Der Ruhm und sein Preis

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Der Ruhm und sein Preis

Die Malerfürstin Vilma Parlaghy

ISBN 978-3-422-80274-2

e-ISBN (PDF) 978-3-422-80275-9

Library of Congress Control Number: 2025930080

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© 2025 Deutscher Kunstverlag

Ein Verlag der Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston, Genthiner Straße 13, 10785 Berlin.

Einbandabbildung: Vilma Parlaghy vor dem vollendeten Bildnis Kaiser Wilhelm II. in der Uniform des Garde du Corps, 1893; Artothek, Bildagentur der Museen.

Covergestaltung: Katja Peters, Berlin

Satz: SatzBild GbR, Kieve, Sabine Taube

Druck und Bindung: Beltz Grafische Betriebe GmbH, Bad Langensalza

www.deutscherkunstverlag.de www.degruyter.com

Fragen zur allgemeinen Produktsicherheit: productsafety@degruyterbrill.com

Inhalt

Prolog  7

Herkunft und Jugend in Budapest 1863–1880  8

Vorbild Franz von Lenbach – Ausbildung in München 1880–1885  10

Der alte Revolutionär – das Porträt Lajos Kossuth 1885  21

Im Glanz der Donaumonarchie 1886  24

Eintritt in das Gesellschaftsleben der Hauptstadt des Deutschen Kaiserreiches 1887–1889  32

Der verdiente „Kulturkämpfer“ – das Porträt Ludwig Windthorst 1890  38

Der greise Feldmarschall – der Skandal um das Porträt Helmuth von Moltke 1891  46

Der Alte vom Sachsenwald – Das Porträt Otto von Bismarck 1892  56

Aufenthalt in Hamburg – im Schatten von Max Liebermann 1892  62

„Ausgestellt auf Befehl der Majestät des Kaisers“ – Der Skandal um das Porträt

Wilhelm II. 1893  65

Gesellschaftliche und mediale Netzwerke  72

Der Makel der Goldmedaille  79

Die Privatausstellung Unter den Linden 1895 und ihre Folgen  87

Die Ehescheidung 1895  95

Auf Reisen in Paris, Baden-Baden, Stuttgart und Frankfurt 1895–1896  99

Atelier und Salon Unter den Linden 12  102

Erster Aufenthalt in Amerika 1896  105

Aufenthalte in London, Leipzig, Wiesbaden, Berlin, Baden-Baden 1897–1898  109

Gesellschaftliches Engagement und Vorkämpferin gegen die Vivisektion 1897–1903  117

Die Heirat mit dem russischen Fürsten Georgy Lwoff und die Hochzeitsreise nach Amerika 1899  123

Erfolgreiche Porträtmalerin in Deutschland und Europa 1900–1903  128

Die zweite Ehescheidung 1903  141

Aufbruch in die Neue Welt, der Empfang der Malerfürstin in Amerika 1908  144

Am Ziel der Träume – Atelier und Suite in New York im Luxushotel The Plaza 1909  151

Der Plan einer „Hall of Fame“ der 25 bedeutendsten Amerikaner  154

Im Kreis der „High Society“ – Tycoone, Philanthropen, Professoren, Erfinder und Kriegshelden  162

Der tiefe Fall  174

Der Gönner Ludwig Nissen und ein letzter Erfolg: Das „Blue Portrait“ des Erfinders Nikola Tesla  178

Das einsame Ende 1924  185

Literaturverzeichnis  189

Register  192

Bildnachweis und Bildrechte  196

Glamour und Geld, Intrigen und Skandale, Ruhm und Vergessen bestimmten das Leben der Porträtmalerin Vilma Parlaghy, das sich zwischen Budapest, Wien, München, Berlin, Südfrankreich und New York abspielte. Da die Kunstwelt des ausgehenden 19. Jahrhunderts fest in den Händen konservativer Funktionäre lag, mussten Künstlerinnen zu unkonventionellen Mitteln greifen, um auf sich aufmerksam zu machen. Ein überdurchschnittliches Talent war eine Voraussetzung, um in die Phalanx der männlichen Kollegen vorzudringen. Wagemut, weibliche List und Charme schienen probate Mittel, um in den Machtkämpfen des Kunstbetriebs zu bestehen. Vilma Parlaghy setzte darüber hinaus auf eine provokante Selbst inszenierung, die gesellschaftliche Konventionen in Frage stellte. Ihr Anrecht auf Ruhm und Erfolg musste sie sich jedoch erkämpfen, wobei sich der Skandal als wirkungsvolle Methode anbot, um ins Gespräch zu kommen. Den ersehnten Ruf einer Malerfürstin erlangte sie durch die Heirat mit dem russischen Aristokraten Georgy Lwoff.

