RUDOLF STEINER BLUT IST EIN GANZ BESONDERER SAFT Berlin, 25. Oktober 1906
Ein jeder von Ihnen hat zweifellos im Gedächtnis, dass der heutige Vortrag, seinem Titel nach, an ein Wort des Goetheschen Faust anknüpft. Sie wissen alle, dass in diesem Gedichte dargestellt wird, wie Faust, der Repräsentant des höchsten menschlichen Strebens, einen Bund eingeht mit den bösen Mächten, die ihrerseits wieder in dem Gedichte durch Mephistopheles, den Sendling der Hölle, repräsentiert werden. Sie wissen alle, dass Faust einen Vertrag schließen soll mit Mephistopheles, und dass das Schriftstück dann von Faust mit Blut unterschrieben werden soll. Faust hält das zunächst für eine Posse; Mephistopheles aber spricht den an dieser Stelle von Goethe zweifellos ernst gemeinten Satz: «Blut ist ein ganz besonderer Saft». Etwas Merkwürdiges ist bei dieser Stelle des Goetheschen Faust den sogenannten Goethe-Kommentatoren passiert. Sie wissen ja, dass über Goethes Faust eine so umfangreiche Literatur existiert, dass man ganze Bibliotheken damit füllen könnte. Natürlich kann es nicht meine Aufgabe sein, mich weiter auszulassen über dasjenige, was diese verschiedenen Goethe-Erklärer gerade über diese Fauststelle sagen; aber sie bringen nicht viel anderes zutage als das, wovon der Faustkommentar, der einer der letzten ist, von dem Universitätsprofessor Minor, ein Beispiel gibt. Er sowie andere Kommentatoren behandeln diesen Satz als etwas, das von Mephistopheles wie eine Art ironischer Bemerkung hingesprochen sein soll, und Minor macht die merkwürdige,