Seit 125 Jahren ist die Bäckerei Kurz ein Teil des Paznauns.
In dieser Zeit hat sich unser Familienbetrieb immer weiterentwickelt und dem Leben im Tal angepasst. Das vorliegende Buch dokumentiert, wie aus der Ein-MannBackstube des ausgehenden 19. Jahrhunderts ein wichtiger Nahversorger in Ischgl und der gesamten Region wurde. Und auch, wie die Leidenschaft für traditionelles Bäckerhandwerk über Generationen weitergegeben und stets neu entfacht wurde.
Unsere Mission, ehrliches, natürliches Brot zu backen, sehen wir heute klarer denn je. Gemeinsam mit unserem großartigen Team, unseren LieferantInnen, PartnerInnen und KundInnen geben wir dem wertvollen Lebensmittel Brot den Stellenwert, den es verdient. Zum runden Geburtstag bleibt uns Danke zu sagen für das Vertrauen und die Treue unserer Weggefährten. Verbunden mit dem Wunsch, dass der Regionalitätsgedanken in unserer schnelllebigen Welt nachhaltig gestärkt wird. Und dass die Menschen nicht verlernen, wie gutes Brot schmeckt. Dafür backen wir’s an –in vierter und bald in fünfter Generation.
HARTE ZEITEN, ZARTER AUFSCHWUNG. Die Gründergeneration der Bäckerei Kurz lebte in einer Welt, wie wir sie heute nur noch erahnen. Das Paznaun des 19. Jahrhunderts bot nichts, was auch nur annähernd Wohlstand schaffen konnte. Der Glanz der Ischgler Handelsherren, die vom 15. bis 17. Jahrhundert Zollfreiheit besaßen und regen Handel mit Italien, dem Engadin, Vorarlberg und Schwaben betrieben, war längst erloschen. Nichts deutete mehr darauf hin, dass der Weg durch das Jamtal einst sogar mit Wagen befahren wurde. Der Großteil der Bevölkerung lebte als Selbstversorger von der Landwirtschaft. Doch das Paznaun war so karg, dass es seine Menschen kaum ernähren konnte. Viele gingen in die Fremde, um ihr Brot zu verdienen, was die Einwohnerzahl des gesamten Tales beträchtlich sinken ließ.
Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts brachte der langsam einsetzende Fremdenverkehr etwas Aufschwung. Die ersten Alpinisten und Sommerfrischler mussten noch die mühselige Anreise über den alten Karrenweg auf sich nehmen, der das Paznaun mit dem Inntal verband. Mit der 1887 eröffneten neuen Talstraße („Konkurrenzstraße“) rückte das Seitental näher an die Welt heran. Das Gästeaufkommen blieb zunächst trotzdem überschaubar. Josef Kurz eröffnete seine Bäckerei in einer Zeit, in der sich viele Haushalte noch selbst mit Brot versorgten. Doch es war die richtige Idee im richtigen Moment, um Ischgls Wandel und den Aufstieg zu einem bekannten Tourismusort zu begleiten.
Josef + Karolina Kurz
Wie alles begann …
Als Josef Kurz sich anschickte, Bäcker zu werden, gab es in der ganzen Gemeinde Ischgl nur einen Berufskollegen, nämlich Johann Martin Zangerl. Von dessen Sohn sollte Josef Kurz später das Haus Nr. 29 kaufen, in dem seit Mitte des 18. Jahrhunderts Brot gebacken wurde. Doch wie war das Umfeld für Bäcker damals bestellt? In Ischgl wurden hauptsächlich Gerste, Roggen und Kartoffeln angebaut. Die Bauern brachten ihr Getreide zu den heimischen Mühlen, die als Lohn für das Mahlen ein Maß einbehalten durften. In seiner IschglChronik berichtet Erwin Cimarolli* von zwei Müllern zu Hintergrist und einer Kunstmühle, die 1889 nahe der Fimbabrücke anstelle der alten Mühle erbaut wurde.
Aufgrund der Höhenlage deckten die Erträge des Ackerbaus jedoch kaum den Eigenbedarf. Wie in den meisten Tälern Tirols musste man auch im Paznaun Getreide auswärts zukaufen. Die 1884 eröffnete Arlbergbahn erleichterte den Transport von Getreide und machte es erschwinglicher. Auch die neue, für Automobile geeignete Fahrstraße erlaubte es, neben Touristen auch Waren einfacher ins Tal zu befördern.
* Erwin Cimarolli: Ischgl. Vom Bergbauerndorf zum internationalen Wintersportort. Eigenverlag, 1989.
Blick von der Arlbergstraße ins Paznaun mit der 1882/83 erbauten Brücke zu Wiesberg. Rechts: Reisende, die in Richtung der neuen Talstraße gehen.
Foto links; von hinten: Karolina, Josef und Gebhard Kurz mit einem Lehrling vor dem Dampfbackofen Foto rechts; von links: Ludwig, Zita, Theresia mit Elmar, Hermann, Gebhard und Josef
1898: DIE GRÜNDUNG DES UNTERNEHMENS. Josef Kurz, Sohn des Bauern Franz Kurz („Florinas Franzl“) in Pasnatsch, richtete im Jahr 1898 im östlichen Nebentrakt des Gasthofs Goldener Adler eine Backstube ein. Dies war die Geburtsstunde der Bäckerei Kurz, die über nunmehr fünf Generationen hinweg zuerst Ischgl und später auch das Oberpaznaun mit Brot und Backwaren aller Art versorgte und zu einem sehr erfolgreichen Familien-Unternehmen wurde.
In der Ein-Mann-Backstube im Gasthof Goldener Adler wurde mehr Brot gebacken, als der eigene Haushalt benötigte. Die Überlinge verkaufte man an die Nachbarn. Zu dieser Zeit wurde in vielen Haushalten das Brot noch selber gebacken.
Am 7. Jänner 1902 heiratet der „Bäck“ Josef Kurz Karolina Walser aus Versahl, eine Tochter des Anton Walser („Plattners Tonali“). Ihre Kinder werden später als die „Bäckas“ bezeichnet: Ludwig (18971919), Anna (1902-1973), Eduard (1903-1968), Josefina (1905-1993), Ida (1906-1989), Emma (1908-1994) und Gebhard (1910-1993). Bald nach der Jahrhundertwerde kann Josef Kurz die Versorgung des Bergbauerndorfes Ischgl mit Brot sicherstellen.
DIE SIEBEN GESCHWISTER DES BÄCKERMEISTERS JOSEF
KURZ. Das „Hamat“ der „Florinas“ war in Pasnatsch. Dort verfügte Franz Kurz („Florinas Franzl“) über eine ansehnliche Landwirtschaft. Er heiratete Maria Theresia Mattle aus dem Geschlecht der „Dokasa“. Ihr „Hamat“ war dort, wo heute das Haus Arnika steht. Sie und ihre Schwester Josepha Lechleitner, geb. Mattle, wurden zu Stammmüttern eines weitverzweigten Geschlechts. Die elterliche Landwirtschaft wurde von Gottlieb Kurz übernommen und von seinen Nachkommen, den „Gottls“ (Magnus Kurz, später Hugo und Luise Zangerl) weitergeführt (Haus Schönruh). Nikolaus Kurz wurde Landwirt in der Persura („Persurar Klasli“). Er war der Vater des späteren Bürgermeisters Franz Kurz. Alois Kurz heiratete Luise Lechleitner aus dem Geschlecht der „Sepplis“ von Prenner. Deren Tochter Martina („Vogta Martina“) verdankt die Festschrift zum 100-Jahr-Jubiläum der Bäckerei wichtige Informationen, die auch für dieses Buch übernommen wurden.
Im Gasthof Goldener Adler richtete Josef Kurz die erste Backstube ein. Im Bild bereits mit dem 1927 errichteten Zubau.
Florinus Kurz,
und Bauer, kaufte das Wirtshaus 1889.
