DeviceMed 01/2024

1 www.devicemed.de Jahrgang 20 | Februar 2024 ISSN 1860-9414 | 69029 Euro 19,90

EXTRA

Mergers & Acquisitions Transaktionsgeschehen im 2. Halbjahr 2023

TITELTHEMA

Weg vom Papier, hin zum digitalen QM-System

SPECIAL

Seite 34

Szene

Regulatory Affairs

Fertigungstechnik

Medtech-Markt 2024: Treiber, Trends und Tücken

Herstellerstatus outsourcen: Den „MDR-Rucksack“ abgeben

Leichtere Inkubatoren dank 3D-Druck

WIRKSAME MEDIZINTECHNIK IST EINE FRAGE DER BOHRUNGSBEARBEITUNG ERLEBEN SIE HORN Außergewöhnliche Ergebnisse sind immer die Verbindung aus dem optimalen Zerspanungsprozess und dem perfekten Werkzeug.

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Editorial

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W

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ir feiern in diesem Jahr Geburtstag. Seit 20 Jahren versorgen wir mit der Devicemed die Community mit allem Wissenswerten rund um die Medizintechnik – von aktuellen regulatorischen Anforderungen über neueste Fertigungsverfahren bis hin zum Szene-Gossip.

Doch was hat die Branche in den vergangenen zwei Jahrzehnten besonders geprägt? Warum ist die additive Fertigung an vielen Stellen das Verfahren der Wahl? Warum müssen Medizintechnikunternehmen bei ihrer Qualitätssicherung immer up-to-date sein und wieso sind Antriebe solch entscheidende Komponenten für zahlreiche Medizinprodukte?

Gemeinsam mit Industrie-Partnern wollen wir in den nächsten Monaten diese Fragen und noch viele weitere beantworten. Zentraler Anlaufpunkt der Kampagne ist unser Content-Hub „Meilensteine der Medizintechnik“ (www.devicemed.de/meilensteine). Hier finden Sie in den kommenden Wochen Beiträge zu Qualitätsmanagement, Regulatory Affairs oder der richtigen Metallbearbeitung in der Medizintechnik. Wir haben hierzu mit den MedizintechnikExperten unserer Partner gesprochen und deren Gedanken und Tipps zu Meilensteinbeiträgen zusammengefasst. Auf unserer Meilenstein-Seite wird es aber nicht nur Texte und Bilder geben. Wir werden in den nächsten Monaten auch zu jedem unserer Schwerpunktthemen einen Podcast aufzeichnen.

Schauen Sie also auf allen einschlägigen Podcast-Plattformen vorbei. Ab Mai wird die Medizintechnik hier vertreten sein.

PS: Wenn Sie noch stärker in die Regulatory Affairs einsteigen wollen, dann empfehle ich Ihnen unsere Regulatory Affairs Expert Talks am 19. und 20. März bei uns im Vogel Convention Center in Würzburg. Mehr zum Programm erfahren Sie auf Seite 24.

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MARC PLATTHAUS

Bild: J. Unt ch / VCG

Chefredakteur marc.platthaus@vogel.de

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TITELTHEMA

Weg vom Papier, hin zum digitalen QM-System S. 34

SZENE MEDTECH-MARKT 2024 10 Treiber, Trends und Tücken INTERVIEW 12 „Auf der Medtec Live spricht jeder

INTERVIEW 26 „Wir haben freie Kapazitäten

für Zertifizierungen“

OUTSOURCING DES MDR-HERSTELLERSTATUS 30 Den „MDR-Rucksack“ abgeben

Medizintechnik“

33 Branchenübersicht

CHANCEN UND RISIKEN FÜR MEDTECH-KMU

KONSTRUKTION

14 Mehr Innovationen statt

Regularien

BEDIENSYSTEME IM OP 38 User Interfaces nach Maß

EXTRA

41 Marktübersicht

TRANSAKTIONSGESCHEHEN IN DER MEDTECH-BRANCHE 18 Mergers & Acquisitions im

2. Halbjahr 2023

DeviceMed TOP ONLINE Whitepaper So entwickeln Sie menschzentrierte Medizinprodukte Die Kraft der Personalisierung im OP: 5 Makrotrends Erreichen von IEC-62304- und FDA-Konformität Newsletter abonnieren www.devicemed.de/newsletter

REGULATORY AFFAIRS EU AI ACT 22 Welche Chancen bietet

der EU AI Act für MedtechUnternehmen?

UPDATES ZUR MDR UND IVDR

24 Die Regulatory Affairs Expert Talks

gehen in die nächste Runde

4 DeviceMed 1 | 2024

Das Special Fertigungstechnik beleuchtet u. a. die Herstellung leichterer Inkubatoren mittels 3D-Druck.

S. 50

23.– 26. 4. 2024 FRANKFURT / MAIN

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FERTIGUNG

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REINRAUM

20. Ausgabe

44 Deutsche Reinraumtechnologie

für Smart Factory in Estland 46 Marktübersicht

PERFORMANCE.

SPECIAL FERTIGUNGSTECHNIK SLS-VERFAHREN 50 Leichtere Inkubatoren dank

3D-Druck

52 Marktübersicht 54 Firmenübersicht

AUS DER FORSCHUNG 56 Branchenübersicht

FUNCTION.

STANDARDS 3 Editorial 6 Medtech-Barometer

FUTURE.

7 Szene-News 8 Köpfe der Medizintechnik-Branche 56 Impressum 58 Rede und Antwort

in parallel with

DeviceMed 1 | 2024

5

part of

Medtech-Barometer

Medizintechnikschwerpunkte in Deutschland

Wie sehr setzen die einzelnen Bundesländer auf Medizintechnik?

Hamburg

SchleswigHolstein

MecklenburgVorpommern

2,7 Mrd.

343 Mio.

742 Mio.

10.646

2.754

4.147

67

43

60

867 Mio. 4.126 28

Berlin

Bremen SachsenAnhalt

117 Mio. 751

88 Mio.

12 Niedersachsen

1.212

Brandenburg

32

194 Mio.

1,4 Mrd. 7.837

2.669

99

55

Hessen

Sachsen

NordrheinWestfalen 2,1 Mrd. 15.285 271

4,8 Mrd.

467 Mio.

13.783

LEGENDE: Umsatz

4.252

86

87 Thüringen

> 1 Mrd. €

RheinlandPfalz

500 Mio.–1 Mrd. € < 500 Mio. €

1,3 Mrd. 4.623

280 Mio.

61

2.804

Bayern

60 Saarland

12,7 Mrd. 35.715

931 Mio.

BadenWürttemberg

2.347 9

198

8,4 Mrd. 40.095 291

LEGENDE: Quelle: Spectaris/Statistisches Bundesamt

Zukunftsstrategie Forschung und Innovation des BMBF

Gesetzesänderungen für den Gesundheitsbereich zum 1. Januar 2024 Anhebung des Pflegegelds (teilweise) und der ambulanten Pflegesachleistungen um 5 Prozent

Verpflichtende Einführung des E-Rezepts für Arzneimittel

Einführung von Hybrid-DRGs, um ambulante Operationen zu fördern

Erhöhung von Kinderkrankentagen auf 15 pro Kind und Elternteil

Versicherte haben einen Anspruch auf eine Gesundheits-ID

Vereinheitlichung und Vereinfachung des Anerkennungsverfahrens ausländischer Pflegefachkräfte

Quelle: BV-Med/BMG

6 DeviceMed 1 | 2024

Szene

Kooperationsvereinbarung

Bild: BV-Med

Medtech-Branchenverbände verstärken Zusammenarbeit

Die drei Verbandspräsidenten bei der Unterzeichnung (v. l.): Dr. Meinrad Lugan (BV-Med), Dr. Beat Vonlanthen (Swiss Medtech) und Gerald Gschlössl (Austromed).

Die drei deutschsprachigen Medizintechnik-Branchenverbände Austromed aus Österreich, Bundesverband Medizintechnologie (BV-Med) aus Deutschland und Swiss Medtech aus der Schweiz wollen künftig noch enger zusammenarbeiten, sich bei politischen Themen eng verzahnen und ihren Mitgliedern gemeinsame Services anbieten. Das vereinbarten die Verbände in einer Kooperationsvereinbarung, die auf einer gemeinsamen Vorstandssitzung im vergangenen Jahr in Berlin unterzeichnet wurde. „Die D/A/CH-Region ist einer der glo-

balen Marktführer in der MedizintechnikBranche. Viele Medtech-Unternehmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz haben weltweit einen herausragenden Ruf und sind Vorreiter in ihren spezialisierten Bereichen. Wir haben deshalb ein gemeinsames Interesse an der Förderung und Stärkung der Branche in der D/A/CH-Region und wollen bei unseren Zielen enger kooperieren“, sagten die drei Verbandspräsidenten Gerald Gschlössl (Austromed), Dr. Meinrad Lugan (BV-Med) und Dr. Beat Vonlanthen (Swiss Medtech) bei der Unterzeichnung der

Kooperationsvereinbarung. Zu den gemeinsamen Zielen gehören der Erhalt einer hochwertigen Versorgung der Patienten, die Herstellung und Bewahrung eines innovationsfreundlichen Rechtsrahmens für die Medtech-Branche, die Stärkung des D/A/CHWirtschaftsstandorts, die Positionierung der Medizinprodukte-Unternehmen als attraktive Arbeitgeber für Fachkräfte oder die Unterstützung der Mitgliedsunternehmen bei Nachhaltigkeitsstrategien.

Vorteile einer engeren Zusammenarbeit sehen die drei Verbandsvertreter Mag. Philipp Lindinger (Austromed), Dr. Marc-Pierre Möll (BV-Med) und Dr. Daniel Delfosse (Swiss Medtech) v. a. im stärkeren Austausch von Fachwissen, der Vertretung von politischen Interessen, der Entwicklung von gemeinsamen Initiativen und der Förderung von Best Practices: „Gemeinsam können wir unseren Mitgliedern einen noch besseren Service bieten und unseren politischen Initiativen mehr Kraft verleihen. Unser Ziel ist es, förderliche Rahmenbedingungen für die Medtech-Branche zu schaffen und politische Entscheidungsprozesse aktiv mitzugestalten.“ (je)

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Szene

DeviceMed Köpfe Neue Spartenleitung

EU-Lieferkettenrichtlinie

Kritik an EU-Lieferkettenrichtlinie

Bild: frei lizenziert

Bild: Greiner AG

Seit 1. Februar leitet Ilke Panzer Greiner Bio-One, die Medizintechnik-Sparte von Greiner. Sie folgt auf Manfred Stanek, der die Spartenleitung seit 1. September 2023 interimistisch verantwortete und sich nach der Übergabe wieder seiner Rolle als Chief Operating Officer (COO) der Holding-Gesellschaft Greiner AG widmet. www.gbo.com

Bild: Brasseler

Reorganisation Gebr. Brasseler Lemgo meldet eine Reorganisation im Geschäftsbereich Medical. Die Business Units Medical und Custom Made werden fusioniert. Jens Haverkamp zeichnet für die neue Business Unit Komet Medical verantwortlich, die aus Orthopädie und TraumaChirurgie, HNO- und Neurochirurgie sowie dentaler Implantologie besteht. www.brasseler.de

Bild: Analog Devices

Neues Führungsmitglied Richard C. Puccio Jr. ist neuer Executive Vice President und Chief Financial Officer bei Analog Devices, Inc., das gab das Unternehmen Ende Januar bekannt. In dieser Funktion wird Puccio die Finanzstrategie des Unternehmens bestimmen und die globalen Finanzaktivitäten leiten. Er berichtet an den CEO und Chairman Vincent Roche. www.analog.com

Bild: Dr. Kristin Sauer – privat

Leitung Medical Affairs Seit Anfang Januar leitet Dr. PH Kristin Sauer den Bereich Medical Affairs / Wissenschaftlicher Beirat der European Manufacturers Federation for Compression Therapy and Orthopaedic Devices (Eurocom). Neben der Konzeption und Aufbereitung medizinischer Studien betreut und koordiniert sie sämtliche Aktivitäten des Beirats. www.eurocom-info.de

8 DeviceMed 1 | 2024

Die EU-Lieferkettenrichtlinie ist in den Augen mancher Wirtschaftsorganisationen verbesserungsbedürftig.

Die EU-Lieferkettenrichtlinie dient dem Ziel, Unternehmen dazu zu verpflichten, ihre Lieferketten verantwortungsbewusst zu managen und Menschenrechtsverletzungen sowie Umweltzerstörungen entlang ihrer Geschäftstätigkeiten zu verhindern. Die dadurch entstehende bürokratische Mehrbelastung und bisweilen auftretende Rechtsunsicherheit sehen acht deutsche Wirtschaftsorganisationen als Problem an. Gemeinsam haben sie ein Schreiben an die Bundesregierung verfasst, das unrealistische Forderungen der EU-Lieferkettenrichtlinie kritisiert. Das Ziel der Organisationen ist, die Richtlinie in ihrer jetzigen Form zu stoppen und eine gemeinsame Nacharbeit anzuregen. Das gemeinsame Schreiben wurde von BGA (Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen e. V.), Gesamtmetall, Mittelstandsverbund – ZGV, Stiftung Familienunternehmen und Politik, Textil+Mode, VCI (Verband der chemischen Industrie e. V.), VDMA (Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e. V.) sowie ZVEI (Verband der Elektro- und Digitalindustrie e. V.) verfasst. Die Verbände und Organisationen haben in ihrer Kritik vordergründig drei Punkte im Blick, an denen in ihren Augen nachgearbeitet werden muss.

Unternehmen sollen fast alle Stufen ihrer Lieferketten global auf Verstöße gegen Menschenrechte sowie Umwelt- oder Sozialstandards kontrollieren.

Gerade Industriefirmen haben häufig jeweils Zehntausende oder sogar eine sechsstellige Zahl von Zulieferern, von denen jährlich ein beträchtlicher Anteil wechselt. Die Kosten allein zur Befolgung der Vorgaben würden für einzelne Unternehmen nicht selten Millionensummen erreichen.

Die Richtlinie macht keine klaren Ausnahmen für die Lieferbeziehungen.

Eine Ausnahme aller im EU-Binnenmarkt ansässiger Zulieferer und Kunden wäre – als Gebot eines risikobasierten Ansatzes – dringend geboten.

Nicht nur Lieferanten und deren Lieferanten sollen laut den EU-Plänen kontrolliert werden, sondern auch Geschäftskunden. Es ist jedoch eine realitätsfremde Annahme, dass mittelständische Betriebe ihren Geschäftskunden Vorschriften machen könnten, wie und wo die verkauften Produkte letztendlich zum Einsatz kommen.

Kritisch wird ebenso die zivilrechtliche Haftung gesehen, denn es sei praxisfremd für Unternehmen aus den EU-Mitgliedsstaaten, für weltweite Pflichtverletzungen in ihren Lieferketten zu haften. So könne eine neue Klageindustrie entstehen, die Verunsicherung im Außenhandel fördert und zu mehr administrativen Kosten in den Unternehmen führt.

Am 14. Dezember 2023 hatten der Rat und das Europäische Parlament eine vorläufige politische Einigung über die EU-Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD) erzielt. Diese vorläufige Einigung muss gebilligt und formell verabschiedet werden; es stehen laut ZVEI die Abstimmung der Botschafter im Ausschuss der ständigen Vertreter und danach das Votum des Rates der EU-Mitgliedstaaten an. Die Mitglieder der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) erwarten von der Bundesregierung, an der Zustimmung zur CSDDD festzuhalten. (kb)

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Szene

Medtech-Markt 2024

Treiber, Trends und Tücken Wirtschaftskrise, Inflation und steigende Preise werfen einen langen Schatten auf das neue Jahr. Wie steht es um die Zukunft des Medizintechnik-Marktes 2024?

Das Healthcare- und Life-Sciences-Team beim EMS-Experten Plexus wagt einen Blick auf mögliche Treiber, Trends und Tücken.

D

er EMS-Dienstleister Plexus hat einen Blick auf das neue Jahr gewagt: Wie steht es um den Medizintechnik-Markt 2024?

Kosten zurück auf Platz eins

Outsourcing wird zur Überlebensfrage Sparen allein stellt in der Kostenkrise keine effektive Strategie dar. Hersteller werden 2024 vielmehr ihre Entwicklung, Fertigung und Supply Chain weiter auslagern, externe Partner stärker in das eigene Mitarbeiter-Team integrieren und den bürokratischen Compliance-Aufwand so weit wie irgend möglich in die Hände Dritter legen. Durch Outsourcing gewinnen Unternehmen zudem die dringend benötigte Flexibilität und Schnellig-

Bild: © witsarut - stock.adobe.com

Auf welche Trends kann sich die Medizintechnik-Branche 2024 einstellen?

Die Medizintechnik in Deutschland steht unter enormem Druck – einem enormen Kostendruck. Zwar rechnen nach einer Herbstumfrage des Bundesverbands Medizintechnologie (BV-Med) zwei Drittel der MedtechUnternehmen in Deutschland mit einem besseren Umsatzergebnis als noch 2022. Die Werte reichen aber noch nicht an die Vorpandemiejahre heran. Mit einem durchschnittlichen Umsatzanstieg von 4,8 Prozent schneidet der deutsche Markt zudem deutlich schlechter ab als der Rest der Welt (6,4 Prozent). Immerhin 19 Prozent gingen von einem Umsatzrückgang im Jahr 2023 aus.

So verwundert es nicht, dass Medizintechnik-Hersteller auch bei Investitionen auf die Bremse treten und

R&D-Ausgaben kürzen. Darüber hinaus setzt sich der Trend der Deindustrialisierung fort: Immer mehr Unternehmen schließen ihre heimischen Produktionsstätten, weil Energiepreise, Personalkosten sowie ComplianceAufwand steigen. Damit ist die Kosteneffizienz – die im Kontext von Supply-Chain- und Covid-19-Krise zwischenzeitlich etwas an Dringlichkeit verlor – als Priorität Nummer eins auf der Agenda von Herstellern zurück.

10 DeviceMed 1 | 2024

Szene

keit, um im aktuellen Wettbewerbsumfeld innovativ zu sein und sich auf ihre Kernkompetenzen zu konzentrieren. V. a. für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU), die immerhin 93 Prozent der Branche ausmachen, wird diese Strategie zur Überlebensfrage.

Neue Herausforderungen rücken dadurch in den Vordergrund: Wer seine Fertigung in kostengünstigere Länder verlagert, muss nicht nur weiterhin hohe Qualitätsund Compliance-Standards erfüllen, sondern diese auch „aus der Ferne“ sicherstellen. Wer für die Entwicklung von Medizinprodukten externe Ingenieure und Softwareentwickler mit an Bord holt, muss noch mehr als zuvor auf Datensicherheit, Cybersecurity und Schutz des geistigen Eigentums achten. Outsourcing ist keine Ad-hoc-Lösung. Eine auf Langfristigkeit ausgelegte Strategie sowie eine umsichtige Auswahl des PartnerNetzwerks sind daher entscheidend.

Supply Chain: Widerstandsfähig, aber hoch bürokratisch Eine gute Nachricht für 2024: Die Supply Chain scheint sich weiter zu erholen. Noch in den letzten Jahren arbeiteten Medizingerätehersteller an der Widerstandsfähigkeit ihrer Lieferketten, bauten eigene Safety Stocks auf und holten ihre Produktion entweder gleich ganz zurück (Re-Shoring) oder verlagerten sie in die Nähe (Nearshoring). Lieferengpässe bleiben zwar ein Ärgernis. Eine radikale Neuausrichtung der Supply Chain – wie sie vor zwei Jahren noch vorstellbar war – scheint jedoch nicht mehr nötig.

Exemplarisch für diesen Aufwärtstrend ist der Halbleitermarkt. Die zweite Jahreshälfte 2023 sah bereits eine Verbesserung bei Angebot und Verfügbarkeit. Vorlaufzeiten, Kosten und Marktdynamik zeigen sich so weit stabil. In den nächsten Monaten wird sich dieser Trend aller Voraussicht nach fortsetzen.

Ganz von der Sorgenliste von Herstellern verschwindet die Supply Chain deswegen nicht. Seit dem 1. Januar 2024 gilt in Deutschland das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) erstmals auch für Unternehmen mit mehr als 1.000 Arbeitnehmern.

KI: Vom Trend zur Technologiewende Ein Thema, das 2024 auf keiner Trendliste fehlen darf und auch in der Medizintechnik an Bedeutung gewinnt, ist künstliche Intelligenz (KI). Rechtliche Rahmenbedingungen, um KI-Technologien in einem so hochsensiblen Bereich wie der Medizin und dem Gesundheitswesen sicher einzusetzen, sind entweder lückenhaft, unausgereift oder lassen auf sich warten. Der im Juni 2023 ver-

DeviceMed INFO

Hier trifft sich die MedizintechnikBranche 2024 Regulatory Affairs Expert Talks: 19. bis 20. März, Würzburg Medtec Live with T4M: 18. bis 20. Juni, Stuttgart Compamed/Medica: 11. bis 14. November, Düsseldorf

abschiedete Artificial Intelligence Act (kurz: AIA) z. B. greift wohl frühestens in zwei bis drei Jahren. MedtechUnternehmen müssen aber jetzt eine KI-Strategie entwickeln, wollen sie von der Technologie profitieren und wettbewerbsfähig bleiben.

KI ist dabei mehr als nur ein Chatbot à la Chat GPT. Mit Fotos trainierte künstliche neuronale Netze (KNN) können bereits heute Melanom- und Karzinom-Klassifizierungen vornehmen und Hautkrebs frühzeitig erkennen.

Chirurgische Roboter unterscheiden dank Computer Vision zwischen verschiedenen Arten von Geweben.

Für Medtech-Hersteller wirkt sich KI neben dem Innovationsschub bei Produkten massiv auf Fertigung, Entwicklung und Supply Chain aus. Denn mit und durch KI lassen sich auch KI-Lösungen für die Medizintechnik schneller entwickeln, realisieren und auf den Markt bringen. Im Halbleitermarkt z. B. soll die Microsoft-KI zukünftig gleich selbst das Design der geplanten Microsoft-KI-Chips übernehmen.

Nachhaltigkeit kein USP mehr Der soziale, ökonomische und ökologische Fußabdruck der Medizintechnik bleibt groß. Laut der SEE-ImpactStudy ist die Branche allein in Deutschland für den Ausstoß von 8,9 Millionen Tonnen Treibhausgas verantwortlich. Über 60 Prozent der Emissionen fallen dabei indirekt in den globalen Lieferketten an. Auch der Anteil an Einweggeräten (Single-Use) und Verbrauchsmaterialien ist vergleichsweise hoch. Dementsprechend heftig schlägt das Thema Nachhaltigkeit bei Herstellern ein.

Die Nachfrage nach Product Sustainability Solutions nimmt seit Jahren kontinuierlich zu und wächst parallel mit regulatorischen Anforderungen in der EU. Strategien zur Dekarbonisierung zielen daher zukünftig stärker auf alle Phasen des Produktlebenszyklus. Von energieeffizientem Design, umweltschonenden Industrieanlagen und CO2-armen Lieferketten über recyclebare Materialien und weniger Verpackung bis hin zur Rückführung von Komponenten im Sinne der Kreislaufwirtschaft. Über Lebenszyklusanalysen (LCA) können Unternehmen die Auswirkungen eines Produkts auf die Umwelt messen und die erreichte Ökobilanz als Produkteigenschaft vermarkten. Über kurz oder lang wird Nachhaltigkeit jedoch ihr Alleinstellungsmerkmal verlieren und vielmehr zur Norm werden.

Compliance-Mix: MDR, GDNG und Co. Der bürokratisch-regulatorische Druck auf die Medizintechnik nimmt 2024 weiter zu. Neben branchenübergreifenden Auflagen zur Lieferkette, Nachhaltigkeit, Cybersecurity und KI-Einsatz kämpfen Medtech-Hersteller nach wie vor mit der Umsetzung der EU-Medizinprodukteverordnung (engl. Medical Device Regulation, MDR). Zwar wurden Fristen und Geltungsbereiche auf Druck von Verbänden verlängert und neu angepasst. Die neuen Formulierungen und Wechselwirkungen zu anderen Vorgaben haben laut VDE Health allerdings zu komplizierten und zum Teil schwer verständlichen Übergangsbestimmungen geführt. Ein Lichtblick im Compliance-Dschungel hingegen ist das Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG). Der Entwurf soll bürokratische und organisatorische Hürden bei der Datennutzung verringern, ohne den Datenschutz zu gefährden. (je) DeviceMed 1 | 2024

11

Szene

Interview

Auf der Medtec Live spricht jeder Medizintechnik Vom 18. bis 20. Juni 2024 findet in der Halle 1 des Stuttgarter Messezentrums die nächste Medtec Live statt. Auf der europäischen Leitmesse für die Entwicklung und Herstellung von Medizintechnik entlang der kompletten Wertschöpfungskette treffen Produktentwickler und Einkäufer der Inverkehrbringer und OEMs auf alle wichtigen Zulieferer. Key Account Managerin Silke Ludwig und Sales Managerin Jessica Nether bilden das Vertriebsteam der Medtec Live. Von ihnen wollte Devicemed wissen, was Aussteller und Besucher erwarten können.

DAS INTERVIEW FÜHRTE

Julia Engelke Redakteurin Devicemed

Liebe Frau Ludwig, liebe Frau Nether, wo liegen die besonderen Themenschwerpunkte bei der nächsten Medtec Live?

Silke Ludwig: Das Herz der Medtec Live sind unsere Aussteller mit ihrem Angebot, ihren Ideen, ihren Innovationen und Lösungen für die Herausforderungen der Branche. Daneben stehen Themen wie Automatisierung, Digitalisierung und Circular Economy in der Entwicklung und Herstellung von Medizintechnik im Fokus.

Aber auch dem 3D-Druck, dem Einsatz von künstlicher Intelligenz in Medizinprodukten, Themen der Produktion sowie wichtigen regulatorischen Entwicklungen wie der Medical Device Regulation (MDR) widmen wir

unsere Aufmerksamkeit. Die Schwerpunkte richten sich also an den aktuellen Bedürfnissen der Branche aus.

Worauf können sich die Besucher am Messestandort Stuttgart einstellen?

Silke Ludwig: Auf 100 Prozent Medizintechnik, kompakt und konzentriert in einer modernen Halle mit toller Aufenthaltsqualität, spannende Aussteller vom Start-up bis zum Konzern, ein interaktives Rahmenprogramm für alle Teilnehmenden, viele Möglichkeiten zum Netzwerken. Auch der Networking-Abend darf nicht fehlen und für die Fußballfans unter den Ausstellern und Besuchern – Mitte Juni beginnt ja die Europameisterschaft in

DeviceMed ZUR PERSON

Silke Ludwig (l.) und Jessica Nether sind Ihre Ansprechpartnerinnen für die Medtec Live.

