RUDOLF STEINER BUDDHA UND CHRISTUS Berlin, 2. Dezember 1909
Seit ihrem Bestehen hängt es der geisteswissenschaftlichen Bewegung an, dass sie verwechselt wird mit mancherlei anderen Tendenzen und Bestrebungen der Gegenwart. So hängt es ihr insbesondere an, dass sie geziehen wird, irgendwelche orientalische Geistesströmungen, namentlich die buddhistische Geistesströmung in die Kultur des Abendlandes verpflanzen zu wollen. Daher muss die Geistesforschung besonders das heutige Thema interessieren, das Betrachtungen anstellen will über die Bedeutung der Buddha-Religion auf der einen Seite und die des Christentums auf der anderen Seite, und zwar von dem Gesichtspunkt aus, wie er sich für eine geisteswissenschaftliche Betrachtung ergibt. Diejenigen der verehrten Zuhörer, die schon öfter hier an diesen Vorträgen teilgenommen haben, werden wissen, dass es sich hier handelt um eine im wissenschaftlichen Sinne gehaltene, weit ausgreifende Betrachtung über die Welterscheinungen vom Gesichtspunkte des Geisteslebens aus. Wer sich nun ein wenig mit dem Wesen des Buddhismus befasst hat, wird seinerseits wissen, wie der Stifter des Buddhismus, der Gotama Buddha, eigentlich immer alle die Fragen abgelehnt hat, die sich auf die Entwickelung der Welt und auf die Grundlagen unseres Daseins beziehen; wie er nicht darüber sprechen wollte. Und wie er einzig und allein sprechen wollte über dasjenige, wodurch der Mensch zu einem in sich befriedigenden Dasein kommen könne. So wird man schon von diesem Gesichtspunkt aus die Geisteswissenschaft oder Theosophie, da sie durchaus nicht ablehnt, über die Quellen des Weltendaseins, über die großen Entwickelungstatsachen zu sprechen, nicht einseitig mit dem Buddhismus verwechseln dürfen. Und wenn eine ganz bestimmte Anschauung innerhalb der Geisteswissenschaft immer mehr und mehr mit dem Buddhismus zusammengeworfen wird,