Besucherführer: DIVA, a Brilliant Story - höhepunkte

Page 1

DE

DIVA,

a Brilliant Story Entdecken Sie 30 Höhepunkte


2


Wilkommen Lieber Besucher/Liebe Besucherin, Im Namen des gesamten Teams möchte ich Sie herzlich im DIVA, Museum für Diamanten, Schmuck und Silber willkommen heißen. In dem Viertel rund um das Museum wohnen und arbeiten seit über 500 Jahren Edelschmiede und Juweliere und verkaufen dort ihre Produkte. In diesen Straßen hat sich Antwerpen seinen guten Ruf als Weltzentrum der Diamanten und Edelschmiedekunst aufgebaut. So grenzt beispielsweise DIVAs Innengarten, der Leonie Glassplein (Leonie Glassplatz), an die Zilversmidstraat (Silberschmiedestraße), die bereits ab 1264 als Platea Argentariorum und seit 1307 als Silversmitstrate erwähnt wird. In dieser Straße betrieben die Silberschmiede ihr Handwerk, darunter auch der älteste bekannte Silberschmied aus dem Jahr 1288: Petrus Aurifaber (Petrus der Goldschmied). Auf dem Grote Markt befand sich einst das Haus Spaengien, dessen Erdgeschoss im 16. Jahrhundert als Verkaufshalle diente. Juweliere und Edelschmiede boten dort an über 20 Ständen ihre Waren feil. Etwas weiter entfernt liegt die Zwartzustersstraat, die damals eine pulsierende Geschäftsstraße war, in der sich u. a. auch Diamanten- und Edelsteinhändler niedergelassen hatten. Das beweisen noch heute die Häuser Diamant und Den Robijn (Der Rubin). In der Hofstraat, rund 300 Meter vom Museum entfernt, liegt das Haus Den Rhyn, hinter dessen Fassade 1


2


sich ein Gebäude aus dem 16. Jahrhundert mit Innenhof verbirgt. Der gesamte Komplex bildet die Oude Beurs (Alte Börse), in der sich im 16. Jahrhundert in- und ausländische Kaufleute trafen, um Waren zu kaufen und zu verkaufen. Die Börse ist mit dem Zunfthaus der Antwerpener Handwerkszunft der Gold- und Silberschmiede verbunden. Kurzum: Das Viertel rund um das Museum DIVA war lange Zeit der Ort schlechthin für alle, die nach Objekten aus Gold, Silber und Edelsteinen suchten. Die Dauerausstellung DIVA, a Brilliant Story rückt eine Vielzahl ähnlich glitzernder Objekte und Juwelen aus der Museumssammlung in den Fokus. Auf dieser Tour können Sie die entsprechenden Höhepunkte der DIVA-Sammlung kennenlernen. Ich wünsche Ihnen einen schönen Rundgang durch unser Museum. Eva Olde Monnikhof Direktorin DIVA

Lassen Sie sich einen Augenblick Zeit, damit sich Ihre Augen an die dunklen Säle gewöhnen können, in denen DIVAs Juwelen funkeln. 3


4


Wunderkammer: sammeln und inspirieren Antwerpen war im 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts ein Weltzentrum für Luxusartikel. Sie kamen aus allen Himmelsrichtungen in die Stadt und werden nun in DIVAs Wunderkammer gezeigt. Die Antwerpener Sammelkultur im Goldenen Jahrhundert und der Zeit danach bildete die Inspirationsquelle für diese zeitgenössische Auslegung eines Kunst- und Raritätenkabinetts.

Gehen Sie beim Betreten der Wunderkammer gleich nach links, dort finden Sie auf der linken Seite den ersten Höhepunkt. 5


Anhänger mit Diamanten im Rosenschliff und Email Westeuropa, 1640-1660 Sammlung St. Willibrorduskirche Antwerpen, im Depot bei DIVA, B503/4 DIESES SCHMUCKSTÜCK BEFINDET SICH AN DER WAND 3 RECHTS NEBEN DEM KRUG MIT DEM TULPENMOTIV.

Der Anhänger ist auf der Vorderseite mit Diamanten im Amsterdamer Rosenschliff besetzt. Diese Schliffform ist älter als der Brillantschliff und verleiht dem Stein weniger Glanz. Ein Amsterdamer Rosenschliff besteht aus 24 dreieckigen Facetten, von denen 6 Facetten oben in einer Spitze aufeinandertreffen. Unten ist dieser Schliff flach. Kennzeichnend für den Rosenschliff ist auch, dass die Diamanten auf eine Folie gesetzt wurden. Meistens handelte es sich dabei um Blattsilber oder Blattzinn. Die silberfarbene Folie hebt die weiße Farbe und den Glanz des Diamanten noch stärker hervor. Auf der Rückseite des Schmuckstücks befand sich ein kleines Döschen, dessen Deckel leider verschwunden ist. Sie ist mit Blumen und Tulpen aus Email verziert. Um 1634 entstand ein spektakulärer Handel mit Tulpenzwiebeln, der 1637 plötzlich zusammenbrach. Tulpen waren äußerst kostbar und wurden während der sogenannten „Tulpenmanie” sogar gegen prächtige Amsterdamer Grachtenhäuser eingetauscht.

6

Das Tulpenmotiv findet man auch häufig in Kunstwerken aus der Mitte des 17. Jahrhunderts. Dieses Schmuckstück ist ein seltener Überrest aus dieser Periode. Von verschiedenen Porträts und


Entwurfzeichnungen lässt sich ableiten, dass vergleichbare Anhänger mit einem Band und einer Schleife versehen wurden, die auch zum Schmuckstück gehörten. Wer genau hinschaut, erkennt unten am Anhänger einen kleinen Ring, an dem wahrscheinlich einmal eine Perle hing.

Goldener Ring mit Diamanten und Email Europa, ca. 1670-1690 Sammlung König-Baudouin-Stiftung, Fonds Christian Bauwens, im Depot bei DIVA, B512/25 Dieses Schmuckstück befindet sich unter dem Hänger mit Diamanten im Rosenschliff.