12 DeviceMed 1 | 2024

Bild: Medtec Live

Silke Ludwig und Jessica Nether

Szene

„Das Herz der Medtec Live sind unsere Aussteller mit ihrem Angebot, ihren Ideen, ihren Innovationen und Lösungen für die Herausforderungen der Branche.“ Silke Ludwig

n e g a l i Be

Deutschland – wird ebenfalls etwas Passendes mit dabei sein.

Können Sie schon bekanntgeben, welche Aussteller fest dabei sind?

Silke Ludwig: Das Re-Booking war natürlich gerade für unsere langjährigen Aussteller eine tolle Gelegenheit, sich direkt ihre Wunschplatzierung in der Halle 1 in Stuttgart auszusuchen. Davon haben viele Unternehmen Gebrauch gemacht. Aber wir freuen uns, dass wir auch eine große Zahl von namhaften neuen Ausstellern begrüßen dürfen. Und natürlich sind auch die Gemeinschaftsstände wieder ein großer Anziehungspunkt für viele Aussteller. Hier sind die Flächen im Vergleich zur letzten Veranstaltung teilweise deutlich größer. In Summe sind wir zum jetzigen Stand sehr zufrieden.

Jessica Nether: Eine erste Übersicht der Aussteller finden Sie bereits auf unserer Website www.medteclive. com, die weiteren Infos zu den Ausstellern und ihren Produkten folgen Anfang dieses Jahres.

s hinwei

Die Medtec Live ist bekannt dafür, dass sie spannende Präsentationsformen einsetzt. Beim letzten Mal war zum Beispiel eine komplette Produktionsstraße aufgebaut. Worauf können sich die Besucher im Juni freuen?

Jessica Nether: Wir werden Guided Tours zu unseren Fokusthemen Digitalisierung, Automatisierung und Circular Economy anbieten. Interessierte Aussteller können Teil dieser Guided Tours werden und ihre Lösungen präsentieren sowie Impulse setzen. Diese Touren werden von Experten aus der jeweiligen Branche geführt.

Darüber hinaus sind wir aktuell noch in der Planung, wie wir das eine oder andere Highlight setzen werden. Klar ist für uns, dass Netzwerkpflege und -ausbau im Fokus stehen. Denn auf der Medtec Live spricht jeder Medizintechnik.

Dieser Ausgabe liegen Prospekte der Firmen • Kern & Sohn GmbH, Balingen • TAE WeiterbildungsService GmbH, Ostfildern

Welche Highlights sind noch vorgesehen, zum Beispiel im Rahmen des Vortragsprogramms?

Jessica Nether: Wir planen erneut verschiedene Sessions unserer Partner mit Experten zu den bereits von Silke genannten Fokusthemen. Die Ausstellerpräsentationen, die einen guten Überblick über die Leistungsfähigkeit der Branche geben, werden auf einer Bühne eine tolle Plattform bekommen. Sie werden auch dieses Mal medial von der Devicemed begleitet und sind seit Mitte Februar über uns buchbar. Außerdem bietet der Young-Innovators-Stand, unsere Start-up Area, in Verbindung mit dem Contest eine hervorragende Möglichkeit für junge Unternehmen, mit den Experten der Branche ins Gespräch zu kommen. (je)

und • RCT Reichelt Chemietechnik GmbH & Co., Heidelberg bei.

Wir bitten freundlichst um Beachtung.

Vielen Dank für das Gespräch!

DeviceMed 1 | 2024

13

Bild: Engelke – VCG

Das Treffen mit den Branchenvertretern fand auf Einladung der GHA an deren Messestand auf der Medica statt (v. l.): Armin Smajilovic (Haeberle), Alexander Boxler (GHA – German Health Alliance), Stefanie Zenk (GTAI – Germany Trade and Invest), Alexander Glänzel (Hoffrichter), Kristin Breunig (Devicemed), Veronika Guld (GHA – German Health Alliance), Joachim Butzlaff (3B Scientific), Caroline Ihle (Kimetec), Rainer Straub (MTD-Verlag).

Chancen und Risiken für Medtech-KMU

Mehr Innovationen statt Regularien Neue Exportmärkte erschließen, sich international aufstellen und die Medical Device Regulation meistern: Wo liegen hier aktuell Chancen und Herausforderungen für Medizintechnik-KMU? Das haben wir in einem exklusiven Gespräch mit Branchenvertretern herausgefunden.

VERFASST VON

Julia Engelke Redakteurin Devicemed

N

ach Angaben des Industrieverbandes Spectaris hat die deutsche Medizintechnik-Industrie das Jahr 2023 mit einem nur schwachen realen Umsatzwachstum abgeschlossen. Im Zeitraum Januar bis August 2023 lag der Gesamtumsatz laut Statistischem Bundesamt zwar nominal um mehr als 8,5 Prozent über dem Ergebnis des Vorjahreszeitraums. Gleichzeitig sind aber auch die Erzeugerpreise um 6,8 Prozent gestiegen.

Angesichts einer Exportquote von rund 67 Prozent kommt dem Auslandsgeschäft eine hohe Bedeutung zu.

Deutschlands Auslandsumsatz legte auch im Jahr 2022 wieder um 2,7 Prozent auf rund 26 Milliarden Euro zu.

Experten prognostizieren einen jährlichen Anstieg des Weltmarkts für Medizintechnik um etwa 5 Prozent in den kommenden Jahren, von dem Deutschland nach wie vor profitieren wird.

Der Weg in den Export für Medtech-KMU Aber welche Exportmärkte sind aktuell für Medizintechnik-KMU attraktiv oder werden es in Zukunft werden?

Die Region Südostasien ist momentan sehr spannend und divers. Indonesien und Vietnam sind große Märkte.

Kleine Märkte, die aber kapitalkräftig sind, sind Singa-

14 DeviceMed 1 | 2024

pur, Brunei und Hong Kong. „Malaysia ist ein gutes Einstiegsland“, weiß Alexander Glänzel, Area Sales Manager APAC bei der Hoffrichter GmbH und GHA Representative Southeast Asia. „Hier sind die Regularien nicht so schwer umzusetzen und Englisch ist als Sprache weit verbreitet.“ Auch Joachim Butzlaff, International Sales Manager bei der 3B Scientific GmbH, hat Erfahrung in der Region Südostasien: Seit 25 Jahren ist das Unternehmen dort vertreten, u. a. mit einer Niederlassung in Bangkok. „Wir haben so einen direkten Zugang zu Informationen und Kunden sowie ein eigenes Lager in der Region. Ein Vorteil, was die einheimische Währung und eine schnelle Lieferung angeht“, erklärt Butzlaff. Eine Hürde, mit der Unternehmen rechnen müssen, sind staatliche Ausschreibungen: Oft ist eine lokale Produktion erwünscht. Deshalb ist es für Medizintechnik-Unternehmen wichtig, sich im Vorfeld Informationen über die angestrebten Exportländer einzuholen.

Hier können Institutionen wie die GTAI Germany Trade and Invest helfen. Die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland für Außenwirtschaft und Standortmarketing stellt Marktinformationen für über 50 Standorte zur Verfügung. „Wir haben ein großes Netzwerk an Auslandskorrespondenten und Marktbeobachtern“, erzählt

Szene

Stefanie Zenk, Deputy Director/Head Medtech und Digital Health bei GTAI. „Eine operative Unterstützung bieten wir ebenfalls an und schauen, welche Vernetzungsmöglichkeiten es gibt und welche Markterschließungsorgane.“ Der Fokus der GTAI liegt auf KMU, der Support ist kostenfrei. Zudem organisiert die Gesellschaft Delegationsreisen und arbeitet verstärkt mit Verbänden zusammen. Ein weiteres Organ ist die GHA – German Health Alliance mit ca. 110 Mitgliedern aus dem Gesundheitsbereich. Die GHA bietet u. a. den Erfahrungsaustausch der Mitgliedsunternehmen in verschiedenen Arbeitsgruppen an und organisiert Besuche von Vertretern (z. B. Gesundheitsminister) interessanter Exportund Kooperationsländer. „Zudem sind wir auch politisch aktiv bzw. nah an der Politik dran“, bringt Alexander Boxler, Geschäftsleitung GHA – German Health Alliance, an. „Wir schreiben Positionspapiere und versuchen, Themen mit an den politischen Tisch zu bringen.“

„Es darf nicht nur Automotive als Leitindustrie gesehen werden, sondern auch die Gesundheitswirtschaft. Diese Industrie braucht den politischen Support.“ Alexander Boxler, Geschäftsleitung GHA

Tipps für die Internationalisierung Theoretisch gibt es für deutsche Medtech-KMU also verschiedene Möglichkeiten, den Zugang zu Exportmärkten zu bekommen. Wie sieht das in der Praxis aus? Das Familienunternehmen Kimetec aus Ditzingen in BadenWürttemberg, das u. a. Produkte wie Stillhilfen, Venenstauer und Diagnostik-Leuchten im Portfolio hat, hat seine Strategie an den Produktlinien ausgerichtet. Mit exklusiven Händlern (um deren Markennamen im Land zu nutzen) wird bei der Aktive-Geräte-Linie zusammengearbeitet, bei der Sortimentsergänzungslinie für andere Unternehmen setzt Kimetec auf mehrere Händler pro Land. „Wir haben mit der Strategie gute Erfahrungen in speziellen Regionen in Japan, Australien und dem arabischen Raum gemacht“, erzählt Caroline Ihle, Geschäftsleitung Kimetec GmbH sowie Vorsitzende der AG Medizintechnik GHA. „Die Kontakte zu den Händlern stellen wir größtenteils über Messen her.“ Die Firma Haeberle ist im Moment auf Markterschließungskurs, erzählt Armin Smajilovic, Vice President Haeberle GmbH + Co. KG sowie Vorsitzender der AG Medizintechnik GHA. Zuerst lag der Fokus auf der D/A/CH-Region, jetzt werden auch die USA in den Blick genommen. Auf

DeviceMed INFO

GHA – German Health Alliance In der GHA – German Health Alliance haben sich mehr als 50 innovative, wachstumsstarke Unternehmen aus der Medizintechnik zusammengeschlossen, um den Erfahrungsaustausch im Exportgeschäft und das internationale Medizintechnikgeschäft gemeinsam zu fördern. Ebenso wichtig wie der Austausch von Informationen und Erfahrungen unter den Mitgliedern sind dabei die guten Kontakte der GHA zu Ministerien und Institutionen wie z. B. der GTAI Germany Trade and Invest oder dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Die GHA bietet ihren Mitgliedern einen Know-how-Pool, von dem alle profitieren. „Proven Partnership“ lautet das Motto, das seit vielen Jahren in der täglichen Arbeit gelebt wird. Die GHA ist eine Initiative des Bundesverbands der Deutschen Industrie e. V. (BDI).

den großen Messen wird sich am Deutschen Pavillon orientiert und zusätzlich an Delegationsreisen teilgenommen. „Der Vorteil, wenn man selbst vor Ort ist, ist, dass man sehen kann, wie der Markt tickt. Wir können in persönlichen Kontakt treten und vorfühlen, ob wir, unsere Produkte und der lokale Markt zueinander passen.“ Das sind einige Tipps für KMU, die eine Internationalisierung anstreben. Aber worauf sollte noch geachtet werden? „Die Unternehmen sollten bedenken, dass Regularien eingehalten werden und neue Zulassungen beantragt werden müssen – das bindet Ressourcen. Die Einbindung neuer Distributoren bringt z. B. Schulungen mit sich. Deshalb bietet es sich an, kleinere und lohnende Märkte zu bevorzugen“, merkt Glänzel an. „Bei uns ganz oben auf der Prioritäten-Liste: Wir schauen, ob die MDD-Zulassung im Land noch anerkannt ist. Außerdem schauen wir auf Länderlisten nach, welche Produkte überhaupt Medizinprodukte sind und welche Klasse das Produkt hat. Das wird tatsächlich in vielen Ländern unterschiedlich klassifiziert“, ergänzt Ihle. Ein Tipp von Butzlaff: Wenn man als Unternehmen in den Export geht und auch davon abhängig wird, muss man beachten, dass ein möglicherweise schwankender Umsatz auch von politischen Schwankungen abhängig ist. Deshalb sollte man bei der Wahl der Exportländer schauen, dass diese sich umsatztechnisch „ausgleichen“ können.

Unterstützung von der Politik gefordert Ein weiterer Tipp: Die Medizintechnik-KMU sollten prüfen, in welchen Ländern das Qualitätssiegel „made in Germany“ noch etwas zählt. Denn die Konkurrenz (v. a. aus Asien) ist nicht zu unterschätzen. China positioniert sich auf den Medtech-Messen mit Produkten, Preisen und Innovationen. „Wir müssen am Ball bleiben. Wenn wir es nicht machen, macht es ein anderer“, mahnt Smajilovic. „Ich finde es ein wenig erschreckend, dass die Präsenz aus Deutschland z. B. auf großen internationalen Messen nicht so wahrnehmbar ist“, so Smajilovic weiter. Die KMU bräuchten dabei Unterstützung, v. a. die Hilfe des Staates. Die Messen und Delegationsreisen der Bundesregierung müssen erhalten bleiben. Genau das versucht die GTAI als Vermittlerin zwischen den Medtech-Verbänden und den deutschen Ministerien zu erreichen und sicherzustellen. Zudem hat die Gesellschaft eine Unternehmensdatenbank, in der sich die Unternehmen mit ihren Leistungen und Produkten listen lassen können. Diese kann zur Vermittlung an potenzielle ausländische Partner dienen. Boxler richtet einen Appell direkt an die Politik: „Es darf nicht mehr nur Automotive als Leitindustrie gesehen werden, sondern auch die Gesundheitswirtschaft. Diese Industrie braucht den politischen Support.“ DeviceMed 1 | 2024

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Szene

„Es wäre besser, wenn Deutschland wieder den Weg des Innovators geht – lieber Innovator statt Regulator sein.“ Armin Smajilovic, Vice President Haeberle GmbH + Co. KG

Das „Kummerkind“ MDR Ein wichtiges Thema, das die deutschen Medtech-KMU weiterhin beschäftigt, ist die Medical Device Regulation (MDR). Die MDR ist zum „Kummerkind“ der letzten Jahre geworden. Für die Unternehmen bedeutet die Zertifizierung einen enormen Zeitaufwand und Kosten-Intransparenz. Teilweise müssen Mitarbeiter aus Forschung und Entwicklung umschulen, damit Kapazitäten für die regulatorischen Arbeiten geschaffen werden können. Um Unternehmen zu stärken, hat die GHA 2022 den Arbeitskreis Regulatory Ark gegründet. Hier bieten Unternehmen Erfahrungsaustausch, Kompetenzen und Wissens-Sharing an. Der Arbeitskreis wird gut angenommen und trifft sich momentan einmal pro Monat digital für eine Stunde. „Die Arche ist gut gefüllt“, sagt Smajilovic. „Denn am Ende des Tages ist die MDR immer noch ein Problem. Wir kämpfen alle noch. Je höher die Klasse, desto schlimmer ist es.“ Der „Endgegner“ ist momentan die noch immer zu geringe Anzahl an benannten Stellen. „Man ist mit seiner benannten Stelle fast verheiratet“, erzählt Ihle. Kimetec ist seit fast 25 Jahren bei der Dekra. Allerdings kann bei Zulassungen für Innovationen das Ausweichen auf eine ausländische benannte Stelle eine Lösung sein. Schließlich stellt man sich bei Innovationen in der MDR-Zulassungskette ganz hinten an. Ihle weiter: „Wir sind noch viele Jahre mit der MDR beschäftigt. Rückmeldungen von unserer benannten Stelle dauern momentan bis zu sechs Monate. Und dann ist da natürlich der Kostenaufwand. Der drückt dann die Stimmung im Unternehmen, um neue Märkte auszuprobieren.“

DeviceMed INFO

GTAI Germany Trade and Invest Die GTAI ist die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland für Außenwirtschaft und Standortmarketing. Sie unterstützt deutsche Unternehmen auf ihrem Weg in ausländische Märkte durch kostenlose Informationen und Analysen sowie aktuelle Informationen zu Rechts- und Zollbestimmungen. Darüber hinaus gibt es das Markterschließungsprogramm für KMU (MEP), das durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gefördert wird.

Im Rahmen des MEP erhalten KMU Informationen über Zielland, Branche und die Gelegenheit, Kontakte zu potenziellen Geschäftspartnern zu knüpfen.

Zudem hilft die GTAI auch ausländischen Unternehmen bei ihrer Ansiedlung in Deutschland. Experten helfen hier bei Markteintrittsstrategien, Rechts-, Finanzierungs- und Förderungsfragen.

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Innovationen leiden unter regulatorischen Vorgaben Eine weitere Regularie steht für einige Medtech-Unternehmen nun auch noch zusätzlich ins Haus: das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, kurz Lieferkettengesetz.

Das Gesetz trat 2023 zunächst für Unternehmen mit mindestens 3.000 Mitarbeitern in Kraft, seit 2024 gilt es für Unternehmen mit mindestens 1.000 Arbeitnehmern im Inland. Es soll in globalen Lieferketten Menschenrechte und den Umweltschutz stärken. Zunächst müssen Unternehmen die Risiken in ihren Lieferketten ermitteln, bewerten und priorisieren. Aufbauend auf den Ergebnissen werden eine Grundsatzerklärung veröffentlicht und Maßnahmen ergriffen, um Verstöße gegen die Menschenrechte sowie Schädigungen der Umwelt zu vermeiden oder zu minimieren. Das alles bindet wieder Kapazitäten im Unternehmen, der zeitliche Aufwand ist hoch, merkt die Gesprächsrunde an. „Es wäre besser, wenn Deutschland wieder den Weg des Innovators geht“, bringt es Smajilovic auf den Punkt. „Lieber Innovator statt Regulator sein.“ Das heißt, die Branche muss wieder innovativer sein bzw. innovationsfähig und somit auch konkurrenzfähig bleiben. Sonst verliert die Medizintechnik „made in Germany“ bald ihre Vorreiterrolle.

Der Mittelstand muss gestärkt werden Hier liegt auch eine Pflicht bei den politischen Entscheidungsträgern in Berlin bzw. Brüssel, Maßnahmen zu ergreifen, um die Medizintechnik-Branche wieder zu stärken. „Besonders der Mittelstand und damit die KMU müssen massiv gestärkt werden. Und zwar mit einem Aktionsplan mit konkretem Ziel, wie der Festigung von (internationalen) Messen, einem Subventionsprogramm und Delegationsreisen“, sagt Smajilovic. Zudem soll die Wertschätzung für Qualitätsprodukte wieder gesteigert werden. „Denn da kommen wir her“, betont Ihle. „‚Made in Germany’ darf nicht nur eine Imagekampagne sein, es muss wieder klargemacht werden, was wirklich dahintersteckt.“ Butzlaff merkt noch ein weiteres Thema an: „Wir stehen unter enormem Druck, in neue Produkte, neue Entwicklungen zu investieren. Dafür brauchen wir Fachkräfte, Spezialisten aus dem Ausland, Spezialisten für Neuentwicklungen. Fachkräfte sind für uns momentan im Inland nicht auffindbar.“ Der Bürokratieabbau sowie die industrielle Gesundheitswirtschaft als Leitwirtschaft zu positionieren sind weitere wichtige Punkte. Die Gesundheitswirtschaft braucht eine stärkere Lobby, so die Forderung aus der Branche. „Wir arbeiten momentan daran, dass die Politik ein Programm für Gesundheitspartnerschaften aufsetzt. Dabei wird ein Land definiert und zusammen festgelegt, dass man im Gesundheitsbereich partnerschaftlich zusammenarbeiten will“, erzählt Boxler. Zudem wünscht sich die Runde eine Art Innovationsförderungstopf für die deutsche MedtechBranche, der einfach zugängig ist, sowie Subventionsprogramme für die KMU. Bei allen Hürden sollte man als Unternehmen in der Medizintechnik-Branche aber den Mut nicht nur nicht verlieren, sondern auch mehr Mut wagen. Mut zur Innovation, denn die sichert das Geschäft. Aber auch Mut in den Export. Dabei können bestehende Netzwerke und Beratungsangebote genutzt werden, denn man steht als KMU nicht allein da. (je)

EXTRA

Mergers & Acquisitions

Transaktionsgeschehen in der Medtech-Branche

Mergers & Acquisitions im 2. Halbjahr 2023 Der Transaktions- und Finanzierungsmarkt läuft weiterhin mit gedrosseltem Motor: Auch im zweiten Halbjahr 2023 halten sich die MedizintechnikUnternehmen zurück. Das spiegeln die Mergers-&-Acquisitions-Aktivitäten wider.

A

uch im zweiten Halbjahr 2023 üben sich die Transaktionsmärkte in Zurückhaltung. Am derzeit komplizierten und in seiner Entwicklung schwer zu prognostizierenden Gesamtumfeld für Mergers-&-Acquisitions(M&A)-Aktivitäten, Finanzierungen und IPOs hat sich gegenüber dem ersten Halbjahr 2023 wenig geändert. Die Finanzierungskosten haben

sich nach dem deutlichen Zinsanstieg von 2021 nicht wie erhofft verbilligt. Käufer und Verkäufer tun sich vor diesem Hintergrund schwer, ihre Preiserwartungen in Einklang zu bringen, VC-Finanzierer, aber auch Börsenkandidaten agieren nach wie vor vorsichtig. Entsprechend hat sich das Transaktionsvolumen im Gesamtmarkt international gegenüber 2022 erneut reduziert.

M&A-Transaktionen mit Bezug zur D/A/CH-Region des zweiten Halbjahres 2023 (Auswahl) Segmente: Medtech, Digital Health Termin Transaktion/Erläuterung (selektiv)

Segment

Veräuße- Erwerber/Investor rer/IPO/ Kapitalmaßnahme

Volumen/ Transaktion, Kapitalerhöhung

Dez 2023

Gerüchten zufolge planen u. a. Sartorius und Merck die Übernahme des österreichischen Laborausrüsters (Fluid Management) Single Use Support, Kufstein, zu einem Kaufpreis von bis zu 1 Milliarde Euro. Single Use Support erzielte zuletzt ein Betriebsergebnis im Bereich von 50 Millionen Euro.

Labortechnik/ Medizinprozesstechnik

u. a.

Danaher

Sartorius AG, Göttingen Merck KGaA, Mainz

bis zu 1 Milliarde Euro?

Dez Gerüchten zufolge scheinen die seit längerem kolportierten IPO-Pläne von 2023 Ottobock gecancelt worden zu sein. Stattdessen wolle die Familie wieder alle Anteile bei sich vereinen, nachdem seit 2017 auch EQT mit 20 Prozent beteiligt ist.

Medizintechnik

EQT?

Ottobock SE & Co. KGaA, n. n.

Duderstadt

Nov Gilde Healthcare meldet den Zukauf des Auftragsherstellers für chirurgische 2023 Präzisionsinstrumente Koscher & Würtz GmbH, Spaichingen. Der Neuerwerb soll Gildes Plattforminvestment vom Juni 2022 in diesem Bereich, Chr. Diener,Tuttlingen, verstärken.

Medizintechnik

n. n.

Gilde Healthcare, Utrecht

n. n.

Nov Die Miele-Gruppe führt ihre Tochter Steelco Group in einem Joint Venture (JV) 2023 mit der Schweizer Metall Zug AG zusammen. Die jeweiligen Aktivitäten der Beteiligten umfassen Lösungen für Sterilisation, Desinfektion und Reinigung in Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen. Die Miele-Gruppe wird 2/3 der Anteile am JV halten.

Medizinprodukte & -services

keine

Miele AG, Gütersloh Metall Zug AG, Zug

n. n.

Nov Das Start-up Floy GmbH, München, erhält in seiner zweiten Seed-Runde 2023 5,4 Millionen Euro zur Weiterentwicklung seiner KI-Lösung zur Diagnoseunterstützung für Radiologen.

Health-IT

Kapitalerhöhung

HV Capital, München u. a.

5,4 Millionen Euro

Nov Bertelsmann Investments steigt mit 5 Millionen Euro beim Digital-Health2023 Start-up Doccla ein, das sich u. a. auf Telemonitoring fokussiert.

Digital Health

Kapitalerhöhung

Bertelsmann Investments, Gütersloh

5 Millionen Euro

Digital Health Nov Das Start-up Deepeye Medical GmbH, München, wirbt 2,5 Millionen Euro 2023 Seed-Finanzierung ein. Deepeye spezialisiert sich auf KI-gestützte Therapien für Netzhauterkrankungen.

Kapitalerhöhung

YZR Capital, München Bayern Kapital, Landshut u.a.

2,5 Millionen Euro

Nov Paragon Partners steigt bei der Primed Group, Halberstadt, ein. Primed bedient 2023 als Entwickler, Hersteller, Dienstleister und Distributor die gesamte Wertschöpfungskette in Bereichen wie der Tracheotomie, Wunddrainage, Thoraxchirurgie etc.

Medizinprodukte, medizinische Services

n. n.

Paragon Partners, München

n. n.

Okt Carl Zeiss Meditec, Jena, übernimmt für 985 Millionen Euro den Augenheil2023 kunde-Spezialisten Dutch Ophthalmic Research Center (DORC), Zuidland (NL).

Ophthalmologie- n. n.

Chirurgie

Carl Zeiss Meditec AG, Jena

985 Millionen Euro

18 DeviceMed 1 | 2024

Mergers & Acquisitions

Die signifikanten Transaktionen auf einen Blick

VERFASST VON

Dr. Christian Bridts Geschäftsführer Bridts Corporate Finance GmbH & Co. KG

13672

Von dieser insgesamt verhaltenen Stimmung haben sich im internationalen Bereich aber nicht alle Akteure bremsen lassen, durchaus signifikante Transaktionen durchzuziehen: Life Sciences & Diagnostics Blue Chip Danaher hat im Dezember die Übernahme von Abcam plc (UK), einem Hersteller von Reagenzien, Antikörpern, Assays und Biomarkern, für 5,7 Milliarden US-Dollar abgeschlossen.

Serienkäufer Boston Scientific publiziert die Einigung über den Erwerb des Urologiespezialisten Axonics (u. a. Neuromodulation). Für das Target, das zuletzt einen Umsatz in Höhe von 366 Millionen US-Dollar erzielte, wird Boston Scientific nach jetzigem Stand einen Kaufpreis um die 3,7 Millionen US-Dollar bezahlen.