Heinrich Kurz („Florinas Heindali“) lebte später dort, wo heute das Hotel Alpina steht. Dessen Sohn Hermann, genannt „Bibi“, ist im 2. Weltkrieg gefallen.
Klara Kurz heiratete den Lehrer Josef Mathoy. Nach ihrem frühen Tod heiratete Lehrer Mathoy Klaras Schwester Hirlanda Kurz. Johann Kurz („Florinas Hannas“) kaufte den Gasthof Adler, den seine Nachkommen bis zum heutigen Tag bewirtschaften. In eben diesem Gasthof richtete dessen Bruder Josef Kurz seine erste Bäckerei ein. Josef und seine Frau Karolina lebten die ersten Jahre ihrer Ehe aber noch in Versahl, in der „oberen Gasse“, in einem Haus, das nun seinem Enkel Willi Kurz gehört. Platzmangel in der Ein-Mann-Bäckerei im Dorf und die größer werdende Familie ließen Josef Kurz an den Erwerb eines eigenen Hauses denken.
Johann
Gastwirt Zum Goldenen Adler
Heinrich und Paulina Kurz mit Sohn Hermann
DIE ENTDECKUNG DER ALPEN. Der Kunstmaler Mathias Schmid (1835-1923) aus See gilt als »erster Tourismuswerber des Paznaun«. Seine schönen alpinen Landschaftsbilder und Zeichnungen, die in Alpenvereinszeitungen und Illustrierten erschienen, machen Ischgl als Erholungsort bekannt. Wegen prägender Figuren wie dem Barockbildhauer Andreas Thamasch aus See oder eben Mathias Schmid gilt das Paznaun auch als „Tal der Künstler“.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Skilauf zum Volkssport. In der Blauen Silvretta fanden Skikurse und Tourenwochen statt. Unter den Teilnehmern: der amerikanische Nobelpreisträger Ernest Hemingway. 1925 schreibt Hemingway die Erzählung „Ein Gebirgsidyll“, die sich auf einen Aufenthalt in Galtür im Paznauntal bezieht.
1925 Ernest Hemingway mit John Dos Passos in der Silvretta
Die Postwiese war ein beliebter Skiübungshang in den 1930er-Jahren.
Um 1925 auf der Heidelberger Hütte, die als Stützpunkt für den hochalpinen Skilauf diente.
Mitten in Ischgl fand Josef Kurz ein geeignetes Haus, um Bäckerei und Wohnsitz unter einem Dach zu vereinen.
VOM GASTHOF ADLER INS STIEGENHAUS. Im Dorfzentrum unterhalb der Kirche stand ein altes Doppelhaus mit einer wechselvollen Geschichte. Man nannte es das Stiegenhaus. Der äußere Teil mit der Hausnummer 29 war in relativ schlechtem Zustand und stand zum Verkauf an. Es gehörte Josef Zangerl. Er und seine Verwandtschaft werden seit jeher auch „Beckas“ genannt. 1914 kaufte Josef Kurz diesen äußeren Teil des „Stiegenhauses“ (Haus Nr. 29) von Josef Zangerl und errichtete nach erheblichen Renovierungsarbeiten hier seine Dampfbäckerei nach damals modernem Standard. Der neue Bäckerbetrieb entwickelte sich gut. Bald schon versorgte man auch Mathon mit frischem Brot und Gebäck. Zweimal pro Woche ziehen Pferde den Brotwagen in den fünf Kilometer entfernten Nachbarort.
DIE „BECKAS“ UND DIE „BÄCKAS“. Die verwirrende Tatsache, dass sowohl das Geschlecht der Familie Kurz (Bäckerei Kurz) als auch das Geschlecht der Familie Zangerl (Lebensmittelgeschäft, Kiosk) als „Bäckas“ bezeichnet werden, soll hier näher erläutert werden. Siehe dazu auch den Stammbaum auf Seite 44–45. Zur leichteren Unterscheidung wird hier für die Familie Zangerl die Schreibweise „Beckas“ und für die Familie Kurz „Bäckas“ gewählt. Für die Familie Zangerl findet sich aus früherer Zeit auch die Schreibweise „Beckes“.
Schon um 1750 scheint im „äußeren Teil“ des Stiegenhauses (Nr. 29) eine Bäckerei gewesen zu sein. Zu dieser Zeit gehörte das Haus, wie wir aus der Höfegeschichte entnehmen können, dem Bäckermeister Josef Pfeifer. Er heiratete Emerenziane Tschiederer und hatte mit ihr eine Tochter, Anne Maria Pfeifer, die das Haus erbte. Anne Maria Pfeifer heiratete am 28. Mai 1782 den Bäckermeister Hermenegild Zangerl, welcher es 1809 ihrem Sohn Johann Josef (1790–1849) verkaufte. Johann Josef Zangerl ehelichte am 5. Februar 1828 Maria Rosalia Tschallener. Aus dieser Ehe gingen sieben Kinder hervor.
Vom Heizraum wird die Wärme mittels Dampf in einem geschlossenen System, den sogenannten Perkinsrohren, in die Backkammer übertragen. Die Rohre sind teilweise mit Wasser gefüllt und an beiden Enden verschlossen.
Das Erhitzen des Heizraums erfolgt mit einer durch Holz oder Kohle erzeugten Flamme. So entsteht Wasserdampf, der die Wärme in die Backkammer führt und diese aufheizt.
Brenner Was ist eine Dampfbäckerei?
Ringrohre
Heizraum
Dampfbacköfen bedeuten im 19. Jahrhundert eine Revolution im Ofenbau, weil Heizkammer und Backkammer erstmals getrennt sind. So kann man während des Backens nachheizen und fortlaufend produzieren.
Mit dem Label „Dampfbäckerei“ garantierte ein Betrieb seinen KundInnen, dass Brot auf neuestem Stand und in gleichbleibender Qualität hergestellt wird.
300 °C
erste Dampfbäckerei in Ischgl max. Temperatur des Wasserdampfs
1914
Um 1900 werden europaweit viele alte Bäckereien in moderne Dampfbäckereien umgerüstet. Anders als die traditionellen Backöfen, in denen Brot auf erhitzten Backofensteinen gebacken wurde, eignen sich die neuen Öfen für eine effiziente Versorgung der wachsenden Bevölkerung.
Backofen
Ischgl um 1830. Die Hausnummern 28 und 29 gehörten zum sogenannten Stiegenhaus.
1 Pfarrwidum
3 Schulhaus
4 Mesnerhaus und altes Pfarrwidum
5 Mesnerhaus und altes Pfarrwidum
6 Gasthof Zum Goldenen Adler
7 Gasthof Zur Post
8 Haus Persura
9 Haus am Löble
10 Tschiderlis Haus
11 das große Haus im Dorf
12 das große Haus im Dorf
13 Haus unter dem Brunnen
15 Haus unter dem Brunnen
14 Haus neben dem Brunnen
16 Doppelhaus am Angerle
17 Doppelhaus am Angerle
18 Haus Franzelis am Angerle
19 Unteres Stiegenhaus
20 Netzerlis Haus am Platz
21 Thomas Haus Ronimusses
22 Mooses Haus
23 Gasthof Zur Sonne
25 Wippes Haus
26 Beckes Haus
27 Beckes Haus
28 Stiegenhaus
29 Stiegenhaus
30 Grafenhof
31 Haus mit der Schanz
32 Haus mit der Grube
33 Krämerei Kurz
34 Marthes Haus
35 Kurzenhaus
36 Dokes Haus
37 Aßmers Haus
38 Abrahamen Haus
39 das große Haus am Egg
40 Schwabis Haus
41 Österer Haus
93 Teil des großen Hauses am Egg
43 äußeres Gondenhaus
44 inneres Gondenhaus
45 Gerichtshaus
46 Finanzwachhaus
47 Haus neben der Finanzwache
48 Hafnerhütte
49 Haus am Bach
Für die vorliegende Chronik sind folgende Kinder von Bedeutung: Emerenziane Zangerl (1837-1915), genannt „Becka Krämeri“, betrieb im oberen Teil des Becka-Doppelhauses (Nr. 26 und 27, heute Haus Dorfplatz) zusammen mit ihrem Bruder Hermenegild (geb. 1843) eine Krämerei. Den unteren Teil dieses Hauses vermachte Jakob Thöny seiner Tochter Anne Maria („Becka Annemarie“), die den Bruder von Emerenziane, Josef Alois Zangerl („Becka Luisali“), heiratete. Dieser erhielt von seiner Schwester auch den oberen Teil, da sie ohne Nachkommen war. Der Sohn von „Becka Luisali“, Rudolf Zangerl (1872-1925), vergrößerte die Krämerei. Dessen Sohn Richard („Becka Richard“) baute sie zu einem Lebensmittelgeschäft aus.
