TOP-THEMA AUSWIRKUNGEN NEUER IFRS-15-STANDARD
Die Auswirkungen des neuen IFRS-15Standards auf Industrieunternehmen mit langfristigen Fertigungsaufträgen Der neue Rechnungslegungsstandard IFRS 15 ist ab 1. Januar 2018 zwingend anzuwenden und bringt diverse Veränderungen in der Methodik mit sich, nach welcher Umsätze zu erfassen sind. Im Folgenden soll beleuchtet werden, wie sich dies auf Industrieunternehmen mit langfristigen Fertigungsaufträgen, welche bisher IAS 11 angewendet haben, auswirkt. Von Dominik Schwyter, M.A. HSG in Accounting und Finance
Seit rund 25 Jahren werden bereits konkrete Anstrengungen unternommen, die beiden vorherrschenden Rechnungslegungsstandards US-GAAP und IFRS zu harmonisieren. Dabei ist dieser Prozess seither nicht stetig verlaufen, sondern war einer gewissen Dynamik unterworfen. Insbesondere in der Zeit zwischen 2005 und 2008 wurden mehrere grosse Kongruenzprojekte lanciert, zu denen auch die Neuregelung der Umsatzrealisierung gehört. Der Umsatz ist eine der wichtigsten betrieblichen Grössen, sowohl im Rahmen der Unternehmensbewertung als auch im Zusammenhang mit der Steuerung einer Gesellschaft. Deshalb ist eine Vereinheitlichung der Rechnungslegungsstandards in diesem Bereich auf jeden Fall zu begrüssen. Damit sollten nicht zuletzt Schwächen in den bestehenden Standards ausgeräumt und sollte die Vergleichbarkeit der Umsatzrealisierung zwischen Unternehmen, Industrien und Ländern verbessert werden. Vor diesem Hintergrund wurde 2010 der erste Exposure Draft veröffentlicht, welcher teils heftige Kritik seitens Anwendern, Prüfern, Forschern, aber auch vonseiten nationaler Regulatoren hervorgerufen hat. Insbesondere wurde befürchtet, dass es im Bereich von Fertigungsaufträgen zu einer De-facto-Abschaffung des bis dato verbreitet angewendeten Percentage of Completion-Accountings (PoC) kommen könnte. Dies wäre ein massiver Eingriff in die betriebliche Praxis von Unternehmen gewesen, welche ihren Umsatz nach dieser Methode bemessen. Vor allem Industrieunternehmen aus dem Anlage- und Schiffbau, aber auch Bauunternehmen wären von einem solchen FINANZ- UND RECHNUNGSWESEN
NEWSLETTER 03
Systemwechsel betroffen gewesen. In der Folge wurde der Exposure Draft überarbeitet und anschliessend im Wesentlichen in die kürzlich definitiv eingeführte Version des neuen IFRS-15-Standards überführt. Grundsatz des neuen IFRS 15 Der neue Standard folgt dem einfachen Konzept, wonach ein Umsatz realisiert werden darf, sobald eine vorgängig vertraglich vereinbarte Ware oder Dienstleistung an den Kunden übertragen werden darf. Dazu sieht der Standard eine Kette von fünf Erfordernissen vor, welche vom Unternehmen zu erfüllen ist. Diese Erfordernisse sind nachfolgend dargestellt: Schritt 1: Identifizieren des Kundenvertrags Die Identifikation eines Vertrags stellt für Unternehmen mit langfristigen Fertigungsaufträgen dahin gehend eine Herausforderung dar, als oftmals Verträge im Paket mit einem einzigen wirtschaftlichen Ziel angeboten werden und somit mehrere Verträge zusammengefasst werden müssen. Industrieunternehmen werden sich zudem dahin gehend Gedanken machen müssen, ob Modifikationen während der Fertigung nach dem neuen Standard als eigene Verträge oder Bestandteile eines bestehenden Vertrags zu bewerten sind. Schritt 2: Definition der Leistungsverpflichtung innerhalb des Vertrags Eine Leistungsverpflichtung ist eine Zusicherung innerhalb eines Vertrags mit einem Kunden über die Lieferung eines separaten Gutes. Wichtig für Anwender des aktuellen IAS 11 wird die Beachtung von Bündeln von Gütern sein. Ist ein Gut bzw. sind mehrere einzelne Güter zwar
unterschiedlich, haben jedoch gemeinsam die Eigenschaft einer einzigen Leistungsverpflichtung, so gelten diese als Bündel. Insbesondere gelten mehrere Güter als ein Bündel, wenn es sich dabei um gegenseitig abhängige Güter mit einem hohen Interrelationsgrad handelt. Die Güter zu transferieren soll darüber hinaus eine wesentliche Integrationsdienstleistung erfordern, um den vertraglich zugesicherten Leistungsumfang zu garantieren. Dies wird gerade bei Industrie- oder Bauunternehmen meistens der Fall sein, wodurch sich mehrere Leistungsverpflichtungen als Gesamtpaket (Bündel) zusammenfassen lassen. Schritt 3: Bestimmung der Gegenleistung Als nächster Schritt stellt sich die Frage, welche nun die Gegenleistung für die identifizierte vertragliche Leistungsverpflichtung aus den Schritten 1 und 2 ist. Für die Bestimmung der Gegenleistung sind sowohl die fixen als auch die variablen Preisbestandteile und der Zeitwert des Geldes zu berücksichtigen. Dabei ist für Industrieunternehmen insbesondere zu beachten, dass bei variablen Vergütungen (z.B. infolge von Rückvergütungen oder erfolgsabhängigen Prämien) eine höhere Sicherheit nachgewiesen werden muss als noch unter IAS 11, um eine solche Vergütungskomponente zu erfassen. Ebenfalls ist der Zeitwert des Geldes zu berücksichtigen, sofern ein Vertrag eine «wesentliche Finanzierungskomponente» beinhaltet. Bei einer solchen Finanzierungskomponente leistet das Unternehmen entweder Finanzierung, indem der Kunde erst zu einem späteren Zeitpunkt als bei der Erfüllung der Leistungsverpflichtung bezahlt. Andererseits kann es sein, dass das Unternehmen Finanzierung erhält, nämlich dann, wenn der Kunde Anzahlungen für die Leistungserbringung tätigt. Eine angemessene Verzinsung dieser Finanzierung ist von der Erlösrealisierung aus Lieferung und Leistung getrennt zu vereinnahmen und fällt in der Berichterstattung unter das Finanzergebnis, sofern zwischen der Erbringung der Leistung und der dazugehörigen Vergütung mehr als ein Jahr liegt. Dies kann bei langfristigen Fertigungsaufträgen durchaus häufig vorkommen, obwohl meist ein Trade-off zwischen einem vorteilhaften Cashflow, und somit im besten Fall einer dauernden Vorfinanzierung der Leistungserbringung sowie der Durchsetzbarkeit einer höheren Marge besteht. MÄRZ 2017
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