Thermo Fisher hat kurz nach dem Erwerb von Binding Site erneut eine signifikante Transaktion zu vermelden: Für 3,1 Milliarden US-Dollar wurde nun die schwedische Olink-Holding übernommen, ein Spezialist für Proteomik-Anwendungen und Sequenzierung.

Die NYSE-gelistete Ametek Inc. übernimmt für 1,9 Milliarden US-Dollar mit Paragon Medical einen Hersteller medizinischer Instrumente und Komponenten, der zuletzt einen Umsatz von etwa 0,5 Milliarden US-Dollar erzielte.

Das dänische Medizintechnik-Aushängeschild Coloplast sichert sich für bis zu 1,3 Milliarden US-Dollar den rapide wachsenden isländischen Wound-CareSpezialisten Kerecis, der zuletzt ca. 75 Millionen US-Dollar Umsatz brachte.

Und erneut Boston Scientific: Der Medtech-Hersteller hat den Erwerb des kalifornischen Experten für Neuromodulation Relievant Medsystems für 850 Millionen US-Dollar angekündigt, der u. a. Lösungen für chronische Rückenschmerzen entwickelt.

Die amerikanische Enovis (früher DJO) ergänzt für einen Transaktionswert von 800 Millionen Euro mit der italienischen Limacorporate S.p.A. (Implantatlösungen) ihren Geschäftsbereich Rekonstruktion, der damit nun für ca. 1,0 Milliarden US-Dollar Umsatz steht.

Der breit aufgestellte Medizintechnik-Hersteller Teleflex verstärkt sich mit der bis zu 650 Millionen US-Dollar teuren Akquisition von Palette Life Sciences, die sich auf medizintechnische Produkte für den Urologie-Bereich spezialisieren.

Szene | Konstruktion | Fertigung Management | Regulatory Affairs E-Health | Forschung

Finanzinvestoren sind entscheidende Treiber

Für Profis in der Medtech-Branche

Marktgerüchten zufolge plant Medtronic, die Geschäftsbereiche Patient Monitoring und Respiratory Care mit einem Umsatz von ca. 2,2 Millionen US-Dollar mehrheitlich an Private-Equity-Unternehmen (Carlyle et al.) zu veräußern. Der Erwerber soll einen Anteil von rund 2/3 erhalten, der Rest verbliebe bei Medtronic. Dabei soll eine Bewertung von mehr als 7 Milliarden US-Dollar aufgerufen werden.

Auch an der größenordnungsmäßig dominierenden Transaktion im nationalen Transaktionsmarkt ist ein führender US-Akteur beteiligt: Baxter hat im dritten Quartal 2023 sein in der Sintra Bio Pharma gebündeltes DeviceMed 1 | 2024

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EXTRA

Mergers & Acquisitions

Veräuße- Erwerber/Investor rer/IPO/ Kapitalmaßnahme

Volumen/ Transaktion, Kapitalerhöhung

Okt Die US-Gruppe Stat Lab Medical Products übernimmt die Waldemar Knittel Glas- Labortechnik/ 2023 bearbeitungs GmbH, Braunschweig, einen Hersteller von Glasprodukten für den MedizinLife-Science-Bereich und Automatisierungsspezialisten. Hinter Stat Lab stehen prozesstechnik die Private-Equity-Investoren Audax Private Equity und Linden Capital Partners.

n. n.

Stat Lab Medical Products, McKinney (USA)

n. n.

Okt Das Pharmaunternehmen Medice Health Family, Iserlohn, übernimmt das 2023 Femtech-Start-up Femfeel, München.

Digital Health

n. n.

Medice Health Family, Iserlohn

n. n.

Okt Das Start-up Raydiax GmbH, Magdeburg, ein Innovator im Bereich der 2023 Computertomographie, kann eine Finanzierungsrunde von 3,5 Millionen Euro abschließen.

Medizintechnik

Kapitalerhöhung

HTGF, Bonn Bmp Ventures etc.

3,5 Millionen Euro

Okt Das Münchener Start-up Kranus Health erweitert seine Serie-A-Runde von 2023 6,1 Millionen Euro auf 14,3 Millionen Euro. Führende Investoren bei dieser Erhöhung sind die Swiss Health Ventures und der bisherige Investor Karista.

Kranus Health entwickelt digitale Lösungen für die urologische Versorgung.

Digital Health

Kapitalerhöhung

Swiss Health Ventures, Luzern Karista, Paris

8,2 Millionen Euro

Medizintechnik Okt OR Technology Group, ein Portfoliounternehmen von Rigeto und Spezialist für 2023 digitale Röntgenlösungen, erwirbt mehrheitlich Celtic SMR Ltd., einen Distributor sowohl im Human- als auch Veterinärmedizintechnikmarkt.

n. n.

Rigeto Unternehmern. n. kapital GmbH, München

Sep Finanzinvestor Gyrus Capital, Genf, übernimmt mit der LRE-Medical GmbH, 2023 Nördlingen, einen Anbieter von technischen Lösungen und Herstellungsverfahren für medizinische und biowissenschaftliche Diagnostikgeräte.

Medizintechnik

AIS Global, Gyrus Capital, Genf Coeur d’Alene, Idaho

n. n.

Sep Siemens Healthineers übernimmt Aspekt Solutions, Greenbelt (USA), einen 2023 Dienstleister rund um radiologisch-onkologische Technologien, wie sie die Healthineers Division Varian entwickelt.

Medizintechnik & -services

n. n.

Siemens Healthineers, Erlangen

n. n.

Sep Die Familienholding Athos (Strüngmann), München, steigt mit weiteren Investo- Medizin2023 ren beim Hersteller von Desinfektionsmitteln und Antiseptika Schülke & Mayr, produkte Norderstedt, ein, bislang ein Portfoliounternehmen der EQT. Schülke & Mayr hatte zuletzt mit 1.200 Mitarbeitern einen Umsatz von rund 390 Millionen Euro erzielt.

u. a. EQT Partners AB, Stockholm

Athos Familienholding, München Bitburger Holding etc.

n. n.

Sep Die Mainzer Schott-Gruppe hat ihr Gruppenunternehmen Schott Pharma AG & Pharma2023 Co. KGaA zu einem erfolgreichen IPO an der Frankfurter Börse geführt. Von dem verpackung Hersteller von Pharmaverpackungslösungen (u. a. Ampullen, Spritzen), der in den ersten neun Monaten 2023 einen Umsatz von rund 670 Millionen Euro und einen EBITDA von 187 Millionen Euro erzielen konnte, wurden allerdings im ersten Schritt nur 23 Prozent gefloatet, für die Schott rund 935 Millionen Euro vereinnahmen konnte.

SchottGruppe, Mainz

IPO

935 Millionen Euro

Aug Adesso Ventures investiert in das Digital-Health-Start-up Nia Health, Berlin, 2023 das sich auf unterstützende Anwendungen für chronische Hauterkrankungen spezialisiert.

Digital Health

Kapitalerhöhung

Adesso Ventures, Berlin

n. n.

Aug SHS Capital steigt beim Life-Science-Robotik- und Automatisierungs-Spezialisten Life-ScienceProduktions2023 Essert GmbH, Bruchsal, ein. technologie/ Robotik

Kapitalerhöhung

SHS Beteiligungsgesellschaft mbH, Tübingen

n. n.

Das Münchener Start-up Hema.to wirbt 3,6 Millionen Euro ein.Hema.to entJul 2023 wickelt KI-basierte Verfahren zur Diagnose- und Entscheidungsunterstützung bei Blutkrebs.

Kapitalerhöhung

u.a. Elaia Partners, 3,6 Millionen Paris; Heal.Capital MaEuro nagement GmbH, Berlin

Die Alveus Beteiligungen GmbH, München, steigt mehrheitlich bei dem Dental- Dentaltechnik Jul 2023 geräte-Spezialisten Zubler Gruppe, Ulm, ein.

u. a. Kurt Zubler

Alveus Beteiligungen GmbH, München

n. n.

Die Medical Equipment Group (Harald Quandt Industriebeteiligungen) überMedizinJul 2023 nimmt via Funke Medical GmbH, Raesfeld, sämtliche Anteile der Gesellschaften produkte Deron B.V., Gendt (NL), Lima B.V. und Connect Foam Care B.V. („DERON“).

DERON zählt zu den führenden Adressen für Dekubitus-Hilfsmittel in den Niederlanden.

u. a. Simo- Funke Medical GmbH, ne und Raesfeld Wilfried Grimberg

n. n.

SHS Capital, Tübingen, investiert 18 Millionen Euro in das slowenische UnterJul 2023 nehmen Mesi, einen Experten für die Digitalisierung diagnostischer Arbeitsabläufe in vielen Bereichen des Gesundheitswesens.

Kapitalerhöhung

18 Millionen Euro

Termin Transaktion/Erläuterung (selektiv)

Segment

Health-IT/KI

Health-IT/ Digital Health

SHS Beteiligungsgesellschaft mbH, Tübingen

IK Partners verkaufen Klingel, Pforzheim, an den medizintechnischen Contract Medtech (CDMO) IK Partners Elos Medtech AB, Jul Stockholm 2023 Manufacturer Elos Medtech AB, Stockholm. Klingel ist ein mittlerweile global tätiger CDMO für einige medizintechnische Bereiche wie Orthopädie, Wirbelsäule, Trauma, Endoskopie sowie Chirurgierobotik und ist in den letzten Jahren auch durch Akquisitionen signifikant gewachsen.

370 Millionen Euro

Greenpeak Partners erwirbt über sein Beteiligungsvehikel Paratus eine Mehrheit Health-IT Jul 2023 an der Image Information Systems Europe GmbH, Rostock, einem Spezialisten für PACS-Lösungen für den radiologischen Bereich.

n. n.

Quellen: u. a. Zephyr, Bundeskartellamt, Investoren-/Pressemeldungen, bridtsCF Recherche

20 DeviceMed 1 | 2024

n. n.

Greenpeak Partners Advisory GmbH, München

Biopharma-/Oncology-Geschäft (Standorte Halle/Westfalen und Bielefeld) für 4,25 Milliarden US-Dollar an die Finanzinvestoren Advent und Warburg Pincus abgegeben, um mit dem Erlös seine Verschuldung abzubauen.

Die Beteiligung von Finanzinvestoren an dieser Landmark-Transaktion ist im D/A/CH-Markt kein Zufall. Obwohl auch die Private-Equity-Branche insgesamt zuletzt mit etwas mehr Zurückhaltung agiert hat, sind Finanzinvestoren (PE & VC) weiterhin entscheidende Treiber im erweiterten Medtech-Transaktions- und Finanzierungsmarkt und an rund 2/3 der hier aufgeführten Transaktionen zumindest auf einer Seite direkt oder indirekt beteiligt. So haben sich IK Partners nach Abschluss einer konsequenten Buy-and-Build-Strategie von ihrem Plattform-Investment Klingel getrennt und die Gruppe für 370 Millionen Euro an das schwedische Unternehmen Elos Medtech veräußert.

Die Tübinger SHS vermeldet zwei Neuinvestments.

Dem 18 Millionen Euro teuren Einstieg in das slowenische Unternehmen Mesi folgte kurz darauf ein Investment in den Automatisierungsspezialisten Essert, der zu wesentlichen Anteilen die Medtech-Branche beliefert.

Auch die ebenfalls von PEs gehaltene US-amerikanische Stat Lab Medical Products übernimmt mit der Waldemar Knittel Glasbearbeitung einen Automatisierer im Bereich Labortech/Medtech.

Neuigkeiten bei Ottobock, Siemens Healthineers und Carl Zeiss Meditec Unter den strategischen Akquisitionen ragt der 985 Millionen Euro schwere Erwerb des niederländischen Dutch Ophthalmic Research Centers (DORC) durch Carl Zeiss Meditec heraus. Siemens Healthineers übernimmt in einer weiteren US-Transaktion Aspekt Solutions, einen Dienstleister rund um radiologisch-onkologische Technologien, wie sie die Healthineers Division Varian entwickelt.

Die neuesten Nachrichten zu den Zukunftsplänen der Eigner von Ottobock deuten darauf hin, dass kein IPO mehr angestrebt wird. Stattdessen möchte die Familie wohl wieder alle Geschäftsanteile bei sich vereinen und Mitgesellschafter EQT auskaufen.

Weiteren Marktgerüchten zufolge arbeiten u. a. Sartorius und Merck KGaA an der Übernahme des österreichischen Laborausrüsters Single Use Support, Kufstein, zu einem Kaufpreis von bis zu 1 Milliarde Euro.

Erfolgreich stattgefunden hat dagegen bereits im Herbst der IPO der Schott Pharma AG & Co. KGaA an der Frankfurter Börse. Der abgegebene Anteil von 23 Prozent an dem Hersteller von Pharmaverpackungslösungen (u. a. Ampullen und Spritzen) spült der Schott AG ca. 935 Millionen Euro in die Kasse.

Finanzierungsrunden in der D/A/CH-Region Trotz der insgesamt schwieriger gewordenen Umfeldbedingungen für VC-Investments konnten auch im zurückliegenden Halbjahr in der D/A/CH-Region einige interessante Finanzierungsrunden erfolgreich abgeschlossen werden. Wenig überraschend ist, dass die Mehrzahl erneut den Bereichen Health-IT und Digital Health zuzurechnen ist. Dazu zählen u. a. die Erweiterung der Serie-A-Runde von Kranus Health um 8,2 Millionen Euro, die 5,4 Millionen Euro schwere Seed-Runde der Münchner Floy, die KI-gestützten Diagnosesupport

DeviceMed INFO

Mergers & Acquisitions (M&A) Mergers & Acquisitions (M&A) zählen nicht zum unternehmerischen Alltag. Auf den ersten Blick mögen sie nur für die involvierten Unternehmen entscheidende Weichenstellungen darstellen, die dort mit Vorbereitung und Nachwehen häufig mehrere Geschäftsjahre prägen.

Teilweise beeinflussen sie durch ihre Auswirkungen aber auch die Struktur ganzer Branchensegmente und bringen dadurch auch für nicht direkt beteiligte Unternehmen wesentliche Veränderungen mit sich. So ist der aufmerksame Blick auf das Transaktionsgeschehen stets auch wichtiger Bestandteil der strategischen Umfeldanalyse.

für Radiologen entwickelt, die 3,5-Millionen-Euro-Runde des Magdeburger CT-Spezialisten Raydiax, aber auch die 5 Millionen Euro, die Bertelsmann Ventures in den Telemonitoring-Spezialisten Doccla investiert.

So erfreulich diese Start-up-Runden im heimischen Markt auch sein mögen, so gehört jedoch zum ganzen Bild, dass im gleichen Zeitraum das britische Unicorn (Bewertung > 1 Milliarde US-Doller) CMR Surgical (OPRoboter) sich in einer der größten VC-Runden weltweit eine Finanzierung von 165 Millionen US-Dollar sichern konnte und nun mit seinem kleineren und etwas günstigeren System den Weltmarktführer in dieser Nische, Intuitive Surgical, auf seinem Heimatmarkt herausfordern möchte.

TIPP Dies ist Teil 19 unserer M&A-Serie. Alle Artikel seit 2014 finden Sie unter www.devicemed. de, Stichwörter Mergers & Acquisitions.

Investition in künstliche Intelligenz Die D/A/CH-Transaktions- und -Finanzierungstätigkeit wird weiterhin stark von Digitalisierungsbemühungen bestimmt, wobei innerhalb dieser speziell KI-Einflüsse immer stärker durchschlagen. Sie finden sich einerseits in den Produkten und Lösungen selbst, kommen aber vermehrt auch bereits in der Entwicklung, der Produktion und dem Vertrieb und Service und damit über die gesamte Wertschöpfungskette zum Tragen. Dem potenziell zu erzielenden signifikanten Nutzen gehen auch hier zunächst regelmäßig erhebliche Investitionen in Systeme und Mitarbeiter voraus. Investitionen, die in einer Branche, die ohnehin noch mit Kosteneffekten (Zinsen, Energie, Rohstoffe, Personal etc.) aus den zurückliegenden schwierigen Jahren kämpft, wohl nicht jedes Unternehmen im geforderten Umfang wird aufbringen können. Unabhängig davon dürfte die schon allgemein schwierige Gewinnung von Mitarbeitern gerade in diesen Bereichen auch bei vorhandenem Investitionswillen die Umsetzung von Businessplänen erschweren.

Gerade kleine und mittlere Hersteller stoßen hier auf Begrenzungen und sind wieder einmal gefordert, intelligente Strategien zu entwickeln, um mit diesen Bottlenecks umzugehen. Ein geeigneter Weg könnten Kooperationen sein, die allerdings nicht einfach zu etablieren und nicht selten noch komplizierter ohne Schaden wieder aufzulösen sind. (je)

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EXTRA

Mergers & Acquisitions

Der EU AI Act soll im Frühjahr 2024 verabschiedet werden.

Auch Medtech-Hersteller müssen sich darauf vorbereiten.

EU AI Act

Welche Chancen bietet der EU AI Act für Medtech-Unternehmen?

Im Dezember 2023 haben das Europäische Parlament und der Rat der EU eine Einigung über den EU AI Act erzielt. Wird das neue Gesetz im Frühjahr förmlich verabschiedet, ergeben sich für Medtech-Unternehmen neue Anforderungen, aber auch Chancen – vorausgesetzt, sie bereiten sich rechtzeitig darauf vor.

Z

VERFASST VON

Johanna O'Donnell Expertin für KI-Innovation in der HealthcareBranche Zühlke Group

uletzt war es ein zähes Ringen um den EU AI Act. Nach einer 38-stündigen Trilog-Verhandlung zwischen der EU-Kommission, dem Europäischen Rat und dem Europäischen Parlament stand im Dezember 2023 jedoch der Entwurf für die weltweit erste Regulierung von künstlicher Intelligenz (KI). Im Frühjahr 2024 soll das Gesetz förmlich verabschiedet werden.

Das EU-Gesetz definiert, wie KI-Systeme künftig eingesetzt werden dürfen – insbesondere solche, die ein erhebliches Risiko für Gesundheit, Sicherheit, Grundrechte der Bürger oder die Umwelt darstellen. Ziel der EU ist es, die Gefahren, die von KI ausgehen, zu minimieren – z. B. Desinformation und Manipulation, Diskriminierung aufgrund einseitiger Datengrundlage, die Beeinflussung der Politik oder des Verhaltens des Individuums sowie die Bedrohung der Cybersicherheit. Dabei geht es nicht nur darum, bewusste Täuschung zu verhindern, sondern auch Fahrlässigkeit und einen unbedarften Umgang mit KI.

Auswirkungen für Medtech-Unternehmen Mit der neuen Verordnung schützt die EU die Rechte des Einzelnen. Doch was bedeuten die enthaltenen Vor-

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schriften für Medizintechnik-Unternehmen? Schließlich entwickeln diese bereits zahlreiche unterschiedliche Produkte mit KI-Anteil: Systeme zur automatischen Analyse von Röntgen- oder MRT-Bildern, medizinische Chatbots oder Remote-Überwachungsinstrumente im Krankenhaus, digitale Gesundheitsanwendungen, aber auch Software zur Terminvereinbarung oder Bettenbelegung sowie Gesundheits- und Fitnessapps.

Um die Auswirkungen auf die eigenen Produkte zu bestimmen, kommt es v. a. auf die Art der Anwendung an. So enthält das Gesetz Vorgaben zur Identifizierung und Einstufung von KI-Anwendungen in verschiedene Risikostufen. Ein unannehmbares Risiko wäre z. B. die Anwendung von KI für eine Priorisierung von Patienten basierend auf religiösen oder politischen Ansichten. Ein solches Produkt ist nach dem neuen Gesetz verboten.

Für die weiteren Risikoklassen werden jeweils bestimmte Sicherheits- und Transparenzanforderungen festgelegt. Für Geräte und Software im Hochrisikobereich sind künftig ein systematisches Risiko- und Qualitätsmanagement, eine technische Dokumentation sowie eine Zertifizierung vorgeschrieben. Im Healthcare-Bereich wird dies v. a. zur Diagnose eingesetzte KI-Lösungen betreffen, die beispielsweise MRT-Daten verarbeiten, die

Regulatory Affairs

Funktionalität eines Herzschrittmachers sicherstellen oder Ärzte bei der Erkennung von Krankheiten unterstützen. Ebenfalls betroffen sind Systeme, die die Behandlung und Medikation von Patienten beeinflussen.

Bei der Zertifizierung wird es darum gehen, die Qualität der beim Training der Maschinen genutzten Daten zu belegen, aber auch die Technologien sicher in die Prozesse von Arztpraxen und Krankenhäusern einzubinden. Es wird u. a. geregelt, wie intensiv maschinelle Diagnosen durch das Fachpersonal überwacht werden.

Für Produkte mit „begrenztem Risiko“ wie etwa einen Chatbot, der Termine vereinbart und keine medizinischen Ratschläge gibt, gilt es Transparenzpflichten zu erfüllen. Hier muss offengelegt werden, dass KI eingesetzt wird. So können Patienten und Nutzer bewusste Entscheidungen treffen oder Situationen, die ihnen unangenehm sind, meiden. Ein minimales Risiko schreibt der Act z. B. Fitness-Apps zu. Diese unterliegen keinen besonderen Vorschriften. Den Anbietern wird die Möglichkeit geboten, freiwillige „Verhaltenskodizes“ (Codes of Conduct) aufzustellen. Diese können sich an den Vorgaben der Hochrisiko-Systeme orientieren, aber auch Ziele wie Barrierefreiheit oder Nachhaltigkeit verfolgen.

Insbesondere die Pflicht zur Zertifizierung im Hochrisikobereich bedeutet für Firmen einen Mehraufwand.

Sobald es aber harmonisierte Normen gibt, wird sich dieser im Vergleich zu anderen Branchen in Grenzen halten, da Medizinprodukte ohnehin zertifiziert und zugelassen werden müssen. Viele der neuen Verpflichtungen überschneiden sich mit bereits existierenden Regulierungen im Gesundheitsbereich wie der MDR (EU-Medizinprodukte-Verordnung) und der IVDR (EU-Verordnung über In-vitro-Diagnostika). So wurden auch die Algorithmen in den Medizingeräten in der Vergangenheit zertifiziert, aber der Prozess ist bislang nicht einheitlich geregelt, was in den Unternehmen für Unsicherheit gesorgt hat. Hier kann sich der AI Act langfristig sogar vorteilhaft auswirken: Firmen erhalten Sicherheit darüber, dass die Produkte, die sie in dem zukunftsweisenden Bereich entwickeln, gesetzeskonform sind.

1. Chance: AI Act schafft Investitionssicherheit Grundsätzlich schafft die EU mit dem AI Act als erste Region einen sicheren Rechtsrahmen und ist mit der KI-Verordnung absoluter Vorreiter. Für die Unternehmen bedeutet das mehr Sicherheit bei der Investition in Forschung und Entwicklung, was auch ein erklärtes Ziel des AI Acts ist. Zudem hilft ihnen die Richtlinie dabei, die Qualität ihrer Produkte systematisch zu sichern. Sie gibt ein Gerüst von Good Practices vor, das es Unternehmen erleichtert, qualitätsvolle Produkte zu entwickeln, die von den Nutzern angenommen werden.

2. Chance: Zertifizierung schafft Vertrauen Damit eröffnet die Verordnung Healthcare-Unternehmen eine weitere Chance: Sie kann dabei helfen, das Vertrauen der breiten Öffentlichkeit in KI zu gewinnen.

Im Gesundheitsbereich ist Vertrauensbildung, ohnehin eine der zentralen Herausforderungen. Besonders gilt dies jedoch für den sich schnell entwickelnden Healthtech-Bereich, in dem ein für Patienten und Nutzer un-

Bild: © Zühlke 2023

Bild: © Dragon Claws - stock.adobe.com / KI-generiert

Der Mehraufwand ist risikoabhängig

übersichtliches Angebot entstanden ist – z. B. auch im bislang unregulierten Bereich der Gesundheitstracker oder Wellness-Apps, die nicht als Medizinprodukte oder DiGAs zugelassen sind. Hier kann eine freiwillige Zertifizierung sinnvoll sein, um das Vertrauen der Endnutzer in die in den Produkten enthaltene KI zu stärken.

Denn nicht zu vergessen ist: Es geht bei den betreffenden Produkten um Gesundheitsdaten, die hochgradig schützenswert sind. Eine Zühlke-Studie aus dem Jahr 2023 hat ergeben, dass Nutzer unter bestimmten Voraussetzungen durchaus bereit sind, ihre Daten z. B. für die Forschung zur Verfügung zu stellen, insbesondere wenn dies anonymisiert erfolgt und einem guten Zweck dient.

Diese Daten sollten aber angemessen verarbeitet und geschützt werden. Der EU AI Act und bereits existierende, nicht rechtlich bindende KI-Gütesiegel können hier eine Qualitätssicherung bieten, die sowohl auf Anbieterals auch Nutzerseite für Sicherheit und Vertrauen sorgt.

Die KI-Anwendungen sind in verschiedene Risikoklassen gegliedert.

Chancen nutzen und Bußgelder vermeiden Zum aktuellen Zeitpunkt ist die KI-Verordnung noch nicht rechtlich bindend und entsprechende Normen und Verfahren müssen noch erarbeitet werden. Dennoch ist es bereits jetzt sinnvoll, dass Unternehmen ihre bestehenden KI-Anwendungen und insbesondere auch ihre Neuentwicklungen im Hinblick auf Konformität mit dem EU AI Act prüfen. Das bedeutet, sie müssen sich im Klaren darüber sein, in welche Risikogruppen ihre Produkte fallen. Und zumindest für Hochrisikosysteme gilt es, entsprechende Qualitätsmanagementsysteme aufzubauen bzw. bestehende Systeme zu erweitern, um die Produkte auf die Zertifizierung vorzubereiten. Dies ist im Eigeninteresse der Unternehmen sinnvoll und erspart ihnen zudem empfindliche Bußgelder: Hochrisikosysteme müssen bis ein Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes die neuen regulatorischen Anforderungen erfüllen. Bei einem Verstoß drohen Strafen von bis zu 35 Millionen Euro oder sieben Prozent des weltweiten Gewinns – je nachdem, welcher Betrag höher ist. (kb) DeviceMed 1 | 2024

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Regulatory Affairs

Updates zur MDR und IVDR

Die Regulatory Affairs Expert Talks gehen in die nächste Runde Am 19. und 20. März 2024 finden zum dritten Mal die Regulatory Affairs Expert Talks in Würzburg statt. In ausgewählten Vorträgen und Workshops können sich die Teilnehmer wieder zu den neusten MDRund IVDR-Entwicklungen informieren und sich von Branchen-Experten beraten lassen. Erstmals ist auch eine benannte Stelle dabei.

