO

05. JUNI 20.00

PALAIS IM GROSSEN GARTEN

THE CHAMBER MUSIC SOCIETY OF LINCOLN CENTER I

26

The Chamber Music Society of Lincoln Center. Werke von Antheil, Gershwin, Korngold, Ravel

FR

06. JUNI 20.00

PALAIS IM GROSSEN GARTEN

27

THE CHAMBER MUSIC SOCIETY OF LINCOLN CENTER II The Chamber Music Society of Lincoln Center, Jan Vogler, Janne Saksala.

Werke von Mendelssohn und Schubert

FR SA

06. JUNI 20.00 07. JUNI 11.00

BALL- UND BRAUHAUS WATZKE (BALLSAAL) PALAIS IM GROSSEN GARTEN

THE KING'S SINGERS

28

Werke von Coleman, Ellington, Gershwin, Kern, Porter, Reisfeld/Marcuse, Rogers, Schmidseder u. a.

WERKSTATTKONZERT DRESDNER FESTSPIELORCHESTER

29

Dresdner Festspielorchester, Stefan Klingele, Raffaela Lintl, Jan Vogler.

Konzert mit Erläuterungen zum Originalinstrumentarium der Zeit von Richard Strauss

SA

07. JUNI 15.00

PALAIS IM GROSSEN GARTEN

THE KING'S SINGERS (ZUSATZKONZERT) Besetzung und Programm s. Nr. 28, 06. Juni

SA

07. JUNI 20.00

PALAIS IM GROSSEN GARTEN

28 a

KLAVIERRECITAL MARTIN STADTFELD

30

J. S. Bach: „Das Wohltemperierte Klavier“ Teil II

SA

SO

SO

07. JUNI 21.00

08. JUNI 15.00

08. JUNI 20.00

RESIDENZSCHLOSS (GROSSER SCHLOSSHOF)

SCHLOSS PILLNITZ (SCHLOSSPARK) SEMPEROPER

DRESDNER FESTSPIELORCHESTER: „FEUERSNOT“ (PREMIERE)

31

Dresdner Festspielorchester, Sächsischer Staatsopernchor Dresden, Kinderchor der Singakademie Dresden, Stefan Klingele, Solisten der Semperoper Dresden.

Strauss: „Feuersnot“

SERENADE IM GRÜNEN

32

Dresdner Kreuzchor, Kreuzkantor Roderich Kreile.

Das traditionelle Musikfestspielständchen des Kreuzchors unter freiem Himmel

DRESDNER FESTSPIELORCHESTER: „MISSA SOLEMNIS“

33

Dresdner Festspielorchester, Balthasar-Neumann-Chor, Ivor Bolton, Camilla Nylund, Elisabeth Kulman, Richard Croft, Yorck Felix Speer. Beethoven: „Missa solemnis“

SO

08. JUNI 20.30

ALTER SCHLACHTHOF

ORGELKONZERT CAMERON CARPENTER

34

Werke von Carpenter, Mozart, Ravel, Vaughan Williams u. a.

MO

09. JUNI 11.00

SEMPEROPER

GEWANDHAUSORCHESTER & CHAILLY

35

Gewandhausorchester Leipzig, Riccardo Chailly. Werke von Brahms, Mozart, Strauss

MO

09. JUNI 20.00

FRAUENKIRCHE

GEDENKKONZERT FÜR CLAUDIO ABBADO: MAHLER CHAMBER ORCHESTRA & GATTI

36

Mahler Chamber Orchestra, Daniele Gatti, Waltraud Meier, René Pape.

Werke von Mahler, Schumann, Wagner

MO DI

09. JUNI 21.00 10. JUNI 20.00

RESIDENZSCHLOSS (GROSSER SCHLOSSHOF) FRAUENKIRCHE

DRESDNER FESTSPIELORCHESTER: „FEUERSNOT“

37

Besetzung und Programm siehe Nr. 31, 07. Juni

COLLEGIUM VOCALE GENT & HERREWEGHE

38

Chor und Orchester Collegium Vocale Gent, Philippe Herreweghe, Dorothee Mields, Damien Guillon, Thomas Hobbs, Peter Kooij. Werke von J. M. Bach und J. S. Bach

DI

10. JUNI 21.00

RESIDENZSCHLOSS (GROSSER SCHLOSSHOF)

DRESDNER FESTSPIELORCHESTER: „FEUERSNOT“

39

Besetzung und Programm siehe Nr. 31, 07. Juni

NUR EIN BEGRENZTES KARTENKONTINGENT ZUR VERFÜGUNG. ERMÄSSIGUNGEN UND GRUPPENRABATTE SIND LEIDER NICHT MÖGLICH. PROGRAMMÜBERSICHT / 17 / DRESDNER MUSIKFESTSPIEL MAGAZIN

Spielstätten 04

15

02

16

09 13

03

07

17

DRESDNER MUSIKFESTSPIEL MAGAZIN / 18 / SPIELSTÄTTEN

18 11 12

05 08

01

01 ALBERTINUM Georg-Treu-Platz 2, 01067 Dresden 02 ALTER SCHLACHTHOF Gothaer Straße 11, 01097 Dresden 03 ANNENKIRCHE Annenstraße 5, 01067 Dresden 04 BALL- UND BRAUHAUS WATZKE Kötzschenbroder Straße 1, 01139 Dresden 05 BRÜHLSCHE TERRASSE Terrassenufer, 01067 Dresden 06 DIE GLÄSERNE MANUFAKTUR VON VOLKSWAGEN Lennéstraße 1, 01069 Dresden 07 DOM ST. MARIEN Untermarkt 1, 09599 Freiberg 08 FRAUENKIRCHE Neumarkt, 01067 Dresden 09 HOCHSCHULE FÜR MUSIK CARL MARIA VON WEBER Wettiner Platz 13, 01067 Dresden 10 PALAIS IM GROSSEN GARTEN Hauptallee /Am Palaisteich, 01219 Dresden 11 RESIDENZSCHLOSS (KLEINER SCHLOSSHOF) Taschenberg 2, 01067 Dresden 12 RESIDENZSCHLOSS (GROSSER SCHLOSSHOF) Taschenberg 2, 01067 Dresden 13 SCHAUSPIELHAUS Theaterstraße 2, 01067 Dresden 14 SCHLOSS PILLNITZ August-Böckstiegel-Straße 2, 01326 Dresden 15 SCHLOSS WACKERBARTH Wackerbarthstraße 1, 01445 Radebeul 16 SEMPEROPER Theaterplatz 2, 01067 Dresden 17 TU DRESDEN (HOCHSPANNUNGSHALLE /ALTANA GALERIE) Mommsenstraße 10, 01097 Dresden 18 ZWINGER Theaterplatz, 01067 Dresden