Johann Martin Zangerl, ein Bruder von „Becka Luisali“, heiratete am 5. Juni 1866 Anna Christina Schweighofer. Deren Sohn Josef Zangerl (geboren 1867) heiratete noch in fortgeschrittenem Alter Loisia Lechleitner, genannt „Dokasa Luise“, eine Tochter der Josepha Lechleitner, geborene Mattle, von der einleitend schon die Rede war. Martina Vogt erinnerte sich, dass man ihn den „Dokasa Beck“ nannte. Wahrscheinlich hat er noch in geringem Umfang die Bäckerei betrieben. Von Josef Zangerl kaufte Josef Kurz 1914 den „äußeren Teil“ des Hauses Nr. 29 und richtete hier seine Dampfbäckerei ein.
Das Wappen der Familie Kurz
Erzherzog Siegmund gestattete 1460 den Bewohnern von Ischgl und Galtür das zollfreie Ausführen von Vieh. Damit legte er die Grundlage für einen freien Handel im Paznaun. Die „Herren Ischgler“, wie die erfolgreichen Handelsherren vielfach genannt wurden, zeichnete man durch Wappenverleihungen aus. Das Wappen von Familie Kurz zeigt unter anderem den Habsburger Doppeladler und trägt die Inschrift „Fam. Kurz anno 1536“.
WIEDERAUFBAU MIT VISIONEN. Die zweite Generation der Bäckerei Kurz konnte einen sich gut entwickelnden Betrieb übernehmen. Und die vier Jahrzehnte, in denen Gebhard und Theresia die Geschicke des Unternehmens leiteten, sollten sich als besonders spannend erweisen – sowohl was den Wandel von Ischgl als auch den Fortschritt in der Bäckerei betraf. Zunächst hatte Familie Kurz jedoch den Zweiten Weltkrieg und seine wirtschaftlichen Folgen zu überstehen. An eine Wiederaufnahme des Fremdenverkehrs war so schnell nicht zu denken. Armut, Hunger und fehlende Perspektiven beherrschten das Paznaun.
Bis in die 1960er-Jahre blieb die Infrastruktur im Dorf sehr bescheiden, verglichen etwa mit St. Anton am Arlberg, wo schon 1937 die erste Gondelbahn in Betrieb gegangen war und der Wintersporttourismus bald wieder florierte. Aber auch das Nachkriegs-Ischgl hegte die Vision einer Seilbahn. Der Pionier Erwin Aloys, unterstützt von Franz Kurz und Franz Grissemann, bewies Mut und Weitsicht, indem er die Idee einer Seilbahn in die Silvretta beharrlich verfolgte. Unter den ersten Aktionären, die mit ihrem Beitrag den Bau der Bahn unterstützten, war der Bäckermeister Gebhard Kurz. Er hatte den Geist der Zeit erkannt und baute die Bäckerei im Einklang mit den neuen technischen Möglichkeiten und dem Geschmack der KundInnen aus. Mit ihren Backwaren leisteten Gebhard und Theresa einen wichtigen Beitrag zur täglichen Versorgung der Bevölkerung und Gäste im Oberpaznaun.
Gebhard + Theresa Kurz
Das Bergdorf verändert sich
Nach der wirtschaftlichen Talsohle ging es in Ischgl erst in den 1950er-Jahren wieder bergauf. Langsam kamen die Touristen zurück und die Infrastruktur musste an die Anforderungen der Zeit angepasst werden. Zum einen galt es, Schäden an Gastbetrieben auszubessern, zum anderen, neue Häuser und Anlagen zu errichten, um den Tourengehern und Skigästen Quartier zu bieten. 1952 entstand der erste Skilift im Dorf. Ab 1954 sorgte die Silvretta-Hochalpenstraße zwischen Partenen und Galtür für einen deutlichen Aufschwung des Sommertourismus in Ischgl. Auch die Talstraße wurde in den 1950er- und 60er-Jahren verbessert und ausgebaut. Angesichts der allgemeinen Entwicklung im Wintertourismus hatten einige Ischgler wenig Zweifel daran, dass es für eine erfolgreiche Zukunft auch Seilbahnen und richtige Skilifte benötigen würde. Es kostete sie einige Mühe, die bis dahin von der Landwirtschaft lebende Bevölkerung davon zu überzeugen, Geld in diese Vision zu investieren. Mit Gründung der Silvrettaseilbahn AG im Jahr 1961 erfolgte schließlich der entscheidende Schritt auf dem Weg in Richtung Wohlstand.
Anlieferung des Tragseils für die Silvretta-Seilbahn
Heuernte in Ischgl. Im Hintergrund die Äcker, auf denen vor allem Gerste und Kartoffeln angebaut wurden.
DAS ZWEITE BÄCKERPAAR FINDET ZUSAMMEN. Neben ihrer Bäckerei hatte die Familie Kurz mit der Landwirtschaft ein zweites wirtschaftliches Standbein. Einige Felder wurden ererbt (Böden), andere käuflich erworben. Der jüngste Sohn von Karolina und Josef Kurz, Gebhard Kurz, erlernte im elterlichen Betrieb das Bäckerhandwerk, legte 1934 die Gesellenprüfung und 1935 die Meisterprüfung ab. Nach dem Tod des Vaters übernahm Gebhard 1935 die Leitung der Bäckerei. Unter ihm hielten die ersten bescheidenen Maschinen Einzug in die Backstube. Die erste handbetriebene Semmelmaschine aus dieser Zeit ist als museales Schmuckstück erhalten geblieben. Am 2. November 1940 heiratete Gebhard Kurz Theresia Kathrein aus Mathon, die Tochter von Elisabeth Kathrein, geb. Kurz, und Heinrich Kathrein („Maasbiablar“). Elisabeth wieder war die Tochter des Alois Kurz („Florinas“), eines Bruders des Franz Kurz („Florinas Franzl“), Bauer in Pasnatsch, von dem eingangs die Rede war. Von Alois Kurz stammt das Geschlecht der „Marthas“ ab.
Theresia Kurz erhält die Ehrenurkunde für 40 Jahre Arbeit als Meistersfrau.
NAHVERSORGER MIT HERZ. Mit Theresia hatte Gebhard Kurz eine äußerst fleißige und umsichtige Frau, die den Brotverkauf organisierte und den Betrieb mit ihrem Mann zu weiterem Aufschwung führte. Dabei hatte sie aber auch immer ein Herz für ihre Mitmenschen. So mancher bekam von der „Bäcka Thresa“ in den schweren Zeiten einen Stumpen Mehl, um seine Familie versorgen zu können.
DIE BÄCKEREI WÄCHST UND GEDEIHT. Nach dem zweiten Weltkrieg war die Bäckerei den Anforderungen nicht mehr gewachsen. Theresia stand der Einführung technischer Hilfsmittel recht aufgeschlossen gegenüber. So wurde 1949 das gesamte Haus bis auf das Erdgeschoss abgerissen und als Doppelhaus wieder aufgebaut. Vor dem Haus, wo sich früher ein kleiner Garten befunden hatte, wurde ein Mehlmagazin eingerichtet. Außerdem baut man einen Kaufladen (Gemischtwarenhandlung) an, der von der Schwester Gebhards, Anna („Bäcka Nanna“, Frau des Bergführers Robert Zangerl, „Wippas Robert“) geführt wurde. In den folgenden Jahrzehnten wurde der Bäckereibetrieb sukzessive vergrößert und der steigenden Produktion angepasst.
