Rudolf Steiner
Gehen, Sprechen, Denken und das Michael-Fest im Jahreskreis Berlin, 23. Mai 1923 Vortrag vor Mitgliedern der A.G.
Das, was ich Ihnen nun vorbringen möchte, wird ja – wie alles, was ich über Anthroposophie in der letzten Zeit zu sagen hatte – mit einem gewissen Unterton gesagt werden müssen, der hervorgerufen ist durch das schmerzliche Ereignis, das unsere Sache und unsere Gesellschaft am letzten Sylvesterabend getroffen hat: das Goetheanum in Dornach ist ja augenblicklich nicht mehr. Es ist von den Flammen in der letzten Sylvesternacht verzehrt worden. Und alle die, welche mit dieser einen Nacht die zehnjährige, lange Arbeit zerstört sahen, die ausgegangen ist von so vielen unserer Freunde, die in hingebungsvoller Weise diese Arbeit geleistet haben – alle, die eben aus dieser Arbeit und aus dem, was uns das Goetheanum war, dieses Goetheanum sehr lieb gehabt haben, die werden ja unter diesem Eindruck stehen müssen: dass wir eben dieses äußere Zeichen anthroposophischen Wirkens nicht mehr haben. Denn wenn auch – was ja durchaus sein sollte – irgendein Bau für unsere Sache an derselben Stätte wiederum entstehen wird: Das alte Goetheanum kann es 1
ja unter dem Einfluss der schwierigen Zeitverhältnisse selbstverständlich nicht mehr werden. So steht denn eigentlich im Hintergrund hinter alldem, was ich seit jenen Tagen zu sagen habe, die furchtbare Glut der Flammen, die in einer so herzzerreißenden Weise eingriffen in die Entwicklung unserer ganzen Sache. Wir müssen uns da umso mehr, da dieses äußere Zeichen dahin ist, widmen dem Ergreifen der inneren Kräfte und der inneren Wesenhaftigkeiten der anthroposophischen Bewegung und desjenigen, was mit ihr für die ganze Entwicklung der Menschheit zusammenhängt. Und so lassen Sie mich denn auch beginnen zunächst mit einer Art Betrachtung über das Wesen des Menschen. Ich habe viele solche hier in Ihrer Mitte angestellt, ich möchte nun wiederum eine solche von einem gewissen Gesichtspunkt aus anstellen. Ich möchte ausgehen von einer Betrachtung des in die Welt hereintretenden Menschen, des Menschen, der heruntergestiegen ist aus dem vorirdischen Dasein und gewissermaßen seine ersten Schritte hier im Erdenleben macht. Wir wissen ja, dass bei diesem Eintritt in das Erdenleben ein Zustand unsere Seele beherrscht, der doch eine gewisse Ähnlichkeit hat mit dem immer sich wiederholenden Zustand des menschlichen Schlaflebens. Wie das gewöhnliche Bewusstsein beim Aufwachen eine Erinnerung nicht hat an das, was das menschliche SeelischGeistige vom Einschlafen bis zum Aufwachen durchgemacht hat, wie also das gewöhnliche Bewusstsein sich an diese Zustände nicht erinnert, so hat ja dieses selbe 2