Philipp Demandt, der als Direktor der Alten Nationalgalerie in Berlin ein Porträt von Kaiser Wilhelm II. „aus dem Dunkel des Depots“ holte, schrieb in einem Essay: „Wie keine Künstlerin zuvor beherrschte sie die Klaviatur der öffentlichen Inszenierung. Eine Malerfürstin, die diesseits wie jenseits des Atlantiks die Kunstwelt ebenso in Atem hielt wie die Klatschpresse, die Kaiser und Könige, Heerführer und Nobelpreisträger porträtierte, die als ,berühmteste Porträtmalerin der Welt‘ zur Millionärin wurde – und heute völlig vergessen ist, auch und nicht zuletzt, weil sie ihr größtes Kunstwerk mit ins Grab genommen hat: sich selbst.“1

1 Philipp Demandt: Die Prinzessin Parlaghy, in: Blau – ein Kunstmagazin Nr. 6, November 2015, S. 52–57.

Herkunft und Jugend in Budapest 1863–1880

Vilma Erzsébet Parlaghy wurde am 15. April 1863 in Hajdúdorog, einem kleinen Ort im Osten der österreichisch-ungarischen k. u. k. Monarchie geboren. 2 Der Vater Julius Parlaghy soll als Kaufmann vorübergehend in Diensten der Budapester Oberstadthauptmannschaft gestanden haben. 3 Die Mutter Wilhelmine trug das österreichische Adelsprädikat Edle von Zollerndorf.4 Die Familie war väterlicherseits jüdischer Herkunft und magyarisierte ihren Namen Brachfeld in Parlaghy. Die Künstlerin nannte sich daher anfänglich auch Vilma Parlaghy-Brachfeld. Die wenigen biografischen Angaben über ihre Kindheit und Jugend, die sie als musisches Wunderkind zwischen Malerei und Musik verklären, beruhen auf Aussagen der Künstlerin und lassen sich im Einzelnen nicht verifizieren. Nachdem sie bereits als Sechsjährige erste Stillleben zu Papier gebracht hatte, erhielt sie mit zehn Jahren Zeichenunterricht von dem aus Rom stammenden Maler Lajos Rostagni. Mit zwölf Jahren wurde sie auf einem Wohltätigkeitskonzert als Pianistin bejubelt, doch im Wettstreit zwischen Malerei und Musik obsiegte die bildende Kunst. Als der Vater die Vierzehnjährige nach dem Besuch der Höheren Töchterschule zur Landes-Kunstschule in Budapest brachte, erhielt er auf seinen Hinweis „ich glaube, sie hat Talent“ die barsche Antwort: „Weiber haben niemals Talent, das bitte vergessen Sie nie.“ Als der Vater seine Tochter daraufhin fragte, ob sie noch immer Lust habe, Malerin zu werden, habe sie lebhaft entgegnet: „Jetzt mehr als je, schon um diesem Professor zu beweisen, daß ‚wir Weiber‘ auch Talent haben können“ 5

2 Wesentliche Daten zu Leben und Werk der Künstlerin finden sich bei Cornelius Steckner: Die New Yorker Malerfürstin Vilma Princess Lwoff-Parlaghy, in: Bilder aus der Neuen und Alten Welt – Die Sammlung des Diamantenhändlers Ludwig Nissen, Neumünster 1993. S. 34–41. Spätere Geburtsdaten sind Teil der Künstlerlegende der Malerin.