Mit dem aufblühenden Tourismus in Ischgl seit den 1950er-Jahren nimmt auch der Aufstieg der Bäckerei Kurz seinen Lauf. Ständige Investitionen und Vergrößerungen sind notwendig, um die Brotversorgung in den Wintermonaten und auch bei Lawinengefahr zu garantieren. Bald musste der Backofen vergrößert, bald eine elektrische Semmelmaschine angeschafft werden. Ein Notstromaggregat wurde erworben, um bei Stromausfällen sich selbst zu versorgen. Damals wurde die Stromleitung noch als Freileitung durch das Tal geführt und in manchen schneereichen Wintern war diese Leitung wegen Lawinenabgängen unterbrochen.
In den 1950er-Jahren kaufte Gebhard Kurz von seiner Schwester Anna den Kaufladen. Der steile Aufgang vom Brotladen in die Backstube, der nur aus drei unregelmäßigen Steinstufen bestand, wurde verbessert und eine Ölfeuerungsanlage eingebaut. Doch nach wenigen Jahren war die Backstube schon wieder zu klein. Schweren Herzens entschloss man sich, auch die große, schöne holzgetäfelte Stube mit Blick auf die Dorfstraße aufzulassen und somit die Backstube erneut zu vergrößern.
Beginn des Seilbahn-Zeitalters
Eintrag der Gesellschaft mit 73 Gründungsaktionären ins Handelsregister – damit ist der Grundstein der Silvretta Arena gelegt.
1961
Absturz der Silvretta-Seilbahn beim Probebetrieb einige Tage vor der geplanten Eröffnung. Der Kabinenführer wurde dabei schwer verletzt. Unter größten finanziellen Anstrengungen konnte die Bahn wieder aufgebaut werden.
16. März 1963
1962 bis 1963
Bau der Silvretta-Pendelbahn. Allein das Aufzugskabel wog 63 Tonnen und musste aufwendig von Vorarlberg aus über die Bielerhöhe nach Ischgl geliefert werden.
15. Dezember 1963
Die Silvretta-Seilbahn geht in Betrieb. Zudem wird der erste Schlepplift eröffnet: Der 1.700 m lange Idjochlift führt von der Bergstation Idalpe bis zur Schweizer Grenze auf 2.763 m Höhe.
Eintritt der Verwaltungsgemeinschaft als Aktionär und Aufstockung des Grundkapitals von einer halben auf eine Million Euro. Im Winter 1966/67 wurden die Pisten des Skigebiets erstmals mechanisch präpariert.
1966
1972
Inbetriebnahme der Pardatschgratbahn als erste Einseilumlaufbahn Österreichs
Bau und Eröffnung der Fimbabahn als dritte Zubringerbahn. Die bunten Gondeln der 4er-Einseilumlaufbahn waren besonders bei Kindern beliebt. Fun Fact: Die Anlage wurde im Frühjahr 1998 abgetragen und in China wieder aufgestellt.
1976
1977
Errichtung der Zubringerbahn I in Samnaun, Bau des Restaurants Alp Trida und Alp Trida Sattel
DER SCHRITT NACH GALTÜR. Als im Jahr 1969 der Galtürer Bäckermeister Ludwig Lorenz in den Ruhestand ging, vergrößerte die Bäckerei Kurz ihren Markt und übernahm das gesamte Oberpaznaun. Zur selben Zeit wurde die Gemischtwarenhandlung zu einem reinen Brot- und Lebensmittelgeschäft umgestaltet. Der tief verwurzelte Servicegedanken der Familie Kurz brachte für alle Eventualitäten, die eine hochalpine Region wie das Paznaun bereithält, eine Lösung: Wenn im Winter die Bundesstraße ins Obertal wegen Lawinengefahr gesperrt zu werden drohte, musste jemand von den „Bäckas“ schnell nach Galtür eilen. Dort war er dann unter Umständen mehrere Tage eingeschneit und musste in einem älteren Backofen Brot backen. Daran hat sich bis weit nach der Jahrtausendwende nichts geändert.
Die Bäckerei von Ludwig „Luggi“ Lorenz in Galtür vor der Übernahme durch Kurz
Theresia Kurz im Kreise ihrer großen Nachkommenschaft, darunter auch Enkel Hannes Kurz (Mitte hinten im hellblauen Hemd)
NEUIGKEITEN UND NAHRHAFTES AUS DER KÜCHE. Neben der steigenden Belastung in der Bäckerei betrieb die Familie Kurz weiterhin eine Landwirtschaft. Dazu zählten auch steile Bergmähder wie „Legitz“ im mittleren Fimbatal oder in den „Pezinern“ im Madleintal. Zu dieser Zeit war die Treppe durch das „Bäckahaus“ quasi ein halböffentlicher Weg vom „Egg“ ins „Dorf“. Auf diesem Weg kehrte man gerne ein bisschen bei den „Bäckas“ in der Küche ein, wo brühwarm die Dorfneuigkeiten zu erfahren waren. Jedermann war dort willkommen und der Tisch fast immer für eine Mahlzeit aufgedeckt. So befand sich von früh bis spät abwechselnd immer jemand im Haus, der gerade versorgt werden musste. Aber auch die Gäste in den vielen neu eröffneten Hotels und Ferienwohnungen hatten Appetit auf Frischgebackenes. Ende der 1960er-Jahre installierte Familie Kurz in ihrer Bäckerei eine leistungsfähige Semmelstraße, mit der täglich bis zu 12.000 Semmel produziert werden konnten. Somit konnte man auch in der Hochsaison verlässlich ganz Ischgl satt und glücklich machen.
Mit Beginn der Wintersaison 1970/71 standen den Gästen in Ischgl eine Seilbahn und sechs Schlepplifte mit einer stündlichen Beförderungskapazität von 4.500 Personen zur Verfügung. Wer einen Skikurs absolvieren wollte, konnte aus 40 Skilehrern wählen, die nach der österreichischen Skischulmethode unterrichteten. In diesem Winter stieg die Zahl der Personen, die in Ischgl einen Skikurs absolvierten, auf rund 6.000. Neben wöchentlichen Gästeskirennen standen auch Schneewieselfahrten auf die Heidelberger Hütte, Wildfütterung, Kutschenfahrten sowie Tanz und Musik in den ersten Unterhaltungslokalen des Ortes auf dem Programm. Selbst in schneearmen Wintern wie 1971/72 konnte Ischgl mit seinen hoch gelegenen Pisten eine hervorragende Auslastung verzeichnen. Ein Beweis dafür, dass sich der Mut zur Erschließung des hochalpinen Gebietes bezahlt machte.
Seit 1954 ist der SilvrettaStausee der höchstgelegene Punkt der Silvretta-Hochalpenstraße.
FAMILIE KURZ
Josef Zangerl verkauft 1978 die zweite innere Hälfte des Hauses an Elmar Kurz
Josef Alois Zangerl verkauft den äußeren Teil des Hauses Nr. 29 an Josef Kurz
FAMILIE ZANGERL
betrieb eine Bäckerei in Ischgl, dort wo die Bäckerei Kurz heute noch steht
ALTE WERTE, NEUE DIMENSIONEN. Die dritte Generation der Bäckerei, Elmar und Sieglinde Kurz, erlebte die Aufbruchstimmung der 1970er-Jahre in Ischgl hautnah mit. Fortschritt und Modernisierung prägten das Geschehen in ihrem Heimatort. Mit unermüdlichem Pioniergeist trieben Tourismusverantwortliche den internationalen Aufstieg der Destination voran. Bald stand Ischgl nicht nur für grenzenloses Skivergnügen, sondern auch für einen funkelnden Lifestyle. Mitte der Neunzigerjahre hielten Musik und Popkultur Einzug im kleinen Bergdorf. Schon bei den ersten Ausgaben der „Top of the Mountain“-Konzerte gaben sich Weltstars wie Elton John, Tina Turner, Diana Ross oder Bon Jovi ein Stelldichein auf der Idalp. Bis heute begeistern die zugkräftigen Events alljährlich zigtausende Wintersportler und Musikfans.