Einen Ring, bei dem kleinere, dicht nebeneinander gefasste Diamanten einen großen zentralen Stein umgeben, bezeichnet man als Clusterring. Bei diesem Ring aus dem 17. Jahrhundert handelt es sich um ein äußerst seltenes Schmuckstück. Ovale Clusterringe mit einem aufklappbaren Deckel und einem Miniaturporträt auf der Innenseite kommen nicht oft vor. Der Ring könnte als Erinnerung an einen Verstorbenen, aber auch als Verlobungsring interpretiert werden. Im ersten Fall verwiese die kleine Figur dann auf den auferstandenen Christus, der Maria Magdalena als Gärtner erschien. Im zweiten Fall stünde die Fruchtbarkeit des Frühlings im Fokus. Das Seil über der Schulter des Gärtners kann als Beweis seiner Zuneigung und die Rose als Sinnbild der Liebe ausgelegt werden.

7


Silberner Eulenbecher Meister mit dem Pelikan, Antwerpen, 1548-1549 Sammlung König-BaudouinStiftung, im Depot bei DIVA, B512/1 Dieser Gegenstand befindet sich in einer schwarzen Vitrine in der Mitte an DER Wand 2 .

Eulenbecher sind Trinkgefäße in der Form einer Eule. Sie er­freuten sich im 16. und 17. Jahr­hundert in den Niederlanden und einigen deutschsprachigen Gebieten großer Beliebtheit. Die kleine Eule ist das älteste Beispiel mit Antwerpener Markenzeichen. Aufgrund des Körpers aus Kokos­ nuss handelt es sich hier um ein kostbares exotisches Exemplar.

8

In der Entstehungszeit des Bechers war die Stadt an der Schelde ein internationales Handelszentrum. Portugiesische Kaufleute brachten auf ihren Schiffen exotische Kurio­sitäten wie Kokosnüsse, Perlboote (Gattung Nautilus) und Straußen­eier aus Afrika, Indien und Ameri­ka nach Westeuropa. Oft wurden diese Waren über den Antwerpener Hafen eingeführt. Kokosnüsse wa­ren aufgrund ihrer angeblichen me­dizinischen Wirkung sehr begehrt. Gift, das ahnungslos aus einem Ko­kosbecher getrunken wurde, sollte durch die exotische Steinfrucht neutralisiert werden. In den Lippenrand, der sich unter dem abnehmbaren Kopf der Eule verbirgt, wurde folgender altnieder­ländischer Satz eingraviert: „Als alle ander fogels sin thoe neste sois min flige beste”. Übersetzt lautet der Vers: „Sitzen alle anderen Vögel in den Nestern, dann fliege ich am besten”.


Vergoldete Tazza Meister mit der Unziale M, Antwerpen, 1548-1549 Sammlung DIVA, S79/356 Dieses Objekt befindet sich an der Wand 5 , gegenüber dem Eulenbecher.

Die breite untiefe Trinkschale auf hohem Fuß, die auch als Tazza oder Kopfschale bezeichnet wird, kam unter italienischem Einfluss bereits vor 1550 groß in Mode. Man servierte darin Obst, kandierte Früchte und andere Süßigkeiten. Außerdem dienten die Trinkschalen oft diplomatischen Zwecken: Sie wurden als Werbe- oder Gastgeschenk angeboten sowie als Lotteriegewinn oder Trophäe bei Wettschießen und Wettbewerben der Rederijkers (Zunft der Dichter) vergeben. Wenn diese Trinkschale auf niedrigem Fuß mit Rotwein gefüllt ist, erzeugt das Wellenmuster ein faszinierendes Farbenspiel.

Gehen Sie durch den Durchgang neben dem Gemälde (Reproduktion) mit der Göttin Flora weiter in den nächsten Raum. Vor Ihnen erscheint dann eine Wand voller Schnupftabakdosen. 9


Goldene Schnupftabakdose mit Diamant C.M. Weishaupt, Hanau, ca. 1875-1883 Sammlung König-BaudouinStiftung, Fonds Christian Bauwens, im Depot bei DIVA, B512/9 Dosen für Schnupftabak waren vor allem im 18. Jahrhundert modern, erfreuten sich aber auch im 19. Jahrhundert noch großer Beliebtheit. Schnupftabakdosen gab es in vielen verschiedenen Ausführungen: reichend von einfachen Dosen aus Kupfer bis hin zu sehr kostbaren Exemplaren verziert mit Diamanten, Email und Miniaturen. Genau wie die Taschenuhren waren auch die Schnupftabakdosen ein Sinnbild des Wohlstands, brachten aber auch persönliche Vorlieben und den Geschmack des Eigentümers zum Ausdruck. In königlichen Kreisen waren Schnupftabakdosen wie diese, die anlässlich der Geburt der Erzherzogin Elisabeth Maria von Österreich, der Tochter des Kronprinzen Rudolf von Österreich-Ungarn und seiner Gemahlin Prinzessin Stefanie von Belgien, angefertigt wurde, ein beliebtes und prestigeträchtiges Gast- und Werbegeschenk. Im 19. Jahrhundert wurden unfertige goldene Schnupftabakdosen oft in Hanau bei der Firma C.M. Weishaupt gekauft und dann von Hofjuwelieren wie Auguste Dufour den Wünschen der Auftraggeber entsprechend umgearbeitet. Bei diesem Exemplar erteilte König Leopold II. um 1883 den Auftrag, sein mit Diamanten umgebenes Porträt einzusetzen. 10


Goldene Schnupftabakdose mit Rocaille Pierre Croissant, Paris, 1739-1740 Sammlung DIVA, Legat Pierre Lunden, S75/139 Die goldene Schnupftabakdose wurde nach einer Entwurfzeichnung des berühmten französischen Designers Juste-Au­rèle Meissonnier angefertigt. Sie ist ein schönes Beispiel für den Rokoko-Stil dieser Zeit und von hochwertiger Qualität. König Wilhelm I. überreichte die Dose 1815 Jean van Hal, dem Ur­großvater von Junker Pierre Lunden als Dank für seine Unterstützung bei der Rückführung der Gemälde von Peter Paul Rubens nach Antwerpen. Sie wa­ren unter der Herrschaft der Franzosen nach Paris gebracht worden. Wilhelm I. wollte mit dieser fein gearbeiteten Dose seine große Wertschätzung für Jean van Hal zum Ausdruck bringen. Wer war Junker Pierre Lunden? Junker Pierre Emile Lunden (1887-1975) stammte aus einer bedeutenden Antwerpener Adelsfamilie. Seine Vorfahren unterhielten über Helena Fourment – Peter Paul Rubens’ (1577-1640) zweite Frau – enge Beziehungen zu dem berühmten Maler. Pierre Lunden leitete eine Versicherungsgesellschaft in Brüssel und galt als überzeugter Kunst- und Musikfreund. Objekt seiner Sammelleidenschaft war ursprünglich chinesisches Porzellan. Danach entwickelte er sich jedoch zu einem Sammler von hauptsächlich Silberarbeiten aus dem 17. und 18. Jahrhundert aus den Südlichen Niederlanden. Beide Sammlungen waren Bestandteil der Innenausstattung seines Hauses. Pierre Lunden verfügte, dass seine umfangreiche Sammlung nach seinem Tod im Jahr 1975 in den Besitz des Provinciaal Museum Sterckshof – heute das Museum DIVA – übergehen sollte. 11


Silberner Mühlenbecher Meister mit dem sechszackigen Stern, Antwerpen, 1603-1604 Sammlung DIVA, S67/51 Dieses Objekt befindet sich an der Wand 8 .

