RUDOLF STEINER KOPERNIKUS UND SEINE ZEIT Berlin, 15. Februar 1912
Es gibt Menschen, die in der Tat des Kopernikus die größte der geistigen Kulturumwälzungen sehen, welche die Menschheit, soweit die geschichtliche Erinnerung reicht, überhaupt erlebt habe. Und man muss gestehen, dass der Eindruck und der Einfluss dieser geistigen Umwälzung für alles äußere Denken der Menschen so bedeutsam, so großartig war, dass sich in der Tat kaum irgend etwas an Eindringlichkeit, an Wirksamkeit damit vergleichen lässt. Man kann sich auch in sehr einfacher Weise klarmachen, was es für die Welt des sechzehnten Jahrhunderts bedeuten musste, in Bezug auf die Erde, den Planeten also, auf dem man sich seit Jahrtausenden als einem im Weltenall fest ruhenden glaubte, nicht nur umlernen zu müssen über das Verhältnis dieses Planeten, des eigenen Wohnplatzes, zur Sonne, sondern im Grunde genommen zum ganzen Weltall. Es wurde eigentlich damals den Menschen für ihre Anschauung buchstäblich der Boden unter den Füßen wankend gemacht. Was sie bis dahin fest geglaubt hatten, so fest geglaubt hatten, dass sie dachten, die Sonne und der ganze Sternenhimmel drehe sich um diesen festen irdischen Wohnplatz, und alles, was im Weltenraume ausgebreitet ist, sei nur da, um der Ziele und Eigenartigkeiten dieses irdischen Wohnplatzes willen, darüber musste man jetzt denken lernen, es sei nun selber etwas, was mit rasender Geschwindigkeit durch den Weltenraum eilt. Die sich bewegende Sonne mussten sie denken lernen als etwas im Verhältnis zur Erde Stehendes und die Erde selbst als etwas Bewegliches. Wenn auch die Zeh verhältnismäßig kurz ist, seit die damit gekennzeichnete Welle des geistigen Lebens über die Menschheit hinstrich, so macht man sich heute doch gar nicht mehr klar, welches Umdenken und Umlernen notwendig war, um sich der neuen Denkweise auf diesem Gebiete zu fügen. Aber notwendig