06

10

14

SPIELSTÄTTEN / 19 / DRESDNER MUSIKFESTSPIEL MAGAZIN

„Historische Flöten sind mehr auf liebliche und lyrische Farben denn auf pure Dynamik ausgelegt.“ Michael Schmidt-Casdorff (Orchestra of the 18th Century), hier zusammen mit Cellist Werner Matzke (Concerto Köln)

12 RESIDENZSCHLOSS GROSSER SCHLOSSHOF

Festspiel Orchester Feuer

Fortsetzung

Dann schlägt Klingele seine Dirigierpartitur auf, in die er mit blauem Farbstift die Einzeichnungen der jahrzehntelang benutzten Uraufführungspartitur übertragen hat, und weist auf den Höhepunkt des Stücks hin: „Nehmen Sie das dreifache Forte hier, nach Ziffer 215, wo das Licht ausgeht: wenn da heute eine Trommel oder Pauke ein dreifaches Forte spielt, dann hört man keine Streicher mehr. Ich versuche also die Partitur mit den Augen der Spieler zu lesen, die damals gelebt haben. Sie hatten schon die moderneren Instrumente, die immer strahlender und fülliger und lauter wurden. Und dann begann im Opernleben der Kampf mit den Sängern, die bis heute die Leidtragenden der Orchesterentwicklung sind – und bei steigenden Stimmungen auch noch immer höher singen müssen!“ OPULENZ UND LEICHTIGKEIT

Die mit schwarz-weißen Sgraffiti geschmückten RenaissanceFassaden des Großen Schlosshofes boten einst Ritterspielen einen prächtigen Rahmen. Nach dessen jahrelanger Restaurierung werden sie nun auch wieder zur beeindruckenden Kulisse für stimmungsvolle Festspielabende unter freiem Himmel.

DRESDNER FESTSPIELORCHESTER: „FEUERSNOT“ SA 07. JUNI (PREMIERE) / MO 09. / DI 10. JUNI 21.00 DRESDNER FESTSPIELORCHESTER: „MISSA SOLEMNIS“ siehe Programm Seite 17

Strauss hat bei aller Opulenz in seiner „Feuersnot“ versucht, „leicht“ zu sein. Deshalb nennt Stefan Klingele sie ein frühes Meisterwerk und erinnert sich an seine Erfahrungen mit der folgenden, 1905 uraufgeführten Oper: „ ‚Salome‘ ist noch größer besetzt und man muss in den Proben sehr darauf achten, dass es durchsichtiger wird, nicht zuletzt indem man Verständnis dafür weckt, wer mit wem spielt.

Wenn man weiß, da spielt die dritte Trompete mit der zweiten Geige und da ist ein Pizzicato von der Bratsche, hilft das den Musikern: Gute Orientierung der Spieler reduziert die pure Lautstärke und schafft ein besser durchhörbares Klangbild. Es geht darum, eine andere Haltung des Einzelnen im Orchesterkollektiv zu erreichen. Selbst im ‚Capriccio‘ hier an der Semperoper habe ich versucht, das Leichte und Elegante auch an den pathetischen Stellen zu erzielen.“ Nicht umsonst schreibt Strauss im Vorwort zu dieser, seiner letzten Oper: „Ich weiß wohl, daß mein viel in hoher Lage spielendes Orchester der Singstimme mehr Schwierigkeiten bereitet als der dunkle Samtteppich des Wagnerschen Streichquintetts, daß eine über dem Sopran selbständig musizierende Flöte schon die Verständlichkeit des Textes behindern kann.“

Im Prinzregententheater in München, das 1901, im Jahr der Uraufführung der „Feuersnot“ eingeweiht wurde, gab es seinerzeit nicht ohne Grund eine Schallmuschel – wie in Bayreuth – und Klingele weiß: „Von 1870 bis 1910 kämpften die Sänger um ihr stimmliches Überleben und die Operndirigenten um das richtige Lautstärke-Verhältnis. 1910 durfte ein Wagnersches Fortissimo schon nicht mehr so gespielt werden, wie es dasteht. Auch in den ‚Salome‘-Partituren der Theater gibt es häufig nachgetragene Retuschen, statt ff, also einem Fortissimo, steht da dann oftmals fp, also ein Fortepiano für die kräftigsten Orchesterinstrumente. Man musste das korrigieren, was einem über den Kopf gewachsen war. Denn ziemlich genau um 1900 Das Dresdner Festspielorchester wird unterstützt durch hat die Instrumenten-Entwicklung das Musiktheater quasi die Ostdeutsche Sparkassenstiftung gemeinsam mit der erschlagen.“ Ostsächsischen Sparkasse Dresden.

DRESDNER MUSIKFESTSPIEL MAGAZIN / 20 / WERKSTATT

BOHÈME 2020 Fotografie THEKLA EHLING

„Im Rahmen der Musikfestspiele kann die Bohème 2020 ihre Ideen verwirklichen und mit ihren Aufführungen Räume für Spontaneität innerhalb des Festivals besetzen. Die Künstler wiederum inspirieren auch uns, sie zeigen uns möglicherweise neue Wege und bauen mit ihrer kreativen Energie eine weitere, ungewöhnliche Dimension zu unserem Programm.“ (Jan Vogler) MUSIK: Caroline Goulding, *1992, Boston, USA KOMPOSITION: Raquel García Tomás, *1984, Barcelona, Spanien VIDEO: Tung-Yen Chou, *1981, Taipeh, Taiwan BILDENDE KUNST: Judith Michael, *1984, Dresden DARSTELLENDE KUNST: Altamasch Noor, *1990, und Carolin Wedler, *1989, Hamburg LITERATUR: Theresa Hahl, *1989, Bochum TANZ: Marita Matzk, *1982, Dresden

Begegnen Sie der Bohème 2020: am 22. Mai bei der Festspielnacht im QF Quartier an der Frauenkirche, am 26. Mai in der Hochspannungshalle und ALTANA Galerie der TU Dresden, am

3. Juni bei der Abschluss- präsentation in der Gläsernen Manufaktur von Volkswagen, an zahlreichen weiteren Orten ... ... und auf www.bohème2020.de.

BOHÈME 2020 / 21 / DRESDNER MUSIKFESTSPIEL MAGAZIN

Vernarbter Phönix

Georgia Zwanzig (kleines Bild) kümmert sich mit Herz und Seele um die Belange des Palais, das sich dem Besucher von den unterschiedlichsten Seiten zeigt.

Barocke Pracht und die Wunden der Geschichte – das Palais im Großen Garten wartet mit einem faszinierenden Ambiente auf.