N

sich bringen, was das für einzelne Produkte bedeutet und wie die Änderungen in den Unternehmen erfolgreich umgesetzt werden können.

Neben Vorträgen wird in einzelnen Workshops wieder der Fokus auf ein bestimmtes Thema im MDR- und IVDR-Kosmos gelegt. Das Programm steht bereits und die Anmeldungsphase läuft.

Bild: Stefan Bausewein

ach zwei gelungenen Ausgaben bietet das Fachmagazin Devicemed wieder eine Austauschmöglichkeit zur Umsetzung der Regularien: Bei den Regulatory Affairs Expert Talks am 19. und 20. März 2024 in Würzburg mit dem Schwerpunkt Updates zur MDR + IVDR treffen die Teilnehmer Experten, die erläutern, was die Verordnungen für regulatorische Änderungen mit

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Regulatory Affairs

Zwei Keynotes: Digitalisierung und aktuelle Änderungen Thomas Bohnen, Gründer und Geschäftsführer der Keymkr GmbH, eröffnet den ersten Tag mit seiner Keynote zum Thema Digitalisierung. MDR und IVDR fordern einen sehr genauen Umgang mit einer großen Menge komplexer Daten. Digitalisierung der technischen Dokumentation ist der vorgezeichnete Weg, diesen Anforderungen zu entsprechen. Dabei geht es um Daten, Tools, Toolketten, Prozesse, Automation, KI und viele andere technische Themen. Aber was macht das mit den Menschen, die diese Tools bedienen sollen? Was macht das mit den Gen Zs oder den letzten Baby Boomern im Job? Wie begleiten wir die Digitalisierung auf der menschlichen Ebene? Wie sollte die Unternehmenskultur aussehen? Der Vortrag soll Anregungen geben, wie Digitalisierung gelingt und die Mitarbeiter mitnimmt.

Die Keynote am zweiten Tag mit dem Titel „Unter Hochdruck: Was waren die letzten Änderungen bei MDR und MDCG und welche Hürden gilt es nun zu meistern?“ kommt von Stefan Bolleininger, Consultant und CEO der Be-on-Quality GmbH. In seinem Vortrag beleuchtet er Änderungen bei der MDR und MDCG. Wo gibt es noch etwas Besonderes? Haben die Teilnehmer alle Änderungen bei der MDCG registriert? Alle Guidances eingearbeitet? Oder schlüpft doch die eine oder andere durch?

Workshops zu Regulatory Cybersecurity Affairs und klinischer Bewertung Peter Hartung, Leitung Business Unit Consulting bei Seleon, widmet am zweiten Tag einen Workshop dem Thema „Regulatory Cybersecurity Affairs – Was ist das und warum ist es so wichtig?“. In der Medizintechnik hat Product Security/Cybersecurity einen entscheidenden Einfluss auf die Sicherheit aktiver und insbesondere vernetzter Medizinprodukte. Dies haben die Gesetzgeber erkannt und die bestehenden gesetzlichen Anforderungen in letzter Zeit in ihrer konkreten Form verschärft und vor allem ihre Erwartungen präzisiert.

Oft stellt sich die Frage, wo dieses Thema am besten platziert ist: in der Entwicklung, bei der IT oder bei Regulatory Affairs? Da diese Frage nicht eindeutig beantwortet werden kann, ergibt sich ein neuer Bereich: Regulatory Cybersecurity Affairs. In dem Workshop sollen die Teilnehmer lernen, wie sie die aktuellen regulatorischen Anforderungen der EU, der USA und anderer ausgewählter Märkte an Product Security erkennen. Sie gewinnen einen Überblick, was das konkret für ihre Entwicklungsund Zulassungsprozesse bedeutet und wie man von 0 auf 100 Prozent in wenigen Wochen kommt.

In einem weiteren Workshop wird sich alles um das Thema klinische Bewertung drehen. Welche Hürden gibt es da zu überwinden? Das wird Torsten Herbert, Leiter der Geschäftsbereiche Medical Engineering und Integrations- & Systemtest bei Sepp.med, den Teilnehmern näherbringen. Die klinische Bewertung ist entscheidend für die Sicherheits- und Leistungsbewertung von Medizinprodukten und bildet die Grundlage für die Beurteilung der Wirksamkeit und Sicherheit eines Produktes. Die Auswahl geeigneter Methoden und Daten, die Durchführung einer umfassenden Bewertung und die Erfüllung der regulatorischen Anforderungen sind dabei die großen Herausforderungen. Ungeachtet dieser

Hürden ist zur Sicherung der Qualität von Medizinprodukten und zum Schutz der Gesundheit der Anwender eine sorgfältige klinische Bewertung unerlässlich. Die klinische Bewertung spielt somit eine zentrale Rolle in der Medizinprodukteindustrie und muss daher sorgfältig durchgeführt werden, um zuverlässige Ergebnisse zu erzielen und die Sicherheit der Anwender zu gewährleisten. In dem Workshop werden die theoretischen Aspekte der klinischen Bewertung einschließlich der zugrundeliegenden Prinzipien und möglichen Strategien zur Überwindung häufiger Hürden erörtert und ein Ausblick auf mögliche Lösungsansätze gegeben.

Benannte Stelle, Cloud Computing und Compliance sowie OEM-Geschäft An Tag 1 hält Dr. Andreas Purde, TÜV Süd Product Service GmbH, einen Vortrag mit dem Titel „Initiale MDRZertifizierung aus Sicht einer benannten Stelle – Wie können Fehler vermieden werden?“. In diesem Vortrag wird der Referent als Vertreter einer benannten Stelle für Medizinprodukte und In-vitro-Diagnostika darstellen, wie eine initiale Zertifizierung nach MDR abläuft. Aus eigener Erfahrung kennt TÜV Süd die typischen Fehler, die dabei gemacht werden, nur zu gut. Es werden Möglichkeiten aufgezeigt, die Fehler im Bereich Antragsstellung, Audit und Bewertung der technischen Dokumentation zu vermeiden, damit die MDR-Zertifizierung möglichst reibungslos ablaufen kann.

An Tag 2 wird Andy Buchmann, Cosmo Consult, einen Vortrag zum Thema „Quo vadis? Cloud-Computing und Compliance in der regulierten Industrie – Eine kritische Betrachtung der Dos und Don’ts“ halten.

Der Vortrag thematisiert die Herausforderungen, vor denen Life-Science-Unternehmen stehen, wenn sie Cloud-Technologien zur Wahrung ihrer Innovationskraft einsetzen möchten. Dabei wird deutlich, dass die Einhaltung der Compliance aufgrund strenger regulatorischer Anforderungen ein unverzichtbares, aber oft komplexes Spannungsfeld darstellt. Es werden Lösungsansätze erörtert, welche es ermöglichen, Cloud-Computing zukunftssicher in regulierten Branchen betreiben zu können. Zudem werden praktikable Ansätze zur Validierung computergestützter Systeme aufgezeigt und die Rolle des Qualitätsmanagements diskutiert.

Die Corscience GmbH & Co. KG wird in einem Workshop das Thema „Veränderungen des OEM-Geschäftes unter der MDR“ näher beleuchten. Mit der Einführung der MDR hat sich für Hersteller von Modulen/ OEM-Produkten einiges geändert. Während unter der MDD eine reduzierte technische Dokumentation ausreichend war, muss diese nun umso umfangreicher sein.

Zur vollständigen technischen Akte zählt auch die Dokumentation aller eingekauften OEM-Module unter Berücksichtigung der regulatorischen Anforderungen.

Wie kann dies abgebildet werden, ohne dabei spezifisches, technisches Wissen preiszugeben? Welche Möglichkeiten gibt es in der Zusammenarbeit zwischen Hersteller und OEM-Produzent? In dem Workshop möchte sich Referent Matthias Buff, Leiter Qualitätsmanagement, Regulatory Affairs & Operations bei Corscience über die regulatorischen Möglichkeiten für die jeweiligen Partner, aber auch über Hürden und Herausforderungen austauschen.

Zum vollständigen Programm und zur Anmeldung: www.regulatory-affairs-talks.de (je)

VERFASST VON

Julia Engelke Redakteurin Devicemed

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Regulatory Affairs

Interview

Wir haben freie Kapazitäten für Zertifizierungen Für alle Beteiligten war und ist die Umstellung auf die Medical Device Regulation mit Mühen verbunden. Im Gespräch mit DeviceMed erklärt Manfred Appel, Director Medical Device Testing Germany bei TÜV Süd, welche Herausforderungen die MDR für eine benannte Stelle bereithielt, gibt Herstellern Tipps, wie gängige Fehler beim Zertifizierungsprozess vermieden werden können, und ermutigt dazu, jetzt den Zertifizierungsantrag zu stellen, denn TÜV Süd hat freie Kapazitäten – über alle Scopes hinweg.

Herr Appel, Sie sind seit 31 Jahren bei TÜV Süd und haben die Umstellung von der Medical Device Directive (MDD) auf die Medical Device Regulation (MDR) miterlebt. Welche Herausforderungen brachte die MDR für benannte Stellen?

Manfred Appel: TÜV Süd ist schon lange im Geschäft und die Herausforderungen der MDR haben wir früh gesehen. Durch MDD, IVDD und AIMDD kannten wir das Geschäft und wussten durch unseren Kontakt zu den Behörden, ZLG und damals noch ZLS, welche gesetzlichen Änderungen auf uns zukommen. Die Problematik war, die alten Regulierungen MDD/IVDD/AIMDD weiter zu betreuen und gleichzeitig die neuen Regulierungen anzuwenden. Ebenso, dass Mitarbeiter für beide Regularien qualifiziert werden mussten und nichts vermi-

Manfred Appel ist seit 1992 im Bereich Testing und Zulassung von Medizinprodukten in unterschiedlichen Rollen bei TÜV Süd tätig: Zunächst arbeitete er als Ingenieur im Prüflabor für Medizinprodukte, dann als weltweit tätiger LeadAuditor für QM-Systeme im Bereich Medical. Anschließend übernahm er die Position des Abteilungs- und Bereichsleiters und von 2019 bis 2023 besetzte er gemeinsam mit Dr. Christoph Lindner die Stelle des Geschäftsfeldleiters bei der TÜV Süd Product Service GmbH in der Business Unit MHS Deutschland.

Seit Januar 2024 fokussiert sich Manfred Appel auf das Thema Testing, das im gesamten Zulassungsprozess eines Medizinproduktes einen immer größeren Stellenwert erhält, und leitet alle Prüflabore in Deutschland für die Prüfung von Medizinprodukten.

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Bild: TÜV Süd

DeviceMed ZUR PERSON

Regulatory Affairs

schen durften. Ein großer Kraftakt war auch die Veränderung unseres QM-Systems.

TÜV Süd hat in dieser Zeit eine klare strategische Entscheidung getroffen, dass wir massiv unsere Ressourcen ausweiten werden. Als logische Konsequenz haben wir viel Zeit und Geld in das Onboarding und die Ausbildung neuer Kollegen investiert, auch mit dem Ziel, sie lange zu halten.

Momentan gibt es in Deutschland zehn benannte Stellen – deutlich weniger als vor der MDR. Warum ist das so?

Es ist sehr anstrengend für benannte Stellen, sich neu benennen zu lassen. Zeitliche, finanzielle und kapazitäre Gründe sind die größten Herausforderungen. Ich weiß nicht, wie viel Geld, Kraft und Nerven wir in die Benennung gesteckt haben – und das, obwohl wir ohnehin gut aufgestellt waren. Hinzu kommt der Aufwand, sich für viele Scopes benennen zu lassen. TÜV Süd ist eine der wenigen benannten Stellen, die quasi den vollen Scope hat – wir können alle Medizinprodukte zulassen.

Für jeden Scope braucht man mindestens zwei Experten. Das ist für kleine benannte Stellen, mit beispielsweise nur fünf Mitarbeitern, kaum zu stemmen. Manche haben sich deshalb entschieden, sich auf einen gewissen Scope zu limitieren. Was auch gut ist, denn so können v. a. Spezialnischen besetzt werden.

Einige benannte Stellen haben auch eine sehr bewusste Entscheidung getroffen und beschlossen, dass sich der Aufwand nicht lohnt, und haben deshalb ihre Tätigkeit als benannte Stelle aufgegeben oder werden das noch tun.

TÜV Süd hat in den letzten Jahren stark ausgebaut, um für die anstehenden Zertifizierungen gerüstet zu sein. Wie steht es momentan um die Kapazitäten bei TÜV Süd?

Wir haben in den letzten Jahren die Mitarbeiterzahl stark vergrößert: Heute haben wir über 600 Mitarbeiter in Deutschland und über 1.400 weltweit. Wir sind also definitiv gut aufgestellt und haben freie Kapazitäten für Zertifizierungen.

Allerdings beobachten wir, dass die Verlängerung der MDR-Fristen zu einer gewissen Entspannung bei den Herstellern geführt hat, und bekommen den Eindruck, dass es doch nicht so dringend ist. Meine größte Sorge ist, dass die Hersteller nicht einschätzen können, wie lange sie entspannen dürfen. Ich bin immer wieder überrascht, dass manche Hersteller oft bis zum letzten Moment mit der Umsetzung der MDR warten. Es ist einerseits nur menschlich, aber andererseits hat das Thema eine wesentliche wirtschaftliche Dimension.

Große Mittelständler und große Unternehmen haben das sehr schnell erkannt: Sie haben dazu große Teams gebildet, weil sie wussten, sie können nicht ein Jahr vor Ende der Übergangsfrist umlenken.

Bei kleineren und innovativen Unternehmen ist das noch eher möglich, das ist der Vorteil. Aber jetzt drängt wirklich die Zeit. Niemand hätte mit der letzten Verlängerung der Frist gerechnet. Auch wir nicht, obwohl wir in Brüssel vertreten sind. Ich bin mir sicher, dass keine weitere Verlängerung mehr kommen wird. Diejenigen, die schon ein MDD-Zertifikat haben, kann ich nur ermuntern, sich bei uns zu melden. Bis Mai haben wir noch genug Zeit. Das ist alles machbar.

„Wir sehen es als unsere Aufgabe an, die Industrie auf die Regulierung vorzubereiten und zu zeigen, wir sind da und wir führen diese Zertifizierung durch!“ Manfred Appel, Director Medical Device Testing Germany, TÜV Süd

DAS INTERVIEW FÜHRTE

Wie wollen Sie auf die freien Kapazitäten aufmerksam machen?

Wir haben dazu bis Ende 2024 eine große Marketingaktion laufen. Wir wollen die Hersteller aufklären, z. B. über Webinare. Außerdem sind wir auf vielen Konferenzen vertreten und informieren. Unser Anspruch ist es, innerhalb von 48 Stunden Telefonate und E-Mails zu beantworten. Des Weiteren haben wir ein eigenes Team, das Neukunden sofort übernimmt und betreut oder direkt an die Fachabteilung weiterleitet. Die Prozesse und Abteilungen greifen nahtlos ineinander. Anfangs hatten auch wir Startschwierigkeiten, aber mittlerweile läuft die Maschinerie sehr gut.

Kristin Breunig Redakteurin DeviceMed

Viele Hersteller sehen keine Chance, Innovationen auf den Markt zu bringen. Gibt es genug Kapazitäten für die Zertifizierung neuer Produkte?

Wenn wir den Fokus auf den DACH-Raum legen, gibt es für innovative Produkte definitiv Kapazität. TÜV Süd hat schon immer neue Produkte zertifiziert. Viele Mitarbeiter sind eigens bei uns, weil sie unbedingt neue Produkte sehen möchten, bzw. weil sie Hersteller durch das Konformitätsbewertungsverfahren dabei unterstützen möchten, innovative Produkte auf den Markt zu bringen.

Das war sicherlich vor ein bis zwei Jahren noch anders, da waren die Kapazitäten begrenzt. Wir bemühen uns um eine starke Kundenbindung und so hatten damals Bestandskunden einfach Vorrang. Dies war auch eine Frage der Bestandssicherung und Verfügbarkeit der Medizinprodukte am Markt. Aber jetzt sind wieder für alle Ressourcen da.

Haben Sie, im Vergleich zu vor der MDR, einen Rückgang der Zulassungen bemerkt und müssen wir deshalb um den Medtech-Standort Deutschland bangen?

Wir versuchen jeden Hersteller, der möchte, in die MDR zu übertragen. Wenige Bestandskunden – etwa 10 bis 20 – haben aufgegeben. Es gibt Hersteller, die haben Zertifikate zusammengeführt und aus zweien eines gemacht.

Die zähle ich jetzt nicht. Die Frage ist jedoch, wie viele geben zum Ende der Frist 2028 auf. Bei den großen Unternehmen mache ich mir da weniger Sorgen, aber für die kleinen Unternehmen würde ich meine Hand nicht ins Feuer legen. Ich rechne mit etwa 20 Prozent, die aufgeben werden.

Aber eine wirkliche Abflachung sehe ich nicht. Denn wir haben Neukunden, die während der MDD noch gar nicht da waren, jetzt aber am Markt durchstarten. Auch ist eine gewisse Konsolidierung am Markt möglich und es wird am Ende der MDR-Frist vielleicht auch einige Mergers geben. Deshalb sehe ich die Zukunft des MedDeviceMed 1 | 2024

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Regulatory Affairs

tech-Standorts Deutschland oder der Innovationen positiv. Wenn wir bei den Zulassungszeiten gut sind, gute Qualität liefern und weiter gut vorbereitet sind, dann läuft alles.

pflichten wir uns, nach drei Wochen unseren Bericht wieder zu liefern, usw. Gerade bei Hochrisikoprodukten ist das gängige Praxis, mit der die meisten Hersteller sehr gut zurechtkommen.

Also müssen die Hersteller nur mutig sein und aktiv werden?

Ich versuche immer die Angst vor der Bürokratie und deren großem Aufwand zu nehmen. Wir haben 34 Kunden von unter zehn Mitarbeitern und 87 Kunden von unter 30 Mitarbeitern, die jetzt schon ein MDR-Zertifikat haben. Die Hersteller müssen sich nur trauen, schließlich wartet allein in Deutschland ein riesiger Gesundheitsmarkt.

Ich denke, viele Hersteller haben noch die Situation von vor drei Jahren im Kopf, als noch kaum Kapazitäten vorhanden waren. Aber die Sachlage hat sich geändert.

Vielleicht muss man ihnen einfach sagen: ‚Probiert es noch einmal, holt euch ggf. einen Berater, der euch hilft!‘ Es gibt neue Anforderungen, die viel Mühe und Arbeit erfordern, die ich aber auch gut finde. Es ist z. B. absolut sinnvoll, dass im Sinne der Patientensicherheit nach einem gewissen Zeitraum wieder eine Rezertifizierung gemacht werden muss.

Wie oft kommt es während eines Zertifizierungsverfahrens zu einem Abbruch?

Meistens ist es kein kompletter Abbruch, sondern ein ‚Abbruch auf Zeit‘. Die Hersteller entwickeln dann nach.

Kein Unternehmen kommt mit einem Produkt, das gar nicht funktioniert. Die meisten probieren etwas aus, z. B. ein neues Feature oder ein Produkt mit mehreren neuen Features. Während der Zertifizierung merkt der Hersteller dann, dass ein Feature noch nicht richtig ausgereift ist und noch einmal nachentwickelt werden muss. Nach beispielsweise einem Jahr kommt der Hersteller noch einmal und dann funktioniert es richtig. Wir als benannte Stelle schreiben oft Abweichungsberichte, eigentlich fast bei jedem Produkt – mal kürzere, mal längere.

Wie lange dauert eine Rezertifizierung im Schnitt bei TÜV Süd?

Die Rezertifizierungsprozesse starten jetzt erst. Eine richtige Prognose zur Dauer ist daher noch nicht möglich. Als Orientierung sagt man, dass eine Rezertifizierung ungefähr 70 Prozent vom Umfang einer Zertifizierung einnimmt. Eine Zertifizierung für ein QM-System liegt momentan etwa bei einem Jahr. Der gemeinsame Prozess braucht einfach seine Zeit. Wir werten diese Dauer auch immer wieder aus, um zu sehen, ob wir uns verbessern. Ich gehe davon aus, dass wir noch kürzere Rezertifizierungszeiten erreichen können.

Sie haben schon viel gesehen. Oft unterlaufen Herstellern ähnliche Missgeschicke. Gibt es Tipps, um gängige Fehler zu vermeiden?

TÜV Süd hat vor einigen Jahren begonnen, Checklisten herauszugeben. Anhand derer können Hersteller vorab durchgehen, ob sie etwas vergessen haben. Diese gibt es z. B. für die technische Dokumentation. Denn auf beiden Seiten ist es verlorene Zeit, wenn das Produkt noch einmal nachgebessert werden muss und nicht schnell auf den Markt kommt.

Außerdem ist es wichtig, parallel zu arbeiten. Ich habe mich sehr gefreut, als in der Coronazeit die europäische Arzneimittelbehörde einen Rolling Review eingeführt hat. Als ich das im Radio gehört habe, dachte ich: ‚Das brauchen wir auch, einen Rolling Review für Medizinprodukte. Das muss doch möglich sein.‘ Und das haben wir jetzt als Service eingeführt. Man fängt dann mit ein paar Modulen mit dem Review an. Sobald beispielsweise das Material für ein Teil feststeht, können schon die Biokompatibilitätsdaten geprüft werden. Dann ist dieser Punkt erledigt und währenddessen kann parallel weitergearbeitet werden.

Ein weiterer Punkt ist die Lösung der Testthemen. Oft kommt es vor, dass Hersteller bei bestimmten Standards den Stand der Technik nicht ganz so im Blick haben.

Beim Review fällt auf, dass es der veraltete Standard ist – nicht nur, weil er jetzt anders heißt, sondern auch, weil neue Anforderungen bestehen. Dann müssen die Hersteller nachbessern, stehen wieder weiter hinten auf der Warteliste und das Produkt kommt später auf den Markt.

Also wichtig: Früh anfangen, Teststrategien haben, Checklisten ausprobieren, ins Gespräch gehen.

Geschwindigkeit ist also der Erfolgsfaktor?

Das Thema Time to Market wird mit der MDR noch einmal wichtiger werden, als es bisher schon war. Die Hersteller profilieren sich oft auch über ihre Innovationen.

Wir wollen in Europa innovativ und zügig unterwegs sein. Dabei geht es aber nicht nur um Geschwindigkeit im Sinne von ‚wir sind die Schnellsten.‘ TÜV Süd hatte immer die Devise Vorhersagbarkeit. So können beide Seiten, Hersteller und benannte Stelle, besser planen.

Wir sprechen mit dem Hersteller und fragen, in welcher Zeit geliefert werden kann. Wir schaffen dann in drei Wochen nach der Abgabe unseren Bericht. Dann hat der Hersteller noch einmal x Wochen Zeit und dann ver-

Es gibt immer wieder die Forderung nach einem FastTrack-Verfahren für Nischenprodukte, Innovationen oder Orphan Devices. Können die benannten Stellen dies stemmen?

Es geht immer um die Ressourcen, die Planung und die Frage, wie sinnvoll das ist. Denn das Produkt muss am Ende stabil und sicher sein. Ich weiß nicht, wo man das Verfahren kürzen sollte. Nehmen wir mal ein Nischenprodukt, einen Katheter für ein Baby. Wer will dann die Person sein, die sagt: ‚Der Katheter ist jetzt halb geprüft, scheint okay zu sein.‘? Ob er aber auch wirklich sicher ist und nicht z. B. im Gehirn abknickt oder sich ein Splitter löst, ist dann nicht ganz geklärt.

„Wir haben das Wort Service bewusst in unserem Namen, denn wir wollen den Herstellern die Angst nehmen und sie an die Hand nehmen.“ Manfred Appel, Director Medical Device Testing Germany, TÜV Süd

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Regulatory Affairs

Natürlich gibt es Punkte, die man verändern oder kürzen kann, beispielsweise das Labeling. Aber ob dann wirklich im Fast-Track-Verfahren die Geschwindigkeit etwas bewirkt, glaube ich nicht. Ich glaube eher, dass wir kein Problem mit der Geschwindigkeit haben, wenn der Hersteller vorbereitet ist und weiß, was er zu tun hat.

Stichworte: früher hineinholen, mit klaren Ziellinien und Prioritäten arbeiten.

Wenn Sie direktes Feedback zur MDR an die EU-Kommission in Brüssel geben könnten, was würden Sie sagen?

Ich hatte große Hoffnung in die MDR gesetzt. Unter der MDD gab es sehr viel Diskussion – bis zum Schluss. 20 Jahre MDD, IVDD und AIMDD und wir haben jeden Tag über Spezialthemen diskutiert, weil es keine Regelung gab. Die Hoffnung war da, dass mit der MDR schnellere Guidance-Papiere und einheitliche Regeln für alle EULänder erstellt werden. Doch wie bei jeder Neuerung ist die Taktzahl der Änderungen hoch. Ich hoffe, dass es irgendwann mal in einen Modus übergeht, der auch für Hersteller verlässlich ist. Für alle Beteiligten – Hersteller, benannte Stellen und Behörden – ist es wichtig, dass mehr Ruhe in das System kommt.

Außerdem muss dringend mehr beim Thema Digitalisierung gemacht werden, es kann nicht mehr so weitergehen wie bisher. Das ist momentan eine wirkliche Ver-

„Ich hoffe aufrichtig, dass das Thema Digitalisierung von Brüssel beflügelt und nicht behindert wird.“ Manfred Appel, Director Medical Device Testing Germany, TÜV Süd

schwendung von Ressourcen bzw. von Mitarbeitern und von Nerven auf allen Seiten. TÜV Süd hat eine eigene Abteilung, die sich mit Digital Services beschäftigt. Diese arbeitet gerade an den Themen, wie technische Dokumentationen digital eingereicht werden können, wie man diese durchsuchbar macht, genehmigt oder ablehnt. In diesem Zusammenhang stehen wir auch in regem Austausch mit anderen Institutionen und Organisationen.

Vielen Dank für das Gespräch.

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Regulatory Affairs

Outsourcing des MDR-Herstellerstatus

Den „MDR-Rucksack“ abgeben Die MDR-Zertifizierung für ihre Medizinprodukte zu erhalten, kann gerade für KMUs teuer werden. Eine Lösung: das strategische Outsourcing der Produktproduktion einschließlich des legalen Herstellerstatus. Doch auf was ist dabei zu achten?