Diese mit Gravierungen und kleinen Miniaturfiguren verzierte silberne Mühle wurde auf besonders einfallsreiche Weise als Trinkbecher verwendet. Ein Antwerpener Edelschmied, der aufgrund seiner Meistermarke als „Meister mit dem sechszackigen Stern” bezeichnet wird, hat diesen Becher zwischen 1603 und 1604 angefertigt. Mühlenbecher erzeugten damals bereits seit geraumer Zeit viel Vergnügen bei festlichen Anlässen und Trinkspielen. Man kann sie nämlich nur hinstellen, wenn sie völlig leer sind. Die Flügel der Mühle werden über ein kleines Blasrohr angetrieben: Solange sie sich drehen, darf getrunken werden. Ist der Becher nicht rechtzeitig leer, dann gibt die kleine Uhr der Mühle an, wie viele Becher der Spieler zusätzlich trinken muss.

Gehen Sie weiter in den Raum mit dem Sofa. 12


Der exotische Salon Seltene und exotische Objekte sowie Materialien aus Asien und Afrika faszinierten und verwunderten die europäische Elite Jahrhunderte lang. Die Faszination für die Produkte bestimmter Länder nahm oft extreme Formen an wie u. a. bei der Chinoiserie, Türkenmanie, Indomanie, Ägyptomanie und dem Japonismus. Die Einflüsse aus Asien und Afrika schlugen sich nicht nur in der bildenden Kunst, der Grafik und der Mode, sondern auch im Schmuckdesign nieder.

Pfauenbrosche mit Diamanten, Saphiren, Smaragden, Rubinen und Perlen Nach einem Entwurf von Gustave Baugrand, Frankreich, 1867 oder später Sammlung DIVA, DMK05/1 Dieses Schmuckstück befindet sich gleich um die Ecke auf der rechten Seite.

Die Pfauenbrosche ist ein Musterbeispiel hervorragender Handwerkskunst. Die Edelsteine in den Federn des Vogels wurden en tremblant gefasst, wodurch sie bei der kleinsten Bewegung beginnen zu schwingen und auf diese Weise im (Kerzen-)Licht ganz besonders glänzen. Die Rubine haben eine außergewöhnlich hohe Qualität und stammen aus Birma, dem heutigen Myanmar. Die Saphire kommen aus Ceylon (jetzt Sri Lanka) und die Smaragde aus Indien.

13


Baugrand präsentierte eine Pfauenbrosche 1867 auf der Exposition Universelle in Paris und stellte das Schmuckstück dort zusammen mit anderen Juwelen, Silberarbeiten und Objekten im ägyptischen Stil aus. Der Juwelier reagierte damit auf das damalige Interesse an den Ausgrabungen in Ägypten und der nahenden Eröffnung des Suezkanals.

Aigrette mit Diamanten im Rosen- und Tafelschliff Vermutlich Großbritannien, ca. 1780 Sammlung DIVA, DMK02/2 Dieses Schmuckstück finden Sie an derselben Wand 12 wie die Pfauenbrosche .

Die europäische Aigrette beruht auf einer indischen Turbanverzierung, einem sogenannten Sarpech. Der mit Edelsteinen besetzte Turbanschmuck wurde oft auch mit Federn und einer Perle verziert. Ab dem 17. Jahrhundert ersetzte man die Vogelfedern in Europa allmählich durch federförmige Juwelen, für die in Silber gefasste Diamanten verwendet wurden. Veränderungen der Mode hatten zur Folge, dass die Aigrettes im 18. Jahrhundert auch angesteckt werden konnten. Europäische Herren trugen das Schmuckstück am Hut, Damen befestigten es in der Frisur oder an der Kleidung. Bei diesem Exemplar wurde in Höhe der zweiten Feder eine Nadel angebracht, um das Schmuckstück auch als Brosche tragen zu können.

14


Silberne Kaffeekanne Jean-Louis Philippront, Aat, 1783 Sammlung DIVA, Legat Pierre Lunden, S75/31 Dieser Gegenstand befindet sich an derselben Wand 12 .

Dass diese Art von Kaffeekanne den kupfernen persischen Kaffeekannen nachempfunden wurde, erkennt man an dem langen, relativ schlanken Hals. Da Silber ein guter Wärmeleiter ist, kann die Kaffeekanne ziemlich heiß werden. Der Griff der Kanne wurde deshalb aus Holz gefertigt, das Wärme nur schlecht leitet, sodass man sich beim Ausschenken des Kaffees nicht verbrennt. Kaffee war bereits ab Mitte des 15. Jahrhunderts in der arabischen Welt eingebürgert. Rohe Kaffeebohnen gelangten 1615 über Venedig nach Europa. Die ersten auf Schiffen mitgeführten Kaffeebohnen wurden als exotische Funde in Raritätenkabinetten aufbewahrt. Um 1650 stieg die Einfuhr von Kaffee und die ersten europäischen Kaffeehäuser wurden gegründet.

15


Im Laufe der Jahrhunderte schenkten vie­ le Gläubige der Kirche und vor allem der Jungfrau Maria Juwelen. Oft wurden die gespendeten Schmuckstücke auf Kissen oder in Rahmen genäht und dann bei Pro­ zessionen zusammen mit der Marienstatue herumgetragen. Auch die Marienstatue selbst hat man oft damit geschmückt.