Text DETLEF EBERHARD Fotografie THEKLA EHLING

Der Satz fällt sicherlich in jeder ihrer Führungen. Aber er verfehlt auch nicht seine Wirkung: „Jetzt gehen wir erst einmal zum Mittelpunkt der Welt.“ Georgia Zwanzig leitet den Gast in die Mitte des Raumes, wo sie genüsslich-ironisch fortfährt: „Hier sollte sich bei Ihnen jetzt das frühbarocke Gefühl einstellen.“ Es folgt eine Kunstpause, virtuos platziert. Der Blick des Besuchers wendet sich nach links, nach rechts, nach Westen, nach Osten. Er fällt durch die hohen, rundbogigen Fenster in eine herrliche Grünanlage. Auf deren langgestreckten Zufahrtswegen brachten die Kutschen einst ihre adligen Insassen zu einem in der Form eines H gestalteten Prachtbau. Man stieg aus, die Damen zur einen Seite, die Herren zur anderen, und begab sich über eine weitläufige Freitreppe in den mit Gemälden, Skulpturen und Stuck reich verzierten Festsaal.

Wir sind zu Besuch im Palais im Großen Garten, jenem sommerlichen Lusthaus im größten Park Dresdens, das der Kurprinz und spätere Kurfürst Johann Georg III. von Sachsen – der Großvater August des Starken – in Auftrag gab. 1678 bis 1683 im Schnittpunkt der Hauptachsen des Gartens errichtet, diente es ursprünglich der fürstlichen Repräsentation vor den Toren der Stadt. Heute wird das Palais für ein vielfältiges Veranstaltungsund Ausstellungsprogramm genutzt und zählt zu den bemerkenswertesten Spielstätten der Dresdner Musikfestspiele.

DRESDNER MUSIKFESTSPIEL MAGAZIN / 22 / WERKSTATT

Georgia Zwanzig, zugewandt, eloquent und sachkundig, lässt bei unserem Rundgang über 300 Jahre Park und Palais wiederaufleben. Dazu zählt auch der Februar 1945, als das Palais während der alliierten Luftangriffe vollständig ausbrannte – eine Zäsur und der Link zum Verständnis der vergangenen Jahrzehnte und der gegenwärtigen Situation des Hauses. Mitte der 1990er wurde die Restaurierung der Außenfassade abgeschlossen, weshalb man heute glaubt, ein intaktes Gebäude zu betreten. Doch dann raubt einem der Festsaal im ersten Stock den Atem: Mag man zunächst an die Körperwelten des Plastinators Gunther von Hagens denken – Muskeln, Knochen, aber keine Haut –, so steigen in der Folge Mitleid und Ehrfurcht angesichts dieses geschundenen Ortes auf, bis sich schließlich ein einzigartiges Raumgefühl durchsetzt und dominiert.

Ein vernarbter Phönix: Die Wunden sind sichtbar. „Mir gefällt, dass man diese Verletzungen des Hauses noch erkennen kann“, sagt Georgia Zwanzig. „Diese Teilrestaurierung schafft ein sehr spezifisches Ambiente.“ Darüber hinaus zeichne sich der Raum durch eine hervorragende Akustik aus: „Vor allem für die kleine Form ist das wunderbar geeignet.

Klavierabende, Quartettabende, Liederabende – großartig!“ Aus ihrer gedämpften Stimme spricht die Begeisterung des eigenen Erlebens.

Seit 20 Jahren ist die 63-Jährige zuständig für Vermietungen, Veranstaltungen und die Besucherbetreuung im Großen Garten. In dieser Zeit hat sie miterlebt, wie das Palais mehr und mehr der öffentlichen Nutzung zugeführt werden konnte, während es nach der Kriegszerstörung über Jahrzehnte hinweg verschlossen geblieben war und eher als Werkstätte dienen musste. Der Schmuckvorhang für die wiedererrichtete Semperoper wurde hier bemalt, da die Räumlichkeiten ausreichend Platz boten für die Dimensionen dieser Aufgabe. Zur Eröffnung im Februar 1985 wurde er dann in einer Art Prozession zusammengerollt durch die Stadt getragen. Auch ein Papierrestaurator richtete sich ein und nutzte den Ort, um Arbeiten des romantischen

Malers Schnoor von Carolsfeld aus dem 19. Jahrhundert zu erneuern. Dabei waren zwischen den Säulen Mauern eingezogen, so dass der Festsaal völlig vom Tageslicht abgeschnitten war. „Und dann fielen 1995 diese Mauern, und wir standen das erste Mal hier im Hellen“, erinnert sich Zwanzig.

Nach der Fertigstellung der Außenfassade ging es an den Innenbereich. Das Erdgeschoss konnte frühzeitig genutzt werden. Heute birgt es unter anderem eine Sammlung sächsischer Gartenplastik. Und auch die Konzertreihe „Offenes Palais“ findet beispielsweise hier unten statt, ein Projekt des rührigen Fördervereins, mit dem Georgia Zwanzig in regem Austausch steht. Das entscheidende Hemmnis für die Nutzung im ersten Stock war die fehlende Decke. Erst als diese um die Jahrtausendwende eingezogen wurde, konnte auch für den Festsaal grünes Licht gegeben werden. Seitdem gelangt endlich auch das eigentliche Herzstück des Hauses angemessen zur Geltung. „Und da habe ich mich dann reingeschmissen“, lacht Georgia Zwanzig.

Vom Veranstaltungsmanagement kommend organisierte sie ursprünglich vor allem Konzerte in der Jungen Garde, der Freilichtbühne im Großen Garten, in erster Linie Rock und Pop: „Bob Dylan, Mark Knopfler – ich kenne sie alle“. Seit einigen Jahren gilt nun ihre ganze Hingabe dem Palais, dessen Entwicklung sie schon immer begleitet hat: „Ich bin nächst mit Herrn Zwanzig mit dem Haus verheiratet.“ Vermietet wird das Palais von April bis Oktober. Mai und Juni sind dabei die schönsten Monate. Im Liederabend um halb acht mit Sonnenbrille zu sitzen, sei nichts Ungewöhnliches. „Die absolute Hauptrolle im Großen Garten spielt das Wetter“, sagt Georgia Zwanzig, und es klingt ein bisschen so, als habe sie eine Theaterpartie zu besetzen. Dabei fallen Großer Garten und Palais in ihren Erzählungen immer wieder zusammen, so wie sie auch in der Realität untrennbar miteinander verbunden sind: „Das Palais spiegelt die Lebendigkeit des Gartens wider. Das ist Barock: Draußen und Drinnen bilden eine Einheit.

