Dresdner Musikfestspiel Magazin 2013

N° 1 / Empire / Dresdner Musikfestspiele 2013 vom 11. Mai bis 2. Juni

Dresdner Musikfestspiel Magazin Auf FlĂźgeln des Imperiums

Unsere Kulturförderung.

Gut für die Sinne.

Gut für die Region.

Weltberühmte Künstler, einzigartige Spielstätten und ein herausragendes musikalisches Programm – das zeichnet die Dresdner Musikfestspiele als international anerkanntes Musikfestival aus. 2013 richtet sich der Blick auf die reiche musikalische Tradition der Britischen Inseln. Als regional verwurzeltes Finanzunternehmen engagiert sich die Ostsächsische Sparkasse Dresden dort, wo kulturelle Vielfalt entsteht. Als Partner der Musikfestspiele laden wir Sie herzlich ein, große Künstler mit Werken der englischen Musikszene auf Dresdner Bühnen zu erleben.

Dresdner Musikfestspiel Magazin / 2 / Anzeige

Inhalt 04 Was vom Empire bleibt 06 Kraft-Klänge aus der Manufaktur 11 Reden mit Thomas Quasthoff 15 Tönende Insel 16 Programm 18 Spielstätten 20 Ein Festspielorchester für Dresden 22 Staunen mit Annerose Schröder 28 Apple Crumble mit Rebecca Saunders 29 Eine Karte für Thomas Rosenlöcher 30 Tee mit Rufus Wainwright

12 Konzerthaus Berlin Mit ihrem Gastspiel am Gendarmenmarkt möchten die Musikfestspiele auch die Hauptstadt mit dem Zauber der Festspielstadt Dresden anstecken und auf die vielfältigen musikalischen Begegnungen an der Elbe einstimmen.

New York Philharmonic – Gilbert – Ax Werke von W. A. Mozart, Tschaikowsky Sa 11. Mai 20.00

Editorial Liebe Festspielfreunde, liebe Leserinnen und Leser, Sie halten das neue, erste Magazin der Dresdner Musikfestspiele in Händen! Mit Einblicken in die Entstehung außergewöhnlicher Konzerterlebnisse, lebendigen Begegnungen mit herausragenden Künstlern, spannenden Perspektiven auf unser Programm und einem farbenreichen Eindruck von der Musik- und Festspielstadt Dresden. So möchten wir Ihnen auf den folgenden Seiten etwas von der Leidenschaft, musikalischen Dichte und Vitalität vermitteln, die Sie in den Festspielwochen erleben können. Wir wünschen Ihnen viel Vergnügen beim Lesen und Entdecken und freuen uns mit Ihnen auf eine spannungsreiche Saison 2013.

Ihr Jan Vogler & das Team der Dresdner Musikfestspiele Willkommen / 3 / Dresdner Musikfestspiel Magazin

Empire – darunter versteht Intendant Jan Vogler mehr als das Es gibt in dieser Zeit schon die Idee einer „noble simplibritische Königreich. Gemeinsam mit Hartmut Fladt entwi- cité“, einer edlen Einfalt. Die Synthese aus der Artifizialität ckelt er den Facettenreichtum des Begriffs und geht den blei- „für Kenner“ und der popularen „noble simplicité“ ist ein Credo benden kulturellen Spuren der Eroberer nach. auch etwa für Haydn und Mozart. Der Riss zwischen „U“ und „E“ ist in der Neuen Musik besonders heftig; daher ist bemerkenswert, dass es in den 20 er Jahren viele Versuche gab, ihn zu Fladt Die Römer haben die Griechen besiegt und sogar überwinden, bei Weill, Eisler oder Ravel, der einen Blues versklavt, aber es war dann die griechische Kultur, die eindeu- schreibt ... tige Hegemonie hatte. Gibt es in der Geschichte und der Musik... und nicht zu vergessen Schostakowitsch, mit seinen Jazzgeschichte eine Parallelität zwischen „kultureller Hegemonie“ Suiten, Filmmusiken ... und ausgeübter militärischer und politischer Macht? ...das ist ja keine Vergleichgültigung, sondern der Versuch, Vogler Für mich ist ja Musik zunächst einmal subversiv. das pralle Leben in die Musik zu holen, die produktiven WiderSie ist nicht immer an Herrschaftsstrukturen gekoppelt. Sie kann sprüche. unabhängig sein oder sogar gegen diese gerichtet. Nehmen Sie Das geht heute vielleicht durch die Aufsplittung oft verlodie Sowjetunion mit Schostakowitsch, der sozusagen die ren, durch die Spezialisierungen. Aber auch Imperien schienen Geschichte des 20. Jahrhunderts komponiert hat, aber zum Teil in das nicht zu befördern, ich denke aus nahe liegenden Gründen völliger Loslösung von der Herrschaftsstruktur, mit Elementen an England: die Wüste von fast 200 Jahren in der englischen der westlichen Avantgarde und der subversiven Kräfte in der Musik zwischen Purcell und den Spätromantikern. Fällt Ihnen Sowjetunion. Beim Angriff durch Hitler wurde er vorübergehend da jemand Nennenswertes ein? zum Patrioten, fand aber dann wieder zurück zum Subversiven.

Die Engländer reklamieren ja einen italienischen Kompo„Herrschaft“ kann aber auch durch Musik als Teil der nisten deutscher Herkunft für sich: Händel, den perfekten Gesamtkultur verfestigt und strukturiert werden. Die „sanften“ Europäer. Aber Scherz beiseite. Ein in England vernachlässigter Formen kultureller Einflussnahmen scheinen viel nachhaltiger Komponist, der zum Vertreter der Frühromantik wurde, verzu sein als die militärisch-imperialen. dient ganz neue Beachtung: Thomas Attwood. Wenn MendelsInteressant finde ich, dass tatsächlich manche schreckli- sohn in England war, besuchte er ihn selbstverständlich in chen Weltreiche und Kolonialisierungen ganz angenehme kul- London. turelle Folgen hatten – das ist jetzt sarkastisch, aber Strukturen Für mich ist London im 19. Jahrhundert so etwas wie wie philharmonische oder Konzert-Gesellschaften wurden in New York heute: ein musikalisches Zentrum, wo man Erfolg der Welt verbreitet durch Kolonialherrschaft; die Engländer ver- haben musste, um wirklich anerkannt zu sein. Die Weltstadt als Zentrum des Empires. Beim Empire und seinen Eroberunschwanden, die Strukturen blieben, waren bewahrenswert.

Das ist vergleichbar mit dem, was die Römer den Germa- gen denke ich immer an Mephisto im „Faust“, als „Teil von nen hinterlassen haben, was man getrost übernehmen konnte, jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft“.

Eigentlich findet eine kulturelle Zerstörung des Vorgefundekulturell wie strukturell, trotz aller blutigen Herrschaft.

Die Kultur ist nicht das fünfte Rad am Wagen, sondern nen statt; man etabliert eine Hegemonialkultur, aber die wahrscheinlich das einzige, das sich dreht, das entwicklungs- Ursprungskultur kehrt auf Umwegen zurück, wird in Verbinfähig ist. Wir könnten in unserer Gesellschaft mit wenigen dung mit der neuen womöglich reicher und strahlkräftiger als klaren Investitionen in die Kultur viel größere Resultate schaf- zuvor.

Exemplarisch der Blues und das Spiritual: „schwarze“ fen. Unsere Zeit hinterlässt leider zu wenige kulturelle Spuren.

Was ist zum Beispiel von der kreativen Kraft der Wendeeupho- Singweise und Rhythmik wird konfrontiert mit dem protestanrie geblieben? Was für wegweisende künstlerische Impulse tisch/anglikanischen Choral, der Militärmusik, der Musik in sind wirklich erwachsen? Wahrscheinlich eine Folge der Tat- den Kneipen und Bordellen, und diese Mischkultur wird dann sache, dass wir unseren Fokus eher auf materiellen Fortschritt zu einem weltweiten Ereignis.

Und schon zum Beispiel Dvorák hat in seinem Cellokonrichten.

Von Béla Bartók stammt die bittere Erkenntnis: Wenn zert und der Sinfonie „Aus der neuen Welt“ diese Musik adapman auch nur ein Hundertstel der derzeitigen Rüstungsausga- tiert. Etwa in dieser Zeit tritt auch Elgar mit seiner sehr britiben beispielsweise für die Erforschung der authentischen Volks- schen Musik in Erscheinung, die den Traum des Imperiums und der Weltgeltung noch einmal träumt, auf eine Weise, die musik ausgeben würde, hätte man die gesamte Welt erforscht.

Ja. Wir versuchen, auch mit den Dresdner Musikfestspie- sympathisch berührt. Auch in kurzen Stücken, wie „Salut len, durch die Musik und die Kultur die Augen dafür zu öffnen, d'Amour“, drückt er das Lebensgefühl zwischen Welteroberung dass unser Alltag dominiert ist von den falschen Dingen – ich und Melancholie aus, in dem Wissen um das Scheitern. Und – da spreche ich als Cellist – dieses Zerbrochene ist immer interesmerke es an mir selbst immer wieder.

Da gibt es Grenzen, an die wir immer wieder stoßen, auch santer als sanguines Selbstbewusstsein.

Noch eine kleine Ergänzung zum Thema Hegemonie: mit innermusikalische. Für viele Musikforscher galt und gilt Volksmusik, Popularmusik als „herabgesunkenes Kulturgut“; aber dem Britpop der 60er und 70er Jahre, den Beatles, den Stones gerade die Grenzüberschreitungen, das permanente wechselsei- und Queen hat es England wirklich zu einer Spitzen-Position in tige Beeinflussen zwischen ihr und der artifiziellen Musik, der Welt geschafft.

Nicht mit kriegerischen Eroberungen, sondern mit macht die Lebendigkeit aus.

Als Cellist denke ich da an die Sarabande aus der 6. Solo- Musik ist ein dauerhaftes Empire errichtet! Das ehemals Subsuite von Bach: In einem komplexen Tonsatz erklingt sozusa- versive übernimmt die kulturelle Hegemonie, ohne den Stachel zu verlieren. gen ein Popsong, eine einfache, singbare, sehr schöne Melodie.

Dresdner Musikfestspiel Magazin / 4 / Empire

Hartmut Fladt, Professor für Musiktheorie, Musikwissenschaft und Komposition; Autor

Imperiale Macht und das Subversive der Musik Jan Vogler und Hartmut Fladt im Gespräch Text Hartmut Fladt Fotografie Anja Weber

Das Rad der Kultur ist vielleicht das einzige, das sich dreht: Jan Vogler bringt als Festspielintendant die international herausragenden Stimmen der Klassik in die Musikstadt Dresden.

16 Semperoper Schon beim Betreten umfängt den Besucher die Aura der langen, reichen Musiktradition, die das Haus und sein Orchester, die Sächsische Staatskapelle unter Christian Thielemann, heute noch fortschreiben. Ob großes Sinfoniekonzert oder Klavierrecital – die Bühne der prachtvollen Semperoper ist immer Ort für hochkarätige, eindrückliche Festspiel-Begegnungen.

Klavierrecital Yefim Bronfman Werke von Brahms, J. Haydn, Prokofjew Do 16. Mai 20.00 Deutsches Symphonie-Orchester – Nagano – Vogler Werke von Brahms, Britten, Strauss Fr 24. Mai 20.00

Empire / 5 / Dresdner Musikfestspiel Magazin

„Ich liebe diesen metallischen Klang.“ Der finnische Komponist weiß, was er hören will.

Der Sound von Dresden Damit sein Orchesterwerk „Kraft“ klingt, wie es klingen muss, sucht Magnus Lindberg persönlich nach bespielbaren Bauteilen in der Gläsernen Manufaktur von Volkswagen. Und wird fündig.

