RUDOLF STEINER
DIE MENSCHENSEELE IN LEBEN UND TOD Berlin, 26. November 1914
In den beiden ersten Vorträgen, mit denen ich diesen Wintervortragszyklus begonnen habe, versuchte ich aus den Impulsen heraus, welche uns die großen Zeitereignisse geben können, innerhalb deren wir leben, Betrachtungen anzuknüpfen an das Wesen der deutschen Geisteskultur, wie sie sich in ihren großen Persönlichkeiten darlebt. Was ich durch diese Betrachtungen versuchte durchleuchten zu lassen, war, dass es im Wesen dieser Geisteskultur liegt, sich immer mehr und mehr zu durchdringen mit dem Bewusstsein der Wirklichkeit des geistigen, des ewigen Daseins. Gewissermaßen ein Spezialkapitel aus dem, wozu es geisteswissenschaftliche Betrachtung bis in unsere Zeit herein gebracht hat, werde ich heute zu geben versuchen, um damit eine Grundlage zu gewinnen für das, was den Inhalt des morgigen Vortrages bilden soll: eine Betrachtung über das Wesen der europäischen Volksseelen. Dadurch möchte ich dann andeuten, wenigstens mit einigen Zügen, welche der Geisteswissenschaft entnommen sind, was diese letztere von ihren Gesichtspunkten aus zum Verständnisse dessen zu sagen hat, was jetzt um uns herum vorgeht. Die Betrachtung, die heute über die Menschenseele in Leben und Tod angestellt sein soll, sie liegt ja zu jeder Zeit als eines der größten Lebensrätsel dem Menschen nahe - in unserer Zeit wohl ganz besonders - wo wir die Frage nach Leben und Tod in so gewaltiger Weise an uns herantreten sehen, wo so Unzählige von dieser Frage durch die Realität des Daseins intensiv berührt werden, wo wir sehen, dass - gleichsam durch die Tatsachen die edelsten Söhne des Volkes diese Frage in jeder Stunde ihres Daseins gestellt erhalten. Ich habe in den Vorträgen, die ich im Verlaufe der Jahre hier halten durfte, Öfter darauf aufmerksam gemacht, wie wir in der Zeit stehen, in welcher solche Fragen