RUDOLF STEINER GOETHE ALS VATER DER GEISTESFORSCHUNG Berlin, 21. Februar 1918
Es würde mir gut verständlich sein, wenn jemand die ganze Idee meiner heutigen Vortragsbetrachtungen als eine Verirrung ansehen würde, und ich würde auch verständlich finden, wenn jemand sagen würde, wie kann Goethes Name missbraucht werden durch die Herstellung einer Beziehung zur Geisteswissenschaft, wie sie hier gemeint ist, da doch hinlänglich bekannt ist, dass Goethes Weltanschauungsweise gerade darin ihre Eigentümlichkeit hat, dass sie sich rein und klar auf das äußerlich Naturgemäße richtet, und dass sie schon recht zweifelhaft sich äußern musste gegenüber einem Hinauftragen der Weltgesetzmäßigkeit in ideale Höhen, so wie dies Goethe etwa bei Schiller entgegentrat. Man kann dann sagen: Wie würde sich Goethe erst ablehnend verhalten haben, wenn man seine Begriffe, seine Vorstellungen in Zusammenhang hätte bringen wollen mit dem, was aus ganz bestimmten inneren Erlebnissen heraus eine konkrete wirkliche Geisteswelt anzunehmen geneigt ist, die sich neben die natürliche Welt hinstellt. Es ist mir ja auch hinlänglich bekannt, wie zur Herstellung einer solchen Beziehung ein so reicher Geist wie derjenige Goethes missbraucht werden kann. Denn wenn man noch soviel Aussprüche Goethes anführt, um diese oder jene eigene Anschauung zu bekräftigen, so ist es selbstverständlich immer möglich, andere Aussprüche Goethes zur Bekräftigung der entgegengesetzten Meinung anzuführen. Allein gegenüber alledem darf ich von vorneherein erwähnen, dass es mir bei meiner wahrhaftig langjährigen Betrachtung Goethes und der Goetheschen Weltanschauung meine erste größere Publikation über Goethe ist vor nahezu fünfunddreißig Jahren erschienen - niemals darauf angekommen ist, diesen oder jenen Inhalt eines Goetheschen Satzes, einer Goetheschen Anschauung, zur Bekräftigung der hier ge-