Text Adina Rieckmann Fotografie Anja Weber

Dieser Mann ist die Fröhlichkeit pur. Er verbreitet solch eine gute Laune, dass man, ob man will oder nicht, unweigerlich mitlacht – und sich mit ihm freut. Darüber, dass er gerade den Sound von Dresden gefunden hat. Die Nr. 3W0 850 740 E und die Nr. 3D5 813 413 A. Magnus Lindberg drischt mit einem Paukenschlägel ein auf den Lagerbock Federbein vorn rechts und auf die Schweißgruppe mit Buckelmutter und ist höchstzufrieden. „Das ist wundervoll. Das ist perfekt. Genauso habe ich es mir vorgestellt.“ Der finnische Komponist hat es sich nicht nehmen lassen, in der Gläsernen Manufaktur selbst nach den Autoteilen Ausschau zu halten, die er für die Aufführung zu den Dresdner Musikfestspielen verwenden möchte. „Das musste ich schon selber machen. Ich habe ganz klare Vorstellungen von dem Sound, von der Klangfarbe für mein Orchesterwerk ‚Kraft‘ “, sagt er und dass es ruppig klingen müsse, „so wie die Klangfarben einer Stadt – das Dröhnen der Räder, das Quietschen der Achsen, das Knacken der Rohre. Wenn man all diese Geräusche zusammenfasst, dann hat es diesen gewissen metallischen Sound.“ „Tradition. Ambition. Präzision. Für den Phaeton verwenden wir nur die edelsten Materialien“, verspricht die Werbeabteilung potentiellen Kunden, die sich für die Luxuskarosse made in Dresden interessieren. Lindberg interessiert sich dafür nicht. Für sein 1984 komponiertes Orchesterwerk „Kraft“ spielen edle Materialien keine Rolle. Für „Kraft“ hat er sich auch schon auf dem Schrottplatz herumgetrieben. Dort – irgendwo in New York – stolperte er von Kotflügel zu Kotflügel und hämmerte wie wild mit seinen Freunden von den New Yorker PhilDresdner Musikfestspiel Magazin / 6 / Werkstatt

harmonikern auf Gussteile, Kühler und Bremsscheiben. Dass er sich jetzt in dem Atelier der Manufaktur – bekleidet mit weißer Firmenjacke und weißen Handschuhen – durch das Repertoire der PhaetonAusstattung trommelt, macht für ihn keinen Unterschied. „Ich hatte nie eine politische Botschaft, die ich unbedingt durch meine Kompositionen weitergeben wollte“, erklärt Lindberg. Der Komponist, der international zu den erfolgreichsten seiner Generation zählt, ist unmissverständlich: „Ich wollte nie ein Statement abgeben, weder gegen die Gesellschaft, noch gegen die Hochkultur. Wenn wir heute ein Stück machen mit diesen Luxusteilen, dann ist das kein Problem für mich. Ich will nur, dass der Sound stimmt.“ Lindberg geht es nicht darum, neue Klänge zu erfinden. Er ist sich sicher, dass künstlich erzeugte Timbres die natürlichen Klänge nicht ersetzen können. Er bedauert, dass heute niemand mehr neue Instrumente baut, dass der klassische Orchesterklang nur noch mit Hilfe der Elektronik erweitert wird: „Ich fahnde nach natürlichen Klängen, um neue Instrumente zu erfinden. Und ich liebe diesen metallischen Klang. Deshalb suche ich auf dem Schrottplatz oder eben hier in der Gläsernen Manufaktur.“ Seit 1984 werde „Kraft“ mindestens einmal pro Jahr aufgeführt, erzählt Lindberg weiter. Offensichtlich ist das Orchesterwerk immer noch modern genug – oder ist es wieder? Der 55-Jährige erzählt

Werkstatt / 7 / Dresdner Musikfestspiel Magazin

Rockig, akzentuiert, direkt: Immer wieder wird Magnus Lindberg auf sein 30 Jahre junges Stück „Kraft“ angesprochen. Mit neuen Aufführungsversionen wie dieser für die Gläserne Manufaktur sorgt er dafür, dass es zeitlos bleibt.

stolz von jungen Musikern, die nicht wissen, wer er ist und ihn immer wieder nach dieser Musik fragen: „Kennen Sie ‚Kraft‘?

Und dann fragen sie mich: Warum schreiben Sie nicht Musik wie ‚Kraft‘, so rockig, so akzentuiert, so direkt? Wenn ich dann sage, dass ich ‚Kraft‘ geschrieben habe, sind sie fassungslos. Ich weiß gar nicht, wer sich mehr erschreckt in diesem Moment.

Ich bin dann selbst ganz durcheinander. Aber mich macht das schon sehr stolz, dass die Generation von Heute sich für dieses Orchesterwerk interessiert. Diese Musik ist wieder zurück.“ Der Gast aus Helsinki strahlt an diesem Märzvormittag immer und immer wieder. Laut ruft er: „Funny. Nice. Wonderful. Wow.“ Er hat gerade mit Drumsticks die Nr. 3D0 409 061 G bearbeitet. Auch diese Nummer passt perfekt zu „Kraft“.

Immer wieder klopft er mit den Drumsticks gegen das Bauteil.

Dann greift er nach der Bremsscheibe, der Heckklappenmechanik, dem Druckspeicher, schlägt dagegen und freut sich: „Hören Sie mal, klingt das nicht toll? Das wird einen guten Sound für das Konzert hier in Dresden abgeben.“ Das breite Lächeln von Magnus Lindberg steckt alle im Raum an; auch die Gastgeber, die Mitarbeiter von Volkswagen, sind in diesem Moment einfach nur glücklich. „Mit High-Tech-Bauteilen kennen wir uns aus“, sagt Oliver Winkes, der Vertriebs- und Marketingchef der Gläsernen Manufaktur und erzählt von einem Gast aus Schweden, der heute die Fertigstellung seines Autos begleite und gerade selbst an seinem Auto mitschraube. „Aber was die Instrumente für ‚Kraft‘ angeht, waren wir schon etwas unsicher“, sagt er weiter: „Wir hatten keine konkrete Vorstellung, wonach Magnus Lindberg genau sucht. Wir sind nach dem Motto ‚Trial-andError‘ vorgegangen, haben Teile der Blechkarosse genauso zusammengetragen wie Scheibenwaschbehälter oder Rückleuchten in LED-Technik, die er dann allerdings links liegen gelassen hat.“ Winkes hätte es ahnen können: Diese Teile sehen zwar schön aus, sind aber aus Plastik und somit ungeeignet.

Lindberg ist durchaus mit Befürchtungen nach Dresden gekommen: „Ich war ängstlich, dass hier zu viele Plastikteile sind“, Dresdner Musikfestspiel Magazin / 8 / Werkstatt

Entdecken Sie mehr als 165 Jahre deutsche Uhrmacherkunst.

Glashütte Original

Glashütte Original.

Stifter des Deutschen Uhrenmuseums Glashütte.

Glashütte Original engagiert sich seit vielen Jahren für den Erhalt von anspruchsvoller Handwerkskunst und kulturellem Erbe. Gemeinsam mit der Stadt Glashütte hat die traditionsreiche Manufaktur die Stiftung „Deutsches Uhrenmuseum Glashütte – Nicolas G. Hayek“ gegründet. Einmalig in ihrer Form präsentiert die Ausstellung eine Zeitreise von den Anfängen der Glashütter Uhrenfertigung im Jahr 1845 bis zum heutigen Tag. Erfahren Sie mehr über das Museum und sein 5-jähriges Jubiläum unter: www.uhrenmuseum-glashuette.com

GO-PanoMaticLunar_210x297mm_D.indd 1

11.04.2013 14:25:20

Anzeige / 9 / Dresdner Musikfestspiel Magazin

Kein Mitleid mit Kühlern, Mutternkäfigen und anderen edlen Materialien. Magnus Lindberg kommuniziert seine Klangvision.

erzählt er und erklärt, dass man für ein Werk wie „Kraft“ kein Plastik verwenden könne. „Der Klang ist dann einfach nicht berauschend. Die Schlagwerker haben viel, viel bessere Instrumente. Man müsste, wenn man Plastik verwendet, ein ganz anderes Stück dafür schreiben. So richtig Lust habe ich darauf aber nicht.“ Lindberg lehnt auch die Nr. 3D0 853 663 ab, den Kühlergrill mit VW-Emblem Phaeton: „Aluminium! Aluminium ist ein Spielverderber! Es ist viel zu leicht. Es klingt einfach nicht gut. Vielleicht eignet sich Aluminium zum Kochen.

Als Komponist aber lehne ich dieses Material ab.“ Ob Lindberg denn nicht Mitleid habe mit all diesen Scheinwerferträgern, Kühlern, Mutternkäfigen und Sitzquerträgern, mit all diesen edlen Materialien, die er von den New Yorker Philharmonikern bearbeiten lassen möchte? „Nein, wieso“, fragt er zurück. Für eine Sekunde lang zögert er, als lausche er gerade einem bestimmten Klang und dann ist es wieder da, sein umwerfendes Lächeln: „Die hübschen Dinger hier, die sind am Ende richtig Schrott, ja, aber es wird einen ausgezeichneten Sound geben.“ Und nur darauf kommt es ihm an: „Wenn man mit Metallkugeln hart dagegen schlägt, dann sind Dellen einfach normal. Aber was für eine Metamorphose! Vom Luxus zum Schrott! Das ist doch großartig, oder?“ Der Marketingchef zuckt ein bisschen zusammen, dann sagt er tapfer: „Er wird ja keinen Phaeton demolieren, sondern Teile zum Klingen bringen. Wir sind sicher, dass diese bei ihm in besten Händen sind.“ Und dann sagt er, was er sagen muss, und er spricht es so liebenswürdig aus, dass man ihm wirklich glaubt: „Dieses Projekt ist für uns sehr verheißungsvoll. Wenn die New Yorker Philharmoniker bei uns gastieren und auf Geheiß von Magnus Lindberg unsere Autoteile zu Musikinstrumenten veredeln, dann ist das schon sehr außergewöhnlich. Diese Kombination passt perfekt zu uns.“ Lindberg hört es, schmunzelt etwas verlegen – und gibt dann ein Versprechen ab. Er mache gerne Reklame für VW. Die Nummer 3D0 853 663 werde er gern für das Konzert als Dekoration benutzen, der Kühlergrill mit VW-Emblem Phaeton Dresdner Musikfestspiel Magazin / 10 / Werkstatt

jedenfalls eigne sich bestens dafür. Und dann lacht der Finne wieder. Und trommelt abermals los. Diesmal auf die Nummer 3W0 616 201 A, auf den Druckspeicher. Lindberg hört auch nicht mehr auf. Er ist bereits mittendrin im Konzert. Er hat den Sound von Dresden gefunden, eine strukturierte Klangwelt mit einem großen Reichtum an Farben. Er klingt weder nach Luxuskarosse noch nach Semperoper, sondern sehr metallisch, scharf und massiv. So muss „Kraft“ klingen, so und nicht anders.

05 Die Gläserne Manufaktur von Volkswagen Offene Welten – das symbolisiert die Fertigung des Phaetons. Das Prinzip der Transparenz wird hier konsequent umgesetzt, der Prozess inszeniert wie eine Aufführung. Die Manufaktur mit ihrer leichten und filigranen Architektur der klaren Formen bietet daher auch ungewöhnlichen kreativen Ansätze und einem lebendigen kulturellen Leben die Bühne.

New York Philharmonic – Gilbert – Bell Werke von Bernstein, Lindberg, Rouse

Di 14. Mai 20.00 Das Konzert wird live von medici.tv übertragen.