3 Allgemeine Zeitung München Morgenblatt, 7. Januar 1892.

4 Steckner (1993), S. 39 gibt an, dass beide Eltern Ärzte waren. Die Angaben bei Richard Wrede/Hans von Reinfels (Hg.): Das geistige Berlin 1897/98, S. 380–387, die insbesondere ihre Kindheit und Jugend betreffen, stammen zweifelsohne von Vilma Parlaghy.

5 Arthur Bremer: „Die Terpentinprinzeß“. Unterhaltungs-Blatt zur Hagener Zeitung, 29. Juli 1896.

in Budapest 1863–1880

Der Unterricht begann mit dem Zeichnen nach Gipsabgüssen.6 Später bezeichnete die Künstlerin diese Tätigkeit „sowohl für starke wie für kleine Talente als höchst schädlich, geisttötend und zeitraubend. Gips ist niemals Natur und selbst der beste Abklatsch ist nur eine Imitation“.7 In der Sammlung Esterházy, die später den Grundstock des Museums der Schönen Künste in Budapest bildete, kopierte sie ein Porträt des Niederländers Bartholomeus van der Helst, das Bewunderung ausgelöst haben soll. Für eine Kopie nach Tizians „Maria Magdalena“ erhielt sie 500 Gulden.8 Kurz vor ihrem Abschied aus Ungarn entstand ein erster Nachweis ihrer zukünftigen Profession als Porträtmalerin.9 Anlässlich der Feier der Silberhochzeit des österreichischen Kaiserpaares 1879 reisten die Parlaghys nach Wien. Bei einem Besuch der Galerie im Belvedere bestürmte das junge Mädchen ihre Eltern, sich ausschließlich der Kunst widmen zu dürfen.10 Die Eltern erfüllten ihr diesen Wunsch und stellten sich von nun an ganz in den Dienst der Tochter, indem sie deren Karriere Schritt für Schritt strategisch planten. Auf einer gemeinsamen Reise durch Europa bewunderte und kopierte Vilma Parlaghy in Kassel, Haarlem, Amsterdam und Den Haag Rembrandt und Frans Hals und in Venedig und Florenz die großen Italiener.11

6 Vgl. Steckner (1993), S. 39.

7 Brief an einen namentlich nicht genannten Redakteur der Zeitschrift „Gegenwart“, Berlin 27. März 1897. Autographenhandlung Kotte 87672 Roßhaupten.

8 Wrede/Reinfels (1897/98), S. 381.

9 Brustbild einer Frau mit Spitzenhaube, Aquarell, 59 × 47 cm. Bez.: Budapest 10.1.1879. Auktionshaus Drouot-Richelieu, Paris 2018.

10 Allgemeine Kunst-Chronik, Wien Bd. 8, 1884, S. 875.

11 In Venedig kopierte sie ein Porträt des Dogen Giovanni Cornaro. Auktionshaus Naghyházy, Budapest. In der Alten Pinakothek in München kopierte sie das Gemälde „Die Einweihung in die Geheimnisse des Bacchus“ aus der Tizian-Werkstatt.

Vorbild Franz von Lenbach – Ausbildung in

München 1880–1885

1880 wurden die Eltern mit ihrer Tochter in München ansässig, wo seit 1880 ein Kaufmann namens Bela Parlaghy-Brachfeld tätig war, bei dem es sich mit größter Wahrscheinlichkeit um einen Bruder der Malerin handelte. Da dieser jedoch zunehmend auf die schiefe Bahn geriet, hielt die angehende Künstlerin Distanz und verzichtete früh auf ihren Namenszusatz Brachfeld.12

Als Vilma Parlaghy sich anschickte, in München die Bühne der Kunst zu betreten, waren „Elevinnen“ noch bis zur Novemberrevolution, also bis zum Ende des Kaiserreichs, vom Besuch staatlicher Kunstakademien ausgeschlossen. Am Beginn jeder akademischen Ausbildung stand das Zeichnen nach dem männlichen Akt, und da Frauen eine Teilnahme an Aktzeichen- und Anatomiekursen nicht gestattet war, weil dies als unschicklich oder gar als sittlichkeitsgefährdend galt, konnten sich die Künstler weiblicher Konkurrenz lange Zeit erwehren. Frauen wurde ohnehin eine mangelhafte Begabung unterstellt. Ein Künstlerinnendasein galt als ein letztlich verfehltes Leben, künstlerische Genialität wurde per se als männlich begriffen.