G VERFASST VON

erade für kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) ist es schwierig und teuer, Medical-Device-Regulation(MDR)-Zertifizierungen für ihre Medizinprodukte zu erhalten oder bestehende MDD-Zertifizierungen auf MDR umzustellen. Viele benannte Stellen und Dienstleister sind überlastet. Oft werden Neukunden gar nicht erst angenommen. Auch Bestandskunden müssen oft sehr lange auf die nötige Beratung, Prüfung und Zertifizierung warten. Hinzu kommen die hohen regulatorischen Aufwände und Kosten, die mit einer MDR-Zertifizierung und v. a. mit dem Status als Hersteller von Medizinprodukten verbunden sind.

Dr. Oliver Stöckel Rechtsanwalt und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz, Head of IP und Head of Digital Health SKW Schwarz

Die Grundidee des regulatorischen ProduktOutsourcings Die Lösung kann gerade für KMUs in einem strategischen Outsourcing der Produktproduktion einschließlich des legalen Herstellerstatus bestehen. Wie dieses

Modell in der Praxis funktionieren kann, wird nachstehend näher dargestellt.

Viele Medizinprodukte werden von KMUs auf den Markt gebracht, die sich auf wenige – zum Teil aber sehr wichtige – Produkte spezialisiert haben. Sie sind oft Hersteller ihrer Produkte im Sinne der MDR, verfügen dabei aber nicht über eigene Produktionsanlagen, sondern lassen die Produkte ganz oder teilweise von Lohnherstellern fertigen. Gerade für solche Unternehmen können die Herausforderungen der MDR schnell zum existenzgefährdenden Risiko werden. Der Herstellerstatus führt gegenüber dem MDD-Regime nicht nur zu viel umfangreicheren Anforderungen (z. B. in der Qualitätssicherung), sondern auch zu erheblich gestiegenen Beratungs-, Prüfungs-, Auditierungs- und Zertifizierungskosten.

Es kann sich daher gerade für KMUs anbieten, den Herstellerstatus, die MDR-Zertifizierungen und die damit einhergehenden Tätigkeiten und Anforderungen an

Regulatory Affairs

Die MDR-Bürden abgeben und trotzdem am eigenen Produkt festhalten? Das kann für Medtech-KMUs eine gute Lösung sein.

Bild: ©saksit - stock.adobe.com

ein Partner-Unternehmen outzusourcen. Das kann v. a. dann attraktiv sein, wenn man bereits mit einem Lohnfertiger zusammenarbeitet (oder dies plant), der ähnliche Produkte bereits als eigene Produkte herstellt und auf den Markt bringt.

Das Outsourcing funktioniert dabei im Grundsatz wie folgt: Das Outsourcing-willige Unternehmen (im Folgenden kurz: der „Outsourcer“) schließt einen Kooperationsvertrag über seine Produkte mit dem Partner-Unternehmen, das künftig die regulatorische Verantwortung und die Herstellung der outzusourcenden Produkte übernehmen soll (im Folgenden kurz: der „Partner“). Der Outsourcer gibt damit seinen Herstellerstatus quasi an den Partner ab. Dieser nimmt die entsprechenden Medizinprodukte als neue Produkte in sein Produktportfolio mit auf und kann diese dabei häufig leichter, schneller und effizienter zusammen mit seinen anderen Produkten auf eine MDR-Zertifizierung „umstellen“. Der Partner, bei dem dann als neuem Hersteller die regulatorische Produktverantwortung liegt, beliefert den Outsourcer exklusiv mit den outgesourcten Medizinprodukten, so dass diese auch weiterhin nur über den Outsourcer erhältlich sind.

Wird dieser Vertrag richtig aufgesetzt und werden dabei die richtigen Absicherungsmaßnahmen getroffen, bleibt das outsourcende Unternehmen „Herr über sein Produkt“ und alleiniger Anbieter im Markt. Gerade dann, wenn das Unternehmen schon bisher mit einem Lohnfertiger gearbeitet hat, ändert sich auch faktisch fast nichts: Wie bisher erfolgt die Belieferung durch einen Dritten – nur mit dem Unterschied, dass der Outsourcer nicht mehr die Anforderungen an einen Hersteller nach der MDR erfüllen muss, weil diese Anforderungen nun beim produzierenden Partner liegen.

Hierdurch werden bei Betrachtung beider Unternehmen zusammen erhebliche Kosten gespart: Ein Unter-

Es kann sich gerade für KMUs anbieten, den Herstellerstatus, die MDR-Zertifizierungen und die damit einhergehenden Tätigkeiten und Anforderungen an ein PartnerUnternehmen outzusourcen. nehmen, das sich z. B. mit 50 eigenen Produkten bereits im Zertifizierungsprozess befindet, hat kaum Zusatzkosten, wenn es drei weitere ähnliche Produkte mit hinzunimmt. Für das outsourcende Unternehmen entfallen allerdings alle Anforderungen, Maßnahmen und Kosten, die mit dem legalen Herstellerstatus verbunden sind. Regulatorisch wird das Unternehmen bei vollständigem Outsourcing zum reinen Händler, mit deutlich reduzierten MDR-Anforderungen und viel geringeren Kosten.

Entscheidend: Eine detaillierte und individuell abgestimmte Vertragsgestaltung 1. Die Bedeutung des Kooperationsvertrags Für ein gelungenes – und v. a. rechtssicheres – Outsourcing ist eine professionelle, ausreichend detaillierte und auf den konkreten Fall zugeschnittene Ausgestaltung des Kooperationsvertrags essenziell. Ohne die erforderliche vertragliche Absicherung besteht ansonsten das Risiko, dass der Partner sich gerade bei erfolgreichen Spezialprodukten der Produkte bemächtigt, das outsourcende Unternehmen verdrängt und die Produkte fortan allein vermarktet. Dies kann – und muss – durch geeignete vertragliche Regelungen vermieden werden.

Aus diesem Grund sollte auch niemals mit einer Outsourcing-Kooperation begonnen werden, ohne dass die Regeln der Kooperation und des Outsourcings genau vertraglich fixiert sind und der Kooperationsvertrag vorher rechtswirksam unterzeichnet ist.

2. Übernahme der Herstellereigenschaft, Exklusivbelieferung und Exklusivbezug Der Kooperationsvertrag regelt zunächst, dass der Partner legaler Hersteller der outgesourcten Medizinprodukte im Sinne der MDR wird und die damit einhergehende regulatorische Verantwortung und Zuständigkeit für die Produkte einschließlich der MDR-Zertifizierung der Produkte übernimmt. Der Partner gibt als Hersteller die Produkte frei und bringt sie durch Verkauf an den Outsourcer in Verkehr.

Hinzu kommt regelmäßig eine doppelte Exklusivitätsvereinbarung: Der Partner verpflichtet sich, die produzierten Produkte ausschließlich an den Outsourcer und nicht an Dritte zu liefern. Umgekehrt verpflichtet sich der Outsourcer, die Kooperationsprodukte ausschließlich vom Partner zu beziehen. Im Regelfall wird dies mit Mindestabnahmemengen, Lieferkonditionen, ForecastRegelungen und ähnlichen ergänzenden Bestimmungen flankiert, um für beide Seiten einen guten KomproDeviceMed 1 | 2024

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Regulatory Affairs

Auf einen Blick Das Outsourcing vertraglich absichern: 1. Detaillierte und individuell abgestimmte Ausgestaltung des Kooperationsvertrags 2. Übernahme der Herstellereigenschaft, Exklusivbelieferung und Exklusivbezug 3. Absicherung über IP-Rechte und Know-how-Schutz 4. Besondere (zusätzliche) Absicherungsmöglichkeit bei Spezialwerkzeugen und -maschinen

miss zwischen Planungssicherheit und Flexibilität zu schaffen.

Hierdurch reduziert sich die Rolle des Outsourcers auf die eines reinen Medizinprodukte-Händlers: Er kauft die vom Partner als Hersteller in Verkehr gebrachten Produkte und verkauft diese weiter. Wenn der Outsourcer so mit allen seinen Produkten verfährt, ist er fortan kein Medizinprodukte-Hersteller mehr und muss sämtliche damit verbundenen regulatorischen Pflichten nicht mehr erfüllen.

3. Absicherung über IP-Rechte und Know-howSchutz Ein zentrales Element dieses Outsourcings ist die Sicherung der Rechte am Produkt beim outsourcenden Unternehmen. Von Vorteil ist es, wenn gewerbliche Schutzrechte wie Patente, Gebrauchsmuster, Designrechte, Markenrechte o. ä. am Produkt bestehen (auch als „Intellectual Property“ oder kurz „IP“ bezeichnet).

V. a. seit Inkrafttreten des Geschäftsgeheimnisgesetzes (GeschGehG) ist auch Know-how umfassend geschützt, wenn die notwendigen Geheimhaltungsmaßnahmen getroffen werden. Der Rechtsschutz sollte vor der Kooperation geprüft und ggf. optimiert werden, z. B. durch die Nachanmeldung von noch nicht hinreichend geschützten Markenrechten oder die Verbesserung des Know-how-Schutzes.

Im Kooperationsvertrag wird dann klargestellt, dass die (am besten genau definierten) IP-Rechte an den outzusourcenden Produkten und auch das Produkt-Knowhow weiterhin allein dem Outsourcer zustehen und unter dessen Kontrolle bleiben. Der Partner erhält lediglich eine kostenlose, eingeschränkte Lizenz zur Nutzung dieser Rechte und des Know-hows. Diese Lizenz wird dabei in zeitlicher Hinsicht auf die Laufzeit des Vertrags beschränkt und in sachlicher Hinsicht ausschließlich auf die Herstellung der Produkte exklusiv für den Outsourcer.

Eine Weiterübertragung der Lizenz oder Unterlizenzierung wird ausgeschlossen. Somit wird sichergestellt, dass der Partner die Rechte an den Produkten nur für die Zwecke der Kooperation nutzt. Sind die Produkte z. B. durch Designrechte geschützt und würde der Partner Produkte mit gleichem oder ähnlichem Design für einen Dritten produzieren, würde er seine Lizenz überschreiten und die Rechte des Outsourcenden verletzen. Dieser könnte diese Verletzung dann unterbinden. Gleiches gilt, wenn der Partner geschütztes Produkt-Know-how des Outsourcers zur Herstellung von Produkten für sich

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selbst oder zu Gunsten Dritter missbrauchen sollte. Die Ausgestaltung bedarf dabei immer einer genauen Einzelfallprüfung und sollte individuell durch einen im IP- und Medizinprodukterecht erfahrenen Rechtsanwalt erfolgen.

4. Besondere (zusätzliche) Absicherungsmöglichkeit bei Spezialwerkzeugen und -maschinen Werden für die Herstellung der Produkte Spezialwerkzeuge oder -maschinen benötigt, wie spezielle Spritzgusswerkzeuge, die individuell angefertigt wurden, kann der Outsourcer auf eine zusätzliche Absicherungsmöglichkeit zurückgreifen: In diesem Fall sollte er unbedingt Eigentümer dieser Werkzeuge bleiben und diese dem Partner nur leihweise zur Verfügung stellen.

Die Werkzeugleihe wird dabei zeitlich auf die Dauer der Kooperation und bezüglich des Zwecks auf die Herstellung der Vertragsprodukte für den Outsourcer begrenzt.

Außerdem sollte dem Partner (v. a. wegen § 3 Abs. 1 Nr. 2 GeschGehG) jegliches Reverse Engineering in Bezug auf die Spezialwerkzeuge bzw. -maschinen vertraglich untersagt werden.

Endet der Vertrag und möchte das Unternehmen mit einem anderen Hersteller kooperieren, kann der Outsourcer die Rückgabe der in seinem Eigentum stehenden Maschinen verlangen und diese dem neuen Kooperationspartner zur Verfügung stellen. Dabei können auch Sonderregelungen vereinbart werden, die eine Rückforderung vor dem Laufzeitende gegen Entfall der Produktionspflicht vorsehen, um dem neuen Hersteller eine Vorlaufzeit und dem Outsourcer damit eine nahtlosere Übergangsphase zu ermöglichen.

Fazit: Den „MDR-Rucksack“ abgeben und trotzdem „Herr über das Produkt“ bleiben Wird alles richtig gemacht, kann auf diese Weise eine sehr fruchtbare Zusammenarbeit entstehen: Der Partner, der ohnehin schon legaler Hersteller im Sinne der MDR ist, kann ohne große regulatorische Zusatzkosten sein Produktionsportfolio um attraktive Produkte bei gesichertem Absatz erweitern – und KMUs können ihre Medizinprodukte auch unter dem MDR-Regime in abgesicherter Weise weiter vertreiben, ohne den schweren regulatorischen Ballast eines eigenen Herstellerstatus dabei tragen zu müssen. (je)

Es sollte niemals mit einer Outsourcing-Kooperation begonnen werden, ohne dass die Regeln der Kooperation und des Outsourcings genau vertraglich fixiert sind und der Kooperationsvertrag vorher rechtswirksam unterzeichnet ist.

Regulatory Affairs

MDR und IVDR

EU-Kommission schlägt Fristverlängerung der IVDR und eine vorgezogene MDR-Bewertung vor Nach dem Vorschlag der EU-Kommission vom 23. Januar soll Herstellern unter bestimmten Bedingungen mehr Zeit für die Anwendung der Verordnung über In-vitroDiagnostika (IVDR) eingeräumt werden. Die Kommission schlägt außerdem Maßnahmen für mehr Transparenz im Medizinproduktesektor vor. Dies soll u. a. durch die schnellere Einführung der bereits betriebsbereiten Elemente der Europäischen Datenbank für Medizinprodukte (EUDAMED) erzielt werden. Geplant ist, die Datenbank schon ab Ende 2025 verpflichtend nutzbar zu machen.

Um die Verfügbarkeit von In-vitro-Diagnostika (IVD) zu verbessern, sollen Hersteller mehr Zeit zur Umsetzung der IVDR erhalten. Wie viel Zeit, hängt von der Art des Produkts ab: Produkte mit hohem Risiko für Einzelpersonen und die öffentliche Gesundheit wie HIV- oder Hepatitis-Tests (Klasse D) erhalten eine Übergangszeit bis Dezember 2027; Produkte mit hohem Risiko für Einzelpersonen und moderatem Risiko für die

öffentliche Gesundheit wie Krebs-Tests (Klasse C) erhalten eine Übergangszeit bis Dezember 2028; Produkte mit geringerem Risiko (Klasse B, wie etwa Schwangerschaftstests, und sterile Produkte der Klasse A wie Blutentnahmeröhrchen) erhalten eine Übergangsfrist bis Dezember 2029.

Es ist abzusehen, dass viele Medizinprodukte und IVDs während der Übergangszeit der Medical Device Regulation (MDR) bzw.

IVDR verschwinden werden. Damit es aufgrund der fehlenden Verfügbarkeit nicht zu schwerwiegendem Schaden oder der Gefahr eines schwerwiegenden Schadens für Patienten oder die öffentliche Gesundheit kommt, hat die Kommission folgenden Vorschlag: Hersteller sollen verpflichtet werden, die zuständige Behörde und Gesundheitseinrichtung zu informieren, bevor sie die Lieferung eines kritischen Produkts vorübergehend oder dauerhaft einstellen. Falls Hersteller nicht direkt an Gesundheitseinrichtungen oder im Gesundheitswesen Tätige liefern, sollten die Hersteller die relevanten Wirtschaftsakteure in der Lieferkette

informieren, die dann die Gesundheitseinrichtungen informieren können.

Der Vorschlag der EU-Kommission wird nun dem Europäischen Parlament und dem Rat zur Annahme vorgelegt. Die Kommission wird bereits in diesem Jahr mit ihren Vorbereitungen für eine gezielte Bewertung der MDR beginnen. Im Zuge dessen soll untersucht werden, wie sich die Rechtsvorschriften auf die Verfügbarkeit von Produkten, insbesondere Produkten mit besonderen Eigenschaften, z. B. Medizinprodukte für Kinder oder für seltene Leiden (Orphan Devices), und innovative Medizinprodukte auswirken. Laut Kommission kann die Bewertung auch auf die Kosten und den Verwaltungsaufwand eingehen, die sich insbesondere für KMU aus der Umsetzung der Rechtsvorschriften ergeben.

Der Verband der Diagnostica-Industrie (VDGH) sowie der Bundesverband Medizintechnologie (BV-Med) begrüßen die Fristverlängerung sowie den vorgezogenen Start der EUDAMED. Die zu allgemein gehaltene Meldeverpflichtung sieht der BV-Med jedoch kritisch. (kb)

Umfrage

Hersteller ziehen ernüchternde MDR-Bilanz

Bild: Medical Mountains GmbH

Zwei Jahre nach der Einführung der Medi- 2022, wonach die MDR nach wie vor nicht stößt laut Befragung ebenfalls auf erheblizinprodukteverordnung (engl. Medical De- praxistauglich ist. Fast alle Betriebe (97 Pro- che Hindernisse. Die Unternehmen vervice Regulation, MDR) ziehen deutsche Her- zent) haben weiterhin Probleme bei der Um- zeichnen durchschnittliche Kostensteigesteller eine ernüchternde Bilanz. In einer setzung – insbesondere aufgrund der hohen rungen von 124 Prozent bei Einbindung eigemeinsamen Befragung von Deutscher Kosten- und Bürokratiebelastungen. Unter ner benannten Stelle.

Industrie- und Handelskammer (DIHK), Me- den Herausforderungen steht mit 67 Prozent 70 Prozent der Betriebe mit bis zu 49 Bedical Mountains GmbH und Industriever- der Aufwand zur Anpassung der techni- schäftigten machen die hohen Zertifizieband Spectaris äußerten sich fast 400 Unter- schen Dokumentationen ganz oben. Hier rungskosten zu schaffen. In 91 Prozent der nehmen zu den Auswirkungen der MDR. Die sind die Kosten im Durchschnitt um 111 Pro- Fälle sind es die Zertifizierungskosten, die MDR, so das Ergebnis, führe dazu, dass be- zent gestiegen. den Ausschlag geben, Medizinprodukte reits heute schon viele Medizinprodukte Die für den Marktzugang erforderliche vom EU-Markt zu nehmen. NischenprodukZusammenarbeit mit den benannten Stellen vom Markt genommen werden – und bis te mit einem kleinen Absatzmarkt können nicht mehr wirtschaftlich vermarktet 2027 drohen zahlreiche weitere zu verschwinden. werden. Auch die Dauer der Verfahren Drei Viertel der Unternehmen ververlängert sich für viele Betriebe draszeichnen negative Auswirkungen auf tisch. Bei 37 Prozent der Unternehmen ihre Innovationstätigkeit, in mehr als ist die Verfahrensdauer dreimal so lanjedem zweiten Produktportfolio werge wie vor der MDR. Mehr als jedes den einzelne Produkte oder komplette fünfte Unternehmen weicht mit mediProduktionen und Sortimente vom zintechnischen Innovationen auf anMarkt genommen. dere Märkte aus und 58 Prozent der Zwar wurden Ende 2022 die ÜberUnternehmen, die Produkte in der EU einstellen, vertreiben diese weiterhin gangsfristen für Bestandsprodukte bis 2027/2028 verlängert, dies ändert jein Ländern außerhalb der EU – meisdoch nichts an den strukturellen Protens in den USA. blemen. Im Gegenteil: Es manifestiert Mit der Bilanz gehen DIHK, SpectaIn der Befragung äußerten sich fast 400 Unternehmen zu sich die Einschätzung aus der ersten ris und Medical Mountains GmbH nun gemeinsamen Erhebung im Frühjahr den Auswirkungen der MDR. in den weiteren politischen Dialog. (kb) DeviceMed 1 | 2024

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Dokumentenmanagementsystem

Bild: Consense; Diasys Diagnostics Systems

Weg vom Papier, hin zum digitalen QM-System

Titel

Ein modernes Dokumentenmanagementsystem für das QM vereinfacht Medizinprodukte-Herstellern die Überwachung einzuhaltender Normen und Vorgaben. Darüber hinaus hilft die moderne, anwendungsfreundliche Software das „Organisationsmonster“ Schulungen in transparente, effiziente Prozesse umzuwandeln.

L

abore rund um den Globus nutzen Reagenzien für die klinische Chemie und die Immunturbidimetrie von der Diasys Diagnostic Systems GmbH. Das Unternehmen mit rund 270 Beschäftigten ist auch als Hersteller von voll- und halbautomatischen Laboranalysatoren und patientennahen Diagnosegeräten international gefragt. Kunden in mehr als 140 Ländern vertrauen auf die Qualität der Produkte und Dienstleistungen aus Holzheim in Rheinland-Pfalz. Ein Qualitätsmanagement (QM) nach DIN EN ISO 13485 für Medizinprodukte stellt sicher, dass die hohen Anforderungen, die an den Medizinprodukte-Hersteller gestellt werden, erfüllt werden. Um die Einhaltung der ISO-Norm sowie weiterer nationaler und internationaler Gesetze und Richtlinien transparent zu managen, überführte Diasys sein QM in ein digitales System und nutzt seit 2021 die Software Consense GxP Enterprise.

Die Software, die von der Aachener Consense GmbH entwickelt wurde, ist auf streng regulierte Unternehmen aus Bereichen wie Medizin, Medizintechnik und Pharmazie ausgerichtet, in denen u. a. verschiedene Richtlinien für „gute Arbeitspraxis“ (GxP) erfüllt werden müssen. Consense GxP Enterprise erleichtert dabei das besonders aufwändige Dokumentenmanagement und sorgt für die revisionssichere Archivierung. Dokumente und Prozesse durchlaufen vorgegebene intelligente und dynamische Prüf- und Freigabeworkflows. Alle Änderungen sind im System mithilfe von Audit Trail dokumentiert und lassen sich detailliert rückverfolgen.

VERFASST VON

Dr. Iris Bruns Geschäftsführung Consense GmbH

Normvorgaben unter Kontrolle – Aktualität gesichert Das softwarebasierte QM-System (QMS) hat sich inzwischen im Arbeitsalltag von Diasys etabliert und erleichtert den Beschäftigten an vielen Stellen die tägliche Routine, erklärt Braun: „Eine der wichtigsten Änderungen besteht darin, dass wir weniger Zeit in administrative Tätigkeiten und den Austausch von Papierdokumenten investieren und uns in vielen Fällen auch auf automatisierte Prozesse verlassen können, z. B. bei der VerteilungvonInformationoderbeiTerminüberwachungen, Erinnerungen inklusive.“ So hat Diasys z. B. festgelegt, dass sämtliche Dokumente in einem bestimmten Turnus auf Aktualität überprüft werden sollen. Mit dem zuvor genutzten papierbasierten QM-System war es aufwändig, den Überblick und die Kontrolle über diese Aktualitätsprüfungen zu behalten. Das ist inzwischen digital geregelt: Consense GxP Enterprise erinnert automatisch an die Durchführung. Schneider sagt: „Das sorgt für Transparenz. Dabei lassen sich verschiedene Eskalationsstufen, z. B. verschiedene Mahnstufen, einstellen und gegebenenfalls eine Information vorgesetzter Personen einleiten.“ Einen Aspekt hält der Qualitätsmanager für seine eigene Arbeit besonders hilfreich: Die in der QM-Norm

Software ersetzt das papierbasierte System Mithilfe der innovativen Software hat Diasys ein effizientes papierloses Dokumentenmanagementsystem für sein QM aufgebaut. Lars Schneider, Quality Manager bei Diasys, erzählt: „Alle Prozesse und die dazugehörigen Dokumente sind im softwarebasierten Managementsystem erfasst. Jeder unserer Mitarbeiter ist dort mit entsprechender Funktion hinterlegt und mit genau den Prozessen verknüpft, die in den jeweiligen Tätigkeitsbereich fallen. So können wir z. B. eindeutig festlegen, welche Personen für welche Prüf- und Freigabeprozesse verantwortlich sind. Die Abläufe finden dann digital statt. Freizugebende Dokumente durchlaufen vorgegebene Stationen im Unternehmen und passieren immer das Qualitätsmanagement sowie den Betriebsrat, der u. a. die Datenschutzvorgaben prüft.“ In streng regulierten Branchen wie der Medizintechnik ist vor dem Einsatz einer Software die Validierung vorgeschrieben, die den Nachweis erbringen soll, dass das Produkt seine Zweckbestimmung erfüllt. Für die vorvalidierte Standardsoftware Consense GxP Enterprise hat Diasys von Anfang an die qualifizierte Beratung und mitwirkende Unterstützung von Consense genutzt,

erzählt Franziska Braun, Quality Specialist bei Diasys: „Wird beispielsweise eine neue Version der Software eingespielt, führt Consense die Validierung durch. Danach geht unsere persönliche Ansprechpartnerin mit uns ausführlich sämtliche Veränderungen durch. Consense stellt die der Validierung zugehörigen Dokumente zur Verfügung, die dann bei uns abgelegt werden.“

DeviceMed INFO

Diasys nutzt GxP-konformes digitales Managementsystem Die Diasys Diagnostic Systems GmbH hat mithilfe von Consense GxP Enterprise, einer innovativen Softwarelösung der Aachener Consense GmbH, ein effizientes, GxP-konformes Dokumentenmanagementsystem aufgebaut. Die digitale Lösung unterstützt bei der Erfüllung nationaler und internationaler Gesetze, Normen und Vorgaben. Sie vereinfacht dem Medizinprodukte-Hersteller durch transparente und effiziente Abläufe, die sich mit dem System lückenlos überwachen lassen, den Arbeitsalltag. Ganz besonders schätzt das Unternehmen die Erleichterungen, die das System bei der Organisation und Terminüberwachung der vorgegebenen Schulungen bietet.

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Titel

Franziska Braun, Quality Specialist, Diasys Diagnostic Systems

ISO 13485 formulierten Anforderungen an das Qualitätsmanagement bzw. an die QM-Systeme von Medizinprodukteherstellern enthalten u. a. die Vorgabe der Prozessorientierung. Schneider findet, dass die Consense-Software durch ihren prozessorientierten Aufbau tatkräftig dabei unterstützt: „Jeder einzelne Prozess ist im System detailliert in Form von Flussdiagrammen dargestellt.