Können und W ille und Fleiß und Demut

„Wotan?

Eher singe ich die Königin der Nacht.“

2013 wird er mit dem 10. Glashütte Original MusikFestspielPreis ausgezeichnet – Der groSSe Sänger und Rezitator Thomas Quasthoff im Gespräch.

Text Albrecht Dümling Fotografie André Rival

Herr Quasthoff, Sie haben an der Wiener Staatsoper den Amfortas und auf einer CD Ausschnitte aus „Tannhäuser“ gesungen, sind aber kein typischer Wagner-Interpret. Woran liegt das?

Für mich ist es immer sehr wichtig gewesen, auszusuchen, was für meine Stimme am idealsten und am gesündesten ist. Insofern hat sich die Frage Wagner letztendlich nicht gestellt, allein schon wegen der Rollenfächer. Zu diesem Komponisten kam ich durch die Programmauswahl für ein Album mit romantischen Arien, und selbstverständlich kommt man dann um Richard Wagner nicht herum.

Haben Sie bei dieser Gelegenheit den „Holden Abendstern“ zum ersten Mal gesungen?

Nein, das habe ich in Konzerten oder als Zugabe schon vorher gemacht, weil es meiner weicheren Bassbaritonstimme eher lag als die großen Rollen. Nach dem Amfortas sagte Direktor Holender zu mir: „Quasthoff, Sie sind mein nächster Wotan!“ Da habe ich geantwortet: „Eher singe ich bei Ihnen die Königin der Nacht.“ – Ich gebe auch ehrlich meine Schwierigkeiten mit der Länge der Opern und mit ihrer Handlung zu. Außerdem habe ich dabei fast immer Stimmen mit einem ausladenden Vibrato gehört, was ich nie mochte. Ich bin zweimal in Bayreuth gewesen und habe „Tannhäuser“, „Parsifal“ und „Meistersinger“ gesehen. „Tannhäuser“ und „Meistersinger“ habe ich in der Pause verlassen, weil ich sängerisch nicht zufrieden war. Ich gehöre nicht zu den Wagnerianern, die dann sagen: Aber die Musik ist ja so toll. Wenn ich in einer Oper sitze, möchte ich auch verstehen, was da gesungen wird.

Künstler / 11 / Dresdner Musikfestspiel Magazin

09 Jagdschloss Graupa „Ich […] fange wieder an, als Mensch und Künstler aufzuatmen“, schrieb Wagner 1846 aus Graupa. Wo sich der Komponist von der Schönheit der Natur inspirieren ließ, würdigt man nun facettenreich sein künstlerisches Vermächtnis. Mit dem Besuch des Lohengrinhauses, des weltweit größten Wagner-Monuments und der innovativ konzipierten Ausstellung zu dessen Leben und Werk wird der Ausflug zum authentischen Wagner-Erlebnis. „In Sachen Wagner“ Mitglieder der Staatskapelle Berlin, Gilbert Häfner Eine musikkabarettistische Annäherung an die Opern Wagners So 26. Mai 18.00

„Es ist für mich das Schönste, Schwierigste und Erfüllendste, mit jungen Menschen musikalisch und künstlerisch zu arbeiten.“

Wagner hat die Texte zu seinen Musikdramen selbst geschrieben. Im Frankreich des Fin de Siècle wurde er als bedeutender Dichter gefeiert. Können Sie das nachvollziehen?

Nein. Aber das war wohl eine Zeiterscheinung wie der Antisemitismus, der ja eine Zeitlang leider auch in Deutschland auf katastrophalste Weise en vogue war. Aber Wagner ist für mich nicht das Synonym für Antisemitismus. Dass er von Hitler missbraucht wurde, dafür kann er nichts, da war er schon tot.

Bei den Dresdner Musikfestspielen werden Sie genau am 200. Geburtstag, am 22. Mai, Richard Wagners Klavierbearbeitungen einiger seiner berühmtesten Stücke durch Lesungen ergänzen. Sie werden beispielsweise einen Brief an Mathilde Wesendonck rezitieren, in dem der Komponist erklärt: „Nur mittelmäßige Aufführungen können mich retten!“ Mit diesem erstaunlichen Satz meinte er wohl, dass seine Musik für das damalige Publikum eine zu starke Droge war.

Ich glaube, dass das für die damalige Zeit auch so galt. Wenn Sie sich den Suchtfaktor der so genannten Wagnerianer heute anschauen, hat sich daran eigentlich nicht viel geändert. Dieses Theater, das da in Bayreuth veranstaltet wird bei teilweise ausgesprochen durchschnittlichen Inszenierungen, finde ich schon erstaunlich. Allerdings klingt der „Parsifal“ in keinem Opernhaus der Welt so wie in Bayreuth. Das Vorspiel ist dort unglaublich, weil es wirklich aus dem Nichts erwächst und plötzlich eine Dimension und eine Schönheit entfaltet, die einen sehr gefangen nimmt, selbst mich, der ich weit davon entfernt bin, ein Wagnerianer zu sein.

Richard Wagner ist in Leipzig geboren, kam aber schon als Kleinkind nach Dresden, wo er die Uraufführungen von „Rienzi“, „Fliegendem Holländer“ und „Tannhäuser“ erlebte. Wie ist Ihr persönlicher Bezug zu Dresden?

Ich bin im Westen aufgewachsen, nicht weit von der Grenze, in Hildesheim. Meine Großeltern lebten im Vorharz-Gebiet und wenn man zu ihnen fuhr, musste man über eine kleine Anhöhe. Von dort konnte man den Brocken gut sehen. Ich war vor dem ARD-Wettbewerb 1988 bereits in Dresdner Musikfestspiel Magazin / 12 / Künstler

16 Schauspielhaus Das Staatsschauspiel Dresden feiert seine 100. Spielzeit und darf sich, vielfach ausgezeichnet, zu den Zentren zeitgenössischer Bühnenkunst zählen.

Die rekonstruierte, prächtige Originalarchitektur des 1913 eröffneten Schauspielhauses bietet den Festspielproduktionen eine Bühne, bei denen sich musikalische und darstellende Ausdrucksformen verbinden.

WAGNER ZUM 200. – Louis Lortie & Thomas Quasthoff Bearbeitungen von Werken Wagners und Rezitationen aus dem literarischen Nachlass des Komponisten Mi 22. Mai 20.00

der DDR und habe mit Peter Schreier in der Lukaskirche in Dresden die Krönungsmesse und die „Vesperae Solennes“ von Mozart aufgenommen, mit Edith Mathis und Jadwiga Rappé. Hanspeter Blochwitz sollte den Tenorpart übernehmen, hatte aber seinen Pass verloren und durfte nicht einreisen. Ich werde nie vergessen, was Peter Schreier da für einen Wutausbruch bekam.

Wie Dresden ist auch Hildesheim in den letzten Kriegstagen zu weit über 90 Prozent zerstört worden. Was in Dresden passiert ist, war für mich genauso ein Kriegsverbrechen wie das, was die deutsche Wehrmacht an anderer Stelle angestellt hat. Zum Gedenken an die Bombardierung habe ich drei oder vier Mal in der Semperoper gesungen, immer mit einem fahlen Beigeschmack, weil gleichzeitig diese Demonstration der Rechtsradikalen stattfand. Dass die Stadt es so lange nicht geschafft hat, das massiv zu unterbinden, finde ich beschämend und traurig. Selbstverständlich ist ein Gang durch die Altstadt ein großer Genuss.

Ich habe einige Benefizkonzerte für den Wiederaufbau der Frauenkirche gemacht, habe, noch während die Baugerüste in der Kirche standen, drei Adventskonzerte gesungen – insofern habe ich eine sehr enge Beziehung zu Dresden. Meine Frau hat fünf oder sechs Jahre dort gelebt. Deshalb sind wir immer wieder gerne da.

ger natürlich nicht leichter geworden. Jetzt hat man die Studienzeit auch noch einmal gekürzt mit diesem unsäglichen Bachelor-Master-System. Umso wichtiger ist qualitativ hoher Unterricht. Stimmtechnik ist die wichtigste Voraussetzung, um ein möglichst breit gefächertes Repertoire überhaupt singen zu können. Deswegen ist es eigentlich ein Verbrechen, dass man Studienzeiten kürzt und auf der anderen Seite – auf unser Thema bezogen – Wagner-Stimmen erwartet. Man muss ganz klar sagen: Diese Stimmen brauchen Zeit.

Vermitteln Sie den jungen Künstlern auch grundsätzliche Fragen der Haltung und der Motivation? Ist das Vorbild des Lehrers von Bedeutung?

Ich weiß nicht, ob ich Vorbild bin. Im Gegenteil: Die sollen mich ja nicht nachmachen. Das fände ich ganz furchtbar. Musik und Text sind immer wichtiger als wir als Personen – das gilt es zu vermitteln. Es geht nicht eigentlich um die große Karriere, sondern darum, diese großartigen Musikstücke adäquat und mit bestem Wissen, Gewissen und KönSie wurden zum Träger des diesjährigen Glashütte Original nen ans Publikum weiterzugeben. Es ist immer wieMusikFestspielPreises erwählt, der Ihnen im Rahmen Ihrer der schön, junge Künstlerinnen und Künstler zu Rezitation verliehen werden soll. In der Begründung wird Ihre erleben, bei denen Können und Wille und Fleiß und intensive Bemühung um den künstlerischen Nachwuchs her- Demut wirklich zusammenkommen und man sieht, dass dieser Weg dann auch erfolgreich vorangeht. vorgehoben. Welchen Stellenwert hat diese Arbeit für Sie? Den größten Stellenwert in meinem Leben. Es ist für mich das Schönste, Schwierigste und Erfüllendste, mit jungen Menschen musikalisch und künstlerisch zu arbeiten und sie auf Der Glashütte Original MusikFestspielPreis wird 2013 zum den Weg zu bringen, so dass sie in der Lage sind, von diesem 10. Mal verliehen. Die Uhrenmanufaktur stiftet die mit 25.000 e u r Beruf leben zu können. In Zeiten, wo immer mehr Theater dotierte Auszeichnung jährlich für Verdienste um die Nachwuchsgeschlossen werden, ist es für die jungen Sängerinnen und Sän- förderung und die Vermittlung klassischer Musik.

Künstler / 13 / Dresdner Musikfestspiel Magazin

Edward Elgar und Ralph Vaughan Williams Dresdner Musikfestspiel Magazin / 14 / Empire

08 Frauenkirche Musik in der Frauenkirche eröffnet immer wieder neue Dimensionen und Begegnungen der Spiritualität. Sie berührt in einzigartiger Weise durch das intensive Zusammenwirken von Raum und Klang, aber auch durch den Gedanken der Versöhnung, dessen Klang in den Konzerten mitschwingt. 1945 zerstört ist die mit großem bürgerschaftlichen und internationalen Engagement wiederaufgebaute Barockkirche mit der „Steinernen Glocke“ ein Mahnmal des Friedens.

T önende Insel

City of Birmingham SYMPHONY ORCHESTRA & NELSONS Britten: „War Requiem“ Sa 01. Juni 20.00

Die Tradition im Blick führten Edward Elgar, Ralph Vaughan Williams und Benjamin Britten die englische Musik ins 20. Jahrhundert.