12 Der nach Presseberichten am 15.9.1868 in Budapest geborene Albert Parlaghy soll Sohn eines ehemals gutsituierten ungarischen Kaufmanns gewesen sein. Einen sicheren Nachweis über die familiären Verhältnisse gibt es nicht. Im Zusammenhang mit Vilma Parlaghy taucht der Name Albert Parlaghy, der sich auch Béla Albert Brachfeld nannte, niemals auf. Ende 1880 war er in München mit seinem Partner Gyula Wellisch als Generalagent für Mattoni’s Königsbitterwasser aus Ofen/Budapest tätig. Seit dieser Zeit überschwemmte Parlaghy die deutsche Presse mit Inseraten, die er nicht bezahlte und in denen er vornehmlich Mittel gegen Epilepsie anpries. Marktschreierisch bot er auch „Spezialmittel“ des Facharztes Isidor Ismer Boas zu weit überteuerten Preisen an, sodass Boas per Inserat vor der Tätigkeit Parlaghys warnte. 1881 heiratete Albert Parlaghy in München Maria Cannstadt, die Tochter eines Tischlermeisters in Wien. 1886 wurde er in Dresden nach zehnmonatiger Untersuchungshaft als „Schwindler und Kurpfuscher“ zu eineinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. 1888 stellte die Münchner Polizei einen Haftbefehl aus. Wegen Führung eines falschen Doktortitels angeklagt und gegen Kaution freigelassen, zog er sich nach Paris und Le Havre zurück. Medizinische Kenntnisse habe er nicht besessen, wohl aber sehr gute Sprachkenntnisse. Dresdner Nachrichten, 1. Dezember 1886. 1898 hielten sich Vilma und Albert Parlaghy etwa zur gleichen Zeit in Baden-Baden auf. Badeblatt Baden-Baden, 10. Juni 1898.

Nach Ansicht des Kunstschriftstellers Karl Scheffler war die Frau eine „geborene Dilettantin“. Eine Karikatur von Bruno Paul brachte diese Einschätzung 1901 in der satirischen Wochenschrift „Simplicissimus“ folgendermaßen auf den Punkt: „Sehen Sie, Fräulein, es gibt zwei Arten von Malerinnen: die einen möchten heiraten und die anderen haben auch kein Talent.“13

Heirat und Mutterschaft standen häufig einer Karriere im Wege und viele Künstlerinnen kamen über einen regionalen Bekanntheitsgrad nicht hinaus. Vilma Parlaghy brach mit dem gängigen bürgerlichen Rollenverständnis und fand hierbei – ungewöhnlich genug – die Unterstützung ihrer Eltern, und man darf vermuten, dass die Mutter anfänglich sogar den aktiveren Part spielte. Malschülerinnen waren auf private Ateliers und auf Lehrer angewiesen, die sich den Unterricht teuer bezahlen ließen, sodass sich nur Töchter aus wohlhabenden Familien eine solche Ausbildung leisten konnten. Kostete der Besuch der Münchner Kunstakademie für einen Studenten jährlich 70 Mark, so wurden in Privatateliers pro Monat 50 bis 100 Mark verlangt. Um diesem Profitstreben entgegenzuwirken, bildete sich 1882 in München ein Künstlerinnen-Verein, der im Oktober 1884 eine Damen-Akademie eröffnete, „um weiblichen Studenten Gelegenheit zur gründ lichen und vielseitigen Ausbildung bei möglichst geringen Kosten zu geben“. Dahinter stand die Absicht, die Gleichberechtigung und Erwerbstätigkeit von Frauen auch auf künstlerischem Gebiet zu befördern.14