Will man sich über einen bestimmten Prozessschritt informieren oder benötigt dazugehörige Dokumente, muss man nicht eine lange Prozessbeschreibung durchlesen. Man steigt im Diagramm einfach am entsprechenden Schritt ein und holt sich dort die benötigten Informationen. Hier sind auch die zugehörigen Dokumente hinterlegt, die man auf Knopfdruck abrufen kann.“ Braun, die die Verantwortung für das ConsenseSystem vor einiger Zeit an Elisabeth Krämer und Anna Beckert übergeben hat, meint rückblickend: „Ich selbst habe das Consense-System von einem Kollegen übernommen und erlebt, dass man sich den Umgang sehr gut aneignen kann. Für manche Dinge ist anfangs Unterstützung von Consense notwendig. Das hat immer hervorragend funktioniert. Unsere Ansprechpartnerin hat sich sehr viel Zeit genommen und alles ausführlich und verständlich erklärt. Mir hat es dann wirklich Freude

Prozessorientiertes Managementsystem: Jeder einzelne Prozess ist in Consense GxP Enterprise detailliert in Form von Flussdiagrammen dargestellt.

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Schulungstermine mit Software immer im Blick Als Unternehmen aus der Medizintechnik ist für Diasys die Durchführung zahlreicher betrieblicher Unterweisungen und Schulungen regelmäßig Pflicht, die früher mit einem hohen organisatorischen Aufwand verbunden waren. Mit der Einführung von Consense GxP Enterprise hat sich dieser bei Diasys erheblich verringert, wie Braun beschreibt: „Unsere Prozess- und Dokumentenschulungen finden nur noch über das Consense-System statt. Die GxP-Version bietet die Möglichkeit, Online-Tests und -Schulungen zu integrieren. Das nutzen wir sehr umfangreich.“ Die Online-Schulungen werden über Consense gezielt an die Personen verteilt, für die sie tatsächlich relevant sind. Diese können frei entscheiden, wann sie die Schulung über das System im vorgegebenen Zeitraum durchführen.

Auch die Kontrolle über Vollständigkeit und Fristen der Schulungen ist jetzt sehr viel einfacher. Vor Einführung von Consense GxP Enterprise stellte das Qualitätsmanagement den Abteilungsleitungen diese Informa-

Bild: Diasys Diagnostics Systems GmbH

„Eine der wichtigsten Änderungen besteht darin, dass wir weniger Zeit in administrative Tätigkeiten und den Austausch von Papierdokumenten investieren und uns in vielen Fällen auch auf automatisierte Prozesse verlassen können.“

bereitet, mich in das System einzuarbeiten und es dazu zu nutzen, unsere tägliche Arbeit weiter zu erleichtern.“ Dazu gehört beispielsweise die Flexibilität des Systems, durch die sich Änderungen, z. B. in Prozessen, sehr schnell umsetzen lassen. Schneider gibt ein Beispiel: „Bei der Überwachung unserer Produkte im Markt spielte bisher die In-vitro-Diagnostic Device Directive (IVDD) eine wichtige Rolle, die das Inverkehrbringen von Invitro Diagnostika regelt. 2022 wurde sie durch die europäische In-vitro-Diagnostic Device Regulation (IVDR) ersetzt. Das brachte zahlreiche Änderungen mit sich, z. B. in Bezug auf Meldefristen und -wege. Der gesamte Prozess musste also angepasst werden. Wir konnten einen detaillierten Prozess auf Basis der bestehenden Standard Operating Procedure (SOP, dt. Standardvorgehensweise) rasch und problemlos im ConsenseSystem erstellen.“

Bild: Diasys Diagnostics Systems GmbH

Titel

Die innovativen Produkte von Diasys kommen weltweit in mehr als 140 Ländern zum Einsatz.

tionen vierteljährlich zur Verfügung. Braun erinnert sich: „Dazu haben wir uns durch verschiedene Listen gekämpft und waren immer mehrere Stunden mit der Zusammenstellung beschäftigt.“ Jetzt können Vorgesetzte bei Diasys auf Knopfdruck jederzeit den aktuellen Schulungsstand ihrer Mitarbeiter abrufen. Gleichzeitig erinnert das System automatisch daran, wenn eine Schulungseinheit fällig ist.

Abweichungen elektronisch managen mit Consense Forms

Bild: Diasys Diagnostics Systems GmbH

Consense-Softwarelösungen sind modular aufgebaut und bieten die Möglichkeit, ein Managementsystem ganz nach individuellem Bedarf auf- und auszubauen.

Bei Diasys wird das System seit der Einführung kontinuierlich weiterentwickelt. So beschäftigt sich z. B. Elisabeth Krämer, stellvertretende QMB, aktuell mit der Ergänzung des Systems durch Consense Forms, dem elektronischen Formularmanagement. Damit lassen sich intelligente und dynamische Formulare inklusive automatisierter Workflows für beliebige Zwecke erstellen, verwalten und auswerten. Krämer erzählt: „Dabei hilft uns, dass man Forms sehr frei programmieren kann. Wir müssen keine vorgegebenen Workflows nutzen, die möglicherweise nicht auf unsere internen Abläufe passen, sondern können diese genau so gestalten, wie wir sie benötigen.“ Im ersten Schritt soll ab 2024 die Organi-

TIPP Seit 2003 entwickelt die Consense GmbH in Aachen skalierbare Lösungen für alle Unternehmensgrößen. Dabei stehen die Unterstützung der Organisationsabläufe und Anwendungsfreundlichkeit im Mittelpunkt der Entwicklungsarbeit. Bei der technischen, organisatorischen und personellen Einführung von ConenseSoftwarelösungen steht das Unternehmen mit modernen Strategien und Konzepten in allen Phasen beratend zur Seite. Mehr Infos unter: www.consense-gmbh. de/loesungen/

sation von Abweichungen im Qualitätsmanagement über das System verarbeitet werden.

Wird bei Diasys zukünftig eine Normabweichung festgestellt, so wird diese im System erfasst und ein vorgegebener Workflow in Gang gesetzt. Das kann eine Sofortmaßnahme sein, um den Fall direkt wieder zu schließen.

Oder aber Ursachen- und Risikoanalysen werden durchgeführt und Korrektur- sowie Vorbeugemaßnahmen eingeleitet, damit der Vorfall nicht noch einmal auftritt. „All das lässt sich über das System wunderbar abbilden: Wir können die betreffenden Mitarbeiter informieren, Zeitfristen zur Behebung setzen und die Einhaltung überwachen. Uns gefallen Konzept und Variabilität von Forms sehr gut, sowohl die visuelle Umsetzung als auch die dahinterliegende Programmierung der Workflows.

Wir sind davon überzeugt, dass uns die Einführung unsere Arbeit extrem erleichtern wird“, freut sich Schneider. In weiteren Schritten soll Forms bei Diasys auch für weitere Prozesse wie Änderungs- oder Risikomanagement genutzt werden.

Mehrsprachige Nutzung bewährt sich Dank der guten Erfahrungen mit Consense GxP Enterprise können sich die Verantwortlichen von Diasys gut vorstellen, das System zukünftig auch auf die beiden Tochterunternehmen in Leipzig und Grabels/Frankreich auszuweiten. Dabei kann das praxisnahe Mehrsprachenkonzept, das auch inhaltliche Varianten von Dokumenten und Prozessen erlaubt, unterstützen. Denn die Unternehmenssprache bei Diasys ist zwar Deutsch, doch mit der Lösung für Mehrsprachigkeit sind die Inhalte der Prozesse und Dokumente im System auch auf Englisch enthalten.

Das hat sich gerade in jüngster Zeit bewährt, erzählt Schneider abschließend: „Wir haben mit der Shenzhen Mindray Bio-Medical Electronics Co., Ltd. seit Ende 2023 einen neuen Mehrheitseigner, dem die Zweisprachigkeit unseres Systems ermöglicht, unsere Prozesse und Abläufe besser zu verstehen.“ (kb)

Prozesslandkarte für einen schnellen Überblick: Die transparente grafische Darstellung der bei Diasys auflaufenden Prozesse ist allen Mitarbeitenden zugänglich.

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Bild: UDO_KOWALSKI/Steute Technologies GmbH & Co. KG

Konstruktion

Bediensysteme im OP

User Interfaces nach Maß Der Anteil der kundenspezifischen Bediensysteme wächst mit hoher Geschwindigkeit. Auch die Vorbereitungen für den interoperablen OP, bei dem mehrere Medizingeräte über ein zentrales User Interface gesteuert werden, laufen auf Hochtouren. Dieser Artikel zeigt die Vorteile von kundenspezifischen User Interfaces.

K VERFASST VON

Lothar Geddert Product Manager Meditec Steute Technologies GmbH & Co. KG

abelgebunden oder funkgestützt, aus dem Standardprogramm oder kundenspezifisch entwickelt: Diese Wahl haben Medizintechnik-Hersteller, wenn sie ein passendes User Interface definieren.

Inzwischen entscheidet sich die Mehrheit der Hersteller für die kabellose Kommunikation zwischen Medizingerät und User Interface. Deren Vorteile liegen auf der Hand: Kabellose Funkschalter entsprechen heute dem Stand der Technik, das Hygieneniveau ist höher, und die Fußschalter sind reinigungsfreundlich. Sie lassen sich ohne Restriktionen durch Kabel positionieren und ergo-

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nomisch bedienen. Des Weiteren besteht kein Risiko des Kabelbruchs durch unsachgemäße Bedienung. Zudem ist diese Entscheidung mit Blick auf den interoperablen OP richtungsweisend. Für diese Aufgabe hat Steute Meditec mit SW2.4LE-MED ein eigens auf die Anforderungen der Medizintechnik zugeschnittenes und sicheres Funkprotokoll entwickelt.

Ebenso deutlich wie der Trend zur Nutzung der Funktechnik bei User Interfaces im OP ist der zunehmende Einsatz von kunden- und anwendungsspezifischen Bediensystemen. Dieser Trend gilt für ganz unterschiedli-

Konstruktion

che medizinische Disziplinen und für verschiedenste Typen von Medizingeräten. Auch hierfür gibt es mehrere Gründe.

Abheben vom Wettbewerb Das User Interface ist derjenige Systembaustein eines Medizingerätes, den der Operateur unmittelbar handhabt. Deshalb spielen Qualitätsfaktoren wie Bedienkomfort, Ergonomie, intuitive Bedienbarkeit sowie wertige Optik und Haptik eine wichtige Rolle. Eine Zusammenarbeit mit einem Spezialisten bietet die Möglichkeit, das User Interface im Corporate Design des Geräteherstellers und im „Look and Feel“ des Medizingerätes zu gestalten.

Technische und ergonomische Anpassung Nicht nur das Design und die Ergonomie, auch die Funktionen lassen sich an das Medizingerät anpassen, wenn das User Interface kundenspezifisch entwickelt wird.

Das betrifft zunächst die physischen Eigenschaften, d. h. beispielsweise die Abmessungen des Bediensystems, die Art, Größe und Anzahl der Schaltelemente (Pedale, Taster, Joysticks) sowie deren Anordnung. Auch die bedienspezifischen Funktionen wie taktile Rückmeldung lassen sich individuell festlegen, ebenso die Größe und Art der Batterien oder Akkus sowie das Design bzw. die Farbgebung.

Auf der Software-Ebene hat der Gerätehersteller ebenfalls breite Auswahlmöglichkeiten. Das betrifft u. a. die Definition der Schnittstelle zum Endgerät. Weiterhin kann der Hersteller – in Abhängigkeit von der Risikoklasse der Anwendung – die nötige Software-Sicherheitsklasse nach IEC 62304 definieren, bei Bedarf bis zur Sicherheitsklasse C. Die User Interfaces werden dann von Steute Meditec nach diesen Kriterien getestet und die Ergebnisse dokumentiert. Optional unterstützt Steute die Kunden auch bei der Einhaltung der Normen, die für die Zielmärkte ihres Medizingerätes zu berücksichtigen sind.

Schlanke und schnelle Entwicklung Die Einbindung eines spezialisierten Unternehmens mit entsprechender Erfahrung in der Entwicklung bzw. Projektierung schafft die Voraussetzung dafür, dass die Ent-

Die Mehrzahl der User Interfaces ist kundenspezifisch und kommuniziert per Funk mit dem Medizingerät. wicklungsabteilung des Geräteherstellers entlastet wird und sich auf ihre Kernkompetenzen – die Entwicklung des Medizinsystems – fokussieren kann. Auch die Vorbereitungen für künftig genutzte Technologien – z. B. interoperabler OP und SDC – können frühzeitig berücksichtigt und in die Bediensysteme integriert werden.

Verringerter Dokumentationsaufwand Ein weiterer nicht zu unterschätzender Vorteil mit Blick auf den Aufwand und die Zeit bis zur Markteinführung besteht darin, dass ein Spezialist dem Gerätehersteller mit der Projektierung auf Wunsch auch die Dokumentation sowie die Zertifizierung des User Interface ab-

DeviceMed INFO

Was ist ein User Interface?

Ein User Interface (dt. Benutzerschnittstelle oder Benutzeroberfläche) ist die Schnittstelle zwischen Benutzer und Maschine bzw. Benutzer und Computer. Über die Schnittstelle lassen sich Hard- oder Software kontrollieren. Um das User Interface für den Menschen sinnvoll und nutzbar zu machen, muss die Schnittstelle intuitiv, ergonomisch und effizient sein.

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Konstruktion

nimmt. Dieser Aufwand ist teilweise erheblich, je nachdem, für welchen Markt das Medizingerät zugelassen werden soll.

Bild: Steute Technologies GmbH & Co. KG

Geräteübergreifende Vereinheitlichung

Kundenspezifische User Interfaces erleichtern u. a. auch den Einsatz neuer Technologien und die Integration von Sensorik – hier zur Feuchtemessung im Gehäuse.

Wenn ein Hersteller von Medizingeräten für mehrere Geräte ein universelles kundenspezifisches User Interface entwickelt und einsetzt, kann er unter Umständen mehrere bisher verwendete Schaltertypen ersetzen und damit u. a. Vorteile bei der Lagerhaltung sowie – noch wichtiger – bei Zulassungsprozessen erschließen.

Nutzung neuester Technologien Bei einem kundenspezifischen User Interface kann der Hersteller sein Technologiepaket zusammenstellen und neueste Funktionalitäten nutzen. Ein Beispiel: Im Rahmen eines Projektes des Spitzenclusters „Intelligente technische Systeme – it’s OWL“ hat Steute Technologien untersucht, die eine Integration von Sensoren für die Feuchtemessung in das Fußschalter-Gehäuse erlauben.

So werden User Interfaces zu „Mechatronic Integrated Devices“ (MIDs) und können bei Fehlfunktionen entsprechende Signale ausgeben oder einen sicheren Zustand einnehmen. Die Analysefähigkeit wird so verbessert, da die Dichtigkeit der Fußschalter im laufenden Betrieb geprüft werden kann. Die entsprechenden Entwicklungen sind abgeschlossen, eine der untersuchten Technologien wird in Kürze als Option verfügbar sein.

Gut vorbereitet auf den interoperablen OP Wenn in naher Zukunft die Service-oriented Device Connectivity (SDC) Realität wird und die Medizingeräte im OP interoperabel sind, wird das erhebliche Auswirkungen auf das User Interface haben. Mit einer zentralen Bedieneinheit und einem Bildschirm für die Visualisierung lassen sich dann diverse Medizingeräte steuern.

Mit einem entsprechend konfigurierten und kundenspezifischen User Interface wird diese Anforderung bestmöglich adressiert.

Steute Meditec ist seit vielen Jahren an der Entwicklung von Bediensystemen für den interoperablen OP beteiligt und arbeitet aktuell an Weiterentwicklungen des Standes der Technik, z. B. an der Echtzeitkommunikation zwischen interoperablem User Interface und den zugehörigen Medizingeräten (Real-time SDC).

Bild: Steute Technologies GmbH & Co. KG

Fazit: Vorteile für Gerätehersteller und Anwender

Das ist die Zukunft: der interoperable OP

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Die Übersicht zeigt: Der Einsatz von kundenspezifischen User Interfaces im OP kann diverse Vorteile bieten, die hier im Wesentlichen aus Sicht des Herstellers von Medizingeräten beschrieben werden, ebenso aber für die Anwender im OP gelten. Sie profitieren u. a. von ergonomischen und intuitiven Bedienprozessen, die auf das jeweilige Medizingerät abgestimmt sind. Deshalb sollte diese Option geprüft werden, wenn die Entwicklung eines neuen Medizingerätes ansteht. Als Alternative steht ein umfassendes und schnell verfügbares Standardprogramm an Bediensystemen zur Verfügung, das von Grund auf für die Anforderungen der Medizintechnik entwickelt wurde. (kb)

Konstruktion

Operationssystem

Intuitive, Experte im Bereich der minimalinvasiven Versorgung und der roboter-assistierten Chirurgie, gibt bekannt, dass das da-Vinci-Single-Port(SP)-Operationssystem die CE-Zulassung für den Einsatz bei endoskopischen abdominopelvinen, thorakoskopischen, transoralen HNO-, transanalen kolorektalen und brustchirurgischen Prozeduren in Europa erhalten hat. „Wir freuen uns, die CE-Kennzeichnung für unser daVinci-SP-System zu erhalten. Es ermöglicht Operateuren in ganz Europa, komplexere Operationen bei einer größeren Anzahl von Patienten minimalinvasiv durchzuführen“, sagt Gary Guthart, CEO von Intuitive. „Das da-Vinci-SP-System ist die jüngste Ergänzung unseres Produktportfolios in Europa

und erweitert die Optionen für Operateure und Krankenhäuser, die ihren Patienten eine evidenzbasierte, innovative Versorgung bieten möchten.“ Das da-Vinci-SP-System umfasst drei mehrgelenkige Instrumente und eine dreidimensionale (3D), hochauflösende (HD) Kamera mit umfassender Gelenkbeweglichkeit. Die Instrumente und die Kamera werden durch einen einzigen Trokar eingeführt und an der distalen Spitze genau um die Zielanatomie herum trianguliert.

Das System ermöglicht eine flexible Trokarplatzierung und eine interne und externe Bewegungsfreiheit (z. B. 360 Grad anatomischer Zugang) durch den einzelnen Arm des da-Vinci-SP-Systems. www.intuitive.com

Bild: Intuitive

CE-Kennzeichnung für da Vinci SP in Europa

Steckverbinder

Elektrische Sicherheit für medizinische Geräte steht zuverlässiger Schutz, u. a. vor elektrostatischer Entladung (ESD). Außerdem wird sichergestellt, dass jegliche Streuspannung auf eine sichere Erde geleitet wird. Dadurch werden Schäden für den Bediener und die spannungsempfindlichen Geräte vermieden. Die neuen Fischer-Core-FMLB-Steckverbinder sind in zwei Größen (Größe 104 mit einem Stecker mit 15 mm Durchmesser und Größe 1031 mit einem Stecker mit 13 mm Durchmesser) sowie in drei gemischten Niederspannungskonfigurationen erhältlich. Fischer Core 104 A 130 und Fischer Core

Bild: Conextivity Group

Fischer Connectors erweitert seine mehrpolige Niederspannungsserie Fischer Core um neue First-Mate-Last-Break-Steckverbinder. Sie bieten elektrische Sicherheit, mechanische Zuverlässigkeit und Benutzerfreundlichkeit für Betreiber von medizinischen Geräten gemäß IEC 60601-1. Der Name First Mate Last Break (FMLB) bezieht sich auf einen längeren Stift im Stecker, der „zuerst gepaart und zuletzt gebrochen“ wird.

Dadurch wird das elektrische System permanent geerdet und riskante elektrische Sicherheitsbedingungen vermieden. So be-

1031 A 105 sind mit jeweils 14 Pins ausgestattet: drei 0,9-mm-Stromkontakte für einen maximalen Strom von 9,5 A bei der Größe 104 bzw. 8,1 A bei der Größe 1031, und elf 0,5-mm-Datenkontakte, inklusive eines längeren FMLB-Kontakts für Masse, für 5-Gbit/s-Ethernet. Der Fischer-Core-104-A131-Steckverbinder verfügt über zwölf Stromund Datenkontakte von 0,5 mm, inklusive längerem Ground/FMLB-Kontakt, für 4,2 A und 5-Gbit/s-Ethernet.

Die Fischer-Core-FMLB-Steckverbinder und die dazugehörigen Kabelkonfektionen sind robust und langlebig, nicht nur mechanisch, sondern auch in Bezug auf das Design.

Sie sind nach IP68 abgedichtet, widerstehen der Sterilisation in Autoklaven und Korrosion (1.000 Stunden Salznebel, 5 Prozent Salzlösung, 35 °C). Darüber hinaus bieten die Steckverbinder eine lange Lebensdauer mit 10.000 Steckzyklen. Zudem ist die FischerCore-Produktserie vielseitig, was die Verriegelungssysteme (Push-Pull, Tamperproof, Quick-Release und Friction Fit) betrifft. Diese erleichtern es Konstrukteuren, den unterschiedlichen Bedürfnissen der Benutzer von Medizinprodukten gerecht zu werden. https://fischerconnectors.com/de/

OEM-Sensoren für die Medizintechnik Drucküberwachunng in Peristaltikpumppen

Senstech AG · CH-8320 Fehraltorf Telefon +41 44 955 04 55 ISO 9001 · ISO 13485 www.senstech.ch

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Konstruktion

Hitzebeständigkeit

Neues medizinisches Polycarbonat von Covestro Dichtungen erfordern. Covestro, ein Hersteller von hochentwickelten Polymeren und Hochleistungskunststoffen, hat jetzt Apec 2045 entwickelt – ein Copolycarbonat mit der höchsten Hitzebeständigkeit, das es Spritzgießern und medizinischen OEMs ermöglicht, die Produktionszeit und -kosten erheblich zu senken, ohne dabei Kompromisse bei Qualität, Leistung oder Aussehen einzugehen. „Wir arbeiten eng mit unseren

Bild: Covestro

Covestro hat ein neues medizinisches Polycarbonat im Portfolio. Apec 2045 kombiniert Biokompatibilität, Hitzebeständigkeit, Transparenz sowie Haltbarkeit und steigert die Produktivität bei Silikonüberformungsanwendungen. Das Umspritzen von Polycarbonat mit Flüssigsilikonkautschuk (LSR) wird üblicherweise zur Herstellung von Atemschutzmasken und anderen medizinischen Geräten verwendet, die eingegossene

Kunden aus dem Gesundheitswesen zusammen und haben erkannt, dass wir ein Polycarbonat anbieten können, das für höchste Aushärtungstemperaturen bei der Silikonummantelung geeignet ist und ihnen hilft, ihr Produktionsvolumen aufgrund kürzerer Zykluszeiten in der gleichen Zeit mehr als zu verdoppeln“, sagte Pierre Moulinie, Global Healthcare Technology Lead, Covestro LLC. „Unsere Experten unterstützen unsere Kunden bei jedem Schritt“, so Moulinie weiter, „sie helfen ihnen bei der Berechnung möglicher Einsparungen, wenn sie auf diesen neuen hochhitzebeständigen Apec-Copolycarbonat-Typ umsteigen – z. B. durch die Simulation der Materialleistung in bestimmten Anwendungen und die Berechnung von Kostenvorteilen mit unserem LSRKalkulator-Tool.“ Neben der hohen Hitzebeständigkeit bietet Apec-2045-Copolycarbonat weitere Vorteile für diesen Markt. Dazu zählt die Langlebigkeit des zähen, technischen Kunststoffs mit der höchsten Hitzebeständigkeit. Ein weiterer Punkt ist die Erzeugung transparenter Teile mit hoher optischer Klarheit und die Unterstützung der gängigsten Sterilisationsverfahren. www.covestro.com

Steckverbinder

Datenübertragung mit Fiber Optic in chirurgischen Robotersystemen

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sen kompakt sein, um in enge Bauräume zu passen, ohne die Bewegungsfreiheit des Roboters einzuschränken. Sie haben den physischen Belastungen standzuhalten, die während einer Operation auftreten können, wie Vibrationen oder versehentliche Stöße.

Chirurgische Instrumente müssen sterilisiert werden können. Steckverbinder sollen so konstruiert sein, dass sie diesen Prozess

Bild: Odu

In der Medizintechnik-Branche stehen innovative chirurgische Robotersysteme im Mittelpunkt, die die Präzision und Effizienz von Operationen revolutionieren. Diese hochentwickelten Geräte erfordern eine zuverlässige Datenübertragung mit enormer Geschwindigkeit und niedrigen Latenzen.

Diesem hohen Anspruch werden spezielle Fiber-Optic-Verbindungen gerecht. Die Unternehmensgruppe Odu hat sich auf diese High-Speed-Fiber-Optic-Lösungen spezialisiert. Die Steckverbinder, mit denen diese Datenübertragung realisiert wird, stehen in solch komplexen Systemen zahlreichen Herausforderungen gegenüber. In Operationssälen herrscht eine anspruchsvolle Umgebung, die hohe Anforderungen an die Datenübertragung stellt. Die Steckverbinder müssen nicht nur die Daten mit hoher Geschwindigkeit übertragen, sondern auch gegenüber Störungen und elektromagnetischen Interferenzen immun sein. In diesem Kontext spielen High-Speed-Fiber-OpticVerbindungen eine entscheidende Rolle. Es stellen sich einige Herausforderungen bei der Datenübertragung mit Fiber Optic. In chirurgischen Robotersystemen ist der verfügbare Platz begrenzt. Steckverbinder müs-

überstehen, ohne an Leistungsfähigkeit zu verlieren. In hochpräzisen Operationen dürfen keine Datenverluste auftreten. Die Schnittstellen müssen die Datenintegrität sicherstellen und eine unterbrechungsfreie Kommunikation gewährleisten. Die elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) ist entscheidend, um Störungen durch elektronische Geräte in der Nähe zu vermeiden.