Text Juan Martin Koch Illustration Gesine Grotrian

Was sich am 23. April 1924, ein Jahr nach seiner Eröffnung, im Londoner Wembley Stadium ereignete, war kein historisches Fußballspiel. Dort, wo elf Tage zuvor die englische Nationalmannschaft ihr Wembley-Debüt gegeben hatte, wurde vielmehr mit der ersten im Radio übertragenen Ansprache eines britischen Königs die British Empire Exhibition eröffnet. Mit Kosten in Höhe von 12 Millionen Pfund und etwa 27 Millionen Besuchern die bis dahin teuerste und größte ihrer Art, sollte die Präsentation von Industrie, Technik und Kunst zur „Aktivierung des Handels“ im Britischen Königreich beitragen, „Verbindungen zwischen dem Mutterland und den Kolonien sowie der Kolonien untereinander“ schaffen und ein „Treffen aller Untertanen der britischen Fahne auf gemeinsamem Grund und Boden zum gegenseitigen Kennenlernen“ ermöglichen.

Damit nicht genug – das zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr ganz so glänzend dastehende Königreich versicherte sich in mehrtägigen Historienspielen noch einmal seiner Größe. „The Pageant of Empire“ hieß die Darbietung, die mit über 15.000 Darstellern, 300 Pferden, 500 Eseln, 730 Kamelen, 72 Affen, 1.000 Tauben, sieben Elefanten, drei Bären und einem Ara den Glanz des Elisabethanischen Zeitalters, die glorreiche englische Flotte oder die Geschichte der Kolonialgebiete beschwor. Einen stattlichen Anteil am Soundtrack zu dieser imperialen Veranstaltung hatte jener Komponist, der kurz nach Ausstellungseröffnung das Traditionsamt des „Master of King’s Musick“ übertragen bekommen hatte: Edward Elgar. Nicht weniger als 20 der etwa 80 Musiknummern stammten von ihm, einen Teil davon hatte er eigens für diesen Anlass geschrieben.

Land of Hope and Elgar

Das Heraufbeschwören der Shakespeare-Zeit, der Blick in die Kolonien Neuseeland, Australien und Kanada, das Hohelied auf tapfere See- und Kaufleute, die Ehrbezeugung für die gefallenen Soldaten und schließlich der alles umspannende „Song of Union“ – das Gelegenheitswerk bedient sämtliche Klischees, die gerne mit dem Schöpfer der „Pomp and Circumstance“-Märsche oder der für diesen Anlass ebenfalls reanimierten Musik zum Kolonialspektakel „The Crown of India“ assoziiert werden. Für einige Zeit war es Elgar gelungen – so der Musikschriftsteller Wilfried Mellers über dessen Karriere bis 1910 – die Engländer glauben zu machen, „die Welt Edwards VII. sei so großartig wie seine Musik.“ Bei der British Empire Exhibition hatte also der staatstragende, dem „Land of Hope and Glory“ in Hymnen und Märschen huldigende und auch vor einer chauvinistischen Textvorlage wie im Finale des Oratoriums „Caractacus“ (1898) nicht zurückschreckende Komponist noch einmal einen großen Auftritt. Seine produktivsten und erfolgreichsten Jahre hatte der Zeit seines Lebens von Selbstzweifeln und Existenzängsten geplagte Künstler und Schöpfer melancholischer Meisterwerke (darunter das Cello- und das Violinkonzert) da freilich schon hinter sich. Der späte Durchbruch mit den Enigma-Variationen und ihrem finalen, sich trotzig in die Brust werfenden Selbstporträt lag ebenso über 20 Jahre zurück wie der Sensationserfolg des Oratoriums „The Dream of Gerontius“.

Fortsetzung Seite 25 Empire / 15 / Dresdner Musikfestspiel Magazin

Programmübersicht Sa

11. Mai 20.00

Konzerthaus Berlin

Musikfestspiele zu Gast: New York Philharmonic – Gilbert – Ax

01

New York Philharmonic, Alan Gilbert, Emanuel Ax. Werke von W. A. Mozart, Tschaikowsky

So

12. Mai 20.00

Kreuzkirche

Auftakt Sounds of the Empire: Elgars „The Dream of Gerontius“

02

ˇ Philharmonie Ostrava, Dresdner Kreuzchor, Vocal Concert Dresden, Roderich Kreile, Janácek ˇ Marlene Lichtenberg, Tomáš Cerný, René Pape

Mo

13. Mai 20.00

Semperoper

Eröffnungskonzert: New York Philharmonic – Gilbert – Vogler

03

New York Philharmonic, Alan Gilbert, Jan Vogler. Werke von Bloch, W.A. Mozart, Mussorgski

Di Mi

14. Mai 20.00 15. Mai 20.00

Die Gläserne Manufaktur von VW Schloss Wackerbarth

New York Philharmonic – Gilbert – Bell

04

New York Philharmonic, Alan Gilbert, Joshua Bell. Werke von Bernstein, Lindberg, Rouse

Sounds of the Empire: Violinrecital Nicola Benedetti

05

Nicola Benedetti, Alexej Grynyuk. Werke von Beethoven, Elgar, MacMillan, Prokofjew

Do

16. Mai 20.00

Semperoper

Klavierrecital Yefim Bronfman

06

Werke von Brahms, J. Haydn, Prokofjew

FR

17. Mai 20.00

Palais im GroSSen Garten

Takács Quartet

07

Takács Quartet, Lawrence Power. Werke von Brahms und Britten

Fr

17. Mai 20.00

Semperoper

Sounds of the Empire: Academy of St Martin in the Fields & Bell

08

Academy of St Martin in the Fields, Joshua Bell. Werke von Beethoven und Bruch

Fr

17. Mai 20.00

Festspielhaus Hellerau

The Forsythe Company

09

Uraufführung einer Neuproduktion von William Forsythe und Company

Sa

18. Mai 18.00

Palais im GroSSen Garten

Werkstattkonzert Dresdner Festspielorchester

10

Konzert mit Erläuterungen zu den Schätzen der Dresdner Barockmusik

Sa

18. Mai 20.00

Frauenkirche

Sächsische Staatskapelle: „Liebesmahl der Apostel“

11 K

Sächsische Staatskapelle Dresden, Herren des Sächsischen Staatsopernchors Dresden und weitere Chöre, Christian Thielemann. Werke von Mendelssohn und Wagner

Sa

18. Mai 20.00

Schloss Wackerbarth

Violinrecital Chad Hoopes

12

Chad Hoopes, Dina Vainshtein.

Werke von J. S. Bach, Brahms, Chausson, Elgar, Ravel, ap Siôn

So

So

19. Mai 15.00

19. Mai 20.00

Schloss Pillnitz (Schlosspark) Palais im GroSSen Garten

Serenade im Grünen

13

Dresdner Kreuzchor, Kreuzkantor Roderich Kreile.

Werke von Byrd, Farmer, Gibbons, Morley, Wilbye u. a.

Frank Peter Zimmermann & Emanuel Ax

14

Werke von Brahms

Mo

20. Mai 11.00

Palais im GroSSen Garten

Gambenrecital Jordi Savall

15

Werke von Ferrabosco II, Ford, Hume, Playford u. a.

Mo

Di

20. Mai 20.00

21. Mai 21.00

Albertinum (Lichthof)

Dresdner Festspielorchester

Semperoper

Sächsische Staatskapelle – Thielemann – Kaufmann

16

Dresdner Festspielorchester, Ivor Bolton, Giuliano Carmignola, Bejun Mehta.

Werke von Fasch, Händel, Heinichen, Vivaldi u. a.

17 K

Sächs. Staatskapelle Dresden, Christian Thielemann, Jonas Kaufmann. Werke von Henze u. Wagner

Mi

22. Mai 20.00

Schauspielhaus

Wagner zum 200. – Louis Lortie & Thomas Quasthoff

18

Werke von Wagner und Rezitationen aus dem literarischen Nachlass des Komponisten

Do

23. Mai 20.00

Schloss Albrechtsberg

Klavierrecital Mari Kodama

19 K

Werke von J. S. Bach und Benjamin

Do

23. Mai 20.00

Schloss Wackerbarth

Martin Walker liest

20

Martin Walker, Johannes Steck. Lesung aus „Der fünfte Fall für Bruno, Chef de police“

Do

23. Mai 20.00

Frauenkirche

Sounds of the Empire: The Tallis Scholars

21

Werke von Allegri, Byrd, Desprez, Palestrina, Pärt, Tallis, Tavener

Fr

24. Mai 20.00

Semperoper

Deutsches Symphonie-Orchester – Nagano – Vogler

22

Deutsches Symphonie-Orchester Berlin, Kent Nagano, Jan Vogler, Annemarie Moorcroft.

Werke von Brahms, Britten, Strauss

K Bei so gekennzeichneten Veranstaltungen gelten die Preise des Kooperationspartners / Fremdveranstalters. Es steht

Dresdner Musikfestspiel Magazin / 16 / Programmübersicht

besucherservice@musikfestspiele.com Weiße Gasse 8 in 01067 Dresden Mo bis Fr 10 –19 und Sa 10 –16 Uhr 0049351 656 06 700 Mo bis Fr 9 –18 und Sa 9 –12 Uhr www.musikfestspiele.com Sa

Sa

25. Mai 19.00

25. Mai 19.30

Brühlsche Terrasse / Schlossplatz

Dresden singt & musiziert (Open-Air-Konzert)

Kleines Haus

Hochschule für Musik: „Falstaff“ (Premiere)

23

Elbland Philharmonie Sachsen, Chor der Landesbühnen Sachsen, Singakademie Dresden, Hallenser Madrigalisten und weitere Dresdner Chöre, Ludwig Güttler u. a.

Werke von Händel, Vaughan Williams und berühmte Opernchöre von Wagner

24 K

Studierende der Hochschule für Musik Dresden, Ekkehard Klemm, Matthias Henneberg, Andreas Baumann u. a. Verdi: „Falstaff“

Sa

25. Mai 20.00

Frauenkirche

Dresdner Philharmonie – Marriner – Hentrich

25 K

Dresdner Philharmonie, Sir Neville Marriner, Wolfgang Hentrich.

Werke von Harty, Mendelssohn, Vaughan Williams

Sa SO

25. Mai 21.00 26. Mai 11.00

Residenzschloss (Kl. Schlosshof) Semperoper

Viktoria Mullova & Matthew Barley Ensemble

26

Werke von Bartók, Bratsch, Kodály, Zawinul / Weather Report u. a.

27

Sounds of the Empire: The Ukulele Orchestra of Great Britain Werke von Beethoven, Bowie, Kraftwerk, Morricone, O’Neill, Saint-Saëns, Schubert, Tschaikowsky, Wagner u. a.

SO

26. Mai 18.00

Jagdschloss Graupa

28

In Sachen Wagner Staatsstreicher, Gilbert Häfner.

Eine musikkabarettistische Annäherung an die Opern von Richard Wagner

SO

26. Mai 20.00

Semperoper

29

Philharmonia Orchestra London & Salonen Philharmonia Orchestra London, Esa-Pekka Salonen. Werke von Beethoven, Lutosławski, Strawinsky

MO

27. Mai 20.00

Palais im GroSSen Garten

30

Liederabend Measha Brueggergosman Measha Brueggergosman, Justus Zeyen. Werke von Britten, Marx, Ravel, Turina, Wagner, Wolf

DI

28. Mai 20.00

Kreuzkirche

31

Orchestra del Teatro Regio di Torino & Noseda Orchestra e Coro del Teatro Regio di Torino, Gianandrea Noseda, Maria Agresta, Sonia Ganassi, Francesco Meli, Ildar Abdrazakov. Verdi: „Messa da Requiem“

MI

29. Mai 20.00

Societaetstheater

Global Ear

32 K

El Perro Andaluz, Lennart Dohms. Werke von Adès, Benjamin, Purcell, Turnage u. a.

DO

30. Mai 20.00

Frauenkirche

Royal Stockholm Philharmonic – Haenchen – Zimmermann

33

Royal Stockholm Philharmonic Orchestra, Hartmut Haenchen, Tabea Zimmermann.