Vilma Parlaghy verzichtete jedoch auf eine Mitgliedschaft im KünstlerinnenVerein. Offensichtlich hatte sie mit ihren Eltern eigene Vorstellungen und einen Plan, in den von Männern dominierten Parnass der Kunst aufzusteigen. München galt Ende des 19. Jahrhunderts neben Paris als führende Kunstmetropole Europas. Unter den zahlreichen ausländischen Künstlern, die hier studierten, bildeten die Ungarn die größte Kolonie. Zwischen 1840 und 1890 waren rund 200 ungarische Künstler an der Münchner Kunstakademie immatrikuliert. Drei von ihnen, Guyla Benczúr, Sándor von Liezen-Mayer und Sándor von Wagner, wurden sogar zu Professoren an die Münchner Akademie berufen. Vilma und ihre Eltern fühlten sich daher an der Isar wie zu Hause. Doch Benczúr, der es verstand, kostbare Gefäße, Blumen und Damenkleider mit Brabanter Spitzen und schimmernder Seide auf die Leinwand zu zaubern, verließ München und ging 1883 als Professor an die Landes-Kunstschule in Budapest, wo er zum gesuchtesten Porträtmaler der ungarischen Aristokratie aufstieg. Wie eng der Kontakt zur ungarischen Landsmannschaft war, wissen wir leider nicht. Der in Budapest aufgewachsene Maler János Jankó stellte 1883 auf der Internationalen Kunstausstellung in München ein großformatiges Gemälde aus, das ein Hochzeitsdrama darstellte. Ein festlicher Hochzeitszug passiert einen Weg,

13 Simplicissimus 1901, Jg. 6, Heft 15, Seite 117.

14 Yvette Deseyve: Der Künstlerinnen-Verein München e. V. und seine Damen-Akademie, München 2005, S. 82 und 94.

1 Jagdstillleben, um 1883; Öl auf Leinwand, 80 × 105 cm. Bez.: Parlaghy. Nordfriesland Museum. Nissenhaus Husum

auf dem sich der zurückgewiesene Nebenbuhlers das Leben genommen hat. Vilma Parlaghy war davon so gefesselt, dass sie eine Kopie anfertigte.15

Zur weiteren gründlichen Ausbildung suchte sich Vilma Parlaghy in München private Lehrer, von denen Wilhelm Dürr d. J., der soeben sein Akademiestudium beendet hatte, die wichtigste Rolle spielte.16 Viele Künstlerinnen fanden in der Still lebenmalerei ihr Spezialgebiet, das bei männlichen Kollegen verpönt war. Ausnahmen bildeten repräsentative Jagd- und Küchenstillleben nach Art des flämischen Barockmalers Frans Snyders. Auf diesem Gebiet hatte Wilhelm Dürr erste Erfolge aufzuweisen, und so malte Parlaghy ebenfalls opulente Jagd- und Gemüsestillleben (Abb. 1 u. 2).17 Schon 1881 trat sie mit einigen Porträts und zwei Stillleben an die Öffent lichkeit.18 Ein Jagdstillleben von ihrer Hand wurde 1883 auf der

15 Kunsthandel die Mano in Mano..

16 Als Lehrer für Anatomie und Akt wird Christian bzw. Christoph Roth (gest. 1907) genannt, außerdem der Genremaler Franz Quaglio. Wrede/Reinfels (1897/98), S. 381; Steckner (1993), S. 39.

17 Nordfriesland Museum. Nissenhaus Husum Inv. B 1153 und B 1154; Steckner (1993), Kat. Nr. 74.

18 Boetticher (1891/1901), Bd.II/1, S. 219.

2 Gemüsestillleben, um 1883; Öl auf Leinwand, 63 × 88 cm. Bez.: V. Parlaghy, München. Nordfriesland Museum. Nissenhaus Husum

Internationalen Kunstausstellung im Münchner Glaspalast von der Société scientifique Européenne mit der goldenen Medaille I. Classe ausgezeichnet.19 Dies war der erste Erfolg der jungen Malerin, die auch in Zukunft einige Stillleben ausstellte. 20 Mit einem Blumenstillleben brillierte sie 1893 im Pariser Salon. Mit dem Porträt eines Kindes, dem sie einen Hund an die Seite stellte und das sie „Die kleinen Kameraden“ betitelte, demonstrierte sie erstmals ihre Tierliebe, von der noch ausführlich

