SECRETS, Die Fabrikanten, Linz 2018

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SECRETS StadtausflĂźge zu verborgenen Geschichten


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emand gibt ein Geheimnis preis. An einem besonderen Ort der Stadt. Im privaten oder öffentlichen Raum, am Sofa oder Bahnsteig. Besucher werden zu Suchern, zu Schatzsuchern. Sie finden Geheimnisträger und lernen deren Geschichten kennen.

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Stadtausflüge zu verborgenen Geschichten DIE FRAGESTELLUNG Was passiert, wenn Menschen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen, an einem frei gewählten Ort einer kleinen Gruppe (oder sogar nur einer Person) ein persönliches Geheimnis preis geben? Welche Orte tauchen dabei auf und welche intimen / sinnlichen Er fahrungen machen die Teilnehmer auf ihrer „inneren“ Landkarte? Wie verlaufen die Begegnungen zwischen einander meist fremden Menschen? Wie entfaltet sich dabei eine Er fahrungsästhetik? * DER ABLAUF Nach Anmeldung werden die Schatzsucher vom Veranstalter an jeweils zwei bis drei Orte entsandt. Den ersten Treffpunkt und die genaue Uhrzeit er fährt man am Vortag via SMS. Alle weiteren Locations und Zeitangaben finden die Teilnehmer in Briefkuverts, die man nach dem Besuch vom Geheimnisträger ausgehändigt bekommt. Die zu (be)suchenden Locations reichen vom schmucklosen Vororte-Bahnhof über eine private Altbauwohnung bis zu versteckten Befestigungstürmen am Linzer Pöstlingberg. Weitere Orte: ein Restaurant, ein Tanzstudio, ein Friedhof, eine Buchhandlung, der Infodesk am Hauptbahnhof, ein Klostergarten, eine Kirche, eine Donaubrücke, eine Bauminsel. An diesen Orten warten die Geheimnisträger entweder persönlich auf die Gäste oder eine von ihnen ver fasste Botschaft. Abends treffen sich Geheimnisträger und Schatztaucher am Donauschiff „Walross“ und tauschen Er fahrungen aus, möglicher weise auch die Geheimnisse selbst. DIE SECRETS FOTOS Reinhard Winklers fotografische Interpretationen der Secrets sind bereits im Vor feld der Veranstaltung auf Instagram (www.instagram.com/secretsoflinz) zu sehen. Die Fotos machen neugierig und eröffnen verschiedene Assoziationsmöglichkeiten auf die vorerst streng gehüteten Geheimnisse. * „Art as Experience“, John Dewey


DIE GEHEIMNISSE 12 Secrets in Linz

1. Die Glöcknerwohnung

Selbstlaute weg, „denn sie waren so laut“. Ort: Maria Empfängnis Dom

Der Gastgeber erzählt in seiner Wohnung vom Selbstmord der Vormieterin (durch einen Sprung in die Leitungen eines Starkstrommastens am Linzer Pleschingersee). Und von der geisterhaften Erscheinung der Toten. Auch vom Wohnungseinbruch durch Fritz, dem zwielichtigen Amateurboxer. Eine umfassende Chronologie der um diese Wohnung sich rankenden Geschichten ist als PDF auf Anfrage erhältlich bei secrets@fabrikanten.at. Ort: Pfarrgasse

8. Der Zauberer In einer Buchhandlung am Linzer Hauptplatz. Dort soll der Secrets-Teilnehmer die Buchhändlerin namens Claudia nach dem Buch „Der Zauberer“ von Vladimir Nabokov fragen. Sie bringt das sehr kleine RoRoRoTaschenbuch, aus dem ein handschriftlich geschriebener Zettel herausfällt. Darauf steht eine für die Besucher sehr herausfordernden Aufgabe. Ort: Buchhandlung Alex

2. Wegscheide Der Querdenker saß als kleiner Junge mit seinem Vater, der wegen Krankheit mit jungen Jahren in die Pension geschickt wurde, am Bahnhof Wegscheid. Sie schauten voller Sehnsucht den Zügen nach, die Richtung Süden ihren Blicken entschwanden. Vom Linzer Hauptbahnhof werden die Besucher ebendort hingeführt und lauschen den Berichten des heute 67-jährigen. Seine Offenheit inspiriert zu eigenen Erzählungen. Ort: Bahnhof Wegscheid