Angesichts des schnellen Wandels verstanden es Elmar und Sieglinde Kurz, die „Marke Kurz“ authentisch und im Einklang mit den Bedürfnissen der Zeit auszubauen. In ihre fast dreißigjährige Ägide fiel etwa der Neubau des Gebäudes, in dem die Bäckerei heute noch untergebracht ist. Die beiden begingen als beliebte Chefleute das hundertjährige Jubiläum des Betriebs und dürfen 2023 als Seniorchefs bei guter Gesundheit „125 Jahre Bäckerei Kurz“ feiern. Immer noch wertvolle Stützen im Familienbetrieb, genießen Elmar und Sieglinde höchsten Respekt bei MitarbeiterInnen und KundInnen.
Elmar + Sieglinde Kurz
Grenzen verschieben sich
Als Elmar und Sieglinde die Bäckerei 1978 übernahmen, standen die Zeichen im Ort auf Veränderung. Die wachsende Beliebtheit des Skigebiets und im Sommer der Silvretta-Hochalpenstraße hatte den Autoverkehr seit Jahren auf ein unerträgliches Maß ansteigen lassen. So kam es auf der schmalen Durchfahrtsstraße von Ischgl zu Saisonzeiten zu chaotischen Verkehrsverhältnissen, unter denen die Bewohner und Gäste gleichermaßen litten. Entscheidende Erleichterung brachten erst die Umfahrungsstraße und die Parkgarage im Jahr 1978. Im kreisrunden Gebäude mit 56 m Außendurchmesser fanden fortan 600 Fahrzeuge Platz, um das Ortszentrum autofrei zu halten. Die Gesamtkosten für den Bau überstiegen alle Berechnungen und beliefen sich am Ende auf über 50 Mio. Schilling. Auch ein anderer Traum, der Zusammenschluss des Ischgler Skigebietes mit dem Schweizer Zollfreigebiet Samnaun, ging 1979 in Erfüllung. Am 21. Jänner konnte man die offizielle Eröffnung der Skiarena IschglPaznaun-Samnaun feiern. Es folgten etliche Großinvestitionen, um das Skigebiet auszubauen und den Komfort zu erhöhen.
Zwei Anlässe zum Feiern: die Ski-Ehe zwischen Ischgl und Samnaun (oben) und die Eröffnung der Parkgarage (unten)
DIE NACHFOLGE WIRD GEREGELT. Von den Kindern sollte zunächst Ludwig (1941–1997) den Betrieb übernehmen. Er war in der Bäckerei Huter in Prutz in die Lehre gegangen und hatte die Bäckermeisterprüfung abgelegt, wurde später aber Hotelier, Vorstand der Silvrettaseilbahn Aktiengesellschaft und Bürgermeister. Familie Kurz errichtete zunächst das Hotel Maria Theresia und später das Hotel Ischglerhof am Westende des Ortes, wo man in den „Böden“ große Baugründe besaß. So entschloss sich der jüngste Sohn Elmar Kurz mit 26 Jahren, in die Lehre zu gehen. Mit Fleiß und Zielstrebigkeit schaffte er in kürzester Zeit die Gesellenprüfung und legte 1979 die Bäckermeisterprüfung, 1982 die Konzessionsprüfung für das
Haus Christiane, das „Dach“ des BäckereiHauses in Ischgl mit den Wohnräumen der Familie und einigen Ferien-Appartements
VERGRÖSSERUNG. Die Raumnot war prekär und auch die Backstube entsprach wieder nicht den Erfordernissen. Das Mehl musste in Säckchen aus dem Magazin an der Straße in die Backstube herauf- und das Brot in Körben die enge, steile Stiege in den Brotladen wiederum hinuntergeschleppt werden. Nach langwierigen Verhandlungen konnte Elmar Kurz 1978 die „innere Haushälfte“ (Nr. 28) käuflich erwerben, in der Josef Zangerl („Becka Seppl“), der Bruder des Richard Zangerl (Lebensmittelgeschäft) wohnte. Damit war eine wesentliche Voraussetzung für den späteren Neubau geschaffen. Einige Jahre fand man mit den dazugewonnenen Räumlichkeiten das Auslangen. In dieser Zeit – 1984 – wurde auch die Filiale Mathon eröffnet, die lange als einzige Nahversorgungsstelle im Weiler diente.
Anlässlich des ersten Ischgler Adventmarktes 1985 wurde in der neuen Backstube ein 5 m langer Zelten gebacken. Die Einnahmen daraus kamen einem wohltätigen Zweck zugute. Im Bild v.l.n.r. Werner Kathrein, Hannes Kurz, Elmar Kurz, Heinrich Vogt und Helmut Gruber
DER NEUBAU. Theresia Kurz verstarb 75-jährig nach kur zer schwerer Krankheit zu Weihnachten im Jahr 1984. In dieser Zeit hatte Elmar schon den Plan gefasst, das gesamte Haus und das angrenzende Wirtschaftsgebäude niederzu reißen und neu zu bauen. Der große Neubau begann 1985. Da das Haus im Ortszentrum an mehrere Nachbarhäuser grenzte und der Grund tief ausgehoben werden musste, waren sehr aufwendige und umfangreiche Bausicherungs maßnahmen notwendig. 20 Meter tiefe Bohranker mussten gesetzt werden, ehe mit Bagger und Sprengungen der felsi ge Boden ausgehoben werden konnte. Das neue Gebäude reicht mit seiner Tiefgarage und der 300 m² großen Back stube tief in den Untergrund hinein.
Ein moderner Backofen mit elektronischer Steuerung, eine leistungsfähige Semmelstraße, ein Mehlsilo mit 40 Tonnen Speicherkapazität, eine moderne Verpackungsmaschine und zahlreiche Zusatzeinrichtungen hoben den Betrieb auf modernsten Standard, mit zeitgemäßen Zu- und Abtrans port-Möglichkeiten.
Doris Rudigier (li., heute im Büro beschäftigt) und Petra Walter verkaufen Brot, Konditoreiwaren und mehr.
Bei Straßensperren wurde in Galtür die Notbackstube in Betrieb genommen, um das Dorf mit Brot zu versorgen.
Auf seinen Bäck’ kann auch das hintere Paznaun in jeder Situation zählen. Seit Familie Kurz das Geschäft in Galtür übernommen hat, bleibt der Ort keinen einzigen Tag ohne Brot. 1994 erfolgt der Ausbau zu einem Bäckerei- und Feinkostladen.
Einheimische und Urlaubsgäste schätzen das Geschäft in Galtür.
Was ist das Guxa Brot?
Ein Schneechaos mit Lawinengefahr und Straßensperre zwischen Ischgl und Galtür heißt im Volksmund „Guxa“. Das hintere Paznaun ist dann abgeschnitten vom Rest der Welt.
Dennoch benötigen die Bevölkerung und Gäste in Galtür, immerhin bis zu 10.000 Leute in der Wintersaison, ihr täglich’ Brot, auch wenn die Versorgung durch das Stammhaus in Ischgl unterbrochen ist.
Viele Jahrzehnte lang wird dieses Brot von Elmar Kurz und seinen ortsansässigen Helfern Karl und Gustl in der Notbackstube im Untergeschoss der Kurz-Filiale mitten in Galtür gebacken.