Werke von Britten, J. Haydn, Schubert

Fr

31. Mai 20.00

Kathedrale

34

Orgelkonzert John Scott Werke von Bull, Byrd, Elgar, Händel, Leighton, Mathias, Purcell, Stanley, Wesley, Whitlock

Fr

31. Mai 20.00

Palais im GroSSen Garten

35

Doric String Quartet ˇ Werke von Dean, Dvorák, J. Haydn

Fr Sa

31. Mai 20.00 01. Juni 20.00

Dt. Werkstätten Hellerau (Innenhof) Frauenkirche

36

London Brass Werke von J. S. Bach, de Falla, Ellington, Hart, Holborne u. a.

37

Sounds of the Empire: City of Birmingham Symphony Orchestra & Nelsons City of Birmingham Symphony Orchestra and Choir, Mädchenchor Hannover, Andris Nelsons, Kristine Opolais, Mark Padmore, Hanno Müller-Brachmann. Britten: „War Requiem“

Sa

01. Juni 21.00

Palais im GroSSen Garten

38

Barock-Lounge: Kermes & Elbipolis Barockorchester Elbipolis Barockorchester Hamburg, Simone Kermes, DJ Johannes Malfatti.

Werke von Broschi, Eccles, Finger, Händel, Purcell, Vivaldi

SO

SO

02. Juni 11.00 16.00

Dt. Hygiene-Museum (GroSSer Saal)

Kinderkonzert: „Die Feenkönigin“

02. Juni 17.00

Felsenbühne Rathen

Opernchöre unter freiem Himmel

39 40

Elbipolis Barockorchester Hamburg, Christine Marx, Hans Dieter Heiter, Carla Linné.

Mit Musik von Purcell

41 K

Neue Elbland Philharmonie, Chor der Landesbühnen Sachsen, Singakademie Dresden, Michele Carulli, Anna Erxleben, Hagen Erkrath. Werke von Verdi und Wagner

SO

02. Juni 20.00

Albertinum (Lichthof)

Abschlusskonzert: Rufus Wainwright

42

Residentie Orkest, Joana Carneiro, Sarah Fox, Rufus Wainwright.

Werke von Berlioz, Mascagni, Rogers /Hammerstein, Wainwright

nur ein begrenztes Kartenkontingent zur Verfügung. ErmäSSigungen und Gruppenrabatte sind leider nicht möglich.

Programmübersicht / 17 / Dresdner Musikfestspiel Magazin

Spielstätten 12

19

11

21

20 16

10

02 08

15

01

13

01 Albertinum Georg-Treu-Platz 2, 01067 Dresden 02 Brühlsche Terrasse Terrassenufer, 01067 Dresden 03 Deutsche Werkstätten Hellerau Moritzburger Weg 67, 01109 Dresden 04 Deutsches Hygiene-Museum Lingnerplatz 1, 01069 Dresden 05 Die Gläserne Manufaktur von Volkswagen Lennéstraße 1, 01069 Dresden 06 Felsenbühne Rathen Amselgrund 17, 01824 Kurort Rathen 07 Festspielhaus Hellerau Karl-Liebknecht-Straße 56, 01109 Dresden 08 Frauenkirche Neumarkt, 01067 Dresden 09 Jagdschloss Graupa Richard-Wagner-Straße 6, 01796 Pirna /OT Graupa 10 Kathedrale Schlossplatz, 01067 Dresden 11 Kleines Haus Glacisstraße 28, 01099 Dresden 12 Konzerthaus Berlin Am Gendarmenmarkt, 10117 Berlin 13 Kreuzkirche An der Kreuzkirche 6, 01067 Dresden 14 Palais im GroSSen Garten Hauptallee /Am Palaisteich, 01219 Dresden 15 Residenzschloss Taschenberg 2, 01067 Dresden 16 Schauspielhaus Theaterstraße 2, 01067 Dresden 17 Schloss Albrechtsberg Bautzner Straße 130, 01099 Dresden 18 Schloss Pillnitz August-Böckstiegel-Straße 2, 01326 Dresden 19 Schloss Wackerbarth Wackerbarthstraße 1, 01445 Radebeul 20 Semperoper Theaterplatz 2, 01067 Dresden 21 Societaetstheater An der Dreikönigskirche 1a, 01097 Dresden

Dresdner Musikfestspiel Magazin / 18 / Spielstätten

04

07

03

17

09

05

14

18

06

Spielstätten / 19 / Dresdner Musikfestspiel Magazin

Europäischer Geist der Musik In Dresden spürt man nun dem Originalklang nach. Einmal im Jahr kommt dafür das Dresdner Festspielorchester zusammen.

Text Michael Ernst

Niemand hat es erwartet, kaum wer hat es vermisst. Doch in seiner Geburtsstunde wurde es lauthals begrüßt und bejubelt: das Dresdner Festspielorchester, mit dem die alte Tradition des „Orchestra di Dresda“ wiederbelebt und fortgesetzt werden soll. Es ist ein echtes Kind der Dresdner Musikfestspiele, die 1978 mit den Berliner Philharmonikern unter Herbert von Karajan eröffnet wurden und seitdem so ziemlich alle renommierten Klangkörper der Welt zu Gast hatten.

Regelmäßige Konzertpartner sind natürlich auch die Sächsische Staatskapelle nebst Dresdner Philharmonie. Bislang haben sie sich wie in einer jährlich neu geknüpften Kette mit namhaften Ensembles aus aller Welt messen können, seit vorigem Jahr ist ein neuer Korpus mit ganz eigenem Profil und dennoch engster Bindung zu Dresdens Musikgeschichte gewachsen, der gleichzeitig ganz bewusst eine Lücke im Musikleben der Stadt schließt: als das erste Dresdner Orchester, das sich der historischen Aufführungspraxis verschreibt.

Was den meisten Mitmenschen hölzern und trocken klingt, lässt Kenner aufhorchen: Schrank 2, in authentischer Schreibweise, „Schrank No: II“. In diesem historischen Möbel in der so genannten Hofkirche vis-à-vis von Semperoper und Zwinger lagerten die Handschriften des abgespielten Repertoires der einstigen Hofkapelle. Inzwischen sind die etwa 1.800 erhaltenen Werke sorgfältig erfasst worden und in einem Projekt der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek Dresden für die Nachwelt dokumentiert.

Europäische Künstlerfreundschaft im Barock

Wie im frühen 18. Jahrhundert insbesondere die Pflege der Musik von Antonio Vivaldi in Dresden einen enormen Aufschwung erfuhr, so will sich das Festspielorchester heute den Fundstücken und Schätzen aus Schrank No: II widmen. Die aktuelle Initiative dazu ist dem Engagement von Johann Georg Pisendel durchaus vergleichbar, der 1716 zu Vivaldi nach Venedig reiste, sich akribisch mit dessen Kompositionsstil befasste, um ihn dann in Sachsen populär zu machen. Zwar stand er auch in Verbin-

Dresdner Musikfestspiel Magazin / 20 / Werkstatt

dung zu Giuseppe Torelli, Georg Philipp Telemann, Johann Christoph Graupner, Johann David Heinichen und Johann Sebastian Bach, doch die eng gewordene Freundschaft zum „Roten Priester“ Vivaldi wirkte sich besonders nachhaltig auf das Dresdner Musikleben aus. Denn es ist nicht zuletzt dem späteren Konzertmeister Pisendel zu danken, dass der Nachwelt die glanzvolle Epoche des „Dresdner Barock“ so vertraut geworden ist. Unter Kapellmeister Johann Adolph Hasse erfuhr das Orchester als Vorläufer der heutigen Staatskapelle nachhaltigen Aufwind.

Die Intentionen im 21. Jahrhundert sind andere als die zu Barockzeiten. Das Dresdner Festspielorchester will die Besten der Besten vereinen, um der gemeinsamen Liebe zur Musik – vorzugsweise zur Alten Musik – mit Virtuosität und vitaler Spielfreude zu frönen. Gerade in einer Stadt mit starkem Bezug zu Historie und Tradition trifft diese Ausrichtung einer orchestralen Neugründung auf große Gegenliebe, wie die Premiere im Vorjahr bewies.

Als die Musikerinnen und Musiker der renommiertesten europäischen Spezialensembles für Alte Musik

Die musikalischen Kostbarkeiten aus „Schrank No: II“ werden vom Dresdner Festspielorchester zum Leben erweckt.

ihr Antrittskonzert als Dresdner Festspielorchester gaben, geriet dies zum Triumph. Streitbare Zuschreibungen wie historische oder historisch informierte Aufführungspraxis wurden nicht gesondert betont, sondern qualitativ unantastbar in den Raum gestellt. Der Fokus Alter Musik ist ganz bewusst weit gefasst worden, 2012 reichte er bis in die Frühklassik.

Authentisches Musizieren bedeutete nichts Orthodoxes, sondern gelang auch im gekonnten Miteinander verschiedener Herangehensweisen – für eingefleischte Puristen wahrscheinlich ein inakzeptabler Dorn im rechtgläubigen Auge. Die Hüter des Schrankes sehen das gelassener, das Publikum sowieso.

Ein Klangkörper als Schmelztiegel der Besten

Mit dem italienischen Geiger Giuliano Carmignola als Konzertmeister des neuen Ensembles fanden die aus mehreren europäischen Klangkörpern stammenden und als Festspielorchester extra zusammengekommenen Instrumentalisten einen hervorragenden Vertreter sowohl für die bevorzugte Musikliteratur als auch für die Lust am frischen Interpretieren. In diesem elitären Schmelztiegel sind klang-

volle Namen wie die 1973 von Christopher Hogwood ins Leben gerufene Academy of Ancient Music, das 1981 von Frans Brüggen gegründete Orchestra of the Eighteenth Century, das 1995 durch Thomas Hengelbrock initiierte Balthasar-NeumannEnsemble oder das 1989 von John Eliot Gardiner geschaffene Orchestre Révolutionnaire et Romantique mit dem bereits 1953 von Ahnvater Nikolaus Harnoncourt gebildeten Spezialensemble Concentus Musicus Wien, dem seit 1985 bestens bestellten Il Giardino Armonico sowie dem seit 2005 bestehenden Orchester Le Cercle de l’Harmonie vereint.

Ein Mann wie der 1951 im Veneto geborene Carmignola hat natürlich das Zeug dazu, seine Orchestermitglieder mitzureißen und sie allesamt auch mal im Zaum zu halten, wenn es darauf ankommt. Dennoch steht dem Festspielorchester mit dem britischen Barockexperten Ivor Bolton ein ausgewiesener Maestro von Vielfalt und Präzision vor, der sein Kollegium sicher durch sämtliche Strömungen geleiten wird.

Für den Jahrgang 2013 sind – neben einem gewiss lehrreichen und anschaulichen Werkstattkonzert am 18. Mai im Palais im Großen Garten – wie-

derum Ausflüge ins Barockzeitalter angekündigt. Von Bach und Händel bis Fasch und Hasse reicht dann das Programm.

Man würde es vermissen, das Festspielorchester von Dresden.

01 Albertinum Technisch spektakulär und ästhetisch einzigartig war die Lösung, den Innenhof des Albertinums nach der Flut 2010 mit einem Werkstatt- und Depotkomplex zu überspannen. Dem Besucher zeigt er sich dennoch lichtdurchflutet wie ein Atrium und seit kurzem auch als Konzertsaal. So begegnen sich im Albertinum nicht nur Malerei und Skulptur, Romantik und Moderne, sondern auch Bildende Kunst und Musik von Dresdner Barock bis zur Shakespeare-Vertonung von Rufus Wainwright.

Dresdner Festspielorchester Ivor Bolton, Giuliano Carmignola, Bejun Mehta Werke von Fasch, Händel, Heinichen, Vivaldi u. a.

