openthing - die virtuelle Datenarchitektur

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Openthing – die virtuelle Datenarchitektur

Thomas Wagensommerer

diese Bachelorarbeit wurde verfasst als Abschlussarbeit des Studiengangs „Medientechnik“ der Fachhochschule St. Pölten unter der Betreuung von Mag. Markus Wintersberger

von

Thomas Wagensommerer / 2009 Tm061084

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Thomas Wagensommerer

Absichtserklärung Diese Arbeit behandelt das Projekt „openthing“ der Firma „consulting & service solution Gmbh“. Dieses Projekt wurde von mir konzipiert und mit der Unterstützung von Mag. Michael Bernold weiterentwickelt. Es ist ein offizielles Projekt des „Jahres der Kreativität und Innovation 2009“ der Europäischen Union. Die folgende Arbeit ist eine subjektive Abhandlung konkreter und abstrakter Inhalte, deren Streitwert ein sehr hoher ist. Ich umgehe diese Streitbarkeit und führe persönliche Ideenkonstrukte aus und erhebe folglich keinen Anspruch auf Vollständigkeit und objektive Richtigkeit. Ich möchte diese Arbeit als Möglichkeit nutzen um die theoretischen Ansätze der eingeführten Begriffe von Virtualität, Räumlichkeit, Information abzuhandeln um folglich auf das konkrete Projekt „openthing“ zu schließen. Wie eingangs schon erwähnt handelt es sich hier um eine sehr persönlich gefärbte Darstellung von Inhalten und Theorien. Ich versichere hiermit diese vorliegende Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen verfasst zu haben und Referenzen, sowie Zitate stets genauestens angeführt zu haben. Weiters möchte ich jede einseitige Verwendung eines Geschlechts nicht als Vorzug von eben diesem verstanden wissen. Ich möchte mich sehr herzlich bei Mag. Markus Wintersberger für dessen Betreuung bedanken, sowie ebenfalls bei Mag. Michael Bernold für dessen Unterstützung und Zusammenarbeit, sowie die gebotenen – überaus luxuriösen - Möglichkeiten um diese Arbeit zu vervollständigen.

6.6.2009, St. Pölten / Wien

Thomas Wagensommerer

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Inhaltsverzeichnis

1_Ein virtueller Raum oder eine räumliche Virtualität?_______________________04

2_Konkretisierung von „openthing“_____________________________________ 31

3_Zusammenfassung des Projekts_____________________________________ 42

4_Conlusio_______________________________________________________ 46

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1_Ein virtueller Raum oder eine räumliche Virtualität? Die Welt ist keine reale Einheit. Vor allem ist sie keine einheitliche Realität. Die Welt und deren wichtigster Inhalt „Information“ sind keine lediglich real existenten Komponenten mehr. Sie sind eben mehr. Mehr als real, mehr als unmittelbar, mehr als evident, mehr als jetzt. Sie sind allgegenwärtig, zeitlich und räumlich ungebunden, abstrakt und/oder konkret, nicht bedingungslos anschaulich. Sie sind virtuell, jedoch somit auch wieder real. Information ist durch diese - glücklicherweise stetig zunehmende - Virtualisierung zu einem körperlosen Objekt geworden, welche jedoch

durch Verschränkungen mit

Subjekten (also Personen, die diese Informationen besitzen, fördern, fordern, zurückhalten, weiterentwickeln, etc.) zu individualisiert angepassten Formen werden. Genauer gesagt zu mehrdimensionalen Räumlichkeiten, auf welche sich nur mehr bedingt logische, empirische und geometrische Grundlagen anwenden lassen. Sie sind Meta-Architekturen.

Dieser Ansatz der Umsetzung abstrakter Inhalte auf räumliche Strukturen ist jedoch keinesfalls ein neuer. Ende der 1980er Jahre geschah ein gesellschaftliches Umdenken, welches den Raum (genauer u.a. den geographischen Raum) als „kulturelle Größe“1 anerkennt und folglich nicht mehr lediglich die „Zeit im Zentrum kulturwissenschaftlicher Untersuchungen steht, wie dies in der Moderne der Fall war, sondern ihr nun auch der Raum an die Seite gestellt wird.“ 2. Diese Wende der bis dahin relativ eingesessenen Theorien wird u.a. als „spatial turn“3 bezeichnet.