19 Allgemeine Kunst-Chronik, Wien Bd. 8, 1884, S. 259. 20 Ein Stilleben aus dem Jahr 1882 zeigt einen mit Rosen geschmückten Nautilus-Pokal. Öl auf Leinwand, 37 × 46 cm, Geble-Auktionshaus Radolfzell 2012. Ein „Küchenstillleben mit Gemüse und Federvieh“, 1885 (82 × 122 cm) wurde 2013 im Auktionshaus Dorotheum in Linz angeboten. 1884 präsentierte sie in Wien zwei große Blumenstillleben, das eine vor dunklem, das andere vor hellem Grund. Allgemeine Kunst-Chronik Wien Bd. 8, 1884, S. 875 f. – Ein weiteres Bild zeigt einen ausladenden Strauß mit roten Mohnblumen und Nelken, weißen Margeriten und weiteren Blüten und Gräsern in einer Vase. Das Bild (Öl auf Leinwand, 39 × 33,5 cm) wurde wohl aus Privatbesitz von der Galerie Arnold erworben und 1942 für die „Führerresidenz“ im Schloss Posen angekauft. Seit 1949 befindet es sich in der Kunstverwaltung des Bundes. – Ein Aquarell „Blühender Mohn“ mit Blüten, die lose in reich abwechselnden Nuancen über einen Marmortisch hingeworfen sind (bez.: zum 7ten Mai 1896) befand sich in der Nachlassauktion Metzler-Lutteroth, Kunsthandlung Prestel, Frankfurt 1905.

zu reden sein wird. Auch dieses Bild wurde als ein glänzender Beleg ihrer „koloristischen und technischen Begabung“ angesehen. 21

Ein sicheres Einkommen versprach auf Dauer nur die Porträtmalerei, weil es sich hierbei in der Regel um bezahlte Auftragsarbeit handelte. Die Konkurrenz auf diesem Gebiet war jedoch immens. Allein in München buhlten zu dieser Zeit mehr als zwei Dutzend Porträtmaler um die Gunst des Publikums, eine Malerin war nicht darunter. Aus diesem Grund entwickelte die Familie Parlaghy eine MarketingStrategie, die darauf abzielte, mit einigen Reverenzporträts namhafter Persönlichkeiten auf die Fähigkeiten der Tochter aufmerksam zu machen. 22 Tatsächlich waren der Tenor Franz Nachbaur und der Schriftsteller Ludwig Ganghofer, der in dieser Zeit erste Erfolge als Theaterdichter und Romanautor feierte, bereit, Vilma Parlaghy Modell zu sitzen. Beide gehörten dem 1880 in München gegründeten Ableger des Männerbundes „Schlaraffia“ an, in dem Ganghofer „malerisch fidele Nächte“ feierte und Freundschaften knüpfte, „die sich mit Kunst verbrämten“. 23 Möglicherweise als Dank schuf die Malerin für die „Schlaraffia“ ein Stillleben mit den Attributen des Vereins, darunter Eule, Laute, Narrenkappe und Schwert. 24

Mit den Kontakten zur „Schlaraffia“ hatte Vilma Parlaghy den ersten Schritt auf dem Weg zur Porträtmalerei vollzogen. In München gaben in den 1880er Jahren auf diesem Gebiet Franz von Lenbach und Friedrich August von Kaulbach den Ton an. Ein Journalist, den sie in ihr Atelier geladen hatte, berichtete sichtlich beeindruckt, dass die Malerin ihre Fühler bereits zu diesen Heroen der Münchner Porträtmalerei ausgestreckt hatte:

Im vorigen Jahre siedelte ein Fräulein Brachfeld-Parlaghy aus Budapest nach München über. Ein Jahr früher hatte sie in ihrer Heimat ohne alle und jede Anweisung begonnen, sich im Ölmalen zu versuchen, und bei ihrer Ankunft hier hatte sich ihr ungewöhnliches Talent bereits so unzweifelhaft gezeigt, daß sich namentlich Lenbach und Fritz August Kaulbach ihrer freundlich annahmen. Bei einem Besuche im Atelier der siebzehnjährigen Dame sahen wir dieser Tage Arbeiten von ihrer Hand, welche die Überzeugung in uns erweckten, daß die Kunstkritik noch vielfach Anlaß haben wird, sich mit ihr zu beschäftigen. 25

21 Allgemeine Kunst-Chronik, Wien Bd. 8, 1884, S. 259.

22 Außerdem unternahm Vilma Parlaghy plastische Versuche, indem sie eine männ liche Porträtbüste modellierte. Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe 16. Jg., 1881, S. 524.