Flämisches Herz mit Trophäenbekrönung und Diamanten im Rosenschliff Dionisius Suerickx, Mechelen, 1832-1869 Sammlung DIVA, S75/182 Schmuckstücke wie das „Flämische Herz“ wurden oft der Kirche gespendet. Die genaue Bedeutung der flämischen Herzen ist nicht bekannt. Die beim Volk stark ausgeprägte Marienverehrung, die sich im 18. und 19. Jahrhundert vor allem von Antwerpen aus ver­breitete, scheint die Ursache für die flämischen Herzen gewesen zu sein. Die enge Beziehung der Stadt zu ihrer 16


Schutzpatronin, der Jung­frau Maria, zeigte sich bereits im 12. Jahrhundert. Ein flämisches Herz besteht aus einem herzförmigen Teil mit einem Diamanten in der Mitte und einer Bekrönung. Der obere Teil kann von einer Krone oder einer Trophäe gebildet werden, die aus einer Fackel, einem Pfeilköcher und einem Bogen besteht. Die Trophäe verweist auf die Attribute des Liebesgottes Cupido und den Sieg der Liebe. Einigen Schmuckhistorikern zufol­ge symbolisiert der Diamant in der Mitte das Herz der Maria selbst. Bei DIVA werden mehrere flämische Herzen aufbewahrt. Die Verwen­dung verschiedener Materialien sowie die unterschiedliche Qualität beweisen, dass das Schmuckstück bei verschiedenen sozialen Klassen beliebt war.

Teilweise vergoldete Strahlenmonstranz Jan Pieter Antoon Verschuylen, Antwerpen, 1861 Sammlung DIVA, S2013/9 Dieser Gegenstand befindet sich in der Mitte an der Wand 15 .

Eine Monstranz ist ein liturgisches Schaugerät der römisch-katholischen Kirche, in dem die konsekrierte Hostie gezeigt wird. Man klemmte sie zu diesem Zweck in eine sichelför­mige Halterung (Lunula). Monstranzen wurden zum ersten Mal im 13. Jahr­hundert verwendet. In der Barockzeit richtete man den Fokus noch stärker auf die Hostie und umgab sie mit Son­ nenstrahlen, die den Triumph Gottes symbolisierten.

17


Brosche mit ägyptischen Motiven aus Platin, besetzt mit Diamanten, Rubinen, Onyx und Smaragden Lacloche Frères, Paris, 1926 Sammlung DIVA, DMK03/7 Dieses Schmuckstück befindet sich an der Wand 13 rechts neben dem Aufzug.

In zentraler Lage mitten auf der Brosche liegt umgeben von Diamanten eine ägyptische Figur, die ein Papyrusblatt hält. Die Papyrus-Staude gilt als Symbol der fruchtbaren und grünen nördlichen Hälfte Ägyptens und verweist auf Wachstum, Jugend und Kraft. Die Ägypter verarbeiteten Papyrus zu einem Material, auf das man schreiben konnte. Durch die Entschlüsselung der Hieroglyphenschrift konnten viele Erkenntnisse und Einsichten über die ägyptische Zivilisation gewonnen werden. An den Seiten der Brosche sowie über der Figur wurden Hieroglyphen ausgespart. Napoleons Ägyptenfeldzug im Jahr 1798 entfachte in Europa ein großes Interesse an diesem Land. Die echte Ägyptomanie entstand jedoch erst nach der Entdeckung und Ausgrabung des Grabs von Tutanchamun im Jahr 1922. Sowohl die Film-, als auch die Luxusindustrie ließen sich von der ägyptischen Formensprache inspirieren, die in Schmuck, Kleidung, Möbel, Innenausstattungen und allerlei Accessoires übertragen wurde.

18


Jugendstil-Anhänger aus Gelbgold mit Plique-àjour-Email, Diamanten im Altschliff, Labradorit und Demantoiden Léopold Van Strydonck, Brüssel, ca. 1900 Sammlung DIVA, S87/39 Dieses Schmuckstück befindet sich an der Wand 14 links neben dem Aufzug.

Der Anhänger verweist vermutlich auf den Geweihfarn, eine Pflanze, die auf anderen lebenden Pflanzen wächst, ohne diesen Nahrung zu entziehen. Das feine Blattwerk wurde mit durchsichtigem grünen Fensteremail oder Plique-à-jour-Email verziert. Email ist gefärbtes Glaspulver, das bei hoher Temperatur geschmolzen bzw. verglast wird. Auf dem tropfenförmigen Labradorit scheinen unten Libellen zu sitzen. Diamanten spielten im Jugend­stil keine besonders große Rolle. Dieser Anhänger ist jedoch eine Ausnahme. Jugendstil ist eine der Bezeichnungen für die kunstge­schichtliche Epoche, die um 1900 ihren Höhepunkt erreichte. In an­deren Ländern wird sie auch Art nouveau genannt. Beide Begriffe können mit Erneuerung verbunden werden. Belgien spielte aufgrund der Architektur von Victor Horta eine Vorreiterrolle. Im Bereich der Schmuckkunst war der Pariser Ju­welier René Lalique eine Schlüssel­figur. In Belgien vertraten Léopold Van Strydonck und Philippe Wolfers den Jugendstil in der Schmuck- und Edelschmiedekunst. 19


20


Atelier: Herstellung und Handwerkskunst Edelschmiedekunst und Diamantenbearbeitung verschmelzen in einem zeitlosen Atelier. Ein Blick hinter die Kulissen verbindet Gegenwart und Vergangenheit. Sehen Sie sich die Werkzeuge an der Wand auf der linken Seite und in den Schubladen auf der rechten Seite einmal etwas genauer an. In den Ateliers werden seit Jahrhunderten fast immer die gleichen Werkzeuge verwendet. Auch viele Techniken werden, obwohl sie schon Jahrhunderte alt sind, heute noch – wenn auch manchmal auf eine etwas andere Weise – weiterhin angewandt. Echte Innovationen findet man vor allem bei der Verwendung von Rechnern, Lasern und 3D-Druckern. Diese neuen technischen Errungenschaften ermöglichen ein noch genaueres Arbeiten.

• Sehen Sie sich den Film über die Anfertigung eines Rings an. • Nehmen Sie auf einem Hocker an den Touchscreens Platz: Auf der linken Seite erfahren Sie mehr über Diamanten, auf der rechten Seite finden Sie weitere Informationen über die Edelschmiedekunst. Hören Sie sich dort auch die persönlichen Geschichten von Diamantenschleifern und Edelschmieden an. • Öffnen Sie die Schubladen und schauen Sie sich einige Gegenstände an, die die besprochenen Techniken illus trieren. 21


Paar Granulatschalen David Huycke, Sint-Niklaas, 1996-1998 Sammlung DIVA, S98/15 Diese Gegenstände befinden sich in der Mitte im Regal auf der rechten Seite.