1

http://de.wikipedia.org/wiki/Spatial_turn, 4.5.2009, 10:20 Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie, Artikel spacial turn, S. 664, Stuttgart 2008 3 Bachmann-Medick 2007; Schlögel 2003 2

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Wie in meiner Einführung bereits angemerkt, hat das aufkeimende Internet in den 1980er Jahren einen wesentlichen – wenn nicht den wesentlichen – Teil dazu beigetragen,

dass

sozial-

und

kulturwissenschaftliche

Strukturen

und

Darstellungsmöglichkeiten begrenzt und veraltet waren und neu überdacht werden mussten.

Die große Neuerung der Denkweise ist die Anregung den Raum nicht mehr als Gefäß mit menschlichem Inhalt (so zum Beispiel ein Staat, eine Berufsgruppe, etc.) zu sehen, sondern einen Raum mit variabler Gestalt, dessen Form sich aufgrund und folglich der (sozialen) Handlungen der Personen zu einander verändert, entstehen zu lassen. Es folgt daraus ein geometrisch nicht vollends (bzw. nur schwer) zu erfassender Raum, da sich – diese Idee weitergedacht – der Raum in jedem Augenblick der Betrachtung (aufgrund u.a. der Betrachtung) ändert. Wenn er sich nicht ändert, ist das Faktum, dass er durch Betrachtung bzw. Beobachtung unverändert bleibt schon eine Qualität, ein Parameter an sich. Oft werden Soziogramme (siehe Abb.1)

als Beispiel für diese neue Form von Raum als

Darstellungsraum von sozialen und kulturellen Ein-/Vielheiten gebracht. In meiner Ansicht ist das kein Beispiel, welches meine Ideen einer radikalen, menschlich bedingten Raumdynamik zufrieden stellend symbolisiert.

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Abbildung 1_Soziogramm (Symbolisierung einer Gruppe und deren Beziehungen)

Besser wäre eine Darstellung in der sich in jedem Moment die Beziehung der Gruppenmitglieder ändert und somit auch (und nicht nur!) die Randbedingung der Gruppe an sich in jenem Moment, in dem die Gruppe von außen betrachtet wird. Natürlich wäre ab diesem Zeitpunkt der/die BetrachterIn ein neuer Teil der Gruppe und nicht mehr (nur) BetrachterIn. Eine neue Räumlichkeit ist somit entstanden und bereit verändert zu werden. Diese Idee folgt der Theorie des „relationalen Raumes“, welche der des „absoluten Raumes“

gegenübersteht.

Beide

stellen

gemeinsam

die

gedankliche

Weiterentwicklung der Euklidʼschen Geometrie (insbesondere Euklidʼscher Räume)

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dar. Dieses antike Gedankenkonstrukt ist auch gemeinhin – und wie ich finde sehr illustrativ- bekannt als „Räume unserer Anschauung“4. Unter anderem liefert Euklid Überlegungen und die ersten Definitionen von Dimensionen. Darunter Definitionen von Punkt (1. Dimension), Gerade (2. Dimension), Ebene (3. Dimension). Natürlich dürfen die beiden oben angeführten Konzepte von „absolutem Raum“ und „relationalem Raum“ nicht als Ablöse der Euklidʼschen Geometrie verstanden werden. Diese behält natürlich grundlegend ihre Gültigkeit, jedoch wurde ihre Ausschließlichkeit laviert.

-

Absoluter Raum5

Unter absolutem Raum versteht man die Ansicht eines Raumes als Gefäß, in welchem Objekte vorzufinden bzw. in welches man Objekte platzieren kann. Demnach ist der Raum lediglich Randbedingung für dessen Inhalt. Hierdurch entsteht eine strikte Trennung von Raum und Körper (Inhalt).

-

Relationaler Raum6

Hingegen definiert sich der relationale Raum aus der Struktur der relativen Lage der Körper (also auch zueinander).