3. Tanz der Skelette Spazierend offenbart die Begleiterin ihre Einstellung zu Friedhöfen und ihre Haltung zu ihrem Familiengrab, welches sie irgendwann übernehmen sollte. Zwischen den Gräbern im St. Barbara Friedhof beginnt ein Austausch über das größte Tabu in unserer Gesellschaft. Ort: St. Barbara-Friedhof

4. Luft anhalten auf der Brücke Vor vielen Jahren, als die Linzer Luft wegen der Chemie- und Voest-Emissionen noch einem Giftcocktail glich, hat Andi auf seinen Fahrten mit dem Auto über die Steyreggerbrücke gelernt, die Luft zwei Minuten lang anzuhalten, der eigenen Gesundheit wegen. Die Secrets-Besucher werden am Industriebahnhof Franckstraße abgeholt und fahren mit ihm diese Strecke mehrmals über die Brücke. Zuerst wird aber tief Luft geholt. Ort: Bhf. Franckstraße / Steyreggerbrücke

5. Im Klostergarten

9. Entschleunigungspunkt

über Lebensentscheidungen nachdenken Die Besuche bei Sister Mary Clemensa, einer Cousine ihres Vaters im Kloster Santa Barbara in Kalifornien, gehören zu ihren schönsten Kindheitserinnerungen. Über Umwege ist die Theologin in Linz gelandet, hat 1985 das Österreichische Frauenforum für feministische Theologie mitbegründet und dann eine ganz andere Berufslaufbahn eingeschlagen. Ort: Klostergarten der Oblatinnen

W. hat in einer Werkreihe seiner bildnerischen Arbeit europaweit Entschleunigungspunkte installiert, die Impulse zu verstärkter Nachdenklichkeit abgeben. So auch im Umkreis von Kunstvereinen: was aber manchmal ‚verschütt‘ ging. Ein Remake von 1989. Das Geheimnis wird unter einem großen Baum liegend erspürt. Ort: Entschleunigungsinsel vor der Künstlervereinigung Maerz und dem AFO

6. Liebeskummer Beim Infostand am Linzer Hauptbahnhof fragt der Secrets-Besucher nach einem Kuvert mit seinem Namen. Darin findet sich eine kurze Liebesgeschichte, die Anfang der 70er Jahre geschehen ist. G. berichtet von einem Spitalsaufenthalt einer Frau, in die er verliebt war, von einem Besuch bei ihr, vom Liebeskummer. Im Kuvert steckt ein zweites Kuvert mit einer geheimen Nachricht. Der SecretsBesucher ist nun der Absender. Ort: ÖBB Info-Point, Hauptbahnhof

7. Den Mund ausradieren Bei den häufigen Kirchgängen wie auch in den Chorproben, mit den oft unverständlichen Inhalten der Liederbücher und Gebetsbücher vor ihr, experimentierte G. als Kind mit den Texten. Meist vertauschte oder setzte sie andere Wörter ein, oder lies die

10. Zwei Türme Leichte, 2-stündige Wanderung zu Behausungen, wo keiner ist. Ort: Pöstlingberg

11. Was Mathematik mit umgebauten Klos zu tun hat Ein Gespräch über Kreativität und Disruption. Ort: Restaurant Orpheus

12. Roter Schuh Es war einmal ein kleines Mädchen, gar fein und hübsch; aber es war arm und musste im Sommer immer barfuß gehen, und im Winter mit großen Holzschuhen, so dass der kleine Spann ganz rot wurde; es war zum Erbarmen. Mitten im Dorfe wohnte die alte Schuhmacherin; sie setzte sich hin und nähte, so gut sie es konnte, von alten roten Tuchlappen ein paar kleine Schuhe. Ort: Red Sapata, Tabakfabrik Linz

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DIE GEHEIMNISSE 12 Secrets in Linz Fotos: Reinhard Winkler

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DIE GEHEIMNISTRÄGER*INNEN: BRUNO BUCHBERGER * GUSTAV DEUTSCH * AILEEN DERIEG CHRISTOPH FÜRST * CLAUDIA HOCHEDLINGER * WERNER PFEFFER * THOMAS PICHLER * ILONA ROTH * GITTI VASICEK ANDI WAHL * UDO WID * MARKUS ZETT