Man soll die Übergänge möglichst gar nicht spüren.“ Georgia Zwanzig ist bestens informiert über all diese Zusammenhänge. Gleich zu Beginn ihrer Tätigkeit hat sie sich intensiv in die Geschichte der sächsischen Baudenkmale eingearbeitet – ihr ausgeprägtes Geschichtsbewusstsein kam ihr dabei zweifellos zugute. Am Tag der ersten Volkskammerwahl der DDR geboren, hat sie die eine Hälfte ihres Lebens in Bautzen verbracht, bevor sie 1981 an die Elbe zog. Mittlerweile sei sie eine „militante Dresdnerin“ geworden, meint sie schmunzelnd, die historische Literatur zuhause geradezu horte: „Das ist eben einfach so, dass man sich für diese Stadt interessiert. Und sobald hier irgendwo ein Ziegelstein versetzt wird, geht man hin, betrachtet das, gibt seine Meinung preis und hat auch immer eine Meinung.“ Alles, was mit dem Palais zu tun hat, geht über Georgia Zwanzigs Schreibtisch. Dabei gerät ihr das Objekt der Begierde nie aus den Augen. Ein Blick aus dem Fenster genügt, denn die Geschäftsstelle Großer Garten residiert im Kavaliershaus G, einem von ehemals acht Pavillons. Wie kleine Satelliten umgeben vier von ihnen heute wieder das Mutterhaus. „Im Palais war das große Fest, und hier hinein zog man sich zu amourösen Abenteuern zurück.“ In ihrem Rücken, an der Wand ihres Büros, das gerahmte Kalenderblatt eines englischen Malers. Das Motiv?

Keine große Überraschung: „Hier ist immer Palais.“ WERKSTATT / 23 / DRESDNER MUSIKFESTSPIEL MAGAZIN

13 SCHAUSPIELHAUS Das Staatsschauspiel

09 PALAIS IM GROSSEN GARTEN Kammermusik,

Dresden darf sich, vielfach ausgezeichnet, zu den

Liedgesang oder Klavierabend – das romantische

Zentren zeitgenössischer Bühnenkunst zählen.

Barockpalais verleiht jedem Konzert seinen ganz

Die rekonstruierte, prächtige Originalarchitektur

besonderen Reiz. Wie ein verwunschener Ort im Großen

des 1913 eröffneten Schauspielhauses bietet den

Garten, umfängt es den Besucher mit einer mystischen,

Festspielproduktionen eine Bühne, bei denen

träumerischen Stimmung. Spätestens beim Blick nach

sich kraftvolle musikalische und innovative

draußen in die herrliche Parkanlage beginnt der

darstellende Ausdrucksformen verbinden.

Zuhörer zu vergessen, dass er sich eigentlich mitten in der Stadt befindet.

MARK MORRIS DANCE GROUP Mit Musik von J. S. Bach und Harrison

LIEDERABEND MATTHIAS GOERNE Lieder von Berg, Brahms,

SA 24. / SO 25. MAI 20.00

Schostakowitsch, Schubert, Wolf SO 25. MAI 20.00

Festspielnachrichten WILLKOMMENSORTE: FESTSPIEL-PAVILLON UND -LOUNGE

OUVERTÜRE: FESTSPIELNACHT IM QF QUARTIER AN DER FRAUENKIRCHE

Auch vor und nach den Konzerten freuen sich die Dresdner Musikfestspiele auf die Begegnung mit ihren Gästen. Dazu lädt erstmalig der Festspiel-Pavillon ein, der im Herzen der Stadt seinen Standort beziehen wird. Hier finden Besucher und Neugierige während der gesamten Festspielzeit aktuelle Informationen bis hin zum Konzertprogrammheft, erhalten Tickets für die Festspielkonzerte oder entspannen sich bei einer Tasse Kaffee zwischen Museumsbesuch und Kuppelaufstieg.

Zum Auftakt der Saison lädt die erste Festspielnacht zu einer facettenreichen musikalischen Reise durch die „Goldenen 20 er“ ein und verwandelt das QF Quartier an der Frauenkirche in eine außergewöhnliche Bühne. Mitreißende Swing-Arrangements, berühmte Schlager im Stile der Comedian Harmonists und legendäre Chansons der 1920 er lassen die Besucher eintauchen in die Faszination jener Zeit. Mit einem spannungsvollen Programm verschiedener Sparten erobern die Künstler der „Bohème 2020“ weitere Bühnen des lichten Atriums.

Festspiel-Pavillon, Ecke Schlossstraße/SporerAndrea Thilo führt – im Gespräch mit gasse — geöffnet vom 23. Mai bis 10. Juni, Intendant Jan Vogler – durch den untertäglich von 10 bis 20 Uhr haltsamen und gut gelaunten Abend.

Soldaten“, denn vor der futuristischen Kulisse überdimensionaler Isolatoren wird der Kampf zwischen Verheißung und Verzweiflung eine besondere Faszination entwickeln. Mit Kammermusik, Werken von Phillip Glass und elektronischen DJKlängen wird im Anschluss die ALTANA Galerie im benachbarten Görges-Bau zum Klangraum, oder besser: zur Klanglounge.

Musikalische Hochspannung: The Knights NYC meet Bohème 2020 — 26. Mai, 20 Uhr, TU Dresden (Hochspannungshalle /ALTANA Galerie) FESTSPIELSTADT DRESDEN ERLEBEN

Festspielnacht und Late-Night-Shopping Aktuelle Informationen zu diesen Angeim QF Quartier an der Frauenkirche — boten finden Sie unter www.musikfestspiele.com. Ob Unterkunft, Festspiel22. Mai, 19 bis 22 Uhr (Eintritt frei) menü oder Sehenswertes in Dresden und Umgebung – die Serviceseite bietet zahlMUSIKALISCHE HOCHSPANNUNG: THE reiche Hinweise auf besondere LeistunKNIGHTS NYC MEET BOHÈME 2020 gen von Kooperationspartnern für einen Die Hochspannungshalle und ALTANA rundum gelungenen Festspielbesuch.

Galerie der TU Dresden sind die ungeEine umfassende Beratung erhalten Gäste wöhnliche Spielstätte für einen kreativen außerdem bei der Dresden Information an Zusammenschluss: Hier trifft das New Yorder Frauenkirche (Neumarkt 2, Telefon +49 ker Orchester The Knights auf die jungen (0)351 501 501) Festspiel-Lounge im QF Hotel, 6. Etage, Neu- Künstler der „Bohème 2020“. Man darf markt 1 — geöffnet vom 22. Mai bis 10. Juni, gespannt sein auf ihre fantasievolle Vertäglich ab 21 Uhr sion von Strawinskys „Geschichte vom

Die Festspiel-Lounge im QF Hotel mit Blick auf die Frauenkirche bietet den inspirierenden Rahmen, um Festspielabende gebührend ausklingen zu lassen. Hier treffen Konzertgänger, Künstler und Bohemiens zusammen, ganz im Sinne von Maurice Ravel: „Ich habe noch so viel Musik im Kopf. Ich habe noch nichts gesagt. Ich habe noch alles zu sagen.“ Ein Überraschungsprogramm sorgt außerdem für Festspielflair zu später Stunde.