Zusammenführend ist es wichtig die Auffassung des Raumes nach Immanuel Kant zu betrachten. Kant beschäftigt sich mit dem Raum durch die Herangehensweise des Menschen an den Raum, also durch u.a. die Wahrnehmung. Laut Kant sind Raum, sowie auch Zeit, „(apriorische) Formen unseres (des menschlichen) äußeren 4

http://de.wikipedia.org/wiki/Euklidischer_Raum, 4.5.09, 13:38 http://de.wikipedia.org/wiki/Raum_(Philosophie), 4.5.09, 14:41 6 ebenda 5

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Anschauens und inneren Empfindens“7. Der Raum ist somit Bedingung für das – subjektive - sinnliche Empfinden (seiner Inhalte), jedoch nicht für die Wahrnehmung des Raumes an sich. Dieser kann nicht wahrgenommen werden. Er ist eben a priori vorhanden.

Die Entgegnung dieser Theorie rührt aus der Medizin. Laut Ansichten basierend auf anatomischen Gegebenheiten beruht die Raumwahrnehmung auf Vorraussetzungen des menschlichen Gleichgewichtsorgans, des Ohres. In diesem Gleichgewichtsorgan befinden sich 3 mit Flüssigkeit gefüllte Bögen, deren räumliche Anordnung jeweils einer uns gedachten Dimension entspricht. Dieser Theorie zufolge ist der Raum per se

schon

wahrzunehmen,

da

es

adäquate

anatomische

Entsprechungen

(Rezeptoren) gibt. Hier wäre anzumerken, dass die Erklärung an sich eine sehr einleuchtende ist, wenn auch meiner Meinung nach keine umfassende. Dieser Theorie wäre zu entgegnen, dass der Raum ohne zusätzliche Informationen nicht bestimmt – vielleicht aber wahrgenommen aber nicht benannt – werden kann. Es können die Auswirkungen einer fehlerhaften Raumwahrnehmung (z.B.: Gehörsturz oder Schwindel) festgestellt und somit auf den eigentlichen „regulären“ Zustand rückgeschlossen werden.

Wenn man obige Ansätze weiterdenkt, muss es immer einen Raum geben, in dem sich Inhalte befinden, woraus sich ein Raum im Raum ergibt. Folglich muss es aber auch – und das wäre der absoluteste Raum aller Räume – immer einen Raum geben in dem sich der aktuell betrachtete Raum befindet. Also ein Streben in Richtung

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“Immanuel Kant”, Otfried Höffe, 2007, S.86 8 von 8


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Unendlichkeit und dies in die positive (also größer werdende) als auch in die negative (also kleiner werdende) Richtung. Nun stellt sich die Frage ob es in dieser positiven oder negativen Unendlichkeit einen absoluten (-> auf alle Allgemeinheiten anwendbaren und alle Fragestellungen beantwortenden) Raum gibt. Den Erfahrungswissenschaften zufolge wäre die Antwort darauf bis zum heutigen Tage: Nein. Die Vernunftwissenschaften – wie zum Beispiel die Philosophie eine ist – wollen diese Antwort nicht ohne weiteres akzeptieren. Denn schon die Möglichkeit des Menschen über etwas das „darüber oder darunter liegt“ nachzudenken, ohne die Sache an sich jedoch fassen zu können, führt automatisch zu der Tatsache, dass es etwas (und wenn es nur projizierte Vorstellungen [vgl. Konstruktivismus] sind) gibt. In diesem konkreten Fall wäre das ein gedanklicher Raum, welcher alle für uns denkbaren Inhalte einschließt. Meiner Meinung nach würde das folglich zu jenem Beispiel führen, dass wir den Raum, in welchem sich das Universum aufhält deshalb nicht ausmachen können, weil wir dessen Inhalt, sprich das Universum, an sich nicht fassbar machen können und es als grenzenlos, wenn auch als nicht unendlich, bezeichnen.

Betrachtet man relationale Räume innerhalb absoluter Räume (so dies möglich sein sollte) – also eine theoretische Mischform der Annäherungen an die Frage nach dem Raum – so stößt man bald auf die Frage nach der Manifestation des Raumes. Umgangssprachlich und undifferenziert gesprochen: Ist der Raum echt? Abgesehen davon, dass man die Frage nach der Echtheit von Dingen (objektiv) nicht beantworten kann und der Auseinandersetzung mit diesem Thema ganze