DIE GEHEIMNISTRÄGER*INNEN sind allesamt langjährige Wegbegleiter oder Menschen, mit denen Die Fabrikanten in den letzten 30 Jahren bei einem gemeinsamen Projekt verbunden waren. Mit Gitti Vasicek (Universitätsprofessorin an der Kunstuniversität Linz) initiierten und organsierten wir schon 1987 Ausstellungen unter dem damaligen Label Mobilar Linz und als gemeinsame Diplomarbeit das internationale Videofestival Querspur (Linz, 1990) zum Thema „Zwischen Intimität und radikaler Entblößung“. Radikal ist auch ihre Secrets-Performance, die sie und ihre Besucherin zu Wortspielen und Tabugrenzen führt. Gustav Deutsch (Künstler und Filmschaffender, der bereits bei Querspur im Programm war) und Udo Wid (Physiker, Künstler, Philosoph) begleiteten uns 1993 in ein Geisterdorf an der österreichisch-tschechischen Grenze. Dort forschten sie zum Thema „Überleben im Niemandsland - die Zukunft im Handgepäck“. Weitere gemeinsame Projekte wie „Die Jury“ (Wels, 1994) folgten.

Deutsch gibt ebenfalls ein Geheimnis aus seiner Jugend preis, eine Liebesgeschichte. Wid realisiert in Linz eines seiner mittlerweile 150 Projekte als 1-Mann-Institut, hier aus der Werkgruppe der solarbetriebenen Impulspunkte. Secrets-Besucher werden auf einer Bauminsel in einen entschleunigten Modus versetzt, oder besser gelegt. Die Bloggerin und Übersetzerin Aileen Derieg hatten wir – neben andern „Cybermönchen“ – 1996 zum Projekt Netrip ins leerstehende tschechische Kloster Plasy geladen, um dort drei Tage lang in einer einsamen Zelle über das damals brandneue World Wide Web nachzudenken und darüber Tagebuch zu führen. Bei Secrets erzählt sie von ihren prägenden Begegnungen mit einer amerikanischen Klosterschwester und darüber, welche Rolle Nonnen in ihrem Leben gespielt haben. Bruno Buchberger ist ein weltweit renommierter sowie preisgekrönter Professor für Computer-Mathematik und Gründer des Softwarepark Hagenberg. Auch ihm begegneten wir in der Zeit der Medien- und Global VillageEuphorie und fanden 1995 bis 1997 seinen großzügigen Support bei verschiedenen Ver-

anstaltungen in Hagenberg (Medienakademie, Telemedia und Archaic Rave). Andreas Wahl (Tischler und Radiomacher, Bauarbeiter und Historiker) war einer der Autoren unseres Linz-Buches Botschaft Linz (2004). Dort hat er bereits beschrieben, warum er lernte, zwei Minuten ohne Luft zu holen über eine Brücke zu fahren, die links und rechts von rauchenden und emittierenden Industriegiganten flankiert ist.

Markus Zett (theaternyx, gemeinsam mit Claudia Seigmann) und Claudia Hochedlinger (gemeinsam mit Tom Pohl) waren beim bisher größten Fabrikanten-Projekt, dem europaweiten Exchange Radical Moments! Live Art Festival (2011) mit unkonventionellen

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Fahrten und Begegnungen in Linz unterwegs. Bei Secrets bringt Zett die Besucher in eine heikle Lage. In einer Buchhandlung werden sie angehalten einen Diebstahl zu begehen. Ansonsten ist der Schauspieler und Entwickler eigener Theaterprojekte und Performances höchst legal und erfolgreich auf Bühnen und in Kino- & TV-Filmen engagiert. Claudia Hochedlinger wiederum konfrontiert ihre Spaziergangsteilnehmer mit einem anderen Tabu. Zwischen den Gräbern spazierend wird über Tod, Bestattungsrituale und Erinnerungskultur gesprochen. Die Sozialund Lebensberaterin ist immer wieder auch als Performerin zu sehen und beschäftigt sich hier mit der Frage: wie öffne ich einen Raum. Thomas Pichler, Musiker (u.a. bei dybbuk, Fuckhead, Telepathie, The Passengers,... derzeit: Kollektiv Okabre), unterhielt – gemeinsam mit Pauli Chan – beim Guten.Morgen.Salon #2 (Linz, 2011) die Gäste mit Expertisen zum Thema Musik, Lebensstil und Kaffeegenuss. Geheimnisse des guten Lebens eröffnet er auch bei seiner Secrets-Wanderung durch einen wunderschönen Wald am Pöstlingberg. Von Bäumen überwachsene Teile einer alten Befestigungsanlage werden besichtigt, aber auch die modernen Pendants dazu.