Bei besonderen Ereignissen wie der Lawinenkatastrophe 1999 und beim großen Hochwasser im Sommer 2005 ist die Notbackstube sogar mehrere Wochen lang in Betrieb.
Erst die Entwicklungen der letzten Jahre machten das Guxa Brot zum Auslaufmodell. KundInnen können sich vorausschauend mit gutem Brot eindecken und bei Bedarf auf die hochqualitative Tiefkühllinie »Kurz & Gut« zurückgreifen. Dies lässt den Bäcker bei Schlechtwetterprognosen heutzutage ruhiger schlafen.
Am 5. Jänner 1989 wurde ein Nebengebäude der neu errichteten Bäckerei von einem Großbrand zerstört. Die Feuerwehren konnten jedoch ein Übergreifen der Flammen auf das Hauptgebäude verhindern. Aufgrund der massiven Wasserschäden im gesamten Bäckereigebäude musste jedoch wieder aufwendig renoviert werden. Anstelle des Stadels errichtete man nun eine sehr modern eingerichtete Konditorei und einige Appartements sowie Wohnräume für die Familie.
Am 23. Dezember 1993 verstarb Seniorchef Gebhard Kurz.
Inzwischen hatte der älteste Sohn von Elmar und Sieglinde, Hannes Kurz, das Bäcker- und Konditorenhandwerk gelernt. 1995/96 besuchte er die Meisterschule für Müller, Bäcker und Konditoren in Wels. Mit Auszeichnung absolvierte er die Lehre und Meisterprüfungen als Bäcker und Konditor im Juli 1996. Bei mehreren internationalen und nationalen Wettbewerben konnte er sich als Sieger oder im Spitzenfeld behaupten und sammelte zusätzliche Erfahrungen in Übersee. Damit bereitete er sich bestens darauf vor, die Bäckerei fortzuführen und zu übernehmen.
Hannes Kurz (links) beweist schon in jungen Jahren ein gutes Händchen für den Beruf.
Als erste „Pro Landschaft“Bäckerei in ganz Tirol ist die Bäckerei Kurz nach 100 Jahren wieder einen Schritt voraus.
Mittlerweile wurde das Brot längst an die größeren Abnehmer mit dem Auto ausgeliefert. Im härter werdenden Konkurrenzkampf konnte sich die Bäckerei Kurz mit der neuen Qualitäts-Produktlinie KURZ & GUT einen Vorsprung verschaffen. Dabei wurden tiefgefrorene, vorgebackene Bäckereiprodukte ausgeliefert, die vom Endverbraucher – meist größere Hotels – in eigenen Kleinöfen frisch aufgebacken werden konnten. Dazu waren im Jahre 1996 abermals umfangreiche Investitionen notwendig. 1998 wurde der gesamte Betrieb auf das besonders hochwertige „Pro Landschaft“-PremiumMehl umgestellt. Dieses Mehl stammte von österreichischen Bauern, die es aus garantiert ungespritztem Getreide herstellen.
Trotz Aufschwung blieb die Bäckerei ein Familienbetrieb, in dem jedes Mitglied seine Aufgabe hatte. Chefin Sieglinde war frühmorgens im Brotladen tätig und nahm bis zum späten Abend die Bestellungen für den nächsten Tag entgegen. Auch die Geschwister von Hannes, Christiane und Reinhard, waren teilweise daheim tätig. Bruder Reinhard besuchte das Gymnasium in Landeck und anschließend die Landesberufsschule für Elektrogewerbe. Schwester Christiane absolvierte nach der Grundschule die Höhere Bundeslehranstalt für wirtschaftliche Berufe in Innsbruck, praktizierte in der Schweiz und half später in der Café-Konditorei.
GESCHÄFTSTÜCHTIG. Rund um das 100-Jahr-Jubiläum, das der Betrieb 1998 feierte, waren 35 MitarbeiterInnen »beim Kurz« beschäftigt: acht Bäcker, fünf Konditoren, drei Fahrer, fünf Verkäuferinnen, eine Bürokraft, circa zehn Lehrlinge und einige Hilfskräfte. Neben der Filiale in Galtür wurde im Winter auch in Mathon eine Zweigstelle betrieben. Ein modernes Großraumbüro mit neuer Kommunikationstechnik, der vergrößerte Fuhrpark und ein neues werbliches Erscheinungsbild unterstrichen, dass das Familienunternehmen nicht nur für die Erfordernisse der Zeit, sondern auch für die Zukunft bestens gerüstet war.
2004 kaufte Familie Kurz die Filiale Galtür von Walter Irmgard und verwirklichte 2005 einen Neubau. Seitdem umfasst die Filiale Galtür eine Notbackstube, eine Tiefgarage, das Geschäft sowie Mitarbeiterwohnungen.
ELMAR UND SIEGLINDE KURZ
TRADITION TRIFFT ZUKUNFT. Auch im neuen Jahrtausend erlaubt sich Ischgl keinen Stillstand. Der Tourismus floriert, vor allem im Winter erreichen die Nächtigungszahlen immer neue Rekorde. Das Skigebiet steht weiter im Zeichen der Modernisierung. Viele Innovationen festigen Ischgls Ruf als umtriebige Wintersportdestination. Mit der 2013 errichteten Piz-Val-Gronda-Bahn wurde der gleichnamige 2.812 Meter hohe Berg, der je zur Hälfte in Österreich und der Schweiz liegt, zugänglich. Zu den jüngsten Attraktionen gehört die 2022 fertiggestellte Silvretta Therme. Sie soll auch abseits der Skisaison erholungsuchende Gäste anlocken. Denn während das Winter-Potenzial bereits ziemlich ausgeschöpft ist, rücken vermehrt die Sommermonate in den Blick.
An der Strahlkraft von Ischgl haben auch die internationalen Schlagzeilen über die hiesigen Après-Ski-Bars als ersten Corona-Hotspot Europas nichts geändert. Mit dem Fokus auf Qualität möchten die Tourismusverantwortlichen das Image jedoch nachhaltig korrigieren. Ein Weg, den die Bäckerei Kurz schon seit Generationen beschreitet und der mit Hannes und Sandra Kurz einen Höhepunkt erreicht. Durch Rückbesinnung auf das Wesentliche ihres Handwerks – das Backen von natürlichem Brot – schlagen sie ein neues Kapitel in der Geschichte des Familienbetriebs auf. Ihrem Mut und Weitblick ist es zu verdanken, dass sich die Bäckertradition im Paznaun gegen industrielle Massenware behauptet.
Hannes + Sandra Kurz
Gelebte Regionalität
Genuss hat in Ischgl einen hohen Stellenwert. Das zeigt ein Blick in die Gourmetführer, welche sich regelmäßig vor Begeisterung über die zahlreichen Top-Restaurants überschlagen. Auch die gute Zusammenarbeit von Tourismus und Landwirtschaft spricht für ein ausgeprägtes Qualitätsbewusstsein. Die Grundlage dafür schaffen rund 50 aktive Landwirte, unverändert viele wie noch in den 1960er-Jahren. Sie liefern hochwertige Lebensmittel wie Fleisch, Milch und Käse an die regionale Gastronomie und Hotellerie und bieten verlässliche Partnerschaften auf kurzem Weg. Ein wichtiger Bestandteil der Genusskultur ist Brot. Viele Hotels und Pensionen, Restaurants und Hüttenwirte im oberen Paznaun schwören auf Backwaren von Kurz. Auch die Silvrettaseilbahn AG bezieht für ihre Restaurants im Skigebiet Ischgl das gesamte Brot vom heimischen Bäcker. Dieses Bekenntnis zu Regionalität sichert den ansässigen Produzenten sowie der zukunftsfähigen Berglandwirtschaft die wirtschaftliche Basis und hält die Wertschöpfung im Tal.
Vom Tal bis auf die höchsten Hütten der Silvretta: Regionale Produkte sind auf dem Vormarsch.