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Fachbereiche und Disziplinen, wie der Konstruktivismus und die Ontologie, gewidmet wurden, würde eine Ausführung wohl auch den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Vielleicht kann man sich der Antwort auf diese Frage aber annähern, indem man versucht die Echtheit dieser Räume, jedoch eigentlich die Echtheit der ihnen innewohnenden Informationen, anders zu denken? Die Informationen, also auch zum Beispiel die Inhalte eines Raumes als auch die Untersuchung nach einer Beziehung dieser Inhalte zueinander, wie auch die Struktur dieser Beziehungen von Inhalten zueinander sind subjektive. Eine objektive Wahrheit kann und soll nicht festgestellt werden. Der Austausch von Informationen (also die menschliche Kommunikation!!!! [siehe Abb.2]) ist eine Abbildung einer Vernetzung von subjektiven Wahrheiten. Man könnte dies auch – und das will ich hiermit tun – als Virtualität bezeichnen.

Abbildung 2_Kommunikationskette

Wie ich eingangs – absichtlich überspitzt - beschrieben habe ist die Welt in der wir leben keine lediglich reale mehr. Erklärend gesprochen beziehe ich mich jedoch nicht auf die Gegenüberstellung von Realität als Existierendes und Virtualität als NichtExistierendes. Ich möchte die Begriffe in meinen Ausführungen – die wie oben vermerkt keinen Allgemeinheitsanspruch besitzen – als momentan Vorhandenes (real) und stetig Zugängliches (virtuell) verstanden wissen. Hiermit beziehe ich mich auf Gilles 10 von 10


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Deleuze, welcher „virtuell“ „tatsächlich“ sowie „real“ „möglich“ entgegenstellt. Deleuze verweist hier den Terminus „Virtualität“ also auf einen Aspekt der Realität, der nicht materiell ist8. Verglichen kann dies zum Beispiel mit dem Arbeiten an einem Computer werden. Das Angezeigte des Bildschirms ist die Repräsentation von Prozessen der Hardware. Es kann jedoch mit dieser Repräsentation interagiert werden und somit ist das Gesehene als real, wenn auch als immateriell zu bezeichnen.9 Davon ausgehend spinnen sich meine Überlegungen weiter zu einer Nicht-Örtlichkeit (also Utopie) und einer Nicht-Zeitlichkeit von Information. Die Virtualität von Information entsteht aus der (theoretisch) stetigen Zugänglichkeit und der örtlichen, sowie zeitlichen Ungebundenheit, ohne jedoch den Grund der Information zu vernachlässigen (vgl. Bsp Bildschirm & Hardware). Genau dieses Faktum führt zu der Möglichkeit zur Mehrdimensionalisierung von Information. Aufgrund der technischen, aber vor allem der gesellschaftlichen Vorraussetzungen durch Errungenschaften der Postmoderne ist es gelungen Information personalisiert zugänglich zu machen. Eigentlich müsste ich meinen Überlegungen zufolge richtig sagen, dass die Information genau genommen nicht personalisiert wird, sondern sie individuell abgeholt werden kann. Es erfolgt – und das ist nun ein wichtiger Sprung – eine Demokratisierung von Information, ohne jedoch die Subjektivität durch das Erringen einer neuen Objektivität aufzugeben. Alleinig die Anordnung und die Verteilung von Information können demokratisiert (und somit zu einem gewissen Grad objektiviert) werden. Die Information an sich kann und soll das nicht. Der vorrangige Anspruch an Information muss subjektiv sein. Natürlich muss es - um z.B.

8 9

http://en.wikipedia.org/wiki/Virtual, 05.05.2009, 13:00 (Übersetzt von Thomas Wagensommerer) ebenda 11 von 11