Ilona Roth ist Tänzerin, Schauspielerin, Pädagogin. Nach internationalen Studien und Auftritten gründete sie in Linz die RedSapata Kulturinitiative. Bei unserem Live Art Festival Die Kunst der Begegnung #5 (Linz, 2013) war sie performativ beteiligt, für die Veranstaltung Snooze! (2018) dürfen wir den RedSapata-Space eine Nacht lang nutzen. Kurz zuvor wird Ilona Roth an diesem Ort das Geheimnis um den Namen Red Sapata und um einen Ballettfilm aus dem Jahr 1948 lüften. Christoph Fürst ist Designer, Innenarchitekt & Künstler und langjähriger Fabrikanten-Partner bei künstlerischen sowie angewandten Projekten. In seiner Privatwohnung empfängt er Gäste und liest Szenen aus der ereignisreichen und dramatischen Geschichte seiner Wohnung. Werner Pfeffer, der jüngst Die Fabrikanten in seinen querDENKRAUM lotste, ist Zeremonienmeister, Mathematiker und Künstler. Secrets-Teilnehmer führte er im Zug – seinem geheimen Arbeitsplatz – an einen VorortBahnhof, um berührende und zum Teil bedrückende Kindheitserinnerungen zu teilen.

DIE VERANSTALTER Wir, DIE FABRIKANTEN, initiieren und realisieren seit 1990 in Österreich und Europa partizipative Kunst- und Kulturprojekte. Veranstaltungsformate entwickeln und auszutesten ist neben der angewandten Kulturkommunikation unserer Kernkompetenz. Seit 2010 verwenden wir den Begriff Live Art, der unsere zeitbasierten und ortsspezifischen Kulturprojekte am besten charakterisiert. Der Fokus liegt oft auf One-to-oneBegegnungen und anderen kollaborativen oder co-kreativen Strategien, die das Publikum in den Mittelpunkt rückt. „Kultur wächst durch Begegnung“ lautet unsere Maxime. Beim Laborprojekt Secrets wurde das erneut live erprobt. Dieses Mal wurden nicht nur Künstler als Performer eingeladen, sondern Menschen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen. Kulturprojekte von Die Fabrikanten werden gefördert von: Bundeskanzleramt Kunst & Kultur, Land OÖ, Stadt Linz. www.fabrikanten.at

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Secrets Echo Ein wunderbares Erlebnis. (E. P.) Immer noch, obwohl schon längst alleine unter wegs, purzeln Gedanken und Gefühle im Kopf herum. (A.E.) Ich glaube es hat einen besonderen Reiz, eine bestimmte Geschichte an einem bestimmten Ort zu erzählen. (A. D.) Kann man bei einem Gegenüber Mut auslösen, wenn man selber eine große Ehrlichkeit ausstrahlt, dass also das Gegenüber sagt: na gut, dann erzähl ich auch was? (W. P.) Was für ein Gespräch! Nochmals Danke dafür. (P. K.) Es ist reizvoll, jemand anderen in ein Geheimnis einzuweihen. (T. P.) Das besondere am Leben sind doch die Beziehungen zu den Menschen. (A. S.) Vor 30 Jahren bin ich nach Linz gekommen und immer noch erobere ich mir diese Stadt. Am Samstag bei Secrets hat SIE mich wieder ein kleines Stückchen erobert und ist wieder ein liebenswerter Teil meiner persönlichen Lebensgeschichte geworden. (U.L.)


Secrets GET TOGETHER

www.fabrikanten.at, Linz Gefรถrdert von:

SECRETS EIN PROJEKT VON DIE FABRIKANTEN am 6.10.2018


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