Steckverbinder müssen Störfestigkeit aufweisen und gleichzeitig hohe Datenraten ermöglichen. Als Hersteller von Steckverbindern für medizinische Anwendungen erfüllen die Steckverbinder von Odu die anspruchsvollen Anforderungen der Medical Device Regulation (MDR) und der IEC-60601-1-Norm. Odus High-Speed-Fiber-OpticSteckverbinder sind für den Einsatz in chirurgischen Robotersystemen geeignet. Sie sind kompakt, robust, leicht zu sterilisieren und bieten eine herausragende Datenübertragungsleistung, selbst in EMV-intensiven Umgebungen. So können beispielsweise mithilfe der Expanded-Beam-PerformanceTechnologie höchste Datenraten unter extrem niedrigen Dämpfungswerten realisiert werden. odu-connectors.com

Konstruktion

OP-Tische

Die Operationstische Sim.Move 300 und Sim.Move 400 von Simeon Medical ergänzen den bereits verfügbaren OP-Tisch Sim. Move 800. Die neuen Modelle besitzen einen Reverse-Mode zur umgekehrten Patientenlagerung auf dem Tisch sowie ein Back-up-System. Alle manuellen und elektro-hydraulischen Verstellfunktionen lassen sich intuitiv bedienen. Kopf- und Fußplatten können per Knopfdruck ausgetauscht werden. Das Fahrwerk besteht aus vier Doppelrollen und einer per Fußpedal zuschaltbaren und arretierbaren gefederten Richtungsrolle. Memory-Polster unterstützen bei der fachgerechten Patientenlagerung und beugen der Entstehung von Dekubitus vor. Sie sind druckentlastend, flüssigkeitsundurchlässig und elektrisch leitend. Dank Gelkleber ist die Polsterfixierung einfach. Er sorgt für guten Halt und ist desinfektionsmittelbeständig. Zur Hygiene trägt auch die Abdeckung der Rollen bei, die vor Flüssigkeiten schützt. Die Energieversorgung der Tische erfolgt akkugestützt.

Die Varianten Sim.Move 310 und 410 ermöglichen eine Längsverschiebung um bis zu 250 mm. Der Sim.Move 300/310 verfügt über drei elektro-hydraulische Funktionen: Höhenverstellung, Lateralverstellung und Trendelenburg/Anti-Trendelenburg. Im Sim.Move 400/410 ist zusätzlich eine Rückenteilverstellung möglich. Im Patient-Reverse-Modus können die Anwender darüber die Beinplatte verstellen. Alle Tische verfügen über eine automatische Nullstellung. www.simeonmedical.com

Verbindungselemente

Einpresstechnologie für die Medizintechnik Das Bossard-Portfolio umfasst rund eine Million Artikel von Markenanbietern im Bereich der Einpresstechnologie (ClinchingTechnology). Im Bereich Medizintechnik ist bei Bossard die Marke PEM stark vertreten.

Markus Mayer, Sales Expert Medical Technology bei Bossard Deutschland, weiß: „Es gibt häufig andere und bessere Verbindungslösungen z. B. in einem Gehäuse, als man zunächst vermutet.“ Denn das Einpressen bietet die Möglichkeit, unterschiedliche Materialien wie Stahl, HSS, Sandwichplatten, Warmformstahl, Aluminium, Magnesium, Druckguss und Kohlefaser zu verbinden. Darüber hinaus gewährleistet es stärkere Verbindungen: Die Einpresselemente von PEM sind vergütet und bieten höhere GewindeTragfähigkeiten im Vergleich zu unvergüteten Befestigern. Da es sich bei der Einpresstechnologie um ein kaltes, mechanisches Fügeverfahren handelt, entstehen beim Fügen keine Schwachstellen im Grundmaterial durch thermische Einwirkung. Die PEM-Lösungen bieten zudem ein geringes Gewicht.

Für die Befestigung von Platinen, Tastatur und Monitor bietet das Sortiment PEM-Reelfast-SMT-Lötbefestiger mit Klebepunkt, gegurtet für Printplatten. So kann auf Schrauben, Muttern und Unterlegscheiben verzichtet werden. Das spart Teile und wegen der direkten Verarbeitung auf der Platine auch zusätzliche Montagezeit. Die SMT-fähigen Lötbefestiger werden automatisch bestückt und im Reflow-Lötverfahren verlötet.

Bild: Bossard Deutschland

Bild: Simeon Medical

Elektro-hydraulische Operationstische

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Reinraum

Deutsche Reinraumtechnologie für Smart Factory in Estland Für das Karl-Storz-Werk in Tallinn liefert Schilling Engineering Reinraumtechnik.

Mit der Installation von zwei großen Reinraumanlagen startet der estnische Produktionsstandort seine eigene Reinraumfertigung. Eine dritte Reinraumanlage ist bereits in Planung. Doch wie genau lief das Projekt ab?

VERFASST VON

Iris Dörffeldt Produktmanagement/ Marktforschung Schilling Engineering GmbH

E

in anspruchsvolles Projekt konnte die Firma Schilling Engineering in Estland realisieren. Der Spezialist für die Planung und den Bau von Reinräumen wurde beauftragt, die Reinraumproduktion der Firma Karl Storz Video Endoscopy Estonia aufzubauen. Die estnische Produktionsstätte ist Teil der familiengeführten Karl-Storz-Gruppe, eines weltweiten Herstellers von Endoskopen und medizinischen Geräten.

Die Fertigstellung der gesamten Reinraumanlage in Tallinn wurde in mehreren Phasen geplant. Die ersten beiden Bauabschnitte sind bereits abgeschlossen, ein weiterer Ausbau der Reinraumkapazitäten ist in Vorbereitung. Damit gewinnt der estnische Standort nicht nur innerhalb der Karl-Storz-Gruppe an Bedeutung, sondern setzt auch Maßstäbe im Bereich Smart Factories. Estland gilt als Vorbild in Sachen Digitalisierung und hat sich in diesem Bereich zu einer der fortschrittlichsten Gesellschaften der Welt entwickelt. Auch die Produktionslinien am estnischen Standort von Karl Storz sind hoch automatisiert und vernetzt. Für die neue Reinraumtechnik suchten die Esten daher ein System, das diesen Anforderungen gerecht wird, wie Riivo Ranniku, Director of Operations bei Karl Storz Video Endoscopy Estonia OÜ, erklärt: „Wir bauen unsere Reinraumproduktion komplett neu auf und wollen sie nahtlos in unsere Unternehmensphilosophie integrieren, die auf einen hohen Digitalisierungs- und Automatisierungsgrad

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setzt. Dazu brauchen wir das Know-how eines Experten, der uns berät, schult und mit neuester Technologie versorgt. Mit Schilling Engineering haben wir einen sehr zuverlässigen Partner gefunden, der uns dieses Gesamtpaket anbieten konnte. Das Reinraumsystem Clean Cell 4.0 liefert uns eine Fülle von Daten, die wir in unsere Prozesse integrieren können, wie die automatische Steuerung und Überwachung. Auch die Möglichkeit der Fernwartung ist für uns sehr wichtig.“

Entwicklung eines Prototyps für EinwegEndoskope Der erste Reinraum der neuen Anlage wurde zeitlich in der Planung der Gesamtanlage vorgezogen, um darin einen Prototyp für die geplante Herstellung von EinwegEndoskopen entwickeln zu können. Die 350 m2 große Reinraumanlage ist bereits in Betrieb gegangen und erreicht die Reinraumklasse ISO 7.

Eine Besonderheit des Reinraums ist die Materialschleuse, die eine Steuerung und Rückmeldung für Logistikroboter ermöglicht. Die autonomen, mobilen Roboter in der Größe eines kleinen Einkaufswagens öffnen die Schiebetore der Materialschleuse automatisch per Funk. Um einen Druckabfall im System zu verhindern, sorgen gegenseitig verriegelte Türen dafür, dass immer mindestens eine Schleusentür geschlossen bleibt.

Bild: Karl Storz

Vollverglaste Umluftwände sorgen für Tageslicht und Einsicht bei der Herstellung der Endoskope.

Fertigung

Für die Inbetriebnahme des Reinraums haben sich die Esten einen straffen Zeitplan gesetzt, um die Validierung der Medizinprodukte zu beschleunigen. Innerhalb von nur sechs Monaten wurde die erste Projektphase erfolgreich abgeschlossen, freut sich Ranniku. „Wir sind sehr zufrieden mit dem hochmodernen und anpassungsfähigen Reinraumsystem. Die Projektabwicklung verlief reibungslos.“ Das Reinraumsystem wurde nach ISO 14644-1 qualifiziert und eine ausführliche Dokumentation bestehend aus Raumbuch, Risikoanalyse und DQPQ erstellt.

Digitalisierte Prozesse und Qualitätskontrolle Auch der zweite Abschnitt der Reinraumanlage erreicht die ISO-Klasse 7 und verfügt über ein flexibles Design, das an zukünftige Anforderungen angepasst werden kann. Die Gesamtfläche der Reinräume beträgt mehr als 750 m2 plus Personal- und Materialschleusensysteme.

Ein großes Anliegen der Esten war eine lückenlose Qualitätsüberwachung der Reinraumtechnik, die sich in die digitalisierten Abläufe der hochmodernen Produktion integrieren lässt. Mit dem hauseigenen Steuerungssystem CR Control konnte Schilling Engineering diesen Wunsch nach hoher Datenintegration erfüllen. Das Steuerungssystem verwaltet zentral die Einstellungen der Reinraumtechnik und misst und überwacht wichti-

ge Parameter wie Partikel, Feuchte, Druck und Temperatur. Die Steuerung des Reinraums erfolgt über Touchscreens, die auch aus der Ferne zugänglich sind. Um die Bedienung zu erleichtern, wurden die Oberflächen ins Estnische übersetzt. Für den unwahrscheinlichen Fall einer Störung wurde eine sichere Fernwartung von Deutschland aus eingerichtet, um eine effiziente Fehlersuche zu ermöglichen. Im Störungsfall werden die Verantwortlichen per E-Mail benachrichtigt.

Das Projekt stellte die deutschen Reinraumspezialisten vor einige Herausforderungen: Die Einsatzzeiten der Projektleiter und Servicetechniker mussten genau geplant werden, denn die Mitarbeiter von Schilling Engineering aus Baden-Württemberg reisten mit dem Flugzeug und nicht mit ihren gewohnten Servicefahrzeugen an. Material und Werkzeuge wurden per Spedition nach Estland gebracht.

Mit tatkräftiger Unterstützung der estnischen Kollegen konnten die logistischen Herausforderungen erfolgreich gemeistert werden. Nach einer Bauzeit von acht Wochen wurde die zweite Reinraumanlage qualifiziert und betriebsbereit übergeben. Ranniku freut sich über die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Estland: „Unser Reinraumprojekt ist ein gutes Beispiel für eine gelungene Kooperation in Europa. Beide Partner konnten voneinander lernen und Erfahrungen austauschen, wie man innovative Produkte von höchster Qualität entwickelt und herstellt.“ (je)

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Fertigung

Carmo und Forsstrom kooperieren

Bild: Carmo A/S

Überarbeitetes Schweißgerät Das dänische Unternehmen Carmo A/S, das Spritzgusskomponenten für die Medizintechnik-Branche und die Industrie herstellt, und der schwedische Maschinenproduzent Forsstrom HF leiten eine Zusammenarbeit in puncto Entwicklung und Vertrieb von HFSchweißgeräten ein. Das erste Ergebnis der Zusammenarbeit ist eine neue Version von Carmos HF-Schweißgerät CP9. „Forsstrom und Carmo kennen sich sehr gut und sehr lange. Die Vertreter unserer Unternehmen treffen sich oft bei Messen. Die Chemie zwischen ihnen stimmt schon lange und es hat viele Ansätze zur Zusammenarbeit gegeben.

Deshalb ist es mehr als sinnvoll, Nägel mit Köpfen zu machen und ein reelles Entwicklungsprojekt sowie einen Handelsvertrag in

die Wege zu leiten“, so Claus Ishøy, Carmos CEO. Forsstrom hat sich bereits mehrmals mit der Entwicklung und Umrüstung von Carmos HF-Schweißgeräten beschäftigt. Die Serienproduktion und das Erschließen eines größeren Marktes sind jedoch erst durch die Kooperation erfolgt. Zunächst wird die Vereinbarung durch eine Weiterentwicklung von Carmos beliebtesten HF-Schweißgeräten CP9 und CP8 umgesetzt.

Forsstrom hat in mehreren Ländern Vertriebsagenten. Dort sind die Agenten für den Vertrieb und die Wartung der HF-Schweißgeräte zuständig, die individuell angepasst sind, um Carmos Medizintechnik- und Industriekomponenten zu schweißen. www.carmo.dk

Industrielle Teilereinigung

Effiziente und nachhaltige Bauteilreinigung für die gesamte Fertigungskette technik, partikuläre Verunreinigungen im Nanometerbereich sowie Nanolagen filmischer Restkontaminationen zu entfernen.

Um eine Reinigungslösung optimal an die Aufgabenstellung anzupassen, müssen also neben den zu erfüllenden Sauberkeitsspezifikationen weitere produkt- und unternehmensspezifische Kriterien berücksichtigt werden. Dies erfordert einen Hersteller, dessen Produktprogramm eine entsprechende Flexibilität hinsichtlich der einzusetzenden Reinigungsmedien als auch der Anlagenund Verfahrenstechnologien bietet. Als Komplettanbieter flexibler und energieeffizienter Lösungen für die industrielle Bauteilreinigung decken Ecoclean und UCM das gesamte Spektrum nasschemischer Verfahren mit wasserbasierten Medien, Lösemitteln und modifizierten Alkoholen ab. Da-

Bild: Ecoclean GmbH

Die Bauteilreinigung ist in allen Industriebereichen ein essentieller Fertigungsschritt, um anforderungsgerechte Folgeprozesse und eine hohe, stabile Produktqualität sicherzustellen. Neue und modifizierte Produkte, zunehmend kompaktere und komplexere Geometrien, eine immer größer werdende Materialvielfalt sowie Werkstückdimensionen, die von einem Millimeter und weniger bis zu mehreren Metern reichen, tragen dazu bei, dass das Spektrum an erforderlichen Reinigungsanwendungen heute so vielfältig ist wie nie zuvor. Die Anforderungen an den Prozess sowie die zu erzielende Sauberkeit variieren dabei je nach Fertigungsstufe sowie produkt- und branchenspezifisch. So sind bei der Endreinigung von Hightech-Bauteilen, u. a. für die Halbleiterindustrie, Medizin-, Sensor- und Analyse-

46 DeviceMed 1 | 2024

durch können Reinigungsprozesse und Anlagen inklusive der bestgeeigneten Verfahrens- und Trocknungstechnologien sowohl für die Chargen- als auch die Einzelteilreinigung sehr effizient auf die produkt- und unternehmensspezifischen Anforderungen abgestimmt werden. Die Prozessauslegung erfolgt dabei in unternehmenseigenen Testzentren, wobei für Aufgabenstellungen in der Medizintechnik Reinraum-Testzentren mit angepasster Anlagen- und Messtechnik zur Verfügung stehen.

Mit einem breiten Programm an standardisierten Kammeranlagen für die Reinigung mit wasserbasierten Medien, Lösemitteln und modifizierten Alkoholen sowie unterschiedlichsten Verfahrenstechnologien, wie Spritz- und Hochdruckreinigung und Ultraschall, deckt Ecoclean den überwiegenden Teil der Reinigungsaufgaben in der allgemeinen Industrie ab. Allerdings haben Anwendungen, die beispielsweise aufgrund der Bauteilabmessungen, Durchsatzanforderungen oder Sauberkeitsspezifikationen eine individuell konstruierte Sonderanlage erforderlich machten, in den letzten Jahren stark zugenommen. Um den dafür erforderlichen Konstruktionsaufwand zu verringern und Lieferzeiten zu verkürzen, hat der Anlagenbauer die Baukastensysteme Eco Cvela für die wasserbasierte und Eco Cstretch für die Reinigung mit Lösemitteln beziehungsweise modifiziertem Alkohol entwickelt. Im Bereich der Mehrbad-Ultraschallreinigungsanlagen werden mit den Modellreihen UCM Base Line, UCM Smart Line, UCM Performance Line und UCM High Line ebenfalls aus standardisierten Modulen bestehende Lösungen angeboten. www.ecoclean-group.net

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Fertigung

Vertikaldrehmaschine

Implantate aus Hochleistungskeramik herstellen medizinische Implantate und schafft – im Gegensatz zu Implantaten aus Metalllegierungen – viele Vorteile für die Patienten: Sie ist nicht nur robust und widerstandsfähig, sondern auch biokompatibel. Das heißt, sie verbindet sich mit menschlichem Gewebe und minimiert das Risiko einer Abstoßung.

Zudem ist Keramik einerseits deutlich leichter als Metall, was die Belastung auf den Knochen reduziert; andererseits sorgen ihre

Bild: Schuster Maschinenbau

Die VD-20-Vertikaldrehmaschine von Schuster Maschinenbau ermöglicht die Herstellung von medizinischen Implantaten aus Hochleistungskeramik. Aus schwierigen Werkstoffen wie Hochleistungskeramik neue Möglichkeiten fertigen – in Serie. Das ermöglicht Schuster Maschinenbau mit seiner neuen VD-20-Vertikaldrehmaschine.

Aufgrund ihrer vielen positiven Eigenschaften ist Keramik der perfekte Werkstoff für

Härte und Verschleißfestigkeit für lebenslange Haltbarkeit. Patienten müssen sich somit keine Gedanken mehr über einen baldigen Austausch von Implantaten machen.

Doch gab es bislang keine Maschine, die Grünlinge aus Hochleistungskeramik problemlos ohne aufwendige Wartung bearbeiten konnte.

Die Gründe: Der Pulverwerkstoff produziert extrem viel Staub und reagiert äußerst sensibel auf unsachgemäßes Handling, was zu Beschädigungen und Mikrorissen führen kann. Schuster Maschinenbau hat sich der Herausforderung gestellt und eine Maschine entwickelt, die es selbst mit feinstem Staub aufnehmen kann: die VD 20. Mit der Vertikaldrehmaschine ist es nun möglich, Implantate aus abrasiven Grünkörpern akkurat zu drehen, zu bohren und zu fräsen. „Wir von Schuster können Lösungen anbieten, die das Leben von Menschen nachhaltig verbessern. Das ist eine große Motivation für uns alle. An unseren Maschinen und Produkten arbeiten wir deswegen mit besonders viel Sorgfalt und Hingabe“, erklärt Christopher Reich, Vertriebsingenieur bei Schuster Maschinenbau. www.schuster-maschinenbau.de

Bildgebung

MRT-Verfahren erkennt Multiple Sklerose frühzeitig

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und Proteinen. Nur zwischen diesen Lagen befindet sich das so genannte Myelinwasser.

Standard-MRTs nutzen für ihre Bilder die Signale der Wasserstoffatome im Myelinwasser und bilden die Myelinscheiden nicht direkt ab. Das neue MRT-Verfahren der ETHForscher misst den Myelingehalt direkt. Es versieht die MRT-Aufnahmen des Gehirns mit Zahlenwerten. Diese zeigen, wie viel Myelin an einer Stelle im Vergleich zu ande-

ren Bereichen des Bildes vorhanden ist. So bedeutet die Zahl acht, dass der Myelingehalt an dieser Stelle nur acht Prozent von einem Maximalwert von 100 beträgt. Dies deutet auf eine deutliche Ausdünnung der Myelinscheiden hin. Grundsätzlich gilt: Je dunkler der Bereich und je kleiner die Zahl im Bild, desto stärker sind die Myelinscheiden reduziert. www.ethz.ch

Bild: ETH Zürich

ETH-Forscher um Markus Weiger und Emily Baadsvik vom Institut für Biomedizinische Technik haben ein neues Verfahren der Magnetresonanztomographie (MRT) entwickelt, das den Zustand der Myelinscheiden genauer als bisher möglich abbildet. Die Forscher testeten das Verfahren erstmals erfolgreich an gesunden Menschen. Das MRT-System mit speziellem Kopfscanner könnte Ärzten in Zukunft dabei helfen, Multiple Sklerose (MS) frühzeitig zu erkennen und den Verlauf der Krankheit besser zu überwachen. Zudem könnte die Technologie die Entwicklung neuer Medikamente gegen MS erleichtern. Doch damit nicht genug: Das neue MRT-Verfahren könnte Forschern auch dazu dienen, weitere feste Gewebetypen wie Bindegewebe, Sehnen und Bänder besser sichtbar zu machen. Mit herkömmlichen MRT-Geräten lassen sich die Myelinscheiden nur ungenau und indirekt abbilden. Der Grund dafür ist, dass die meisten Geräte auf Wassermoleküle im Körper reagieren, die durch Radiowellen in einem starken Magnetfeld angeregt werden.

Die Myelinscheiden, die sich in mehreren Lagen um die Nervenfasern wickeln, bestehen jedoch hauptsächlich aus Fettgewebe

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SPECIAL

Fertigungstechnik

SLS-Verfahren

Leichtere Inkubatoren dank 3D-Druck Die LMT Medical Systems GmbH nutzt 3D-Druck, um das Gewicht ihrer Inkubatoren zu reduzieren und Kernkomponenten in die Serienproduktion zu überführen. Dabei arbeitet das Unternehmen mit Materialise zusammen.

L

Mit einem LMT-Inkubator kann das medizinische Personal Neu- und Frühgeborene direkt von der Neugeborenen-Intensivstation für eine MRT-Untersuchung in die MR-Suite transportieren.

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MT Medical Systems stellt Inkubatoren her, die es in sich haben. Wie herkömmliche Systeme bieten sie Frühgeborenen eine lebensrettende Umgebung, aber ihr Design unterscheidet sie von anderen. Mit einem LMT-Inkubator kann das medizinische Personal Neu- und Frühgeborene direkt von der Neugeborenen-Intensivstation für eine MRT-Untersuchung in die MR-Suite transportieren – etwas, das vorher unmöglich war. Das Baby ist während des gesamten MRT-Prozesses geschützt, was neue Möglichkeiten für potenziell lebensrettende Untersuchungen eröffnet. „Die MRT-Kompatibilität macht unser System besonders“, erklärt Judith Müller, Maschinenbauingenieurin bei LMT. „Wie können wir das erreichen? Durch die speziellen Materialien, die wir auswählen, und durch die Abschirmung unseres Elektroniksystems. Außerdem bieten wir ein batteriebetriebenes Netzteil an, das sich für den krankenhausinternen Transport eignet.“ „Wir produzieren 10 bis 20 Systeme pro Jahr für Kunden in der ganzen Welt, von China bis zu den USA und auch Europa“, so Müller weiter. „Dazu gehören sowohl der Inkubator als auch die HF-Spulen. Das Projekt ist für jeden Kunden individuell und wir müssen auch die Vorschriften für Medizinprodukte erfüllen.“ Es ist verständlich, dass LMT mit einer Reihe von Vorschriften konfrontiert ist, die mit der Entwicklung eines solchen Medizinprodukts einhergehen.

Jedes Material muss nicht nur den Vorschrifdical Systems ten für Medizinprodukte Bild: LMT Me entsprechen, sondern auch bestimmte Eigenschaften aufweisen. „Die erste ist, dass sie nicht magnetisch sein dürfen“, erklärt Müller. „Zum anderen muss sichergestellt werden, dass sie im MRT-Bild nicht sichtbar sind. Beides müssen wir bei

Die 3D-gedruckte Kopfspule von LMT inspirierte zu einem kompletten Redesign.

Bild: Materialise

Bild: LMT Medical Systems

jedem Material, das wir verwenden, berücksichtigen.

Natürlich müssen wir auch die Anforderungen der elektrischen Sicherheitsnormen erfüllen und für die Isolierung der elektrischen Teile sorgen.“ Abgesehen von diesen Anforderungen schlossen die geringen Stückzahlen, die pro Jahr produziert werden, herkömmliche Fertigungstechniken für die Serienproduktion praktisch aus – zumindest ohne große Mengen an Teilen lagern zu müssen.

Redesign für AM und Druck mit SLS Seit 2018 fertigt LMT eine große Anzahl von Bauteilen aus Polyamid im 3D-Druck, da sich die Technologie als ideal erwiesen hat. Ein wichtiger Schritt war die Entscheidung, die Inkubatoren für die additive Fertigung neu zu konzipieren – der beste Weg, um die Möglichkeiten der Technologie zu optimieren. Nachdem LMT das neue System intern entworfen hatte, wandte sich das Unternehmen an Materialise, um es in die Tat umzusetzen. „Wir haben 3D-gedruckte Teile zum ersten Mal in einer früheren Entwicklung eingesetzt, etwa 2016, als wir eine neue Kopfspule hinzugefügt haben“, erzählt Müller. „Dieses neue Design begann mit der Idee, 3D-Druck zu verwenden. Das komplette Gehäuse ist aus 3D-gedruckten Teilen gefertigt. Es gibt auch Teile, die im Inneren ein Gewinde benötigen, daher verwenden wir verschiedene Techniken, z. B. verwenden wir Gewindeeinsätze oder arbeiten sie sogar direkt in das Material ein.“ Seitdem nutzt LMT selektives Lasersintern (SLS) als Verfahren zur Herstellung des Inkubators. Da die Teile einzeln gedruckt werden, kann das LMT-Team die Maschinen leicht zusammenbauen, bevor es sie an seine Kunden verschickt. SLS-gedruckte Teile werden z. B. zusammengeklebt und mit einem Lack versehen. Die Möglichkeit, Teile schnell und bedarfsgerecht zu drucken –, ein inhärenter Vorteil der Serienproduktion durch additive Fertigung – ist der Schlüssel zur Aufrechterhaltung einer kurzen Vorlaufzeit. „Das wirklich Gute an Polyamid ist, dass es sich gut anfühlt. Es ist sehr flexibel, aber auch fest. Wir stellen die Biokompatibilität durch die von uns verwendete Beschichtung sicher, sie ist also keine Anforderung an das Material selbst. Das Ablösen der Beschichtung ist jedoch ein Risikopunkt, daher ist es hilfreich, sie aus einem sicheren Material wie PA 12 herzustellen“, erklärt Müller. „In der Vergangenheit habe ich darüber nachgedacht, ein anderes Material zu verwenden, damit wir die zusätzliche Schicht nicht auftragen müssen. Ich habe andere Technologien wie FDM (Fused Deposition Modeling) ge-

prüft, aber man hat immer sichtbare Schichten auf der Oberfläche, was es für medizinische Geräte ungeeignet macht. Deshalb komme ich immer wieder auf Polyamid und SLS zurück, weil die Kosten und die Möglichkeiten, die der Pulverdruck bietet, wie z. B. der Wegfall von Stützstrukturen, überzeugen.“ Judith Müllers letzter Punkt ist besonders wichtig, wenn man bedenkt, dass LMT gerne in Serie fertigt. Jeder Auftrag besteht aus einem bis zehn Teilen, so dass keine übermäßige Lagerhaltung erforderlich ist. Die Verwendung einer digitalen Lösung ermöglicht es dem Team außerdem, die Produkte flexibel zu optimieren – etwas, das Müller gerne zusammen mit Materialise tun möchte.

Beim SLS-Verfahren werden die Teile des Inkubators einzeln gedruckt.

Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften und 15 kg Gewichtseinsparung Das LMT-Team hat eine erfolgreiche Kombination gefunden und ist mit seiner neuesten Konstruktion zufrieden, die durch eigene Qualitätskontrollen und kleine Nachbearbeitungen finalisiert wird. Die Ergebnisse sprechen für sich. Die Maschinen entsprechen nicht nur den wichtigen medizinischen Vorschriften, sondern die Umstellung auf den 3D-Druck bringt auch weitere Vorteile mit sich. Jetzt geht es nur noch um kontinuierliche Verbesserung. „Das Schöne an diesem Entwicklungsprozess ist, dass wir wissen, dass wir alle unsere Anforderungen von Anfang an erfüllen können und trotzdem eine große Designflexibilität haben, um komplexe Komponenten herzustellen“, sagt Müller. „Einer der Hauptgründe für die Entwicklung dieses neuen Geräts war es, Gewicht zu sparen. Die Inkubatoren müssen angehoben werden und das letzte Modell wog etwa 45 kg. Jetzt wiegt es 30 kg und wir haben sogar begonnen, unsere Teile auszuhöhlen, um sie noch leichter zu machen. Wir werden einfach besser und besser.“ Ein wichtiger Teil dieser Verbesserung ist die kontinuierliche Zusammenarbeit, die Müller und das LMT-Team zu schätzen wissen. „Die Zusammenarbeit mit Materialise war von Anfang an eine sehr gute Erfahrung“, sagt sie. „Nach dem ersten Treffen mit den Projektingenieuren hatten wir die Möglichkeit zu entscheiden, ob wir online über Materialise Onsite bestellen wollten, was wir bei kleinen Teilen oft tun, oder ob wir uns bei komplexeren, größeren Teilen an sie wenden wollten, was wir ebenfalls schätzen. Es ist großartig zu wissen, dass wir immer die Möglichkeit haben, mit Materialise zu sprechen, guten Input zu bekommen und zusammenzuarbeiten.“ (je)

VERFASST VON

Frank Küchelmann Marketing Manager Materialise GmbH

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SPECIAL

Fertigungstechnik

3D-Druck-Region

Leichte, komfortable Orthesen mittels 3D-Druck

Mitteldeutschland als „3D-Druck-Region“ mit Kunststoffen zu etablieren, haben sich 15 Partner im Rahmen des Projekts „AddiQ“ vorgenommen. Fast 10 Milliarden Euro betrug 2022 der weltweite Umsatz, der mithilfe der additiven Fertigung erzielt wurde, sagen die Forscher des Fraunhofer-Instituts für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS, welches einer der Projektpartner ist. Die jährlichen Wachstumsraten in

Sachen 3D-Druck lägen bei rund 20 Prozent.

Schnelle Herstellungszeiten und große geometrische Gestaltungsfreiheiten prädestinieren den 3D-Druck u. a. für die Herstellung von Bauteilen in kleinen Stückzahlen.

Die Prozesse ermöglichten es auch, schnell und flexibel auf geänderte Markt- und Kundenbedürfnisse zu reagieren. Als Ausgangsmaterial kommen in diesem Fall thermoplastische Kunststoffe zum Einsatz, denn

Bild: Fraunhofer IMWS

damit sind die Investitionskosten für Drucker und die eingesetzten Materialien erheblich günstiger, als wenn Metallpulver verwendet werden, wie es weiter heißt. In einem AddiQ-Teilprojekt des Fraunhofer IMWS in Zusammenarbeit mit der SLV Halle GmbH und der Automation, Sonder- und Werkzeugmaschinen ASW GmbH aus Naumburg stehen mit multiaxialem 3DDruck gefertigte Bauteile für die Orthetik im Mittelpunkt. Solche medizinischen Hilfsmittel werden im Idealfall maßgefertigt und an die individuelle Körperform angepasst.

Ergebnis des Teilprojekts soll eine Unterschenkel-Orthese sein, die aus einem Materialverbund mit einer Kontaktseite zum Körper (Polyethylenterephthalat), einer versteifenden Struktur (PA) und faserverstärktem Material (PA und Faser) besteht. Herausforderungen sind neben dem 3D-Druck mit verschiedenen Materialien die Qualitätsanforderungen an Maßhaltigkeit, mechanische Stabilität und Tragekomfort. Die Projektpartner setzen dabei auf Fused-Deposition-Modeling(FDM)-Druckköpfe und die Verstärkung mittels lastpfadgerecht abgelegter Endlosfasern in einem Drucksystem. www.imws.fraunhofer.de

Additive Fertigung

Mobilität und Automation im Fokus

Auf der Chinaplas präsentiert sich Arburg vom 23. bis 26. April 2024 als ganzheitlicher Technologie- und Systempartner für die effiziente Kunststoffteilefertigung. Auf dem Messestand D 42 in Halle 4.1 stehen Anwendungen für die Branchen Automobil und Medizin im Fokus. Drei Allrounder-Exponate demonstrieren das vollautomatische Umspritzen von Einlegeteilen, die Verarbeitung von Flüssigsilikon (LSR) und die Fertigung anspruchsvoller medizinischer Bauteile. Über die Spritzgießtechnik hinaus zeigt Arburg die additive Fertigung und Automation und bietet den Fachbesuchern umfassende und individuelle Beratung im interaktiven Ausstellungsbereich Arburg Solution World. Rund um eine vier Meter hohe LED-Säule können sich die Besucher von Arburg-Experten an fünf Stationen individuell beraten lassen – etwa zum Einsatz des Kundenportals Arburg X World und des Arburg-Leitrechner-Systems ALS. Weitere thematische Schwerpunkte sind die Effizienzsteigerung durch Automation, Beratung zum Spritzgießwerkzeug, das Nachhaltigkeitsprogramm Arburg Green World sowie alles rund um Service und Schulungen. In der Arburg Technology Factory Pinghu werden Maschinen kundenspezifisch aufge-

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baut, bei Bedarf automatisiert und intensiv getestet. Das gilt auch für die Chinaplas-Exponate, deren Automationskomponenten und Werkzeuge auch von asiatischen Anbietern stammen. Dazu zählt eine Drehtischmaschine Allrounder 1600 T, die in einem 4-fach-Werkzeug der Firma Concraft Metalleinleger mit glasfaserverstärktem PA6 zu Verbindungsteilen für die Mobilitätsbranche umspritzt. Die anspruchsvollen Handhabungsaufgaben übernimmt bei dieser Turnkey-Anlage ein Kuka-sechs-AchsRoboter. Ein weiteres Highlight ist ein Allrounder 470 H mit hybrider Maschinentechnologie. Diese ist besonders energiesparend, ressourcenschonend, produktionseffizient, bedienfreundlich und zuverlässig. Die neue Maschine der Baureihe Hidrive wurde erstmals im Jubiläumsjahr 2023 präsentiert und ist gemeinsam mit den Baugrößen 520 und 570 seit dem Frühjahr 2024 weltweit erhältlich. Das Exponat fertigt Adapter aus PC für die Medizintechnik und ist mit einem Flexlift automatisiert. Dieses lineare Robot-System von Arburg ist für den Einstieg in die automatisierte Spritzteilefertigung ausgelegt und exklusiv für den asiatischen Markt erhältlich. Das dritte Spritzgießexponat, ein elektrischer Allrounder 470 E Golden Elec-

Bild: Arburg

SPECIAL

Fertigungstechnik

tric, fertigt präzise LSR-Bauteile für die Automobilindustrie. Beim Arburg-KunststoffFreiformen (AKF) lassen sich mit einem Freeformer Funktionsbauteile, Betriebsmittel und Robot-Greifer auf Basis von originalen Kunststoffgranulaten 3D-drucken. www.arburg.com/de

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SPECIAL

Fertigungstechnik

Fertigungstechnik 2022

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Alltec Angewandte Laserlicht Technologie GmbH | FOBA Laser Marking + Engraving | www.fobalaser.com Becom Electronics GmbH | www.becom-group.com Camozzi Automation GmbH | https://de.automation.camozzi.com/ CKO Maschinen- und Systemtechnik GmbH | www.cko-gmbh.de Cubidesign Gehäuse GmbH | www.cubidesign.de Desotec GmbH Sondermaschinenbau | www.desotec.de Dr. Boy GmbH & Co. KG | www.dr-boy.de Dunkermotoren GmbH | www.dunkermotoren.de Ecoclean GmbH | www.ecoclean-group.net EMSO Electrical Mechanical Solutions GmbH | www.emso-gmbh.com Feinguss Blank GmbH | www.feinguss-blank.de Fried Kunststofftechnik GmbH | www.fried.de Harter Drying Solutions | www.harter-gmbh.de Heraeus Amloy Technologies GmbH | www.heraeus-amloy.com Hiwin GmbH | www.hiwin.de HNP Mikrosysteme GmbH | www.hnp-mikrosysteme.de

k. A. 100 k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. 385 ca. 200 4 80 47 12 k. A. k. A. ca. 20

k. A. 600 k. A. k. A. 25 k. A. k. A. 1.300 ca. 800 40 500 280 95 k. A. k. A. 95

KH Medical GmbH (Member of KH Group) | www.kh-medical.de

k. A.

160

Knocks Fluid-Technik GmbH | www.knocks.de Koch Pac-Systeme GmbH | https://koch-pac-systeme.com/ Krauss Maffei | www.kraussmaffei.com Kumavision AG | www.kumavision.com LAS Lean Assembly Systems GmbH | www.las-automation.de Lascor GmbH Lawer - Medizintechnik | www.lascor.de

32 k. A. k. A. 114 k. A. k. A.

200 450 k. A. 900 84 5

Lee Hydraulische Miniaturkomponenten GmbH | www.lee.de

k. A.

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Metshape GmbH | www.metshape.de

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12

Murtfeldt Group | www.murtfeldt-group.de

90

750

Odu GmbH & Co. KG | www.odu-connectors.com Pace-Tec GmbH | www.pace-tec.de Pia Automation Holding GmbH | www.piagroup.com Rewag Feinmechanik AG | www.rewag.ch RKT - Rodinger Kunststofftechnik GmbH | www.rkt.de

282 k. A. 319 k. A. 23,9

2.300 k. A. 1.800 20 250

Röchling Medical Solutions SE | www.roechling.com/de/medical

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132

Röchling Medical Waldachtal AG | www.roechling.com/de/medical

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270

Schunk SE & Co. KG | www.schunk.com

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3.500

Senetics Healthcare Group GmbH & Co. KG | www.senetics.de

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SI Scientific Instruments GmbH | www.si-gmbh.de Strama-MPS Maschinenbau GmbH & Co. KG | www.strama-mps.de Thüringisches Institut für Textil- und Kunststoff-Forschung e. V. | www.titk.de Toolcraft AG | www.toolcraft.de TQ-Systems GmbH | www.tq-group.com

k. A. 255 k. A. k. A. 357

10 1.700 130 ca. 440 1.900

Trumpf Laser- und Systemtechnik GmbH | www.trumpf.com

4.200

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Unitechnologies SA | www.unitechnologies.com

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SPECIAL

Fertigungstechnik

Aus der Forschung

IMPRESSUM Intelligenter Wundverschluss

www.devicemed.de

Wunden mit Laser verlöten

Leserservice devicemed.de/hilfe oder E-Mail an vertrieb@vogel.de mit Betreff „DeviceMed“.

Gerne mit Angabe Ihrer Kundennummer vom Adressetikett: *0001234567*

Redaktionsservice Kontakt zur Redaktion: Tel. +49 931 418-2333 fachmedien@vogel.de Chefredakteur: Marc Platthaus (pl), V.i.S.d.P.

Bild: Empa

Redaktion: Julia Engelke (je) Kristin Breunig (kb) Layout: Alexandra Geißner Schreibweisen, Firmen- und Produktnamen: Wir halten uns generell an die Schreibempfehlungen des Dudens.

Wunden löten mit einer Nanopartikel-Paste und Licht: Oscar Cipolato und Inge Herrmann im „Particles Biology Interactions“-Labor der Empa in St. Gallen.

Haftungsausschluss: Für den Inhalt der einzelnen Artikel sind die jeweils benannten Autoren verantwortlich, er spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.

Eine Haftung für die Richtigkeit der Veröffentlichungen kann trotz sorgfältiger Prüfung nicht übernommen werden. Kein Teil dieser Publikation darf ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung in irgendeiner Form reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Irgendwann vor mehr als 5.000 Jahren kam der Mensch auf die Idee, eine Wunde mit Nadel und Faden zu vernähen. Seither hat sich an diesem chirurgischen Prinzip nicht viel geändert: Abhängig vom Fingerspitzengefühl der operierenden Person und der Ausrüstung lassen sich Schnitte oder Risse im Gewebe mehr oder weniger perfekt aneinanderfügen. Sind dann beide Seiten einer Wunde sauber aufeinander fixiert, kann der Körper beginnen, die Gewebelücke auf natürliche Weise dauerhaft zu schließen. Doch nicht immer erreicht die Naht, was sie soll: Bei sehr weichen Geweben kann der Faden durch das Gewebe schneiden und zusätzliche Verletzungen verursachen. Und wenn der Wundverschluss an inneren Organen nicht dichthält, können durchlässige Nähte ein lebensbedrohliches Problem darstellen. Forscher der Empa und der ETH Zürich haben einen Weg gefunden, Wunden mittels Laser zu verlöten. Beim Löten werden üblicherweise Werkstoffe mittels Hitze über ein schmelzendes Verbindungsmittel aneinandergefügt. Dass diese thermische Reaktion bei biologischen Materialien in engen Grenzen bleiben muss und gleichzeitig die Temperatur auf nicht-invasive Weise schwierig zu messen ist, war bisher ein Problem für die Anwendung von Lötverfahren in der Medizin. Das Team um Oscar Cipolato und Inge Herrmann vom „Particles Biology Interactions“-Labor der Empa in St. Gallen und dem „Nanoparticle Systems Engineering Laboratory“ der ETH Zürich tüftelte daher an einem Wundverschluss-System, bei dem sich das Laser-Löten schonend und effizient steuern lässt. Sie entwickelten hierzu ein Verbindungsmittel mit Metall- und Keramik-Nanopartikeln und setzten ein Nanothermometrie-Verfahren zur Temperaturkontrolle ein.

Die Eleganz des neuen Lötverfahrens beruht dabei auch auf dem Zusammenspiel der zwei Nanopartikel-Arten in der verbindenden Eiweiß-Gelatine-Paste.

Während die Paste mittels Laser bestrahlt wird, wandeln Titannitrid-Nanopartikel das Licht in Wärme um. Die eigens synthetisierten Bismutvanadat-Partikel in der Paste wirken hingegen als winzige fluoreszierende Nanothermometer: Sie strahlen temperaturabhängig Licht spezifischer Wellenlänge ab und erlauben so eine äußerst präzise Temperaturregulierung in Echtzeit. Damit ist die Methode besonders geeignet für die Anwendung in der minimal-invasiven Chirurgie, da sie ohne Berührung auskommt und Temperaturdifferenzen mit feinster räumlicher Auflösung in oberflächlichen und tiefen Wunden ermittelt.

Nachdem das Team die Bedingungen für das „iSoldering“ (englisch für „intelligentes Löten“) über mathematische Modellierungen „in silico“ optimiert hatte, konnten die Forscher die Leistungsfähigkeit des Kompositmaterials untersuchen. Gemeinsam mit Chirurgen des Universitätsspitals Zürich, der „Cleveland Clinic“ (USA) und der tschechischen Karls-Universität erzielte das Team in Labortests mit verschiedenen Gewebeproben eine schnelle, stabile und bioverträgliche Verbindung für Wunden beispielsweise an Organen wie der Bauchspeicheldrüse oder der Leber. Ebenso erfolgreich und schonend verlief das Versiegeln von besonders anspruchsvollen Gewebestücken etwa der Harnröhre, des Eileiters oder des Darms mittels iSoldering. Mittlerweile ist das Nanopartikel-Kompositmaterial auch zum Patent angemeldet. (je)

Verkauf von Medialeistungen Director Sales: Annika Schlosser Tel. +49 931 418-2982 sales@vogel.de Auftragsmanagement: Tel. +49 931 418-2079 auftragsmanagement@vogel.de

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56 DeviceMed 1 | 2024

Aus der Forschung

Mikroskopische Einbaufedern

Die Integration eines mechanischen Gedächtnisses in Form von Federn ist seit Hunderten von Jahren eine Schlüsseltechnologie für mechanische Geräte (z. B. Uhren), die durch komplexe autonome Bewegungen eine erweiterte Funktionalität erreichen.

Heute hat die Integration von Federn in die siliziumbasierte Mikrotechnologie die Welt planarer, massenproduzierbarer mechatronischer Geräte revolutioniert. Für die Biomedizin, die in Zukunft auf immer weniger invasive Verfahren zurückgreifen möchte, wird die Größenskala einer einzelnen Zelle eine immer wichtigere Rolle spielen. Winzige bewegliche Geräte, die sicher mit einzelnen Zellen interagieren können, müssen in viel kleinere Dimensionen vorstoßen (etwa zehn Mikrometer), in maßgeschneiderten dreidimensionalen Formen hergestellt werden und mit viel geringeren Kräften auf der Pikonewton-Skala auskommen, etwa beim Heben von Gewichten von weniger als einem Millionstel Milligramm.

Forscher der Technischen Universität Chemnitz (TUC), des Shenzhen Institute of Advanced Technology der Chinesischen Akademie der Wissenschaften und des Leibniz-Instituts für Festkörper- und Werkstoff-

forschung (IFW) Dresden zeigen in ihrer aktuellen Veröffentlichung in der renommierten Fachzeitschrift „Nature Nanotechnology“, dass steuerbare Federn mittels konfokaler photolithographischer Fertigung mit einer Präzision im Nanometerbereich an beliebigen Stellen in weiche dreidimensionale Strukturen integriert werden können.

Bei dieser Technik wird ein neuartiges magnetisch aktives Material in Form eines Fotolacks verwendet, der mit magnetischen Nanopartikeln imprägniert ist. Diese „Pikofedern“ haben eine bemerkenswert große und einstellbare Beweglichkeit und können durch Magnetfelder ferngesteuert werden – sogar tief im menschlichen Körper, was Gelenkbewegungen von Mikrorobotern sowie Mikromanipulationen weit über den aktuellen Stand der Technik hinaus ermöglicht.

Darüber hinaus kann die Auslenkung von Pikofedern auch zur visuellen Messung von Kräften, z. B. von Antriebs- oder Greifkräften, bei der Interaktion mit anderen Objekten, wie etwa Zellen, genutzt werden. So wurden die Pikofedern unter anderem zur Messung der Antriebskraft von Mikromotoren und sich fortbewegenden Zellen, wie Spermien, eingesetzt. In der nun veröffent-

Bild: TU Chemnitz/Jacob Müller

Winzige Federn leisten Großes

Mikrogreifer mit eingebauter PikonewtonFeder

lichten Fachpublikation werden diese Fähigkeiten anhand mehrerer Konstruktionen beschrieben, die an geeigneten Stellen Pikofedern enthalten und diverse Aufgaben auf zellulärer Ebene ausführen können. Sie können schwimmen, gehen, Zellen greifen und loslassen und die dazu notwendigen winzigen Kräfte genau messen und ausüben. (je)

Roboterforschung

Medizinrobotik-Projekt wird gefördert Integration der Robotik in den klinischen Arbeitsablauf (ForNeRo) an. Vom bayerischen Wissenschaftsminister Markus Blume wurde am TranslaTUM des Klinikums rechts der Isar der Technischen Universität München (TUM) nun der Förderbescheid der Bayerischen Forschungsstiftung überreicht.

Blume erklärt: „Hochkarätige Start-ups, füh-

Bild: Andreas Heddergott/TUM

Es sind v. a. auch kleinere oder besonders präzise Eingriffe, die bald häufiger mit Hilfe von Robotern durchgeführt werden sollen.

Das bedeutet aber auch, dass klinische Arbeitsabläufe im Operationssaal noch komplexer werden und möglichst effiziente Abläufe erfordern. Hier setzt der Forschungsverbund für nahtlose und ergonomische

Vorführung des Einsatzes eines Medizinroboters am TUM-Klinikum rechts der Isar.

rende Unternehmen und exzellente Gesundheitsforschung: Mit dem Forschungsverbund ForNeRo fördern wir ein bayerisches Dream-Team der innovativen Medizintechnik! Dank der Bündelung von hochspezialisiertem Know-how in Robotik und KI sollen Roboterassistenzsysteme optimal in klinische Arbeitsabläufe integriert werden. Das ermöglicht selbst bei komplexen Eingriffen höchste individuelle Präzision und Sicherheit für jeden Patienten – bei gleichzeitiger Entlastung der Chirurgen.

Diese digitale Revolution im Operationssaal unterstützen wir gerne mit zwei Millionen Euro aus einem Förderaufruf der Bayerischen Forschungsstiftung zur Unterstützung unserer Hightech Agenda Bayern!“ TUM-Präsident Prof. Thomas F. Hofmann verweist zudem auf die strategische Bedeutung des Medizinrobotik-Projekts: „Der zunehmende Einsatz von Robotik wird vor allem die Präzisionsmedizin entscheidend voranbringen. Mit ihren Uni-Kliniken rechts der Isar und Herzzentrum München sowie der europaweit führenden Forschung im Bereich KI und Robotik verfügt die TUM hier über eine einzigartige Kombination von Spitzenkompetenzen.“ (je) DeviceMed 1 | 2024

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Rede & Antwort

ChatGPT, IVDR und MDCG-Leitlinien Ist ChatGPT ein Medizinprodukt, was es mit den IVDR-Übergangsregelungen auf sich hat und was die neuen MDCG-Leitlinien bedeuten? Der Befund gibt Antworten.

Stellen Sie sich vor: ChatGPT, das digitale Orakel, als Medizinprodukt deklariert, weil man es nach Diagnosen fragen kann. Die Idee, dass ein Algorithmus, der auf Textverarbeitung spezialisiert ist, in die gleiche Kategorie fallen könnte wie ein Herzschrittmacher, ist so absurd wie ein Zollstock, der plötzlich als medizinisches Instrument für EKG-Messungen herhalten soll, da man damit auch ein EKG vermessen kann. ChatGPT ist aktuell so wenig ein Medizinprodukt wie der Zollstock. Die Bestimmung eines Produkts liegt in dessen Zweckbestimmung, und in dieser Hinsicht sind Large Language Models wie ChatGPT breit und unspezifisch aufgestellt.

Die EU-Kommission sorgt mit einem neuen Vorschlag zur Anpassung der IVDR-Übergangsregelungen für Aufsehen. Mit nur acht benannten Stellen und 40.000 Produkten, die auf ihre Zulassung warten, gleicht die Situation einem Krimi. Die Highlights: Ein gestaffelter Eudamed-Rollout, dessen Vollendung nicht vor Q4/2027 erwartet wird, und die volle Verpflichtung erst im Q2/2029. Dazu die Supply-Chain-Unterbrechung: Hersteller sollen Engpässe melden, quasi als offizielle Einladung, den Behörden den Schwarzen Peter zuzuschieben.

Und dann wären da noch die neuen MDCG-Leitlinien, die eher ein Gähnen als einen Aufschrei wert sind. Zwar sind sie für die indirekt Betroffenen vielleicht nicht der große Wurf, bieten aber für Kreative eine Inspirationsfülle. Sie dienen als Vorlage und Vergleichsbasis für die Entwicklung und Überwachung aller Arten von Produkten.

Bolleiningers Befund!*

* Stefan Bolleininger, Geschäftsführender Gesellschafter von „be on Quality“, hat als Consultant viele Jahre Erfahrung. Er ist zudem Trainer, Lehrbeauftragter der TH Nürnberg, QM-Beauftragter, Auditor u.v.m. Für Devicemed befundet er exklusiv die aktuelle Lage in Sachen Qualitätsmanagement und Regulatory Affairs. www.be-on-quality.com

Bild: Ept GmbH

DeviceMed NACHGEFRAGT Wolfgang Schmid, Produktmanager bei Ept, beschreibt, wie Board-toBoard-Steckverbinder den Vorgaben aus Miniaturisierung, Datenübertragungsrate und elektromagnetischer Strahlung entsprechen müssen.

Für zuverlässige Echtzeit-Diagnosen Herr Schmid, wenn die „4P-Medizin“ (predictive, preventative, personalized, participatory) eine Telemedizin mit datenbasierten Entscheidungen anschiebt und die Sensorik „immer mehr unter die Haut geht“ – was bedeutet das für die Elektronik und Elektromechanik von Ept? Nun, aus meiner Sicht ziehen sich die Trends wie ein roter Faden durch alle Branchen, egal, ob es autonomes Fahren, Predictive Maintenance oder die Vernetzung der Geräte im Internet of Medical Things ist. Gerade die sichere Datenübertragung in der Patientenversorgung steht z. B. durch die Überwachung von Vitalparametern in Echtzeit im Fokus.

Wie sieht so ein technologischer Paradigmenwechsel im medizinischen Gerät aus?

Schauen Sie, medizinische Bildgebungssysteme wie CT-Scanner, MRI-Geräte und digitale Röntgengeräte verarbeiten bis zu 20 Gbit/s von Bild- und Patientendaten in Echtzeit. Die Datenübertragung ist ebenso wie EMV-Designaspekte für Störfestigkeit ein Garant für Patientensicherheit. Stichwörter sind die Zunahme von Multi-Source-Sensorik und die immer stärker vernetzten Gesamtsysteme über verschiedene Schnittstellen.

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Alles dreht sich um die Signalintegrität, die mit konstanten Strömen und akkuraten Daten einhergeht. Das alles gewährleistet die Funktionssicherheit, -zuverlässigkeit und -effizienz.

Wie sieht es im Speziellen für die Board-to-Board-Steckverbinder aus, die die Belastungen der Geräte bezüglich Schock, Vibration und Schwingungen sowie auch thermische und chemische Umwelteinflüsse aushalten müssen?

Als Signalübertrager müssen diese Komponenten zum einen mit der Komplexität und Integrationsdichte in den Medizingeräten klarkommen und zum anderen für eine langfristige Kontaktsicherheit bei Mikrobewegungen sorgen. Das GeräteDesign ist maßgeblich von Robustheit, Datenübertragung und EMV-Schirmung geprägt, und der Hardware-Entwickler steht in der Pflicht, den richtigen Stecker zu wählen. Sein Ziel ist es, die Risiken in der Datenübertragung zu umgehen, zu denen Schwankungen der Impedanz durch Material- und Geometrieveränderungen sowie Dämpfung durch Insertion Loss und Return Loss als auch Übersprechen zählen.

Das Interview führte Marc Platthaus.

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