Ab dem 16. Jahrhundert wurden silberne Gebrauchsgegenstände mit Perlenrändern verziert. Perlen, Granulate oder silberne Kügelchen werden auch heute noch von Edelschmieden verwendet. David Huycke nutzt diese Granulate auf eine neue Weise und fertigt seine Schalen an, indem er die Kügelchen miteinander verlötet.

Silberne Streubüchse Leonard Joseph Ferrier, Antwerpen, 1765 Sammlung DIVA, S2019/1 Dieser Gegenstand befindet sich unter den Granulatschalen.

Eine Streubüchse diente bei Tisch meistens zum Streuen von Zucker, Pfeffer oder anderen Gewürzen. Dieses Exemplar des Silberschmieds Leonard Joseph Ferrier (°1726) wurde im Gegensatz zu der anderen Streubüchse in diesem Raum völlig offen gearbeitet. Gitterwerk, gedrehte Blätter und Rocailles gehen direkt ineinander über.

22

Eigenen Worten zufolge soll Ferrier ein äußerst wichtiges Geheimnis über das Gießen von Silber gekannt haben, das es ihm ermöglichte, jeden anderen Edelschmied zu übertreffen. Das offen gearbeitete Muster der Streubüchse ist tatsächlich außerordentlich fein.


Replikat Lesotho Promise Sammlung DIVA, S2017/12 Mit Dank an DIAMCAD Diese Nachbildung befindet sich links neben dem Fernsehschirm und rechts neben der Schnupftabakdose.

Obwohl die Anzahl Antwerpener Schleifereien in den vergangenen Jahrhunderten gesunken ist, gilt die Stadt auch heute noch als renommierter Lieferant von Spitzenqualität. Einige hochtechnologische Schleifereien im Antwerpener Diamantenviertel haben sich vor allem auf die Bearbeitung von großen, sehr wertvollen Diamanten spe­zialisiert. So wurde beispielsweise 2006 in der Letseng-Mine in Lesotho ein 603 Karat schwerer Rohdiamant gefunden. Dieser Stein war damals der fünfzehntgrößte Diamant, der je entdeckt wurde. Er bekam den Namen Lesotho Promise. Safdico und Graff Diamonds kauften den Rohdiamanten für 12,36 Millionen Dollar und beschlossen, den Stein in Antwerpen untersuchen und schleifen zu lassen. Hier zerlegten Spezialisten den Stein in einem 18-monatigen Verfahren in 26 Diamanten und bearbeiteten diese dann mit verschiedenen Schliffformen. Der Gesamtwert der geschliffenen Diamanten mit dem Farbgrad D (hochfeines Weiß +) wurde auf 50 Millionen Dollar geschätzt. Sie sehen hier Reproduktionen des Rohdiamanten und der geschliffenen Diamanten, die zusammen die Lesotho Promise-Halskette bilden.

23


24


Geschäftsraum: Netzwerk und Vertrauen Schon seit Jahrhunderten wird der Handel mit Diamanten überinternationale Netzwerke betrieben. Dabei werden Millionendeals nur mit einem Händedruck besiegelt. Vertrauen ist deshalb bei dieser Art von Geschäften von ausschlaggebender Bedeutung. In Antwerpen werden bereits seit über 550 Jahren Diamanten verhandelt. Die lange Geschichte kannte Höhen und Tiefen. Zu den Konstanten des Diamantenhandels gehören u. a.: seine internationale Dimension sowie die verschiedenen Nationalitäten und Religionsgemeinschaften, die sich daran beteiligen. Diese Multikulturalität prägt auch das zeitgenössische Diamantenviertel in Antwerpen, in dem 84 % aller Rohdiamanten und 50 % aller geschliffenen Diamanten der Welt verhandelt werden. • Entdecken Sie auf den Touchscreens, die die Weltkugel umgeben, wo die Rohdiamanten herkommen und wie die Steine gefördert werden. • Auf dem Globus sehen Sie, wie die Diamanten seit dem 16. Jahrhundert nach Antwerpen gelangen. Die verschiedenen Weltkarten sind an sieben Kurzfilme gekoppelt. Darin werden sechs historische Figuren näher beleuchtet, die im Laufe der Jahrhunderte eine wichtige Rolle im Antwerpener Diamantenhandel spielten. Der letzte Kurzfilm wirft einen Blick hinter die Kulissen des zeitgenössischen Diamantenhandels. 25


Ring mit Diamant, geschliffen als Spitz­stein (Oktaeder) Gefunden in Nieuwlande (Seeland), ca. 1500-1530 Sammlung DIVA, S91/6 Dieses Schmuckstück befindet sich in der Vitrine 1 gleich rechts, nachdem Sie den Saal betreten haben.

Dieser goldene Ring ist einer der ältesten Ringe in der DIVA-Sammlung. Der darin gefasste Diamant wurde in der ältesten Schliffform als sogenannter Spitzstein geschliffen. Die Facetten werden dabei so geschliffen, dass die natürliche Form des Diamanten – ein Oktaeder oder Achteck mit Spitzen an der Ober- und Unterseite – erhalten bleibt. Der Diamant wirkt vielleicht etwas dunkel. Diamanten können nämlich erst durch die Spiegelung des Lichts glänzen, das von den verschiedenen Facetten bzw. geschliffenen „kleinen Flächen” reflektiert wird. Da der Spitzstein nur acht Facetten hat, glänzt er weit weniger als ein zeitgenössischer im runden Brillantschliff mit 57 oder 58 Facetten geschliffener Diamant. Auch die Fassung, die mehr als die Hälfte des Steins umschließt, beeinträchtigt die Widerspiegelung des Lichts und den Glanz.

Korsagenschmuck mit Diamanten im Tafelschliff Vermutlich Iberische Halbinsel, 2. Hälfte 17. Jh. Sammlung DIVA, DMK96/1 Dieses Schmuckstück befindet sich in der Vitrine 2 .