ÜBERGABE NACH 30 JAHREN. Es war Elmar und Sieglinde Kurz ein Anliegen, dass die Bäckerei auch in vierter Generation in Familienhand bleibt. Von ihren drei Kindern Hannes (geboren 1974), Christiane (1978) und Reinhard (1981) entschied sich der Älteste für den Bäckerberuf. Auf die Ausbildung in der Bäckerei Bernhard in Arzl im Pitztal und in der Konditorei Gasser in Imst folgten die Meisterschule in Wels 1995/96 und die Meisterprüfung zum Bäcker und Konditor 1996.
Im Jahr 2000 heiratete Hannes Kurz Sandra Stark aus Kappl und mit 1.1.2007 übernahm das Paar offiziell den Betrieb. Ihre Kinder AnnaLisa (geboren 2000) und Julian (2002) bilden die fünfte Generation der Bäckerfamilie.
WEICHENSTELLUNG. Nach einiger Zeit wurden Hannes und Sandra Kurz mit einer Entwicklung konfrontiert, welche landesweit kleinen Bäckereien das Überleben erschwerte. Die Billigkonkurrenz durch Supermärkte mit Aufbackstationen sowie ausufernde Bürokratie führten gar zu einem regelrechten Bäckersterben. Familie Kurz stellte sich grundsätzliche Fragen: „Wo wollen wir mit dem Betrieb in zehn oder zwanzig Jahren stehen? Wie können wir unsere Kinder als nächste Generation davon überzeugen, dass das, was sie tun, das Richtige ist? Und wie können wir uns gegen den Ansturm auf die billige Massenware wehren?“
In bewusster Abgrenzung zum Handel, welcher sich gerne mit Attributen wie „natürlich“ und „Handwerk“ schmückt, beschloss Familie Kurz, kompromisslos auf Qualität, Authentizität und Transparenz zu setzen. Also auf ehrliches Brot, das mit Stolz und Überzeugung an die KundInnen weitergegeben werden kann.
Backstubenleiter Mario Gstöttinger (Mitte) gibt als Lehrlingsausbildner sein Wissen weiter.
KURZ
FOKUS AUF DAS WESENTLICHE. In einem ersten Schritt galt es, vorgefertigte Backmischungen und künstliche Backzutaten aus der Backstube und Konditorei zu verbannen. Mit maßgeblicher Unterstützung von Bäckermeister und Backstubenleiter Mario Gstöttinger wurden sämtliche Rezepte überdacht und die Abläufe neu organisiert. Parallel zur Sortimentsbereinigung begann die Professionalisierung des Auftritts, um die Mission „ehrliches Brot“ schlüssig und zeitgemäß abzubilden. Eine Werbeagentur erstellte ein neues Corporate Design samt Logo, eine Website mit Onlineshop sowie ein Unternehmensmagazin, das KURZ-Geschichten rund um das Bäckerhandwerk greifbar macht.
Das rigorose Bekenntnis zur natürlichen, hohen Qualität ist durch die Lage des Betriebs in einer Tourismusregion umso höher einzuschätzen. Anders als urbane Standorte mit einer homogenen Kundenschicht und konstanter Nachfrage muss die Bäckerei & Konditorei Kurz im Jahreslauf große Schwankungen bewältigen. In der Wintersaison mit über 2 Millionen Nächtigungen im Paznaun geht es durchaus um Masse und Preise. Durch gute Qualität zum fairen Bäckerpreis, persönliche Kundenbeziehungen und Flexibilität kann sich das regionale Familienunternehmen jedoch erfolgreich behaupten.
HANNES
Über Jahrzehnte ein Teil der Bäckerei Kurz und stolz auf ihren Arbeitgeber: Bernhard „Beni“ Jäger (l.) und HansWalter Wachter
Viele langjährige MitarbeiterInnen lassen darauf schließen, dass das Betriebsklima stimmt. Rekordhalter Hans-Walter Wachter, Brotfahrer von 1982 bis 2022, hat gar vier Generationen im Familienbetrieb erlebt: Gebhard, Elmar, Hannes und Julian Kurz. Treueste Seele im aktuellen Team ist Ofenarbeiter Bernhard Jäger mit 31 Dienstjahren.
Unser Rezept heißt
Im Grunde haben sich die Zutaten für gutes, natürliches Brot in den letzten 125 Jahren nicht verändert.
Und doch schlichen sich irgendwann sogenannte ConvenienceProdukte in die Backstube ein. Vorgefertigte Backvormischungen, die das Handwerk unterstützen und erleichtern sollten. Aber nicht (mehr) bei uns!
„Bäck to the roots“ hieß es ab 2015 bei der nachhaltigen Produktionsumstellung in der Bäckerei Kurz. An der Seite von Bäckermeister und Lebensmitteltechniker Georg Lesina Debiasi von „backkultur“ aus Südtirol analysierten wir die Zusammensetzungen aller bisherigen Fertigmischungen und ersetzten diese durch natürliche Rohstoffe.
Das Ergebnis: nur noch natürliche Zutaten in allen Brotsorten im Sortiment. Aber auch ein enormer logistischer und zeitlicher Mehraufwand. Neue heimische Lieferanten sind dazugekommen, der Lagerbestand ist gewachsen, ein zusätzlicher Arbeitsplatz wurde geschaffen.
Guter Kaffee ist ein weiteres Markenzeichen von Kurz. Als ausgebildeter Barista schwört Hannes Kurz auf sorgsame Auswahl der Bohnen und Zubereitung des perfekten Genussmoments.
Die Filialen mit Verkauf und Café sind wichtige Versorgungs- und Treffpunkte im Paznaun.
UMBAUTEN. Hannes und Sandra Kurz trieben auch die nötige Modernisierung der Infrastruktur voran. 2014 wurde die Filiale Mondin neu gebaut, ein Jahr später entschieden sich die Chefleute dafür, das in die Jahre gekommene Hauptgeschäft mit Café im Erdgeschoss der Bäckerei Konditorei Kurz komplett umzubauen und dank frei gewordener Geschäftsflächen im Haus zu erweitern. Mithilfe eines Architekten und einer Ladenbaumanufaktur wurde ein stimmiges Raumkonzept umgesetzt. Seit der Neueröffnung 2016 erstrahlt das Hauptgeschäft im frischen Look, seit 2022 rundet eine Terrasse in den Sommermonaten den Komfort für die Gäste ab. 2017 folgte die Eröffnung der Filiale See. Für die reduzierte Ästhetik des Brot-Genuss-Ladens zeichnete das bewährte Planungsteam verantwortlich.
UND DANN KAM CORONA. Am 15. März 2020 brach in Österreich die Coronakrise aus. Unter den ersten Covid-19-Fällen des Landes: Personen aus Ischgl. Der Skiort mit dem berüchtigten Nachtleben geriet über Nacht weltweit in die Schlagzeilen, tausende Touristen reisten überstürzt ab. Es folgte der erste Lockdown und niemand wusste, ob und wie rasch sich Wirtschaft und Tourismus nach der Vollbremsung wieder erholen würden. Wie weltweit war diese Situation auch für die heimischen Betriebe Neuland. Hannes Kurz reagierte besonnen. Rund 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden während der Coronakrise weiter beschäftigt. 2021/22 kam es zu einem Totalausfall der Wintersaison. Mit einem Team aus StammmitarbeiterInnen versorgte die Bäckerei wie gewohnt die Bevölkerung des Paznaun. Nach Abflauen der Pandemie und Wiederaufleben des Tourismus wurde die Produktion sukzessive dem Bedarf angepasst. Im Winter 2022/23 erreichten die Produktionszahlen erstmals wieder Vor-Pandemie-Niveau.
2021 verwarfen Hannes und Sandra Kurz endgültig die Pläne für einen Neubau der Backstube außerhalb des Ortskerns. Gleichzeitig beschlossen sie großzügige Investitionen in den Umbau der Backstube am bestehenden Standort. Bei der Umsetzung im Laufe des Jahres 2022 erhielt die Bäckerei neue Gär- und Reiferäume, Backöfen und Maschinen, auch das Expedit wurde erweitert.