23 Ludwig Ganghofer: Buch der Freiheit – Lebenslauf eines Optimisten, Stuttgart 1925, S. 252.

24 Boetticher II, 1, S. 219 Nr. 6.

25 Kunstchronik, 16. Jg., 19. Mai 1881, S. 524.

Es gibt keinen Beleg, dass Vilma Parlaghy Privatschülerin von Friedrich August von Kaulbach war, der für seine dekorativ schwärmerischen Damenporträts Höchstpreise erzielte. 26 Ein weiterer Lehrer soll der nur wenig ältere Leo Samberger gewesen sein, der sich erst 1888 selbstständig machte und als Porträtmaler unter dem Einfluss von Franz von Lebach stand. 27

Franz von Lenbach war als Sohn eines Maurermeisters zu einem weltgewandten Malerfürsten aufgestiegen. Er war der Star der deutschen Porträtmaler nicht nur in München, sondern in ganz Deutschland und weit darüber hinaus. Für die Münchner Künstler war er ein Abgott, jedes neue Werk wurde als Ereignis gefeiert. Im Zusammenspiel mit ihrer Mutter setzte Vilma Parlaghy alles daran, Schülerin Lenbachs zu werden. Das war keine leichte Aufgabe, denn Lenbach galt als ein von Trotz und Willkür erfüllter „Herrenmensch“, der keine Schüler, wohl aber mehrere Nachahmer hatte. Allerdings war bekannt, dass er schöne Frauen um sich scharte. Von Zeit zu Zeit hatte er eine Schülerin, etwa Ilka Freiin von Felice, deren Vater 1874 als außerordentlicher Gesandter Sachsens nach München berufen worden war. 28 Ilka von Felice stellte später unter dem männlichen Pseudonym Carl Freibach aus, hatte aber auch damit keinen Erfolg. Im Fall von Vilma Parlaghy soll Lenbach wegen ihres noch jugendlichen Alters deutliche Vorbehalte geäußert haben, sie als Schülerin zu akzeptieren. Daraufhin inszenierten Mutter und Tochter ein raffiniert eingefädeltes Täuschungsmanöver, das zu einem kanonischen Bestandteil von Vilmas Legendenbildung wurde und das ihr späterer Sekretär Frederick M. Delius folgendermaßen beschrieb:

In der Hoffnung, dass der große Lenbach sie als Schülerin annehmen würde, ging sie zu ihm, aber der Meister war beim Gespräch gereizt und unfreundlich. Ihm gefiel die Anmaßung nicht, mit der von ihm verlangt wurde, ein einfaches Mädchen als Schülerin zu nehmen. Seine Missbilligung war so offensichtlich, dass sie zu weinen anfing und ihn anflehte, ihr irgendeine Prüfung zu geben, die es ihr ermöglichen würde, ihr Können unter Beweis zu stellen. Schließlich gab Lenbach nach, zeigte auf eines seiner Bilder und forderte sie auf, es mitzunehmen und genau zu kopieren – natürlich eine

26 Die Kunst für Alle, Bd. 7, 1891/92, S. 152.

27 Delia Gaze: Dictionary of Women Artists Vol. 2, London/Chicago 1997, S. 1072.

28 Lenbach unterrichte noch weitere Malerinnen: Juliette Wagner aus Düsseldorf, Gabriele von Plessen aus Kiel und Tini Rupprecht aus München. Er porträtierte Gabriele von Plessen und schenkte ihr das Bild mit der Widmung „Seiner Kollegin Fräulein Gabriele von Plessen gewidmet von F. Lenbach“. Ulrich Schulte-Wülwer: Gabriele von Plessen, In: Ulrich SchulteWülwer: Kieler Künstler Band 2: Kunstleben in der Kaiserzeit 1871–1918, Heide 2016, S. 168–170. Tini Rupprecht wurde 1897 „alle Woche 2–3 Mal“ im Hause Lenbachs in alle Malgeheimnisse einweiht und später „ausdrücklich zu seiner künstlerischen Erbin eingesetzt“.