26

Dieses Schmuckstück besteht aus einem breiten, leicht gebogenen Motiv mit einer Bekrönung und 5 kleinen Anhängern. Die über


100 Diamanten im Tafelschliff wurden ajour in ein durchbrochenes Blumenmotiv gefasst. Der Stil verweist auf die Iberische Halbinsel, wo Ende des 17. Jahrhunderts die eigentliche Edelschmiedearbeit genauso hoch geschätzt wurde wie die Edelsteine selbst. Schmuckstücke dieser Art hatten auf der Rückseite oft zwei Haken, mit denen man sie an der Korsage des Kleides befestigen konnte. Das hier ausgestellte Stück wurde später mit einer Anstecknadel versehen.

ECC Tennisschläger Peter Varozza, Arent & Van Leeuw, Ant­werpen, ca. 1986 Sammlung AWDC, im Depot bei DIVA, B534/1 Dieses Schmuckstück befindet sich in der Vitrine 7 .

Dieser goldene, mit 1617 Diamanten besetzte Tennisschläger ist nicht nur ein Musterbeispiel Antwerpener Handwerkskunst, sondern auch ein Beweis dafür, dass hier jederzeit Diamanten höchster Qualität verfügbar sind. Alle Diamanten erhielten die Beurteilung E bis F. Das bedeutet, dass sie eine seltene bis außergewöhnlich weiße Farbe haben. Die Buchstaben ECC verweisen auf das Tennisturnier European Community Championship, das bis 1998 in Antwerpen stattfand. 1985 durfte Ivan Lendl die erste Version des Tennisschlägers mit nach Hause nehmen, nachdem er das Turnier zum dritten Mal innerhalb von vier Jahren gewonnen hatte. Es gelang keinem anderen Tennisspieler nach ihm, diese Leistung zu wiederholen. Deshalb können Sie dieses Exemplar heute hier bewundern.

27


28


Esszimmer: Luxuskonsum und vornehme Lebensart Ein mit Silberarbeiten dekorierter Tisch galt lange Zeit als Statussymbol. Infolge einer immer feineren Esskultur wurde der Esstisch im Laufe des 18. Jahrhunderts mit allerlei Gegenständen geschmückt: Sets für Essig und Öl, Salz- und Senftöpfen, Pfeffer- und Zuckerstreuer, Saucieren und Terrinen. Entdecken Sie in DIVAs Esszimmer Tafelsilber vom 18. bis 20. Jahrhundert.

• An den Touchscreens im Tisch können Sie 5 historische Figuren und deren Essgewohnheiten kennenlernen. • In den Schubladen in den Tischen finden Sie weitere Informationen über die Art der Objekte auf dem Tisch. • Oder kriechen Sie für ein tolles Foto unter den Tisch mit den Salzfässchen. 29


Terrine der Familie De Meester Joannes Cornelius Hendrickx, Mech­elen, 1782 Sammlung KönigBaudouin-Stiftung, Fonds Léon CourtinMarcelle Bouché, im Depot bei DIVA, B512/6 Dieser Gegenstand befindet sich in der Mitte des Saals.

Im 18. Jahrhundert wurde – nach dem Vorbild des französischen Hofes – beim Diner eine reiche Vielzahl an Gerichten gleichzeitig auf den Tisch gestellt. Ein umfangreiches Sortiment an Geschmacksrichtungen, Texturen und Formen erzeugte sensationelle Eindrücke, und das nicht nur für den Gaumen, sondern auch fürs Auge. Diese Art der Präsentation von Gerichten erhielt im 19. Jahrhundert die Bezeichnung service à la française. In dieser Zeit kam allmählich auch der service à la russe in Mode, bei dem die verschiedenen Gänge nacheinander serviert wurden. Terrinen waren eine feste Größe des service à la française: Sie enthielten Suppe oder Ragout. 1782 fertigte Joannes Cornelius Hendrickx (1740-1811) im Auftrag von Pierre de Meester (1724-1784) ein ganz besonderes Exemplar im Louis-seize Stil an. Terrinen aus dem 18. Jahrhundert aus den Südlichen Niederlanden sind ziemlich selten und wurden nur in Produktionszentren mit einer finanzkräftigen Kundschaft hergestellt.

30

Das reich verzierte Prunkstück sorgte beim Diner sicher für ausreichend Gesprächsstoff und rückte die Stellung seines Eigentümers in den Fokus. Die Terrine wurde u. a. mit dem Wappen der Familie De Meester und verschiedenen Musikinstrumenten verziert.


Demi Parure mit Saphiren, Naturperlen und Diamanten im Rosenschliff Arthur Dufour, Brüssel, 1869-1877 Sammlung König-Baudouin-Stiftung, Fonds Christian Bauwens, im Depot bei DIVA, B512/8 Beim Betreten des Saals befindet sich dieses Schmuckstück auf der gegenüberliegenden Seite.

Der Begriff Parure verweist auf eine Garnitur zusammengehörender Schmuck­ stücke, die auch zusammen getragen werden sollen. Ensembles dieser Art können aus einem Kamm, einem Diadem, Ohrhängern, einer Halskette, einer Brosche, einer Schnalle und Armbändern bestehen. Eine Demi Parure besteht meistens aus einer Halskette oder einer Brosche mit dazu passenden Ohrhängern oder einem Armband. In diesem Fall handelt es sich um eine Brosche, die in einen Anhänger verwandelt werden kann, und zwei Ohrhänger. Das Juwelenset wird im Originaletui mit dem Goldstempel des belgischen Hofjuweliers Ar­ thur Dufour aufbewahrt. Der Schmuck passt hervorragend zur französischen Mode des Zweiten Kaiser­reichs (1852-1870), die im Rest Europas schnell Nachahmer fand. Reiche Damen hüllten sich in seidene Krinolinen­kleider und trugen bei festlichen Gelegenheiten und offiziellen Anlässen auf­fälligen Diamantenschmuck, der im Kerzenlicht wunderbar glänzte. Nach der Entdeckung der ersten Diamantenminen in Südafrika waren Diamanten ab 1867 leichter erhältlich. Das verlieh den großen Juwelieren starken Auftrieb. 31


Silberner Bierkrug Jean Dufour & Frères, Brüssel, ca. 1862 Sammlung DIVA, S2020/30 Beim Betreten des Saals befindet sich dieser Gegenstand gleich links.