DRESDNER MUSIKFESTSPIEL MAGAZIN / 24 / FESTSPIELNACHRICHTEN

Ausstrahlung eines Vollendeten Das Mahler Chamber Orchestra würdigt seinen Gründer, den kürzlich verstorbenen Dirigenten Claudio Abbado, mit einem Gedenkkonzert in der Frauenkirche.

Text CORINA KOLBE Fotografie MARCO CASELLI NIRMAL

„Mailänder Scala in Elbflorenz: einmalig groß“, titelte die Thüringische Landeszeitung nach Claudio Abbados erstem Gastauftritt bei den Dresdner Musikfestspielen im Juni 1981. Und die ehemals Sächsischen Neuesten Nachrichten waren schier überwältigt von „Verdis Requiem mit südlichem Glanz“. Der weltbekannte italienische Dirigent hatte zwar nie einen Chefposten in Dresden inne, dennoch wird er dem Publikum in der Stadt wohl unvergessen bleiben.

Am kommenden 9. Juni wollte Abbado mit seinem Orchestra Mozart aus Bologna zu den Festspielen zurückkehren. Doch diesen Wunsch hat er sich nicht mehr erfüllen können. Am 20. Januar ist der große Musikvisionär im Alter von 80 Jahren gestorben. Das von Claudio Abbado mitbegründete Mahler Chamber Orchestra wird nun unter Leitung von Daniele Gatti mit der Mezzosopranistin Waltraud Meier und dem Bass René Pape in der Frauenkirche ein Gedenkkonzert mit Werken von Mahler, Wagner und Schumann gestalten.

Die im Februar 1945 zerbombte Kirche war noch eine Ruine, als Abbado mit namhaften Solisten wie Shirley Verrett und dem Orchester und Chor der Mailänder Scala das Verdi-Requiem im Kulturpalast aufführte und dann im Mai 1995 mit den Berliner Philharmonikern ein weiteres Mal bei den Festspielen gastierte. Bei diesem Auftritt widmete er den zweiten Satz von Beethovens Dritter Sinfonie, die „Marcia funebre“, dem Gedenken an die Dresdner Apokalypse.

KÜNSTLER / 25 / DRESDNER MUSIKFESTSPIEL MAGAZIN

Die Frauenkirche wird in ihm schmerzliche Erinnerungen an die eigene Kindheit in Mailand wachgerufen haben.

Denn Abbado hatte mit seiner Familie im Krieg Hunger gelitten, Luftangriffe miterlebt und Repressalien der Nazi-Besatzer erduldet. Die Musik, von der sein Elternhaus immer erfüllt war, blieb jedoch auch in Zeiten der Barbarei immer Ausdruck von Humanität und Hoffnung auf eine bessere Zukunft.

Diese Kindheitserlebnisse werden dazu beigetragen haben, dass Abbado später als Musikdirektor der Mailänder Scala, als Chef des London Symphony Orchestra, der Wiener Staatsoper und der Berliner Philharmoniker sowie am Pult der von ihm selbst gegründeten Orchester Musik immer als lebendigen Teil der Gesellschaft verstand. Stets war es sein großer Wunsch, dass so viele Menschen wie möglich Konzerte besuchen könnten.

Selbst als er in aller Welt gefeiert wurde, sah sich Abbado nie als Star am Pult. Die Anrede „Maestro“ mochte er nicht, auch junge Musiker durften ihn mit dem Vornamen ansprechen. Sein Ideal eines fließenden, transparenten Orchesterspiels auf der Grundlage des kammer-

musikalischen aufeinander Hörens realisierte er mit seinen Jugendorchestern und mit Profi-Klangkörpern wie dem Chamber Orchestra of Europe, dem Mahler Chamber Orchestra, dem Lucerne Festival Orchestra und dem Orchestra Mozart. Bei Proben sprach er nicht viel, sondern kommunizierte mit Blicken und Gesten, die bis zu den hinteren Pulten verstanden wurden.

Im Laufe der Jahre hat Abbado eine große Orchesterfamilie geschaffen, die seine künstlerischen Ideen in alle Welt weiterträgt. Das Mahler Chamber Orchestra, dessen Mitglieder aus 20 Ländern stammen, ist ihm immer besonders verbunden geblieben, auch wenn in der Zwischenzeit noch viele andere Dirigenten an sein Pult getreten sind. Abbado kehrte aber regelmäßig zu diesem Orchester zurück, das in der norditalienischen Stadt Ferrara eine feste Residenz hat und außerdem die Basis des Lucerne Festival Orchestra bildet.

Gemeinsam mit Daniele Gatti ehren die Musiker Claudio Abbado in Dresden mit Werken von Komponisten, die eng mit seinem Wirken verbunden sind, Auf dem Programm stehen Lieder von Gustav Mahler und die Konzertversion von „Wotans Abschied und Feuerzauber“ aus Richard Wagners Oper „Die Walküre“. Zum Schluss erklingt Robert Schumanns Dritte Sinfonie, die „Rheinische“, mit der sich der Dirigent noch wenige Tage vor seinem Tod intensiv beschäftigt hatte. „Es war ein großes Privileg, während der letzten 20 Jahre in so vielen seiner Konzerte zu spielen und seine einzigartige Magie auf der Bühne zu erleben“, sagt der Posaunist Mark Hampson, der gemeinsam mit anderen Kollegen den Klangkörper 1997 mit Unterstützung Abbados gegründet hatte. Beim Opernfestival in Aix-en-Provence machte das Mahler Chamber Orchestra bereits ein Jahr später auf internationaler Ebene von sich reden. Mit seinem Mentor spielte es weltweit über 170 Konzertprogramme und Opern, zahlreiche CDs dokumentieren die fruchtbare Zusammenarbeit.

