INFO 1/2019 - Vielfalt bei Jugendbegegnungen

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INFO DPJW 1/2019

ETHNISCHE UND KULTURELLE VIELFALT

Sternchen und Bilateralschäden

FOTO: VERENA BURGER

Was steckt eigentlich hinter „deutsch-polnisch“ in deutsch-polnischen Begegnungen? Nationalität, Herkunft, Wohnort, Identität? Kommen bei einer Begegnung nicht viel mehr Kulturen ins Spiel, die es zu entdecken gilt? Es ist Länderabend. Die „Deutschen“ braten Würste, die „Polen“ üben einen Tanz. Schwach erinnern wir uns noch an Zeiten, als diese Klischeeschlacht unverzichtbarer Teil internationaler Projekte war. Wie auch bei anderen Bildungsstätten finden bei uns schon lange keine derartigen bilateralen Begegnungen – oder besser: Aufprälle – mehr statt. „Deutsch-polnisch“ sieht da eher so aus: In Mikuszewo treffen Schülerinnen und Schüler aus Poznań und einer bayerischen Kleinstadt zusammen. Sie sollen sich im Raum auf einer imaginären Landkarte aufstellen und ihren Geburtsort sichtbar machen. An einer Stelle kichern ein paar Jugendliche. Sie versuchen gerade, gemeinsam Platz auf einem halben Quadratmeter zu finden. Woanders quetschen sich welche übertrieben gegen die Wand um zu zeigen, dass sie an einem Ort geboren sind, der in diesem Raum nicht darstellbar ist. Das Bild, das sich am Ende ergibt, ist eins von vielen Symbolen einer „deutsch*polnischen“ Begegnung – mit Sternchen, weil es zwischen deutsch und polnisch und darüber hinaus noch sehr viel mehr gibt, über das es sich zu sprechen lohnt! Bei einer Begegnung treffen irakische Kinder aus einer Gemeinschaftsunterkunft auf Geschwister mit britischem Vater. Ein Potsdamer Kind polnischer Eltern spricht zum ersten Mal mit in Polen

lebenden Roma, Jugendliche mit überwiegend deutschen Wurzeln lernen eine in Vietnam geborene Krakauerin kennen, und ein Junge aus einem Dorf bei Łódź quatscht mit Berliner Mädchen dritter türkischer Einwanderungsgeneration. So vielfältig wie die geografische und kulturelle Herkunft sind die Religionen der Teilnehmenden, ihre Wünsche, sexuelle Identität, Erfahrungen und so weiter. Was passiert bei so viel kultureller Vielfalt im Laufe von Begegnungen und wie erreichen wir, dass sie überhaupt stattfinden – und dabei bereichern und nicht etwa verstören?

Karten neu gemischt Bei einer Begegnung landet der aus Bosnien geflüchtete Neven (Name geändert) auf dem Zimmer mit zwei Berliner Gleichaltrigen. Für diese ist sofort klar, wer hier „nicht so richtig passt“, was sie ihn deutlich spüren lassen. Klar, indem wir miteinander reden, lernen wir uns kennen. Aber Sprache kann auch ausgrenzen. Ebenso wie Kleidung, Gestik und anderes mehr dient sie der Distinktion und ermöglicht umgekehrt festzustellen, wer aufgrund der geografischen oder sozialen Herkunft dazugehört oder eben nicht.

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