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die menschliche Kommunikation aufrecht zu erhalten – einen gemeinsamen Nenner geben. Objektives Wissen wird nicht durch subjektive Information ersetzt. Subjektive Information und somit die Abgrenzung zu anderen abgeschlossenen (menschlichen) Informationssystemen erfolgt über das „Wie“ der Vernetzung von Information in dem Individuum an sich, sowie zu anderen Individuen (also über Schnittstellen). Das „Wie“ passiert über das Reorganisieren von Vorhandenem; von vorhandener Information, von vorhandenem Wissen, von vorhandenen Interessen, von vorhandenem Können, von vorhandenem Willen, von vorhandenen Talent, von vorhandenem Zweck. Der Ethnologe Claude Lévi-Strauss beschreibt dies in seinem Werk „ La Pensée Sauvage“.10 als „Bricolage“. Dieser Vorgang bezeichnet die Neuanordnung und Verknüpfung von bereits (in anderen Formen und Zusammenhängen vorgefundenen) Vorhandenem. Gilles Deleuze und Félix Guattari definieren diesen Begriff als „Modus der Produktion eines schizophrenen Produzenten“11. Diese Definition oder eher Interpretation spiegelt meiner Meinung nach sehr gut die Möglichkeiten der Informationsvernetzung der des Individuums innewohnenden Gegebenheiten wider (in Claude Lévi-Straussʼ Ansatz: die menschliche Vorstellung). Danach ist der Mensch eine zwar theoretisch endliche, aber praktisch zu Lebzeiten unerschöpfliche Quelle der Informationsverarbeitung und folglich der Informationsgenerierung. Vor allem – und das ist die Vorraussetzung für das Zustandekommen einer Bricolage – ist der Mensch eine chaotische Maschine (im Sinne einer verarbeitenden Instanz).12 Der Mensch nutzt Erfahrung, Intention, Voraussicht, Interesse, Erziehung, etc. um unbewusst jene Informationen zu filtern, welche folglich weiterverarbeitet werden. 10

“La Pensée sauvage”, Claude Lévi-Strauss, 1962 Gilles Deleuze and Félix Guattari, Anti-Oedipus: Capitalism and Schizophrenia, 1972 (Übersetzung: Thomas Wagensommerer) 12 “From Human Chaos to Artificial Intelligence”, Thomas Wagensommerer, 2008 11

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Somit entscheidet der Mensch vor dem eigentlichen Arbeitsprozess über seinen zur Verfügung stehenden Pool an Daten. Man könnte sagen: sein Code, sein Alphabet13.

Hier

besteht

auch

die

Abgrenzung

eines/einer

menschlich

generierten

Informationsinhaltes bzw. Informationsvernetzung zu einem / einer maschinellen. Die Maschine hat (im Moment) ein semantisches Defizit. Die technologischen Entwicklungen machen sich jedoch mit ungeheurem Tempo daran dieses zu beheben bzw. Umwege zu finden. (vgl. Web 3.0) Der nicht so leicht zu behebende Part dieses Defizits ist jedoch die – nur ansatzweise zu erahnende – Struktur von „Chaos“, welche zu einer Informationspotenzierung unbeschreibbaren Ausmaßes führen kann / könnte. Im Gegensatz zu „Zufall“ birgt Chaos unvorhersehbare Endzustände,

obwohl

es

definierte

Anfangszustände

gibt.

Genau

diese

Anfangszustände machen den menschlichen Vorsprung in dieser Hinsicht aus. (Nähere Ausführungen in „From Human Chaos to Artificial Intelligence“14).

Der Mensch birgt also die Möglichkeit zur Entelechie. Laut Aristoteles ist dies die Eigenschaft ein Ziel in sich selbst zu tragen15. Genauer gesagt birgt der Mensch vor allem die Vorraussetzungen – wie zum Beispiel die Vorstellung von Raum, Struktur, (Un)Mittelbarkeit, Nicht-Vorhandenem, etc. – um ein Ziel zu erreichen. Dieses Ziel möchte ich definieren als die relativ-absolute Information (also die absolute Information bezogen auf eine spezielle Fragestellung). Folglich jene Information, durch welche sich (reziprok) alle Fragestellungen am Weg zur Problemlösung beantworten lassen. Der Mensch kann auf Grund dieser Voraussetzungen und vor 13

ebenda ebenda 15 “Metaphysik IX, 8”, Aristoteles 14

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allem der gesellschaftlichen Wichtigkeit (und deswegen Akzeptanz; Ausführungen siehe oben) durch die Virtualisierung seiner Problemlöse- beziehungsweise Informationsbeschaffungsstruktur

und

durch

die

Virtualisierung

jener

seiner

Mitmenschen zu einer Potenzierung seiner Möglichkeiten und zu einem Übertreffen eines Ziels gelangen. Dies geschieht durch Verschränkungen des eigenen (subjektiven) Wissens, der subjektiven Information, mit subjektivem Wissen und subjektiven Informationen anderer. Dies führt zu Ableitungen der Informationen. Diese Ableitungen lassen ein vielfach erweitertes Alphabet entstehen und dies bildet wiederum

„Raum“

für

Informationsverarbeitung

und

expandierende

Informationsgenerierung. (Symbolisierung einer Wissensmaschine [nach Inspiration durch die „nicht-triviale Maschine“ von Heinz von Foerster16] siehe Abbildung 3).

