Rudolf Steiner
Das Vaterunser Berlin, 28. Januar 1907 Vortrag vor Mitgliedern der T. G.
Das, was ich heute sagen will, bezieht sich auf die Frage: «Inwiefern zeigen uns an ganz bestimmten Beispielen die Religionsbekenntnisse ihre geisteswissenschaftliche oder sagen wir geheimwissenschaftliche Grundlage?» Nur einen ganz kleinen, aber dafür unendlich wichtigen Abschnitt aus diesem Kapitel über die geheimwissenschaftliche Grundlage der Religionen möchte ich Ihnen heute erzählen. Sie werden sehen, dass es sich um eine allen, auch den naivsten Menschen unserer Kultur bekannte Tatsache handelt, eine geistige Tatsache, innerhalb welcher die tiefsten geheimwissenschaftlichen Wahrheiten und Gründe verborgen sind, die man nur suchen muss, um zu sehen, wie weisheits- und geheimnisvoll die Verkettungen innerhalb des Geisteslebens der Menschheit sind.
das christliche Gebet nennt. Es ist öfter auch schon hier besprochen worden, und mancher der Anthroposophen hat hier wohl gefragt: Wie verhält sich dieses christliche Gebet zur geisteswissenschaftlichen Weltanschauung? Durch diese Weltanschauung haben die Mitglieder der anthroposophischen Bewegung in den letzten Jahren etwas gehört von einer anderen Form, sagen wir, der Erhebung des Menschen, der menschlichen Seele, zu den göttlich-geistigen Weltmächten, von der Meditation, von jener Art, in sich einen geistigen Inhalt zu erleben, irgendetwas von dem, was uns gegeben ist von den großen führenden Geistern der Menschheit oder von dem geistigen Inhalt der großen Kulturen, in die sich der Mensch versenkt und was ihm die Mittel gibt, für eine kurze Zeit in seiner Seele mit den göttlich-geistigen Strömungen in der Welt zusammenzufließen.
Das, wovon wir ausgehen wollen, sei die Frage nach dem christlichen Gebet. Sie alle kennen das, was man heute
Wer meditiert, und sei es in der einfachsten Art, durch irgendeine der von den geistigen Führern der Menschheit stammenden Meditationsformeln, wer meditiert und sich also im Geist irgendeine der Formeln, irgendeinen der bedeutenden Gedankeninhalt gegenwärtig sein lässt – Sie wissen, es kann nicht jeder Gedankeninhalt sein, sondern es muss ein solcher sein, der von den Meistern der Weisheit und des Zusammenklangs der Empfindungen gegeben wird –, wer meditiert und diese Formeln in seinem Herzen leben lässt, der durchlebt ein Zusammenfließen mit der höheren Geistigkeit, es durchströmt ihn eine höhere Kraft. Er lebt in ihr. Er schafft zunächst Kraft, um seine gewöhnlichen Geisteskräfte daran zu stärken, zu heben, zu beleben, und wenn er genügend Geduld und
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