Mo 20. Mai 20.00

Werkstatt / 21 / Dresdner Musikfestspiel Magazin

Logistiktalent mit reicher Lebenserfahrung: Annerose Schröder beim Ortstermin in der Semperoper

V on Hölzchen und Stöckchen Wenn es gilt, das künstlerische Programm der Musikfestspiele zu organisieren, schlägt die Stunde von Annerose Schröder, der Mutter aller Künstler.

Text Detlef Eberhard Fotografie Anja Weber

„Bernstein!“ Annerose Schröder dehnt den ersten Vokal, dass er sich einzubrennen scheint in den gegenwärtigen Augenblick. Der Name löst bei ihr einen schwärmerischen Reflex aus: „Den habe ich auch noch kennen gelernt. Das war eine heiße Zeit, nach der Wende, 89. Da wollten alle in die DDR kommen und gastieren.“ Als Mitarbeiterin der Künstler-Agentur der DDR hatte Annerose Schröder nach dem Fall der Mauer gerade das Gastspiel von Colin Davis mit dem Symphonieorchester und Chor des Bayerischen Rundfunks im Kulturpalast Dresden gestemmt, da kündigte sich die lebende Legende Leonard Bernstein mit dem selben Klangkörper für Berlin an: „Das war verrückt, als er Weihnachten dann kam. Das lief alles ab wie im Film.“ So lebendig kann Erinnerung sein.

2013 nun steht Bernstein als Komponist auf dem Programm, wenn das New York Philharmonic unter Alan Gilbert bei den Dresdner Musikfestspielen in der Gläsernen Manufaktur von Volkswagen auftritt.

Vorausgehen werden ein Konzert der Amerikaner in der Semperoper und der Eröffnungsabend im Berliner Konzerthaus. Damit sind die Musikfestspiele erstmals zu Gast in der Hauptstadt. „Ein Heimspiel“, sagt Annerose Schröder, die am Prenzlauer Berg wohnt und für die Musikfestspiele an der Elbe tätig ist: „Ein Heimspiel und ein kleines Jubiläum für mich“. Seit 25 Jahren ist sie dabei und hat alle sechs Intendanten in der Geschichte des Festivals kennengelernt. Bis 1990 arbeitete Annerose Schröder im Auftrag der Künstler-Agentur der DDR für die Festspiele. Danach unterstützte sie das Festival zusammen mit Kollegen als eigenständige Agentur, wurde 1992 freie Mitarbeiterin und vor zwei Jahren schließlich Leiterin Gastspielorganisation und Produktion.

In dieser Funktion kümmert sie sich im Team um alles, was zu regeln ist, damit das Programm stattfinden kann, das Intendant Jan Vogler zusammen mit seiner Dramaturgin Katarina Hinzpeter und dem LeiDresdner Musikfestspiel Magazin / 22 / Werkstatt

ter des Künstlerischen Betriebsbüros Christian Sommerfeld geplant hat. Also alle logistischen Fragen bis hin zu den „small details“, bei deren Beschreibung sie leicht vom Hölzchen aufs Stöckchen kommt. Aber wie sollte es auch anders sein?

Am falschen Stöckchen kann’s nun mal scheitern.

Spricht man mit Kollegen, so fallen Begriffe wie „Urgestein“, „Arbeitstier“ oder „Mutter aller Künstler“. Wer bei den Musikfestspielen auftritt, kann auf die Zuverlässigkeit und die Fürsorge von Annerose Schröder vertrauen. Während sie im Vorfeld alles Notwendige mit der zuständigen Agentur geklärt hat, achtet sie vor Ort darauf, den Künstlern mit der Nähe oder Distanz zu begegnen und zur Seite zu stehen, die ihnen jeweils entsprechen und angenehm sind. Alfred Brendel zum Beispiel. „Toller Typ!“, begeistert sich Annerose Schröder. „Einmal kam er an und sagte, das Erste, was er brauche, sei eine neue Mütze. Er trug doch immer diese Baskenmützen. Also fuhr ich mit Herrn Brendel zu Karstadt und hielt Ausschau nach Baskenmützen.“ „Erspüren, was sie wollen“, nennt die 56-Jährige ihr besonderes Einfühlungsvermögen und setzt hinzu: „Eine Gratwanderung“. Allerdings speist sich diese Seismografenqualität aus bitteren Erlebnissen: „Das habe ich mir in der DDR angeeignet.“ Gerade durch die Stasi-Erfahrungen habe man gelernt, wem man vertrauen könne. „Auch wenn das jetzt keinen politischen Hintergrund mehr hat, besitze ich doch eine feine Antenne für das zwischenmenschliche Miteinander.“ Annerose Schröder weiß, wovon sie spricht. Fast 300 Seiten umfasst ihre Stasi-Akte.

Natürlich war sie dem MfS ein Dorn im Auge – sie, die Unangepasste, unzufrieden mit den Verhältnissen, Westkontakte. Aber als sie dann als eine der Ersten ihre Akte einsehen durfte – „Ich weiß noch, ich saß da in einem Raum mit Christa Wolf und ihrem Mann“ –, da war sie angesichts der Fülle doch überrascht.

Die frühzeitig gewährte Akteneinsicht hing damit zusammen, dass ihr Vater sich 1976 unter anderem aus politischen Gründen das Leben genommen hatte. Sie weist in die Ecke ihres Wohnzimmers, wo seine Mandoline steht. Es waren die Eltern, die sie an Kunst und Musik herangeführt hatten. „Als ich 11 war, sind wir schon in „Tannhäuser“ gegangen, kurz darauf in den „Parsifal“. Später war ich dann im Jugendclub des Berliner SinfonieOrchesters. Ich war schon immer den Künstlern zugewandt.“ Sie weist auf die Bilder an den Wänden, Werke befreundeter Maler. Auch in Dresden, wo sie studierte, war es die Bohème-Atmosphäre in der

Neustadt, die sie so faszinierte. „Da war die Künstlerszene versammelt. Das hatte so was Dekadentes, was von Prenzlauer Berg.“ Berlin – Dresden. Dieses Spannungsverhältnis durchzieht Annerose Schröders Leben: „Dresden ist für mich eine wichtige Musik- und Kulturstadt mit internationaler Ausstrahlung. Aber Berlin ist eben Berlin, meine Heimat. Hier lebe ich mit meinem Mann, hier habe ich meine Wurzeln.“ Und wie ist das nun also, wenn sie mit „ihren“ Festspielen zu Gast in „ihrer“ Stadt ist? „Ich find’s toll!“, jubiliert Annerose Schröder. „In Berlin bin ich natürlich im Vorteil gegenüber meinen Kollegen. Da habe ich schon mindestens 50 Konzerte am Gendarmenmarkt organisiert.“ Sie kennt die Einzelheiten, weiß, dass man die Podeste, auf denen das Orchester im Konzerthaus spielt, bei Bedarf noch hochziehen kann, dass man ... die „small details“ eben. Ob sie zu denen auch die Instrumententrucks zählt, um die sie sich kümmern muss?

Zwei 40-Tonner. Oder den Transfer von 110 Orchestermitgliedern von Berlin nach Dresden? Auf alle Fälle liebt sie das Wort „eintakten“. Sie verwendet es für die Klärung von Fragen wie: Wann wird entladen? Wann wird aufgebaut? Wann können die Proben stattfinden? Und während des Sprechens scheint sich der Ablauf des Gastspiels vor ihrem inneren Auge zu entfalten, so als werde die Gegenwart gerade von der Zukunft eingeholt.

Annerose Schröder hat viel erleben dürfen mit den Festspielen. Sie blättert durch Fotos, die sie in natürlicher Vertrautheit mit Künstlern ersten Ranges zeigen. „Werde ich nie vergessen“ – eine Bemerkung, die häufig fällt im Verlauf des Gesprächs.

Sie hat die vergangenen Ereignisse noch klar vor Augen, kann Daten in Sekundenschnelle abrufen und wirkt doch in keinem Moment rückwärtsgewandt. Man merkt, mit welcher Freude und vielleicht auch Staunen sie diese Erfahrungen gemacht hat, und spürt ihre Offenheit gegenüber allem, was noch kommen wird.

Worauf sie sich besonders freut in diesem Jahr? Annerose Schröder weiß gar nicht, wo sie beginnen soll: Jordi Savall – „habe ich ’99 in seinem Haus bei Barcelona besucht“, Simone Kermes – „noch nie zuvor live erlebt“, Rufus Wainwright – „bereits auf der Berlinale im Februar getroffen und Einzelheiten besprochen“, Kent Nagano – „verehre ich sehr ...“ Und dann die Academy of St Martin in the Fields: „Die kommen jetzt zum dritten Mal.“ Kurze Pause. „Und ich weiß auch schon wie die Podestbauten sein werden“. Sagt’s, merkt’s und lacht herzlich. Small details.

Werkstatt / 23 / Das Magazin der Dresdner Musikfestspiele

Dresdner Musikfestspiel Magazin / 24 / EmPire

Benjamin Britten, ca. 1949.

Foto: Roland Haupt. Mit freundlicher Genehmigung von www.britten100.org

Tönende Insel

Fortsetzung

Umwege, Übersetzungen

Bezeichnenderweise sind beide Werke untrennbar mit deutschen Interpreten verbunden: Der Uraufführungsdirigent der Orchestervariationen war 1899 Hans Richter gewesen und im Fall des Oratoriums ebneten erst die von Julius Buths in Düsseldorf geleiteten Aufführungen (1901/02) dem Werk seinen Siegeszug. Dass aus diesem Anlass ausgerechnet Richard Strauss dem „Meister Elgar“ seine Anerkennung aussprach, dürfte den zu diesem Zeitpunkt schon über 40-jährigen Komponisten mit besonderer Genugtuung erfüllt haben, war die Verbundenheit mit der deutschen Musiktradition doch stets ein Leitmotiv seines Schaffens gewesen. Nicht weniger als sechs Mal machte Elgar mit seiner Frau zwischen 1892 und 1902 Urlaub in den „Bavarian Highlands“, denen er 1895 einen Zyklus von volkstümlich inspirierten Chorliedern ablauschte. Der Besuch von Wagner-Aufführungen in Bayreuth und München gehörte selbstredend zum Programm dieser Erholungs- und Kulturreisen.

Ein erzkatholisches Sujet, in einer eigenständigen Anverwandlung Wagner’scher und anderer deutscher Stilmittel in Musik gesetzt: Nur aus der von Händel und Mendelssohn geprägten oratorischen Tradition in England heraus ist der schließlich auch auf der Insel durchschlagende Erfolg des „Dream of Gerontius“ zu erklären. Hier hatte ein Komponist den nationalen Tonfall über den Umweg der Übersetzung getroffen.

Wenn wiederum aus deutscher Sicht Elgar bis heute als Protagonist jener „British Musical Renaissance“ angesehen wird, die ab der Jahrhundertwende für ein Aufblühen der im 19.

Jahrhundert eher im Verborgenen und allenfalls in Pastelltönen blühenden Musiklandschaft sorgte, ist das eine logische Folge früher Einfluss- und Rezeptionsfaktoren.

