RUDOLF STEINER LUZIFER Berlin, 22. Februar 1906
Die persische Sage spricht von zwei einander entgegenstrebenden Gottheiten, von Ormuzd, dem guten Gotte, und von Ahriman, dem bösen Gotte. Die beiden Gottheiten kämpfen um den Menschen, überhaupt um all dasjenige, was hier auf der Erde sich als Leben und Streben entfaltet. In Aussicht gestellt ist, dass die gute Gottheit einstmals den Sieg über die böse Gottheit davontragen wird. Wie man auch über diese Sage denken mag, ein Abbild dieser Sagenidee sieht jeder in der Natur, in der uns umgebenden Welt selbst. Betrachten Sie, um ein Beispiel zu haben, auf der einen Seite das Feuer. Dem Feuer verdanken wir unsere Kultur, unsere Behaglichkeit und unser Fortkommen hier innerhalb unseres Lebens, und betrachten Sie auf der andern Seite die zerstörende Gewalt der Mächte, die auch in irgendeiner Beziehung zum Feuer stehen, wie zum Beispiel die Erdbeben und die Vulkanausbrüche. In der Natur selbst also walten wohltätige, erhaltende, Leben fördernde und Leben spendende Mächte, und auf der andern Seite Leben zerstörende und feindliche Mächte. Der Schauplatz, auf dem sich die Kämpfe dieser beiden Gewalten abspielen, ist nicht nur der äußere Mensch, sondern auch der innere. Die Seele des Menschen wird hin- und hergerissen von feindlichen Gewalten: auf der einen Seite von Schmerz, Übel und Leid, und auf der andern Seite von den wohltätigen Mächten des Daseins, von Freudevollem, Erhabenem, Herzerhebendem und demjenigen, das uns in die geistigen Himmelssphären hineinweist. Tiefere Naturen haben immer die Einheit, im Grunde genommen doch die Harmonie zwischen diesen zwei einander entgegenstrebenden Mächten eingesehen. Ich brauche nur an etwas ganz Bekanntes zu erinnern, so werden Sie sich vor die Seele rufen, wie ein auserlesener Geist unserer eigenen