RUDOLF STEINER
WAS IST AM MENSCHENWESEN STERBLICH? Berlin, 26. Februar 1915
Über die Frage nach dem Sterblichen und Unsterblichen des Menschen möchte ich in den zwei Betrachtungen sprechen, von denen der heutige Abend, der erste, des Menschen Sterblichkeit hauptsächlich gewidmet sein soll, und der zweite Vortrag der nächsten Woche von des Menschen unsterblichem Wesen handeln soll. Wir leben ja in einer Zeit, in welcher der Materialismus, wenn er auch in unsern Tagen mehr oder weniger schon im Rückgange begriffen ist, doch weite Kreise ergriffen hat. Und wenn man sich auch über diese Tatsache dadurch täuschen will, dass man das Wort Materialismus vielfach verpönt, - die Denkweise und Gesinnung, die Nuance von Weltanschauung ist doch in fortwährendem Zunehmen begriffen, welche mit dem Worte Materialismus richtig bezeichnet werden muss. Nun hat der Materialismus auf die Frage «Was ist am Menschenwesen sterblich?» im Grunde genommen eine recht, recht einfache Antwort. Er hat die Antwort: Am Menschenwesen ist eben alles sterblich. Man braucht ja nur gewissermaßen auf die Bibel der neueren materialistischen Zeit, auf David Friedrich Strauß1 «Alter und neuer Glaube» hinzuweisen, um dies zu erhärten. Zwar wird David Friedrich Strauß’ «Der alte und der neue Glaube» heute nicht mehr in solchem Maße gelesen, als das noch vor einigen Jahrzehnten der Fall war. Aber das ist weniger aus dem Grunde, weil man sich aus den innersten Impulsen, die David Friedrich Strauß’ Materialismus beherrschen, zurückgezogen hat, sondern es ist mehr deshalb, weil in unserer schnellebigen Zeit ein Buch ja kaum einige Jahrzehnte zu überleben in der Lage ist. Wir können uns die Frage vorlegen und müssen sie uns angesichts alles desjenigen, was innerhalb der heutigen materialisti-