Zu Parrys Studenten am neu gegründeten Royal College of Music zählte Ralph Vaughan Williams, Englands bedeutendster Symphoniker des 20. Jahrhunderts. Auch er steuerte zum „Pageant of Empire“ seinen Teil bei, unterlief allerdings in seiner „Toccata marziale“ mit leicht verhangenem Tonfall und den für seinen harmonischen Stil charakteristischen modalen Mehrdeutigkeiten den Werktitel ein Stück weit. Die ebenfalls für Militärkapelle geschriebene „Folk Song Suite“ wiederum ist ein weniger bedeutsames Beispiel für Vaughan Williams’ kreativ nachschöpfenden Umgang mit der volksmusikalischen Tradition, die er unter anderem mit der „Norfolk Rhapsody“, den „Five Variants of Dives and Lazarus“ oder, am bekanntesten, der „Fantasia on Greensleeves“ oft mit einer wehmütigen, auch den drohenden Verlust ahnenden Note in farbigen Orchester- oder Streicherstücken fortschrieb. Der von RVW (so das landesübliche, liebe- und respektvolle Kürzel), aber auch von anderen englischen Komponisten wie Charles Frederick Delius geprägte, trotz französisch-impressionistischer Einflüsse spezifisch englische Pastoraltonfall lebt bis heute in leider meist vor allem süßlichen Filmmusiken weiter. Vaughan Williams’ engster Freund wiederum, Gustav Holst, lieferte mit seiner, das englische Publikum in den Kosmos Moderne teleportierenden Suite „The Planets“ die Blaupause künftiger Science-Fiction- und Sternekriegs-Scores.

Dowland, Purcell und Great Brittens Synthese

Der Tod Gustav Holsts war nicht der einzige schwere Verlust, den das englische Musikleben 1934 zu beklagen hatte.

Im gleichen Jahr starben Frederick Delius und, am Morgen des 23. Februar, Edward Elgar. Am Abend dieses Tages konnten Rundfunkhörer der Uraufführung eines Variationenzyklus für gemischten und Knabenchor lauschen – „A Boy Was Born“.

Geschrieben hatte ihn jener damals gerade 20-jährige KompoRVW und die „British Musical Renaissance“ nist, der Elgar als international bekanntesten englischen TonDabei sind es andere Komponisten, die diese Wieder- setzer ablösen und die „splendid musical isolation“ des einstigeburt im Sinne einer Schule bildenden Tradition geprägt haben: gen Empire vor allem mit seinen erfolgreichen Opern endgültig Der mit seinem gemeinsam mit W. S. Gilbert erschaffenen Typus überwinden sollte: Benjamin Britten, dessen 100. Geburtstag der komischen „Savoy Opera“ außerhalb Englands kaum hei- heuer begangen wird. Ausgangspunkt des Werks ist ein von misch gewordene Arthur Sullivan etwa, oder Hubert Parry, des- Britten aufgestöberter Choral aus dem 16. Jahrhundert. Wie sen Kantate „Prometheus Unbound“ als einer der Marksteine der schon Vaughan Williams, der unter anderem mit seiner grandiosen Tallis-Fantasie für Streicher die englische Musikgeschichte spätromantischen britischen „Renaissance“ gilt.

Empire / 25 / Dresdner Musikfestspiel Magazin

13 Kreuzkirche Ihre jahrhundertealte Geschichte

14 Palais im Grossen Garten Kammermusik,

verbindet die Kreuzkirche am Altmarkt fest mit der Tradition

Liedgesang oder Gambenzauber – das romantische

des Chorgesangs. Das musikalische Leben gestaltet der Dresdner

Barockpalais verleiht jedem Konzert seinen ganz besonderen

Kreuzchor, einer der berühmtesten Knabenchöre der Welt. Seine

Reiz. Wie ein verwunschener Ort im Großen Garten, umfängt

Konzerte, Vespern und Gottesdienste, bei denen jeweils über

es den Besucher mit einer mystischen, träumerischen

3 000 Besucher Platz finden, zählen zu besonders bewegenden

Stimmung. Spätestens beim Blick nach draußen in die

Berührungen sakraler Musik.

herrliche Parkanlage beginnt der Zuhörer zu vergessen, dass

ElgarS „The Dream of Gerontius“

er sich eigentlich mitten in der Stadt befindet, und lässt sich

Janácek ˇ Philharmonie Ostrava, Dresdner Kreuzchor,

von der Musik in Bann ziehen.

Roderich Kreile, René Pape u. a.

Takács Quartet

So 12. Mai 20.00

Werke von Brahms und Britten Fr 17. Mai 20.00

zu vergegenwärtigen imstande war, so wählte auch Britten immer wieder Alte Musik als Bezugspunkt seines Schaffens.

Die in zwei Versionen (mit Klavier- oder Orchesterbegleitung) vorliegenden „Lachrymae“ für Soloviola zum Beispiel, eine Meditation über John Dowlands Lautenlied „If my complaints could passions move“, das auch zum Repertoire des Countertenor-Pioniers Alfred Deller gehörte. Ihm wiederum schrieb Britten die Partie des Oberon in seiner Oper „A Midsummer Night’s Dream“ auf den Leib, ein Werk, das nicht nur von Shakespeares Geist durchweht wird, sondern auch als Hommage an Englands genialen Barockkomponisten Henry Purcell verstanden werden kann. Dessen „Semi-Opera“ „The Fairy Queen“, ein ursprünglich als Einlage in Shakespeares „Sommernachtstraum“ komponiertes Werk, spielte Britten 1971 als Dirigent für Schallplatte ein.

Für sein – neben den Opern – bedeutendstes Werk, das 1962 zur Einweihung der neuen Kathedrale von Coventry uraufgeführte „War Requiem“ schließlich greift Britten auf die lange Knabenchortradition Englands zurück. Von der Orgel grundiert, bildet der einstimmige, auf den gregorianischen Choral anspielende „Boys Choir“ eine eigene Klang- und Ausdrucksinsel neben den vom Kammerorchester begleiteten männlichen Solisten und den vom Solosopran überwölbten, großorchestral getragenen Chorgebeten. Erst am Ende gehen diese Klangkörper eine fragile Synthese ein – ein letztes Fragezeichen des Pazifisten Britten hinter seiner Vision einer friedlichen Welt.

Nachtrag für Freunde des immerwährenden Klischees: Der „Pageant of Empire“ von 1924 musste wegen Schlechtwetter mehrfach verschoben werden und fand schließlich größtenteils im Regen statt.

Dresdner Musikfestspiel Magazin / 26 / Empire

03 Deutsche Werkstätten Hellerau „Leben und Arbeiten, Kultur und Natur“, in der ersten deutschen Gartenstadt Hellerau brachte der WerkbundMitbegründer Karl Schmidt alle Bereiche in Balance.

Dieser visionären wie zeitlosen Idee kann noch immer nachgespürt werden, wenn das Herzstück der Anlage, das Gebäude-Ensemble Deutsche Werkstätten mit seinem Innenhof beschwingten Open-Air-Konzerten den Rahmen bietet.

London Brass Bearbeitungen von Werken J. S. Bachs, Dvoráks, Villa-Lobos’, Ellingtons u. a.

Fr 31. Mai 20.00 19 Schloss Wackerbarth Musik und Wein gingen schon immer ausgezeichnet einher. Bei den Festspielkonzerten am Fuße der Radebeuler Weinberge verbinden sich Tradition und Zeitgeist zu einem besonderen Erlebnis: In der modernen Manufaktur der ältesten Sektkellerei Sachsens, welche die barocke Schloss- und Gartenanlage beherbergt, finden sich alljährlich die jungen herausragenden Stimmen der Klassik ein.

Violinrecital Chad Hoopes Werke von J. S. Bach, Brahms, Elgar, Ravel u. a.

Sa 18. Mai 20.00

Wo in Dresden gelingt es Ihnen abzuschalten? Das

Wo zieht es Sie hin, wenn Sie in Dresden sind?

Wohin in Dresden ziehen Sie sich in einer Stunde

Grüne Gewölbe mit seinen Schätzen fasziniert

Nach Hause! Ich bin so viel unterwegs, dass ich das

Probenpause zurück? Wenn mir während der

mich immer wieder aufs Neue. Hier vergesse ich

am meisten genieße. Die Ecke zwischen Blauem

intensiven Proben für die diesjährigen Konzerte

die Zeit um mich herum. Ebenso wie auf einem

Wunder und Pillnitz – da halte ich mich sehr gerne

des Dresdner Festspielorchesters eine Stunde Zeit

Dampfer, mit dem Blick auf die Altstadt, auf der

auf. Der musikalisch wichtigste Ort ist für mich die

geschenkt würde, dann würde ich sie nicht in

Elbe schippernd in Richtung Sächsische Schweiz,

Kreuzkirche, denn das Singen im Kreuzchor ist eine

einem der vielen schönen Restaurants, sondern in

um den Sommertag dann auf Schloss Pillnitz bei

prägende Erfahrung meiner Kindheit.

der Gemäldegalerie vor der Sixtinischen Madonna

einem kühlen Bier ausklingen zu lassen.

René Pape — Bass

verbringen. Dieses Bild kann man nicht oft genug

Simone Kermes — Sopran

sehen. Auch die Semperoper fasziniert mich immer wieder. Hier treffen Musik und Magie aufeinander, denn das Gebäude atmet nicht nur die Atmosphäre der aktuellen Produktionen, sondern auch die ungeheure Tradition und Geschichte mit all den großen Werken der Opernliteratur, die hier auf die Welt gekommen sind wie „Der fliegende Holländer“, „Der Rosenkavalier“ und so viele andere.

Oliver Kersken — Hornist und Organisator

Dresdner Festspielorchester

Welches Gemälde fängt in Ihren Augen am besten

Wenn Sie eine Stunde geschenkt bekämen, an

die Seele der Stadt Dresden ein? Nicolas Poussins

welchem Ort in Dresden würden Sie diese am

„Das Reich der Flora“ – die Gestorbenen überleben

liebsten verbringen? Wenn das Wetter nun endlich

als Blumen – Verlust und Verwandlung, Zartheit

schöner und milder ist, nutze ich diese geschenkte

und dauerndes Leben, Tod und Wiederauferstehung.

Stunde für einen Spaziergang an der Elbe entlang

Hartwig Fischer — Generaldirektor der Staatlichen

und überlasse mich ganz meinen Gedanken. Ich

Kunstsammlungen Dresden

spaziere bis nach Blasewitz, genieße den Anblick des Blauen Wunders und kehre im Schillergarten ein, wo ich häufig jemanden aus meinem Bekanntenkreis treffe. Dem Sammeln meiner Gedanken folgt dann der Gedankenaustausch, den ich so sehr schätze.

Wolfgang Rothe, Sächsische Staatsoper Dresden —

Kaufmännischer Geschäftsführer

Aus Dresden / 27 / Dresdner Musikfestspiel Magazin

500 g Boskop, geschält und in Spalten

Einen Streuselteig aus 100 g Butter, 100 g Demera Zucker, 175 g Mehl und kleingehackten Haselnüssen, einigen wenigen WAlnüssen und Mandel– splittern kneten.

geschnitten, mit Zitronensaft beträufeln und in eine mit Butter eingeriebene Auflaufform geben. Zu den Äpfeln etwas Wasser in die Form geben, dazu 30 g Braunen Zucker, etwas Muskatnuss und eine kleine zerbrochene Zimtstange Mit den Fingern zerkrümeln und auf den darüberstreuen, außerdem ein paar Äpfeln verteilen.

* „Capell-Compositeur“ der Staatskapelle Dresden 2010, Komponistin, Professorin in Hannover und geboren in London.

Illustration Gesine Grotrian

Butterflocken.

Bei 200 Grad / Gas 4 bis 5 im vorgeheizten Ofen etwa 25– 30 Minuten backen, bis er oben leicht braun wird.

Warm mit Vanilleeis oder Schlagsahne servieren. Lecker schmeckt der Crumble auch, wenn zu den Äpfeln Brombeeren oder Rhabarber gemischt werden.