Bierkrüge werden oft aus Keramik, Porzellan oder Zinn hergestellt. Silberne Bierkrüge dieser Größe – vor allem solche, die so reich verziert wurden wie dieser – sind in Belgien äußerst selten. Die Silberschmiede haben sich dabei von der Funktion des Objekts inspirieren lassen. Auf dem Deckel erkennt man Werkzeuge aus einer Brauerei wie u. a. einen Rührstab und Zutaten für Bier wie Hopfen. Als Henkel dient ein als Brauer gekleideter Mann. Unter der Tülle wurde ein maskaron (Fratzenkopf) mit Trauben dargestellt, die auf Bacchus, den römischen Gott der Freude und der Rausches verweisen. Die Hauptszene auf dem Krug spielt sich vor einer Herberge ab. Dort tanzen, singen und trinken allerlei Menschen und haben offensichtlich viel Spaß. Die Szene hat große Ähnlichkeit mit den Gemälden des Antwerpener Malers David II. Teniers (1610-1690) sowie mit späteren Stichen von Dorfszenen, die darauf zurückzuführen sind. 32


Der Hersteller dieses Bierkrugs – die Brüsseler Firma Jean Dufour & Frères – spielte ab 1829 eine bedeutende Rolle bei der Entwicklung der belgischen Edelschmiede- und Schmuckkunst und war auch Hoflieferant der belgischen Königsfamilie.

Der nächste Saal – der Tresor – befindet sich in der ersten Etage. Folgen Sie den Hinweisschildern zur Treppe und setzen Sie Ihren Besuch der Ausstellung fort. Sie können auch den Aufzug in der Wunderkammer benutzen. 33


34


Tresor: Authentizität und Transparenz Sind sie echt oder falsch? Der Wert der Edelsteine und Edelmetalle übt eine starke Anziehungskraft auf Fälscher und Betrüger aus. Wie erkennt man einen natürlichen Diamanten? Was erzählen uns die Zeichen auf silbernen Gegenständen?

Beantworten Sie die Behauptungen auf den Karten in der Mitte des Saals. Die Antwort verweist auf Informationen, die in den Schubladen und Schränkchen des Tresors versteckt sind. 35


MeeresjungfrauAnhänger Vermutlich Reinhold Vasters, ca. 1870-1880 Sammlung DIVA, DMK10/1 Dieses Schmuckstück befindet sich beim Betreten des Raums in der Mitte auf der rechten Seite.

Dieser Anhänger wirkt auf den ersten Blick wie ein Renaissance-Juwel aus dem 16. Jahrhundert. Bunte, skulpturale Juwelen mit großen Edelsteinen im Tafel­ schliff und Email waren damals groß in Mode. Ein geübtes Auge erkennt jedoch an der Edelschmiedearbeit sowie der Gestaltung und Ausarbeitung der Figuren, dass es sich hier nicht um einen Anhänger aus dem 16. Jahrhundert handelt, sondern um eine Arbeit aus dem späten 19. Jahrhundert. Renaissance-Schmuck war ab der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der romantischen Bewegung und bei Kostümbällen sehr beliebt. Das Interesse an den Juwelen aus dem 16. Jahrhundert und das begrenzte Angebot führten schnell zu Fälschungen und Imitationen, durch die sogar fachkundige Antiquitätenhändler und Sammler in die Irre geführt wurden.

36


Reproduktion In Tresor 2025 befindet sich eine Reproduktion des „Gebots” aus dem Jahr 1447, das den Handel mit falschen (Edel-)Steinen verbietet. Das Original wird im Antwerpener Stadtarchiv (Archief Privilegiekamer, Gebodboeken van de Antwerpse magistraat) aufbewahrt. Ins Deutsche übertragen ist dort zu lesen: „Niemand darf in Antwerpen falsche oder nachgemachte Steine kaufen, verkaufen, verleihen oder verhandeln, nachdem diese Steine in Gold, Silber oder vergoldetes Gelbkupfer gefasst wurden, ganz gleich, ob es sich dabei um nachgemachte Diamanten, Rubine, blassrote Rubine, Smaragde, Saphire oder andere Fälschungen handelt.” Dieses Dokument belegt, dass die Antwerpener Diamantenindustrie inzwischen schon über 570 Jahre alt ist.

37


38


Boudoir: Divas und Diamanten Diamanten regen die Fantasie an. Genau das tun auch die aufsehenerregenden Divas, die damit prunken. Lassen Sie sich von DIVAs Boudoir blenden. DIVA stellt Ihnen dort einige Tendenzen der Schmuckmode des 19. und 20. Jahrhunderts vor. Im Fokus stehen der Diamantenschmuck und die attraktiven Frauen, die diese funkelnden Kostbarkeiten zum Leben erweckten.

An bestimmten Stellen wurden Bildschirme eingebaut, auf denen Sie weitere Informationen über die ausgestellten Schmuckstücke und die Personen finden, die sie getragen haben. 39


Schlangenschmuck mit Diamanten im Altschliff und Rosenschliff und Rubin Anonym, Frankreich, ca. 1860 Sammlung DIVA, DMK99/4 Dieses Schmuckstück befindet sich in der Mitte der Vitrine 1 auf der rechten Seite, wenn Sie aus dem Tresor kommen.

Das Schmuckstück wurde aus Gold gefertigt und der schuppenförmig gravierte Untergrund mit transparentem Email überzogen. Dadurch entsteht der Ein­druck, es handele sich hier um eine Schlangenhaut. Die aus konischen, inein­ander greifenden Gliedern zusammengesetzte Schlange ist beweglich und kann deshalb als Kette oder als Armband getra­gen werden. Das Schmuckstück stammt aus dem Jahr 1860. Schlangenschmuck war in die­ser Zeit sehr beliebt. Das war jedoch nicht immer so: Im christlichen Glauben wurden Schlangen Jahrhunderte lang mit dem Teufel assoziiert. Durch die Ent­deckung von Artefakten aus der Antike änderte sich das im 18. Jahrhundert all­mählich. Die Schlange wurde als Schmuckmotiv besonders beliebt, nachdem Königin Victoria bei ihrem ersten Auftritt als neue Königin Englands im Jahr 1837 ein Schlangenarmband getragen hatte. Durch dieses Armband gab sie zu erkennen, dass sie die Weisheit einer Schlange besaß oder danach strebte.

40


Halsschmuck im Girlandenstil mit Diamanten im europäischen Altschliff, Rosenschliff, alten Brillantschliff und Achtkantschliff Vermutlich Lacloche Frères, Paris, 1900-1910 Sammlung DIVA, DMK05/2 Dieses Schmuckstück befindet sich in der Vitrine 2 .

