BOSS

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Bentley, Döner, Argwohn (v.l.n.r.).

//// Menschen sammeln sich um Holzkohlegrills. Wir riechen Würstchen und Nackensteak. Aber niemand kommt und lädt uns ein.

Einsam mit 17 Rindern und 512 Pferdestärken.

im Rhein-Herne-Kanal. Plötzlich überholt uns ein aufgeregter Campingmitarbeiter mit freiem Oberkörper auf dem Fahrrad. Nein, das gehe doch so nicht, wir müssten uns erst im Büro anmelden. Das Auto sei ihm übrigens egal, da mache er keine Unterschiede. Wir rollen zurück zum Eingang, wo eine Hütte steht, in der ein Parkwächter sitzt, der vielleicht noch nie gelächelt hat. Wir hätten gerne einen schönen Platz zum Campen, sagen wir. Mit Stellplatz für das Auto. Der Parkwärter runzelt seine furchige Stirn, macht eine verstörend lange Pause und sagt, das gehe nicht. Es sei nichts gegen uns, aber er kenne seine Gäste ganz gut. Er schaut aus seinem Fenster auf den Bentley. Nach längerer Überredung weist er uns dann doch ein Fleckchen Rasen zu, ganz am Rand des Platzes. Unser einziger Nachbar ist ein ausrangierter Wohnwagen, Modell Comtesse. Wir klappen zwei Campingstühle auf und beziehen Stellung. In sicherer Entfernung bilden sich immer wieder kleine Grüppchen von kurzbehosten Urlaubern. Wir lächeln freundlich. Aber keiner kommt näher, winkt oder

begrüßt die neuen Nachbarn. Sie starren nur stumm. Wenn wir aufblicken, ziehen sie sich zurück. Der Mulsanne ist kein neureicher Provokateur wie die kreischenden Lamborghinis und Ferraris. Er inszeniert Macht mit einer einschüchternden Selbstverständlichkeit. Wir spielen unseren letzten Trumpf: Zwei kleine Deutschlandfahnen, die wir in die Fronttüren des Bentley klemmen. Es ist eine Geste an die Gemeinschaft, unser Bekenntnis zur Integration. In den feineren Gegenden des Campingplatzes sammeln sich die Menschen nun um die Holzkohlegrills, wir riechen Würstchen und Nackensteak. Aber niemand kommt und lädt uns ein. Der Bentley-Händler hat uns eine Botschaft mit auf die Reise gegeben: Ganz oben komme es nicht auf Besitz an, sondern auf Werte, auf Menschlichkeit. Auf diesem Stellplatz beschleicht uns der Verdacht, dass wir keine Chance erhalten werden, unsere Menschlichkeit zu beweisen. Wir

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klappen die Stühle zusammen und gleiten vom Platz. Selten haben wir uns so fremd und einsam gefühlt. Und so hungrig. Auf dem Weg zur Autobahn halten wir vor einer idyllisch von Buchen eingerahmten Imbissbude. Sie heißt Dönerplanet. Am Biertisch neben uns sitzen ein paar Jugendliche, die flüstern und kichern und nachäffen, wie wir uns mit dem tropfenden Döner abmühen. Natürlich haben sie unser Auto gesehen. Wir steigen wieder ein, verschwinden hinter den massiven Türen des Mulsanne. Während uns die Sitze sanft massieren und frische Luft durch die feinen Poren unserer Ledersessel den Rücken und das Gesäß kühlt, denken wir über den Tag nach. Wir fragen uns, ob wir immer noch wissen wollen, was Deutschland – dieses Dönerplanetensystem – von uns denkt. Hier, wo die Außenwelt abgedämmt ist, scheint es uns unwichtig. Wir könnten einfach den sanft tickenden Blinker des Mulsanne setzen und auf eine Spur wechseln, die uns dorthin bringt, wo man uns nahe ist.

Massiert und belüftet.

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