Impressum Dresdner Musikfestspiel Magazin An der Dreikönigskirche 1 01097 Dresden Telefon 0049351 / 478 56-0 Fax 0049351 / 478 56-23 info@musikfestspiele.com www.musikfestspiele.com

Apple Crumble

by Rebecca Saunders*

Herausgeber Intendant Jan Vogler V.i.S.d.P. Redaktion Juan Martin Koch neue musikzeitung, ConBrio Verlagsgesellschaft Regensburg, Susanne Lutz Dresdner Musikfestspiele Texte Albrecht Dümling, Detlef Eberhard, Michael Ernst, Hartmut Fladt, Ursula Gaisa, Juan Martin Koch, Adina Rieckmann, Thomas Rosenlöcher Fotografie & Illustration Gesine Grotrian, André Rival, Anja Weber Bildredaktion Art Direktion & Design Gesine Grotrian & Patricia Jaecklin www.grotrianleitzgen.de www.machmabunt.de Lithografie Robert Strack, Europrintmedien GmbH, Berlin Druck Druckerei Thieme, Meißen www.bythieme.de Papier maxioffset und maxigloss Igepa group produced bei UPM Auflage 2013 / 32.000 Nachdruck nur nach vorheriger Einwilligung. Alle Rechte vorbehalten

Dresdner Musikfestspiel Magazin / 28 / TEA TIME

Wie ich doch noch zu den Wiener Philharmonikern kam Text Thomas Rosenlöcher

Bei den vorjährigen Musikfestspielen hat mich ein Kunststadtdresdner in der Semperoper als den größten Lügner der Gegenwart bezeichnet. Nur weil ich in einem Zeitungsbeitrag festgestellt hatte, ausgerechnet für die Wiener Philharmoniker keine Karte bekommen zu haben. Übrigens soll ich auch dieses Jahr wieder etwas über Dresdens alljährliche Salzburgisierung schreiben. Angemessene Worte schweben mir allerdings noch nicht vor. Habe mir erst einmal die Programmbroschüre kommen lassen. Doch was heißt Broschüre? Reklame abgerechnet, immerhin achtzig Seiten; ein ganzes Büchlein also. Das diesjährige Thema: „Empire“. Vorn darauf abgebildet: Eine rote Telefonzelle im Meer. Eben das, was von einem Empire (sächsisch: „Emmbeier“) so bleibt. Was aber bleibt, ist das Imperium der Musik. Die Gegenwelt der Kunst. Die nun über die Horizonte bis nach New York transzendiert. „Orchester aller Länder vereinigt Euch! Die Finanzimperien zu violinisieren!“ Nein, angemessene Worte schweben mir noch nicht vor. Ohnehin wichtiger, sich erst einmal die Konzerte anzukreuzeln, die auf keinen Fall verpaßt werden dürfen. Und die Berühmtheiten zu durchblättern, die diesmal nach Dresden kommen. Daß Berühmtheiten nach Dresden kommen, sollte uns Dresdnern wirklich vergönnt sein. Hat man uns doch vor Jahren schon – nur wegen einer überall üblichen Stadtzerstörungsmaßnahme – den Weltgeltungstitel aberkannt. Was hier freilich nur denen weh tut, die das zu verhindern suchten. Wogegen sich die Dünkeldresdner (Kraftfahrzeugkennzeichen: DD) natürlich auch ohne Weltgeltungstitel für weltbedeutend halten.

Ausschließlich nur Berühmtheiten ankreuzeln, ist freilich bei mir nicht allzusehr Praxis. Aus dem Literaturbetrieb weiß ich, daß gerade Berühmtheiten manchmal so berühmt gar nicht sind. Und daß es sich oft auch nur um die Unvermeidlichen handelt. Ohnehin gehe ich als Lyriker am liebsten in Kammermusik. Wenige Instrumente reden oft viel direkter zu mir.

Besonders gern bin ich im Großen Garten, in dem dortigen Palais, das böse, rohe Wände hat und mir vollkommen vollständig erscheint mit seinen Stuckfragmenten. Im vorigen Jahr bin ich einmal sogar ohne Eintrittskarte in ein dortiges Konzert gegangen. Um mir, auf einer Parkbank sitzend, die Rosen violinisieren zu lassen. Worauf ein Platzregen niederging; das war der Beifall von drinnen. Dann aber oben auf der Freitreppe: Jan Vogler, der Intendant der Festspiele. Der als Cellist zu ganz besonderer Präsenz begabt ist. Jetzt allerdings offenbar fort mußte, trotzdem aber kurz auf mich zukam: Er habe leider einen Termin; ob ich für ihn weiter zuhören wolle? Dann: kurze Geste in Richtung des oben harrenden Einlaßmädchens. Dann: ich hinein, unter Beifallsplatzregen, bis ich Voglers Platz erreichte, wobei der Beifall natürlich nicht mich, sondern die Musiker meinte. Ich selbst

allerdings anfangs noch etwas unkonzentriert; immer wieder den Kopf umwendend, um mich zu vergewissern, ob die Kunststadtdresdner auch bemerkten, daß ich auf dem Stuhl des Intendanten saß.

Kurz: fünf Karten – allein für das Palais angekreuzelt.

Nicht wenig für einen, der sein ökonomisches Unvermögen durch Lyrik zu bewahren versucht. Sollte ich mir da auch noch die Londoner und New Yorker ankreuzeln? Zu schweigen von der Academy of St Martin in the Fields? Die mir im Ostblock tatsächlich Akademie gewesen ist. Mir Haydn, Mozart näher brachte, in der „Stunde der Klassik“, im Deutschlandfunk, in den hinein ich damals innerlich emigrierte? Wobei St Martin für mich tatsächlich in den Feldern stand. Und nicht mitten in diesem – durch Stadtzerstörung teilweise auch schon unbetretbaren – London.

Nun, da muss man sich wohl beeilen! Wie im vorigen Jahr bei den Wiener Philharmonikern. Daher ja damals die Feststellung, keine Karte bekommen zu haben. Irgendwer, dachte ich, hat eine Karte übrig. Und mochte sie mir beiläufig in die Jackentasche stecken: „Viel Freude, Herr Rosenlöcher“. Doch nein, wochenlang nichts. Doch ja: Billet im Briefkasten; erst kurz nach knapp bemerkt! Ach, wie bin ich über die Augustusbrücke gehechtet. Bei Eintritt ebenfalls Beifall, diesmal für Barenboim. Aber wie leicht und durchsichtig sie spielten. Jede einzelne Note verstand ich, und jede Note sprach zu mir. Und dann dieser Dirigent! Manchmal mit den Violinen mitsägend, manchmal wünschelrutenartig, durch Erddirigat Mozarts Tiefen beschwörend. Und dann wieder bloß da stehend, als erster Zuhörer im Rund. – Gleich in der Pause trat allerdings dieser Kunststadtdresdner hinter dem Säulenwald in der Semperoper hervor: „Wieso stehen Sie hier? Wo sie doch angeblich keine Karte haben…!“ – Erst Tage danach kam mir der Gedanke, daß er womöglich derselbe war, der mir das Billett in den Briefkasten gesteckt hatte. Stand doch, winzig, auf der Rückseite geschrieben: Sehr geehrter Herr Lyriker! Wenn Sie diese Karte in Anspruch nehmen, gehen Sie damit die Verpflichtung ein, sich künftig jeder abschätzigen Bemerkung über unser Dresden und die Dresdner zu enthalten. – Ihr, ihr Gesamtwerk ablehnender, Sie aber trotzdem im Auge behaltender Sponsor.

Nun, was Dresden anging, habe ich seither auffällig geschwiegen. Und mir vielleicht durch mein Schweigen wieder eine Freikarte erkauft. Ja, vielleicht sogar mehrere! Einen Satz habe ich jedenfalls schon für meinen Musikfestspielbeitrag: Haben Sie eine Karte für mich?

Auf Wunsch des Autors in alter Rechtschreibung. aus Dresden / 29 / Dresdner Musikfestspiel Magazin

Beim Cream Tea im Café England, England am Martin-Luther-Platz in der Dresdner Neustadt fühlt man sich der Insel ganz nah.

Auf eine Tasse Tee mit Rufus Wainwright Text Ursula Gaisa Fotografie Anja Weber Illustration Gesine Grotrian

In einem Interview mit einer deutschen Zeitung 2009 bezeichnen Sie sich als „Traditionalist“. Haben Sie ein besonderes Verhältnis zum britischen Empire? Zu den Royals etwa? Im Video zu „Out of the Game“ leiht Helena Bonham Carter Ihnen ihren Körper...

Ich bin definitiv ein glühender Anhänger der „Alten Schule“. Ich denke, das hat im Grunde alles mit einer gewissen Qualität zu tun, mit dem Vergnügen an allem, was die Zeit überdauert. Und man kann von der Königlichen Familie denken, was man mag, sie hat ganz sicher diese Art von Qualität!

auf dem Spielplan des Berliner Ensembles. Mein Lieblingssonett ist übrigens „Farewell! Thou Art Too Dear For My Possessing“.

Wie war das dann für Sie, im Royal Opera House in London aufzutreten? Fühlen Sie sich inspiriert vom britischen Lebensstil?

Für einen Amerikaner ist es leicht, das Britische zu lieben, man hat einen gewissen Abstand dazu. Ich bin mir sicher, wäre ich Engländer, hätte ich einen bodenständigeren Ansatz, vieles ist einfach Schwärmerei.

Dann freuen Sie sich sicher auf Ihr Konzert am 2. Juni im Albertinum in Dresden. Es wird dort parallel eine Ausstellung geben mit Kunst des frühen 19. Jahrhunderts: Werke von Delacroix, Constable, Friedrich oder Goya. Beeinflusst Sie die Bildende Kunst?

Ich bin ein ausgesprochen visueller Mensch, ich war sogar einmal auf einer Kunstakademie. Und irgendwann würde ich sehr gerne wieder malen. Die Stille inspiriert mich.

2009 komponierten Sie die Musik für „Shakespeares Sonette“ von Robert Wilson. Warum hat er Sie damit beauftragt?

Ich hoffe, er gab mir den Auftrag, weil er dachte, dass ich der Richtige dafür bin. Es war auf jeden Fall ein großer Erfolg und steht immer noch Dresdner Musikfestspiel Magazin / 30 / Tea Time

Ihr Album „Release The Stars“ wurde in Berlin-Köpenick aufgenommen. Übt die europäische, insbesondere die deutsche Kultur eine besondere Faszination auf Sie aus?

Wenn überhaupt, dann stehe ich viel mehr auf die deutsche Kultur als auf die englische: Musik, Theater, Kunst – alles erste Sahne.

Ist Ihr privater Stil auch so glamourös und extravagant wie auf der Bühne?

Darauf können Sie wetten!

Partner

Projektpartner

Kooperationspartner

Medienpartner

Die Dresdner Musikfestspiele sind eine Einrichtung der Landeshauptstadt Dresden und werden gefördert vom Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst.

f 체 r k u lt u r l a n d s c h a f t s e n t d e c k e r

f oto: d r es d n e r m u s i k fes t s p i ele 2 012 pat r i c i a ko patc h i n s k a ja , V i o l i n e | m i h a e l a u r s u l e a s a , k l aV i e r a m 26 . 0 5 . 2 012 i n d er g l 채 s e r n e n m a n u fa k t u r

Besuchen Sie den Ort, an dem Automobilbau zum kulturellen Ereignis wird. Als Premium-Partner der Dresdner Musikfestspiele wird die Gl채serne Manufaktur 2013 zur einzigartigen Klangwelt eines Neuarrangements von Magnus Lindbergs Orchesterwerk KRAFT, das exklusiv auf den Raum der Fertigungsst채tte zugeschnitten ist. Das New York Philharmonic unter Alan Gilbert bringt dabei auch Karosserieteile des Phaeton zum Klingen. w w w. g l a e s e r n e m a n u fa k t u r . d e