Die Geigerin Henja Semmler musiziert seit ihrem 16. Lebensjahr in Abbados Orchestern und sieht ihr Leben durch ihn entscheidend mitgeprägt. „Claudio hat mir immer wieder neue Horizonte eröffnet und dem Mahler Chamber Orchestra unschätzbare, unvergessliche musikalische Höhenflüge beschert. Wir

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spielten alle, als ginge es um unser Leben“, sagt sie. „Sein Credo des kammermusikalischen Orchesterspiels wird auch in Zukunft fest in unseren Köpfen verankert sein.“ Eine Aufführung von Felix Mendelssohn Bartholdys „Schottischer Sinfonie“ hat sich dem Trompeter Matthew Sadler tief eingeprägt. „Die Musik war sowohl dynamisch als auch gelassen, raffiniert und gleichzeitig hemmungslos, völlig vollendet“, erinnert er sich an ein Konzert im April letzten Jahres in Paris. „All dies hatte Claudio an dem Abend durch seine Gesten und Ausstrahlung ermöglicht.“ Abbado hat seine Musiker nicht nur als Künstler inspiriert. Durch ihn wurden sie auch immer wieder daran erinnert, dass Musik nicht nur einer kleinen Elite, sondern der gesamten Gesellschaft zugänglich sein sollte. Nach den Erdbeben in der italienischen Region Emilia Romagna dirigierte er im September 2012 in Ferrara ein Benefizkonzert mit dem Pianisten Maurizio Pollini und dem Lucerne Festival Orchestra. Die Einnahmen kamen der Sanierung des beschädigten Stadttheaters zugute.

Gerade die Kultur könne in solchen Zeiten starken sozialen Zusammenhalt stiften, erklärte Abbado.

Am 21. März dieses Jahres wurde das Teatro Comunale im Rahmen eines Konzerts des Mahler Chamber Orchestra aus Dankbarkeit nach dem Dirigenten benannt. Die Musiker arbeiten in Ferrara bereits seit einiger Zeit mit Musiktherapeuten an einem Krankenhaus zusammen und führen auch an anderen Tournee-Orten musikalische Bildungsprojekte durch – ganz im Sinne Abbados.

DIONYSOS – RAUSCH UND EKSTASE Dionysos, dem griechischen Gott des Weines, der Freude und Fruchtbarkeit, widmet sich eine Ausstellung der Skulpturensammlung der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Sie fächert die vielfältige Bildwelt auf, zu der sich zahlreiche Künstler von der Antike bis heute durch den Reiz der Grenzüberschreitung und die Faszination des Unheimlichen und Wilden inspirieren ließen. Eine besondere Entdeckung lässt sich beim Blick aus einem der Erkerräume machen: Auf der Exedra der Semperoper thront, vor der Silhouette der sich am Horizont abzeichnenden Radebeuler Weinberge, die Pantherquadriga des Dionysos auf triumphaler Brautfahrt mit Ariadne. Das Werk des Bildhauers Johannes Schilling krönt den Skulpturenschmuck der Fassade und schlägt hier eine besondere Brücke, gilt doch die kultische Verehrung des Dionysos als Ursprung des antiken Theaters.

Ausstellung im Residenzschloss — noch bis zum 10. Juni , täglich 10 bis 18 Uhr, dienstags geschlossen. Besucher des Konzertes am 27. Mai im Kleinen Schlosshof können die Ausstellung zur exklusiven Sonderöffnungszeit von 18 bis 20 Uhr kostenlos besuchen.

GRET PALUCCA AUSSTELLUNG IN DER BIENERTSCHEN HOFMÜHLE In dem Gründerzeitensemble der Bienertmühle, wo die Weißeritz durch den Plauenschen Grund rauscht, widmet sich eine Ausstellung der Tänzerin Gret Palucca, einer der eigenwilligsten Persönlichkeiten der Dresdner Avantgarde der 20 er Jahre. Die Heirat mit einem Spross der „Mühlen-Dynastie“ Bienert eröffnete der Palucca Zugang zu den Künstlerkreisen des Bauhauses. Denn der erfolgreiche Betrieb der ehemaligen kurfürstlich-königlichen Hofmühle erlaubte der Industriellenfamilie, allen voran Schwiegermutter Ida, ein großzügiges mäzenatisches Wir-

Berauschend

Einen wahren Goldrausch bescherte August der Starke Dresden – Denkmäler wie der Goldene Reiter oder die Pretiosen des Hofgoldschmiedes Johann Melchior Dinglinger zeugen davon.

Die prunkvollen Feste am königlichen Hofe suchten Ihresgleichen.

Auch heute noch kann der Festspielbesucher in Dresden, nicht nur musikalisch, dem Rauschhaften in seinen vielfältigen Facetten nachspüren und dabei so manche Entdeckung machen.

ken. In der Würzburger Straße 46 steht noch heute das Wohnhaus der Familie Bienert. Gret Paluccas erfrischende, kraftvolle Ausstrahlung machten sie schnell zum Star, gar zur Symbolfigur, sie galt als eine Erfinderin des modernen Tanzes. In der von ihr gegründeten Schule trug sie ihre Überzeugung von einer künstlerisch-geistigen Erziehung und einem eigenen Ausdruck in der Sprache des Tanzes weiter.

Museum Hofmühle Dresden, Altplauen 21, 01187 Dresden — Dienstag bis Donnerstag 16 bis 18 Uhr, Sonntag 14 bis 18 Uhr. Zum Weiterlesen: „Palucca – Die Biografie“, von Susanne Beyer, AvivA Verlag

SCHILLERHÄUSCHEN „Wir betreten feuertrunken, Himmlische, dein Hei-

Schaffen in eine bis dahin ungekannte Apothe50. Todestag, wurde an der Straßenseite des Gebäudes eine Gedenktafel angebracht, acht Jahre später das Schillerhäuschen als Gedenkstätte eingeweiht.

Eine Dokumentation zu Schillers Dresdner Freunden, Werken und Verehrern bildet seither das Brennglas, unter dem das Schillerhäuschen als kleiner, markanter Leuchtpunkt in der Dresdner Museumslandschaft aufscheint.

Schillerhäuschen, Schillerstr. 19, 01326 Dresden — Samstag und Sonntag 10 bis17 Uhr oder nach Vereinbarung

Schiller zwischen September 1785 und Juli 1787 in dem Gartenhäuschen am oberen Rand des ehe-

Mit der Gründung der „Sociéte des antisobres“

mals Körner’schen Loschwitzer Weinbergs als Gast

(„Gesellschaft von Nüchternheitsgegnern“) im

von Humanität und Freundschaft schrieb Friedrich

wichtigstem Minister, Graf Wackerbarth, war die Gesellschaft von einem sehr demokratischen Genussverständnis geprägt: Ungeachtet seiner Hierarchie und Nationalität durfte jeder Teilnehmer frei reden, ohne Nachteile zu befürchten. Ort der Sitzungen dieser Gesellschaft war der eigens eingerichtete Keller des prachtvollen Palais, das damit zu einem Zentrum höfischer Vergnügungskultur avancierte. In den imposanten Sälen leben

KURLÄNDER PALAIS: WO EINST DIE ANTISOBRISCHE GESELLSCHAFT TAFELTE

ligthum!“ Berauscht vom Glauben an die Ideale

Illustration GESINE GROTRIAN

ose des gesungenen Wortes. Im Jahr von Schillers

von Christian Gottfried und Minna Körner seine

Jahre 1729 im Kurländer Palais verlieh August der

„Ode an die Freude“. Mit ihrer Vertonung transzen-

Starke seiner Leidenschaft für Wein beinahe staats-

dierte Ludwig van Beethoven sein symphonisches

tragende Bedeutung. Trotz Mitgliedern wie Augusts

die Zeiten opulenter Feste auch heute wieder auf, und im eleganten Palaishof schwelgt man dank des dort beheimateten Gourmet-Fischrestaurants in kulinarischen Genüssen. Der ausgezeichnete Weinkeller lässt auch bei Nüchternheitsgegnern des 21. Jahrhunderts keine Wünsche offen.