16

“KybernEthik”, Hein von Foerster, 1993 14 von 14


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Abbildung 3_Wissensmaschine (Thomas Wagensommerer)

x...eigene (subjektive) Information y,z...Information anderer

Dieser oben beschriebene Ablauf wirkt in der Tat eher unzugänglich, vielleicht sogar unpraktisch oder praxisfern. Wichtig ist jedoch sich den selbst „fütternden“ beziehungsweise selbst speisenden Mechanismus vor Augen zu führen, welche ebenfalls den zusätzlichen Input mit einen Teil des Output verschränkt und sich somit selbst fortpflanzt, also sich selbst bedingt und fortführt.

Folgende Beispielskizze (Abbildung 4) soll die Möglichkeiten der Verschränkung (u.a. mit sich selbst) von geometrischer Information darstellen. Chaotische Anordnung von Pixel (nicht zufällige, da eine definierte Ausgangssituation [Source Code in 15 von 15


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Processing] gegeben ist) bilden das Ausgangsmaterial. Diese werden in erster Instanz schrittweise vergrößert und diese Ausschnitte aneinander gereiht. Schon hier entstehen erste topologische Muster und folglich geometrische und geographische Informationen. Diese passieren durch meine Entscheidung, diesen Vorgang zu tätigen. Somit werden andere Möglichkeiten vorab gefiltert. Um den geometrischen Informationsgehalt zu erhöhen wird in der 2. Stufe eine 3. Dimension hinzugefügt, obwohl die 1. Stufe bestehend bleibt. Diese Diversität löst sich durch die Multiplikation mit sich selbst auf und es entsteht eine abstrahierte Fläche, in welcher die 3. Dimension wieder verloren gegangen scheint. Jedoch entstehen hier Formen, welche die Beziehungen der ursprünglichen Bildpunkte schwer oder gar nicht nachvollziehbar macht. Nun wird in der 4. Stufe dieser Bezug über die Verschränkung mit der 1. Instanz wieder hergestellt. Sofort erscheint die Information eine komplett andere zu sein, ohne jedoch die Form der 1. Stufe völlig zu verlieren. In der darauf folgenden 5. und letzten Stufe wird diese Information wiederum mit sich selbst

verschränkt

und

es

entstehen

abstrakte

und

mehrdimensionale

Rauminformationen, sowie chaotisch anmutende (was auch richtig ist, da die Ausgangssituation ja eine solche war) Bildpunktbeziehungen, welche hauptsächlich den Ausschlag geben eine Konstruktion delokalisierter Dimensionsstrukturen entstehen zu lassen.

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Abbildung 4_Pixelableitungen (Thomas Wagensommerer)

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Um die enorme Komplexitätssteigerung darzustellen und auch in ausdrücklicher Weise vor Augen zu führen vergleiche ich nun den Input (also das Ausgangsmaterial) mit dem Output (also der letzten Instanz). Wie oben schon kurz erwähnt besteht die Ausgangsinformation aus nicht mehr als ein paar Zeilen Source Code in der JAVA – ähnlichen Programmierumgebung „Processing“ (www.processing.org). Diese Zeilen enthalten nur die Aufforderung ein Bild mit 1024 x 576 Pixel zu erstellen und dies mit zufällig graufärbigen (von weiß bis schwarz) Inhalten zu füllen. Abschließend wird das so Erzeugte noch als Bilddatei (*.png) gespeichert.

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Übersetzt in den Hexadezimal Code ergibt das folgendes (Schriftgröße 26pt):

Die letzte Instanz (Ich habe entschieden, hier zu beenden. Diese [chaotische] Entscheidung hätte auch später fallen können) zeigt – wie oben beschrieben – doch schon recht komplexe Tiefen- und Flächenstrukturen:

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Übersetzt man diese Ableitung nun, dann erhält man einen etwas aufwändigeren Hexadezimalcode (Schriftgröße 3):

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Dieses Beispiel soll das enorme Ausmaß an Codevervielfachung verdeutlichen. In gängiger Formatierung entspräche der Code ca. 600 Seiten. Anzumerken ist natürlich aber auch, dass der Output in einem Bildformat gespeichert wird. Schon allein dieses Faktum bringt ein Mehr an Komplexität.