NACHFOLGE GESICHERT. Die Kinder von Hannes und Sandra hatten bei der Berufswahl selbstverständlich freie Hand. Während Anna-Lisa Kindergartenpädagogin wurde, wollte Julian schon früh in die Fußstapfen seiner Vorfahren treten. Von 2017-2019 absolvierte er im eigenen Betrieb die Lehre zum Bäcker. Von 2020 bis 2023 – coronabedingt mit einjähriger Unterbrechung – schloss er die Ausbildung zum Konditor an. In einem fließenden Prozess wird er von seinem Vater auf künftige Führungsaufgaben vorbereitet.
DIE BÄCKEREI HEUTE. Im Jubiläumsjahr 2023 beschäftigt die Bäckerei circa 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, davon circa 30 ganzjährig. Der Familienbetrieb umfasst vier Standorte (Hauptgeschäft und Filiale Mondin in Ischgl, Galtür und See) und beliefert rund 500 KundInnen im oberen Paznauntal. Alle Produkte der Bäckerei und Konditorei werden aus österreichischem Getreide und natürlichen Rohstoffen ohne künstliche Aromen und Geschmacksverstärker hergestellt. Das Engagement für gesunde Ernährung und Regionalität schlägt sich auch in der Kooperation mit dem Verein „Land schafft Leben“ nieder.
Drei Generationen
Bäcker: Elmar, Hannes und Julian Kurz im Jubiläumsjahr 2023
Ausblick
Mit dem 21-jährigen Julian steht die fünfte Generation der Bäckerei Kurz in den Startlöchern. Wie stellt er sich die Zukunft vor? Welche Themen werden den Betriebsnachfolger beschäftigen? Und warum ist Innovation wichtiger als 125 Jahre Geschichte? Eine Vorausschau in fünf Perspektiven zusammen mit seinem Vater und Vorbild Hannes Kurz.
Hannes: Das Thema MitarbeiterInnen ist eindeutig die größte Herausforderung der Gegenwart und Zukunft. Wir haben zum Glück sehr viel gutes Stammpersonal. Halten kann man dieses nicht mit Geld, sondern mit einem positiven Betriebsklima und der Wertschätzung ihrer Arbeit. Insofern hat man es als Unternehmen auch selbst in der Hand, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.
Julian: Ein großer Faktor wird es sein, Lehrlinge zu finden und aufzubauen. Speziell in der Produktion. Dort sind wir zwar mit unserem aktuellen Team die nächsten Jahre noch abgesichert, irgendwann wird es aber in der Bäckerei wieder junge Leute brauchen. Idealerweise bleiben die fertig ausgebildeten Lehrlinge dauerhaft im Betrieb und bringen ihr Know-how zum Einsatz.
JULIAN KURZ
Hannes: Sandra und ich waren uns rasch einig, dass Julian die Berufe Bäcker und Konditor mit einer praktischen Ausbildung im Sinne einer 5-jährigen Lehre erlernen soll. Ob Julian dann in Zukunft in der Backstube steht oder nicht, wird er selbst entscheiden. Aber das Fundament für ein erfolgreiches Berufsleben wird hier und heute gelegt – mit seiner Lehrlingsausbildung und der geplanten Meisterschule in Wels. Außerdem empfehlen wir ihm, sich im Rahmen eines Praktikums in anderen Betrieben umzusehen. Um besser zu werden, muss man sich ständig weiterbilden.
Julian: Ich möchte den Besten der Branche über die Schulter schauen und so viel wie möglich lernen. Die Kernkompetenz des Bäckers ist nämlich durch nichts zu ersetzen.
LERNEN & WEITERBILDUNG
Hannes: Zeit meines Lebens wollte ich eine neue Produktion bauen. Aus verschiedenen Gründen haben wir uns letztlich dagegen entschieden. Es kann durchaus sein, dass der Produktionsneubau zu einem späteren Zeitpunkt wieder ein Thema unter Julians Führung wird. Zum 150. Jubiläum der Bäckerei wird sich die Backstube vielleicht nicht mehr am heutigen Standort befinden.
Julian: Als das Bauprojekt vorerst auf Eis gelegt wurde, war ich offen gesagt erleichtert. Diese Investition hätte uns auf Jahrzehnte belastet. Trotzdem bin ich mittelfristig offen für Veränderung. Denn die beengte Situation mitten im Dorf ist auch nach dem jüngsten Umbau der Backstube auf lange Sicht alles andere als ideal.
BACKSTUBE UND PRODUKTION
Hannes: Der Betriebserfolg bekräftigt uns, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen. Wir hatten noch nie so viele KundInnen wie heute! Dies lässt sich zweifellos auf die hohe Qualität zurückführen. Im Paznaun würden sich weitere Filialen jedoch nicht lohnen. Unter Umständen wäre ein Experiment mit einer kleinen Backstube direkt im Laden vorstellbar, um den Leuten zu zeigen, wie natürliches Brot hergestellt wird. Wenn Julian in einigen Jahren die Zügel im Betrieb in der Hand hat und dieses Projekt angehen möchte, würde ich ihn unterstützen.
Julian: Ich schätze das Vertrauen und die Umsicht meiner Eltern, dass ich langsam in die Führungsrolle hineinwachsen darf. Eine reibungslose Betriebsnachfolge ist leider alles andere als selbstverständlich. Umso mehr honoriere ich die Tatsache, dass alle heutigen betriebswirtschaftlichen Entscheidungen auf ihre langfristige Sinnhaftigkeit hin geprüft werden. Mein Erbe wird ein gesunder Betrieb sein, in dem ich eigene Ideen umsetzen kann.
HANNES KURZ
INNOVATION
Hannes: Ohne Innovation keine Weiterentwicklung. Für ein Unternehmen ist Innovation sogar wichtiger als Erfahrung, welche höchstens als Back-up dienen kann. Konkretes Beispiel: Mit Mitte fünfzig werde ich wohl keine Bäume mehr ausreißen. Dann braucht es den Elan und Mut der nächsten Generation, welche ich gerne mit meiner Erfahrung unterstütze. Mein Rat an Julian: Du musst deine Visionen in Zahlen gießen, bevor du loslegst.
Julian: Viele Leute sagen: Brot wird es immer brauchen. Doch darauf können wir uns nicht verlassen. Durch die großen Lebensmittelhändler gibt es im Paznaun längst massenweise Brot. Über den Preis können wir also nicht gewinnen. Wir werden nur erfolgreich sein, wenn wir höchste Qualität verbunden mit einer persönlichen Ansprache bieten.
„Ischgl - Vom Bergbauerndorf zum internationalen Wintersportort“
Erwin Cimarolli, 1989
„100 Jahre Bäckerei Kurz“, Dr. Manfred Pfeifer, 1998
Kopien aus Buch „Ischgl - Vom Bergbauerndorf zum internationalen Wintersportort“, Erwin Cimarolli: Seite 8, 9, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 20/21, 30, 31, 38, 39, 43, 50, 51
Kopien aus Buch „100 Jahre Bäckerei Kurz“, Dr. Manfred Pfeifer: Seite 11, 33, 53, 62, 63
Archiv Hannes Kurz: Seite 18, 41, 54, 55, 56, 57
Georg Juen: Seite 40
Archiv Silvretta Seilbahn: Seite 38, 39
Ernest Hemingway Collection/John F. Kennedy Presidential Library and Museum, Boston (EH 7962P): Seite 16
Impressum
Herausgeber und für den Inhalt verantwortlich
Bäckerei - Konditorei Kurz GmbH, Dorfstraße 53, 6561 Ischgl
Konzept & Gestaltung
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Illustration
WEST Werbeagentur GmbH
Redaktion
Eva Pichler, es@die-schreibkraft.at
Druck
Alpina Druck GmbH
August 2023
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