Sinnli­ che, luxuriöse Stoffe, Unmengen an Spitze und ausgearbeitete Details prägten die Mode der Belle Epoque. Die S-förmige Silhouette, die durch eine neue Art von Korsett gebildet wurde, sorg­te dafür, dass Busen und Hals die Aufmerksamkeit auf sich zogen. Hochgeschlossene Tüllkleider und Spitzenkragen wurden am Abend gegen tief ausgeschnittene Dekolle­tés ausgetauscht, die sich hervorra­gend für spitzenähnliche Halsketten eigneten. Die Raffinesse und die feine Struk­tur des Schmucks der Belle Epoque kannten nicht ihresgleichen. Girlan­den, Blumen und Schleifen konnten durch die Verwendung von Platin sehr fein ausgearbeitet werden. Das Edelmetall war stärker und leichter als Silber und Gold und eignete sich daher hervorragend für die Herstel­lung spitzenähnlicher Schmuck­stücke. Diese Diamantkette ist ein Musterbeispiel des schwungvollen Girlandenstils.

41


Vielfarbige Brosche mit Blumenmoti­ven aus Koralle, Malachit, Lapislazuli, besetzt mit Diamanten im Alt­schliff Entwurf Boucheron, Paris, 1923-1925 Sammlung DIVA, DMK03/1 Dieses Schmuckstück befindet sich in der Vitrine 3 .

In den 1920er Jahren wurden die Schmuckdesigner durch Kunst­ richtungen wie den Fauvismus, Kubismus, Suprematismus und Futurismus beeinflusst, die inten­ sive Farben und eine geometrische Formensprache verwendeten. Sie schufen bunte Juwelen mit Edel­steinen wie Topas, Aquamarin, Tur­malin und Türkis und versuchten durch die Kombination von transparenten facet­tierten Edelsteinen mit matten undurchsichtigen Stei­nen einen Kontrast zu erzeugen. Ko­rallen, Jade und Lapislazuli stachen von Diamanten, Smaragden, Saphi­ren und Rubinen ab. Diese Brosche mit Blumenmotiven illustriert her­vorragend den polychromen Stil der 1920er Jahre. Obstkörbe, Blumen und exotische Vögel kamen häufig vor und wurden aus bunten Edel­steinen geschnitzt.

42


Art déco-Brosche mit Diamanten im Brillantschliff Liboire Sauvage, Gent, ca. 1925 Sammlung DIVA, S2020/7 Dieses Schmuckstück befindet sich in der Vitrine 3 .

Bei dieser Brosche handelt es sich um einen Entwurf von Liboire Sauvage. Er gründete 1903 in Gent das Schmuckhaus Sauvage. Nach Liboires Tod führten seine Frau und sein Sohn Constant das Geschäft unter dem Namen Sauvage Frères weiter. Die Brosche schließt nicht nur schön an andere Kreationen dieses Hauses, sondern auch an die Entwicklung des Art déco-Stils in Belgien an. Die französische Art déco übte zwar einen starken Einfluss auf die belgischen Schmuckdesigner aus, ein deutlicher Unterschied in Form und Tendenz ist jedoch gut erkennbar. Die belgischen Stücke sind meist schwerer gearbeitet. Im Gegensatz zu französischen Vorbildern aus den 1920er Jahren sind die Arbeiten von Sauvage weniger farbenfroh. Andere Edelsteine als Diamanten werden nur sporadisch und auf eine schlichte Weise verwendet. Die typische abstrakte geometrische Formensprache der Art déco ist jedoch weiterhin deutlich erkennbar.

43


Tiara mit Flügeln, mit Diamanten im Brillantschliff und Rosenschliff Anonym, Frankreich, ca. 1899 Sammlung DIVA, DMK00/7 Dieses Schmuckstück finden Sie in der Vitrine 4 .

Eine mit Diamanten besetzte Tiara trägt man nicht jeden Tag. Dieses Prachtexemplar kann auf geniale Weise in zwei Broschen verwandelt werden. Die Flügel wurden nämlich auf Schienen gesetzt und können daher nicht nur verschoben, sondern auch vollständig demontiert werden. Das Schmuckstück mit Flügeln folgte einem modischen Trend der Haute Joaillerie aus der Zeit um 1900. Renommierte Juweliere wie Chaumet brachten ähnliche Entwürfe heraus. Als Inspirationsquelle für die geflügelten Tiaren diente ursprünglich wohl die Flügelsonne aus dem Alten Ägypten. Auch die internationalen Aufführungen von Wagners Oper Die Walküre übten einen gewissen Einfluss aus. Seine streitbaren Göttinnen aus der nordischen Mythologie, die sogenannten Walküren, trugen geflügelte Helme. Das weibliche Publikum soll diesen Stil zu Ehren des Komponisten übernommen haben. Für die reiche Elite war eine mit Diamanten besetzte Tiara genau das richtige Schmuckstück, um dem überschwänglichen, luxuriösen Lebensstil Ausdruck zu verleihen, den man zu Beginn des 20. Jahrhunderts pflegte.

44


Impressum Diese Broschüre ist eine Ausgabe von DIVA, Museum für Diamanten, Schmuck und Silber. Koordination: Leonie Maerevoet Redaktion: Els Crollet, Leonie Maerevoet, Catherine Regout Schlussredaktion: An Labis, Leonie Maerevoet Übersetzung: Sabine Reifer Grafikdesign: Gunter Seghers Abbildungen © DIVA, photographs: Frederik Beyens, Dominique Provost, Reinier RVDA, Sigrid Spinnox © Graff Diamonds © 2021 DIVA für diese Ausgabe, alle Rechte vorbehalten. Verantwortliche Herausgeberin: Eva Olde Monnikhof, Direktorin DIVA, Gildekamersstraat 9, 2000 Antwerpen Gesetzliche Hinterlegungsnummer: D/2021/14.608/17 Disclaimer: DIVA hat versucht, alle Urheberrechte in Übereinstimmung mit der entsprechenden Gesetzgebung zu regeln. Wer glaubt, er könne Urheberrechte geltend machen, kann sich an den Herausgeber DIVA wenden. Vielen Dank für Ihren Besuch! Lassen Sie sich von der Einleitung in dieser Broschüre dazu anregen, auch die Straßen in der Umgebung des Museums DIVA zu entdecken.

45


Folgen Sie uns

DIVA.Antwerp

DIVAantwerp

www.divaantwerp.be Teilen Sie Ihre Erfahrungen: #DIVAantwerp Melden Sie sich zu unserem monatlichen Newsletter an


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.