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2_Konkretisierung von „openthing“ Mit diesem „Wissen“ von dem enormen Vervielfachungspotential von „Wissen“ möchte ich folgend beginnen die oben beschriebenen Auseinandersetzungen und Herangehensweisen in einer konkreten Veräußerlichung zusammenzuführen, also in ein konkretes Projekt einfließen zu lassen. Passend zu der Idee von postmodernem Wissen bilden Assoziationsketten einen wesentlichen Beitrag zur Weiterentwicklung und zur Dynamisierung von statischer Information. Genau solche – nicht nur schriftliche, sondern vor allem visuelle Skizzen – möchte ich nun folgend immer öfters gebrauchen um die brainstormingartigen Grundzüge dieser Abarbeitung, sowie des Projekts und dessen Thematik des postmodernen und bricolagierten Wissens beziehungsweise Information im Allgemeinen, erklärend zu unterstützen, sowie auch meine Theorien nachvollziehbar zu machen um vielleicht auch Teil einer neuen Bricolage, eines Rhizoms17 zu sein. Ich möchte nun auch gleich beginnen mit Skizzen zu diesem Thema bzw. die Skizze einer möglichen Annäherung an dieses Thema. Ich lasse sie bewusst vorerst unkommentiert.

17

Gilles Deleuze, Félix Guattari: Rhizom. Berlin: Merve 1977. 31 von 31


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Diese Skizzen sollen in erster Linie einen Einblick bieten, was unter dem Begriff „virtuelle Datenarchitektur“ zu verstehen ist. Ein nicht unwesentlicher Begriff, stellt er auch den Untertitel dieser Arbeit dar.

Um konkreter zu werden: Ich verwende den Terminus „virtuelle Datenarchitektur“ aus jenem Grund, der es für BetrachterInnen und LeserInnen möglich macht archetektonische Archetypen in nicht-materiellen Theorien (also objektlosen Informationen) nachvollziehbar und somit einordenbar zu machen. Verwenden wir nun statt „einordenbar“ den Ausdruck „kategorisierbar“. „Kategorie“ ist ein wesentlicher Grundbegriff der Logik und Immanuel Kant verstand darunter apriorische Denkformen. Sie sind somit nicht an Erfahrungen gebunden. Aufgrund der Unmittelbarkeit von Kategorien sind sie laut Kant auch nicht an die Zeit gebunden.18 Somit sind sie nach obigen Ausführungen virtuell. Es soll also eine virtualisierte Umgebung geschaffen werden, durch welche sich der / die UserIn wie durch eine archetektonische Räumlichkeit (eine gedankliche Räumlichkeit ist es ja schon ohnehin) bewegen kann. Dieses Bewegen wird durch das Besuchen und das Navigieren auf einem Webportal (www.openthing.at) realisiert.

18

Kant-Lexikon, Eisler, http://www.textlog.de/32942.html, 25.5.2009, 19:52 36 von 36


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Dieses Webportal soll generativ, also sich selbst fütternd, erzeugt werden. Darunter ist das Starten eines dynamischen Prozesses zu verstehen, durch welche Personen aus möglichst vielen verschiedenen Interessensgebieten ihr subjektives Wissen und ihre subjektiven Ideen und Meinungen einer interessierten Allgemeinheit zur Verfügung stellen. Jedoch nicht nur zur passiven Verfügung, sondern auch zu einer aktiven. Alle UserInnen sollen sich aufgerufen fühlen, um an einer Verzweigung ihres Wissens, ihrer Information (also einer Rhizomierung) teilzuhaben. Weiters soll jedoch nicht nur eine Verzweigung stattfinden, sondern es soll auch eine Tiefendimension (also folglich die dritte Dimension) entstehen. Dies passiert durch Vertiefungen von zur Verfügung gestelltem, subjektivem Wissen. Die zweidimensionale Vernetzung könnte wie folgt visualisiert werden:

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Die gedankliche Erweiterung um eine dritte Dimension, also einer Tiefenstruktur, mÜchte ich ausgehend von der obigen Collage folgend skizzieren (diese Bilder sind Screenshots einer Animation, welche auch die zeitliche Komponente mit einbezieht, was jedoch in einer statischen Arbeit nicht zu veranschaulichen wäre):

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3_Zusammenfassung des Projekts

Um diese gedanklich abstrakten Visualisierungen auch tatsächlich in einem Projekt (wenn auch in mehreren – genauer gesagt 3 – Unterteilungen) anwenden zu können und eben dieses auch ohne die obigen Ausführungen fassen zu können, habe ich mit Mag. Michael Bernold eine zusammenfassende Präsentation erstellt, welche die Kernpunkte des Projekts, sowie die Einsatzgebiete als auch die Zielgruppen vorstellen und definieren soll:

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4_Conclusio Es gibt also nicht mehr „die“ Welt. Es gibt nicht mehr „die“ Information. Es gibt subjektive Welten. Die gab es immer schon. Es gibt subjektive „Informationen“. Auch die gab es immer schon. Lediglich die Anforderung und der Nutzen und vor allem das Verlangen und die Notwendigkeit nach dieser, genau dieser subjektiven Information haben sich verschoben. Vielleicht nicht verschoben, sondern sogar erst entwickelt. Die subjektive Information war ateleogisch.

Sie

war

nicht

aber immer schon präsent. Sie war

zweckgerichtet.

Ähnlich

einer

transzendenten

Gedanklichkeit. Im Gegensatz zu Religion wurde sie aber nicht institutionalisiert. Sie war somit also nutzlos. In einer virtualisierten Realität (ich verwende diese Gegensätzlichkeit hier mit voller Absicht) ist dieses in erster Instanz ateleologische Denken (dies beinhaltet unter anderem auch die Reflexion und die Selbstreflexion) jedoch das Mittel zum Zweck, uns von bloßen naturalistischen Beschreibenden unserer Umwelt - die auf jeden Fall notwendig waren um diesen Übergang in die Virtualisierung zu machen – abzuheben, uns eine Stufe über diese zu stellen und den nächsten Schritt in unserem Realitätsverständnis zu machen.

Dieses neue Realitätsverständnis soll

keinesfalls – wie eingangs schon artikuliert – eine erkenntnistheoretische Allgemeingültigkeit darstellen, sondern vor allem aufmerksam machen, welches gesellschaftlich relevante Potenzial in der Technologie der Moderne und der Postmoderne, sowie in den durch diese Technologien bedingten kulturellen Ausprägungen und Einschlägen (wie z.B.: die Gaming - Kultur) steckt. Die westliche Gesellschaft steht an der Schwelle zu einem Umbruch. Teil dieses Umbruches ist 46 von 46


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unter anderem die baldige Nicht-mehr-Trennung in

eben westliche und nicht-

westliche Gesellschaft. Die Virtualisierung macht einerseits eine Individualisierung jeder Person in einem abgeschlossenen System möglich, wünschenswert, gern gesehen und essentiell. Andererseits führt diese Gesamtheit der Individualisierungen zu einer – wie schon erwähnt - Demokratisierung unter anderem von Information und folglich Wissen. Eine besondere Wichtigkeit verleiht dieser Tatsache das Faktum, dass in der Postmoderne Information und Wissen vom Produktionsgut zum Produktionsmittel wurden. Das Projekt „openthing“ ermöglicht also das Operieren mit genau diesem Produktionsmittel. „Openthing“ stellt die Produktionsumgebung zur Verfügung. Es tritt den Stein los. Es ist soziale Initiative. Es ist Teil dieses Umbruchs. Es ist eine Möglichkeit den nächsten Schritt zu machen. Wir sind nicht nur Zeugen dieser Entwicklung. Die subjektive, individualisierte Persönlichkeit und deren innewohnende Information sind der Grund, das Mittel und der Zweck dieser Entwicklung. Die daraus entstehende Gesamtheit ist unser Potenzial.

Die Welt und der Mensch sind also mehr als real. Die Welt und der Mensch sind mittelbar. Die Information ist mehr als real. Die Information ist virtuell.

Thomas Wagensommerer, 2009

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