KATHARINA HOFSTÄTTER

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presence of absence Anwesenheit des Abwesenden Katharina Hofstätter



Als erste Inspirationsquelle diente mir Egon Schieles Werk „Der Cellist“, in dem Schiele scheinbar alle zum Verständnis des Werks nötigen Elemente weglässt und trotzdem oder vielleicht genau deswegen eine eindeutige Situation schafft. Dieser Widerspruch faszinierte mich und führte zu weiteren Auseinandersetzungen mit Abwesendem, das doch so präsent ist, wobei ich auf den Kern meines Kollektionskonzepts stieß: Erinnerung. Bewusst oder unbewusst ist sie Teil unseres Seins, unserer Gedanken und unserer Taten. Wie ein Schleier, der jedes Handeln beschattet, wie eine Kulisse für die Szenen, die unsere Augen täglich einfangen. Wir können unsere Erinnerung nicht kontrollieren. Es gibt keine Möglichkeit alte Erinnerungen loszuwerden und keine Möglichkeit neue zu verhindern. Sie sind Bestandteil des menschlichen Daseins, formen unsere Identität und machen uns zu den Menschen, die wir sind. In meiner Kollektion beschäftige ich mich intensiv mit diesen Gedanken und versuche meine Gefühle dazu textil auszudrücken. Ich arbeite mit Stoffen, die mit ihrer Transparenz den Blick auf unsere Haut verändern, so wie es die Erinnerung mit dem Blick auf unsere Situation macht. Durch den Schnitt fallen die Stoffe so, dass sie den Körper umspielen. Durch Drapierungen und Volants wird Volumen erzeugt, welches einzelne Akzente des Körpers hervorhebt und das Bild wie die Erinnerung verzerrt. Eine weitere Charakteristik der Erinnerung habe ich in der Verwebung der Vergangenheit mit der Gegenwart gefunden, was mich dazu veranlasst hat, mich mit Webmustern aus verschiedenen Stoffen zu beschäftigen. Ich finde es besonders spannend, mit Materialien eine neue Oberfläche zu erzeugen, die nur mehr als ein Ganzes verstanden werden kann. So sind auch unsere unmittelbaren Emotionen ein Ganzes, in dem sich Erinnerung und Aktualität nicht mehr trennen lassen. Um ein haptisches Element der Erinnerung einzubeziehen, habe ich mich dazu entschlossen, mit alten Foto-Negativen zu weben, die als Relikt der Vergangenheit unsere bisherigen Erlebnisse dokumentieren. Die Farbwahl für meine Kollektion hat mich wieder zur Widersprüchlichkeit meiner ursprünglichen Inspiration Schieles „Der Cellist“ zurückgeführt. Somit habe ich mein Farbkonzept einer weißen, unbeschriebenen Seite gewidmet, die durch das Fehlen einer Beschriftung eben diese kommuniziert. Die fehlende Färbung der cremigen Weißtöne soll diese hervorheben. Abwesenheit spricht über das Abwesende und so tut es auch unsere Erinnerung.










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