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Die Novum

Hochschule und Wissenschaft

19. Juni 2013

„IKEA der Bildung“ Bildungsangebote wandern zunehmend ins Netz – Fluch oder Segen für Studenten und Hochschulen? Toni Plewe

Abschlüsse häufig nicht an, die Akzeptanz bei Arbeitgebern ist ebenfalls fraglich. Daher sollte E-Learning in erster Linie der eigenen Weiterbildung dienen. „Gerade für Selbstständige zählt letztendlich das Wissen und nicht irgendein Zertifikat“, findet Peter Müller, Student in Mittweida.

Stefanie Fichte

Den eigenen Wissensdurst stillen

Studieren im Netz: Onlinekurse machen das eigene Arbeitszimmer zum Hörsaal.

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ie Vorlesung beginnt 23 Uhr, Hörsaal ist das eigene Arbeitszimmer und alles, was der Student braucht, ist ein Internetanschluss. Kostenlose Lehrangebote im Netz scheinen attraktiv. Schon seit Jahren bieten US-amerikanische Professoren Online-Kurse für jedermann – ein Beispiel, dem mittlerweile viele gefolgt sind: Auf YouTube finden sich unzählige Lehrvideos von Professoren. Zudem bieten Plattformen wie „OPAL“, „EVA“ oder „Udacity“ national und international Bildung im Web, oft sogar interaktiv mit zusätzlichen Lehrunterlagen, Übungen und Fragerunden im Chat. Ein Bildungsangebot, das vor allem von Berufstätigen gerne angenommen wird, die sich neben dem Job weiterbilden wollen. Doch was bedeutet diese Veränderung für das Hochschul-System?

Ergänzung statt Ersatz Peter Will, Professor für Technische Mechanik in Mittweida, bietet für seine Studenten selbst Online-Seminare an. Eine Gefährdung des konventionellen Unterrichts sieht er darin nicht, sondern eher eine sinnvolle Ergänzung: „Ich gebe meinen Studenten damit die Möglichkeit, sich jederzeit und an jedem Ort mit den Vorlesungsinhalten zu beschäftigen.“ Natürlich bestehe die Gefahr, dass Studenten deshalb den Lehrveranstaltungen fernblieben. „Doch keine Variante des E-Learnings kann den Dialog zwischen Dozent und Student ersetzen“, so Prof. Dr. Will. Wer im Internet studiert, investiert ähnlich viel Zeit wie in ein Präsenzstudium. Arbeitsaufwändiger wird es, wenn der Kurs in einer Fremdsprache gehalten wird oder die Lehrplattform besonders anspruchsvoll ist. Ganz ungebunden ist der Online-Student aber auch hier nicht: Viele Plattfomen

bieten Kurse nur in bestimmten Zeiträumen an. Medienmanagement-Studentin Selvim Yüzgülen hat online das Modul „Local Manager“ belegt und schätzt den Lernerfolg eher gering ein. Die Ablenkung zuhause vor dem PC sei oft zu groß, zudem traten immer wieder technische Probleme auf. „Ich nehme aus Vorlesungen einfach mehr mit, wenn mir jemand persönlich gegenübersitzt“, so Yüzgülen.

Der Bioinformatiker hat selbst schon verschiedene Formen des Onlinestudiums ausprobiert, in erster Linie aus reiner Neugier: „Verschiedene Themen interessieren mich, werden aber in meinem Studium nicht angeboten.“ Ganz besonders schätzt er am Onlinestudium die Entscheidungsfreiheit: „Nur das, was meine Erwartungen auch erfüllt hat, habe ich durchgezogen.“ Alle Aspekte eines HochschulModuls zur Verfügung zu haben, ist für Medientechnikstudent Mirko Schulze entscheidend. Deshalb hat er an der European Virtual Academy (EVA) den Kurs „Interactive Movies“ belegt. Hier bekommt er Vorlesungs-

skripte, Übungen und hat einen Kontakt zum Professor via E-Mail oder Skype. „Das Angebot macht einen durchweg positiven Eindruck auf mich. Allerdings fehlt mir der Kontakt zu Kommilitonen, mit denen ich Aufgaben besprechen oder mir Feedback holen kann.“

Hochschulnahes Onlinestudium Die Kurse der EVA sind akkreditiert, Schulze kann also sichergehen, dass seine Leistungen in Form von Credits angerechnet werden können. Diese hochschulnahe Form der Onlinebildung gehört schon jetzt zu einem begehrten Forschungsgebiet, das sich mit Sicherheit noch weiterentwickeln wird. Softwarefehler und Programmmängel, wie sie derzeit noch existieren, können dann auch zunehmend behoben werden. Auch Prof. Dr. Will hofft, dass sich entsprechende Plattformen im europäischen Raum noch mehr etablieren: „Lokale Lösungen wie die Lernplattform ‚OPAL‘ können nur ein erster Schritt auf diesem Weg sein.“ Christina Honig Anzeige

Bildung für alle E-Learning kann echte Vorlesungen nicht ersetzen – doch womöglich bringt die Konkurrenz im Web Professoren dazu, Vorlesungen ansprechender zu gestalten. „Ich vergleiche das gern mit der Erfindung des Films. Er hat das Theater nicht verdrängt, sondern nur dazu gezwungen, besser zu werden“, so Sebastian Thrun, Gründer der US-Lernplattform „Udacity“. Aus bis zu 190 Ländern sind die rund 100.000 Online-Studenten, die derzeit seine Vorlesungen vor dem Computer verfolgen. Thruns Ziel: Eine Demokratisierung der Hochschullehre, er bezeichnet es auch als „IKEA der Bildung“: „Kurse, in deren Genuss sonst nur Studenten an renommierten Hochschulen kommen, sollen für alle Menschen verfügbar werden, völlig unabhängig von Herkunft, Vermögen, Alter, Geschlecht.“ So will Thrun Indern die Möglichkeit geben, sich durch Programmierkenntnisse eine Existenz aufzubauen, US-Amerikaner von der Last hoher Studiengebühren befreien und Berufstätigen eine Weiterbildung neben dem Job ermöglichen. Trotzdem betont er: „Weder Frontalvorlesung noch Videos helfen bei komplexen Sachverhalten. Zu Hause gibt‘s die Videos, an der Hochschule wird aber gemeinsam gedacht.“ Und es gibt einen weiteren Haken: Hochschulen erkennen Online-

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