Kastenmeiers Fischrestaurant im Kurländer Palais, Tzschirnerplatz 3 – 5, 01067 Dresden — täglich 12 bis 23 Uhr

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ABYSNTHEUM DRESDEN Historisch sind Kunst und Absinth untrennbar miteinander verbunden. Insbesondere in Frankreich avancierte die „grüne Fee“ Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts zum Kultgetränk der Bohème.

Zur „grünen Stunde“ sprach man dem blass-grünen Bitterschnaps mit dem lateinischen Namen der Wermut-Pflanze in den Pariser Bars fleißig zu. Auf den Leinwänden von Degas bis Picasso wurden das Getränk und sein Trinker zu einem beliebten Motiv, manch anderer schnitt sich, derart berauscht, gar ein Ohr ab. Allerlei Mythen ob ihrer „dämonischen Wirkung“ entledigt, feiert die Spirituose nun ein Comeback. Das verdankt sie auch Manufakturen wie dem Dresdner Absyntheum, die Kräuter und Gewürze zu Produkten von erlesener Qualität und unterschiedlichster Geschmacksrichtungen verarbeiten.

Absyntheum Dresden , Bischofsweg 29, 01099 Dresden — Manufakturverkauf und Verkostungen Mittwoch bis Freitag 12 bis 19 Uhr oder nach telefonischer Vereinbarung

Grüne Fee 1 ZITRONE auspressen und mit 3 CL ABSINTH, 3 CL WASSER, 2 BARLÖFFEL EIWEISS und 1 SPRITZER ANGOSTURA sowie Eiswürfeln im Shaker gut

schütteln. In ein Cocktailglas abseihen.

Illustration GESINE GROTRIAN

Impressum Dresdner Musikfestspiel Magazin An der Dreikönigskirche 1 01097 Dresden Telefon 0049351 / 478 56-0 Fax 0049351 / 478 56-23 info@musikfestspiele.com www.musikfestspiele.com Herausgeber Intendant Jan Vogler V.i.S.d.P. Redaktion Juan Martin Koch neue musikzeitung, ConBrio Verlagsgesellschaft Regensburg, Susanne Lutz Dresdner Musikfestspiele Texte Detlef Eberhard, Otto Griebel, Tobias Haberl, Klaus Kalchschmid, Juan Martin Koch, Corina Kolbe, Teresa Pieschacón Raphael Fotografie & Illustration Gesine Grotrian, Thekla Ehling, Marco Caselli Nirmal, Michael Patrick O'Leary Bildredaktion Art Direktion & Design Gesine Grotrian & Patricia Jaecklin www.grotrianleitzgen.de www.machmabunt.de Druck Druckerei Thieme, Meißen www.bythieme.de Papier maxioffset und maxigloss Dieses Magazin wurde gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Igepa Group. Produced by UPM. Auflage 2014 /12.000 Nachdruck nur nach vorheriger Einwilligung.

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Dadaistischer Großsieg!

Otto Griebels Erinnerungen an eine denkwürdige Dresdner Soirée des Jahres 1920 Im zeitigen Frühjahr 1920 erlebte Dresden eine besondere Sensation, als die Konzertdirektion Schönfelder im Saale der Kaufmannschaft eine Dadaistische Soiree veranstaltete, die in den Tageszeitungen groß angekündigt worden war und einen derartigen Zulauf hatte, dass der Saal schließlich wegen Überfüllung polizeilich geschlossen werden musste.

Als Einleitung las der Mitbegründer des ‚Clubs Dada‘, Richard Huelsenbeck, der sich ein Monokel vors Auge geklemmt hatte und eine weiße Chrysantheme am Jackett trug, mit blasierter Stimme das ‚Dadaistische Manifest‘ vor.

Schon hierbei wurden in der Zuhörerschaft Unwillensbekundungen laut. Dann wurde dem Publikum der Oberdada Baader, ein vollbärtiger, untersetzter Mann, vorgestellt.

Dieser lief lediglich auf der Bühne hin und her, rauchte eine Zigarre und sagte gar nichts. „Erfassen Sie den historischen Moment“, rief Huelsenbeck dem Publikum zu, „betrachten Sie genau, wie der Oberdada sich bewegt, wie er raucht – beobachten Sie ihn gut.“ Die Antwort war ein wiehernder Tumult mit Kindertrompetentönen dazwischen. Als nachher Richard Huelsenbeck und Raoul Hausmann das Gedicht ‚Das Messer‘ in bruitistischer Weise vortrugen, wuchs der Radau immer mehr an und wurde noch ärger, als einer der Dadaisten erklärte: „Die gesamte bisherige deutsche Literatur ist nutzlos. Alles, von Goethe bis Hasenclever, gehört ins Klosett.“ Wütend und bis zum Äußersten gereizt erkletterten mehrere Zuhörer die Bühne, von der ein junger Student in die Menge rief: „Volk Goethes – und das läßt du dir gefallen?“ Eine wilde Prügelei entstand, aus der Raoul Hausmann sich hervorwand und grimassenschneidend ein Gorillagebrüll anstimmte. Kammersänger Robert Burg, der auch auf die Bühne gestiegen war und schlichtend eingreifen wollte, stolperte über ein Bein und stürzte herunter, mitten in einen Knäuel sich Prügelnder. Da erklomm der Oberdada, dem die Zähne bluteten, die Bühne, blies laut tönend in ein Muschel-

horn und schrie: „Meine Herrschaften! Dieses ist die große Schlussnummer unserer Attraktion: ‚Dada als Tierbändiger‘!“ Den Dada-Leuten blieb nichts weiter übrig, als sich durch eine Hintertür zurückzuziehen und in Sicherheit zu bringen, denn der ganze Saal tobte, verlangte nach der Polizei und forderte das gezahlte Eintrittsgeld zurück. Da erstieg der abgerissen aussehende Dichter Ivar von Lücken, ein hagerer Bohemien, das Podium, legte einen Geldschein aufs Pult und erklärte: „Hiermit gebe ich den Dadaisten meine letzte Mark!“ Als der Saal sich endlich leerte, riefen wir den abziehenden Besuchern höhnisch nach: „Dadaistischer Großsieg!“ Kurt Lohse, der außer Dix, Paul Cassel, der Laus und Elis Pranz auch dabeigewesen war, brachte die Dada-Leute bei sich in der Wohnung am Elbberg neben der Synagoge unter.

Danach entstand die bleibende Verbindung zum Oberdada Baader, der sich immer wieder einmal bei Kurt Lohse und seiner Laus einfand.

Andern Tags waren in den bürgerlichen Zeitungen entrüstete Artikel über diese Veranstaltung zu lesen. Wir aber öffneten mittels passender Schlüssel die Aushängekästen jener Zeitungen und schmuggelten dadaistische Pamphlete hinein, die das Straßenpublikum verdutzt und kopfschüttelnd zur Kenntnis nahm.

Auszug aus: Otto Griebel, Ich war ein Mann der Straße. Lebenserinnerungen eines Dresdner Malers (Mitteldeutscher Verlag, Halle/ Leipzig 1986). Der Maler Otto Griebel (1895–1972) studiert von 1919 bis 1922 bei Robert Sterl an der Dresdner Akademie, beteiligt sich an der „Dresdner Sezession – Gruppe 1919“, schließt sich mit Otto Dix, Kurt Günther und dem Komponisten Erwin Schulhoff der Dada-Szene an und gilt als einer der Wegbereiter der Neuen Sachlichkeit in Dresden.

GOLDENE 20ER / 29 / DRESDNER MUSIKFESTSPIEL MAGAZIN

Auf eine heiße Schokolade mit Cameron Carpenter Text TERESA PIESCHACÓN RAPHAEL Fotografie THEKLA EHLING Illustration GESINE GROTRIAN

Zwei Dinge seien im Vatikan schwer zu bekommen, Was hätte Gottfried Silbermann dazu gesagt, auf klagte einst Johannes Paul I.: „Ehrlichkeit und eine dessen Orgel für die Bähr’sche Frauenkirche in Tasse Kaffee.“ Dresden Johann Sebastian Bach 1736 spielte? (lacht) Wichtiger wäre mir die Ehrlichkeit.

Eine schwierige Frage. Was würde ShakeIch trinke nämlich keinen Kaffee. Ich liebe heiße speare zu heutigen Autoren sagen? Jeder Orgelbauer Schokolade. wollte die Orgel weiter entwickeln, sei es Silbermann, Arp Schnitger oder Philipp Klais, ein guter Wie ein kleiner Junge …

Freund von mir, der mich in meinen Ideen sehr Ja, so fühle ich mich sehr oft! unterstützt hat. Wir haben leidenschaftlich darüber diskutiert, wie eine moderne Orgel sein kann.

Haben Sie schon einmal an der Orgel im Petersdom gespielt?

Das Programm Ihres Konzertes bei den Dresdner Nein, leider noch nicht.

Musikfestspielen am 8. Juni ist vielschichtig: von Mozarts Fantasie für Klavier c-Moll KV 475 über VaugSchließlich sagten Sie in einem anderen Interview, han Williams’ „The Lark Ascending“ bis hin zu Ravels dass historische Orgeln „Folterinstrumente“ seien. „La Valse“, die Sie alle für Orgel bearbeitet haben.

Manche sind es wirklich. Es ist eine komMusik muss mich faszinieren. Sie kann plizierte Materie. Meine Musik ist weltlich und nicht schön, sinnlich, gewaltig oder hässlich sein, wichtig traditionell. Sie hat viel mit Film zu tun. Für mich ist die Botschaft. muss die Orgel ein ganzes Orchester darstellen, mit allen Farben und Nuancen. Dies kann man nur sehr Welche Botschaft hat Ihre Komposition „Music for an schwer auf einer historischen Domorgel erreichen.

Imaginary Film“, die Sie ebenfalls vortragen werden?

Damit möchte ich das Innenleben des Weshalb Sie sich eine eigene Touring-Orgel bauen Musikers abbilden. Jeder wird sie anders fühlen und ließen. verstehen. Ich erzähle nicht direkt eine Geschichte, Eine immense Ingenieurleistung, deren sondern reihe eher freie Gedanken aneinander.

Entwicklung über zehn Jahre in Anspruch nahm; Wichtig ist für mich, dass man nicht erst studiert eine der größten Orgeln der Welt und trotzdem kann oder promoviert haben muss, um Musik zu verstehen. sie auf Tour gehen. Die acht Lautsprechermodule passen alle in einen LKW. In etwa drei Stunden ist sie Sie sind bekannt für Ihre schrillen Kostüme. Welche zusammengesetzt. Es handelt sich nicht um einen Schuhe werden Sie in Dresden tragen?

Synthesizer oder irgendeine herkömmliche DigitalSchuhe sind wichtig für die Kontrolle orgel. Da entsteht der Klang durch Samples von und den Ausdruck beim Orgelspiel. Diesmal haben einer Sekunde Länge, die auf verschiedene Ton- meine selbst entworfenen Schuhe keine Pailletten, höhen transponiert werden. Meine Orgel hat für sondern sind mit Swarovski-Steinchen besetzt. Das jeden Ton ein etwa fünfminütiges Sample, das von glänzt mehr.

Künstlerherberge: Im Orgeln aus aller Welt stammt – eine fantastische Raskolnikoff in der Bandbreite. Ich wollte nicht nur eine portable Orgel Dresdner Neustadt bezieht haben, sondern ein Instrument, das musikalisch all die Bohème 2020 Quartier. das abbildet, was ich mir vorstelle.

DRESDNER MUSIKFESTSPIEL MAGAZIN / 30 / CHOCOLATE TIME

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DIE DRESDNER MUSIKFESTSPIELE SIND EINE EINRICHTUNG DER LANDESHAUPTSTADT DRESDEN UND WERDEN GEFÖRDERT VOM SÄCHSISCHEN STAATSMINISTERIUM FÜR WISSENSCHAFT UND KUNST.

F Ăź r K u lt u r l a n d s c h a F t s e n t d e c K e r

Besuchen Sie den Ort, an dem Automobilbau zum kulturellen Ereignis wird. 2014 ist die Gläserne Manufaktur erneut Partner und Veranstaltungsort der Dresdner Musikfestspiele. Freuen Sie sich mit uns auf interessante Festspieltage und ein Wiedersehen in unserem Haus.

+49 (0) 351 – 420 4 4 11 g l a es er n e m a n u Fa K t u r . d e