Milena Greif: Tini Rupprecht – Porträtmalerin nach Fotografien Ende des 19. Jahrhunderts in München. Diss. München 2002, S. 86 f.

unmögliche Aufgabe für eine junge Frau ihres Alters, wie er meinte. Nach zwei Wochen kam sie mit der Kopie zurück […]. Ihre Mutter wartete indes mit dem Original in einem anderen Zimmer. Der Meister betrachtete die Kopie, die bis auf seine Signatur vollständig war, und zuckte mit den Schultern. Sie hatte den Versuch aufgegeben, wie er erwartet hatte, und sein Bild zurückgebracht. Daraufhin warf er ihr vor, seine Zeit zu vergeuden, da sie nicht einmal den Versuch unternommen habe, die Aufgabe zu erfüllen, um die sie gebettelt hatte. Zu seinem großen Erstaunen kam nun ihre Mutter mit dem Originalbild herein. Der Meister sah ein, dass er einen außerordentlichen Fehler gemacht hatte. Die junge Frau war ein Genie, und er nahm sie sofort als seine Schülerin auf. 29

Diese Selbstinszenierung als künstlerisches Wunderkind und die Anerkennung durch einen großen Meister modifizierte Vilma Parlaghy später nach Belieben. Da Lenbach in den Vereinigten Staaten kaum bekannt war, tauschte sie dessen Namen gegen den des Franzosen Léon Bonnat und verlegte ihre Ausbildungsstätte von München nach Paris. Die Kopie eines kleinen Bildes nach Lenbach, die später in New York ausgestellt war und besonderes Interesse fand, scheint jedoch existiert zu haben. 30

29 Frederick M. Delius: The Story of the late princess Lwoff-Parlaghy whose art collection is to be sold at the Anderson Galleries, New York 1924. Übersetzung aus dem Amerikanischen. – Die Abendausgabe der Vossischen Zeitung-Königlich privilegirte Zeitung Nr. 232 vom 19. Mai 1904 übernahm eine Schilderung Vilma Parlaghys in der Pariser Zeitung „Le Gaulois“. Darin heißt es: „Lenbach hörte mich ruhig an, verhielt sich aber nichts weniger als entgegenkommend, und mit einem mitleidigen Lächeln fragte er: ‚Du Kind, willst meine Schülerin werden?‘ Ich erwiderte, daß dies mein höchster Wunsch und er für mich der größte lebende Künstler sei. Darauf Lenbach: ‚Aber Du weißt doch, daß ich niemals Schüler gehabt habe und keine haben will. Wie willst Du es rechtfertigen, daß Du eine solche Bitte an mich richtest?‘ Ich bat ihn, es mit mir zu versuchen. Darauf gab er mir ein Porträt, das er soeben vollendet hatte, und trug mir auf, es zu kopieren. Mit Begeisterung machte ich mich ans Werk und fertigte die Kopie. Ich hatte mein ganzes Können darauf verwandt und mich bis in die kleinsten Details der äußersten Treue in der Wiedergabe des Originals befleißigt. Ich brachte dem Meister die beiden Bilder, der sie lange prüfend betrachtete und dann fragte, wo meine Kopie sei. Ich wies sie ihm. Lenbach schlug sich aufs Knie, dass es schallte, und ich in große Furcht geriet. ‚Du, das hast Du gemacht!‘ Ich stotterte hervor, daß ich getan hatte, was in meinen Kräften stand. Da rief der Meister: ‚Du, ein Kind! Nun dann, von heute ab bist Du meine Schülerin. Nur eine Bedingung stelle ich: Du darfst niemals einen anderen Lehrer haben als mich, ebenso wie ich außer Dir keinen anderen Schüler annehmen werde.‘ Ich versprach es, und von dem Tage an erteilte er mir, wenn auch oft brüsken Tones, so doch voll unendlicher Güte, den Unterricht. Er war ein mürrischer Wohltäter.“

30 Otto Spengler: Das deutsche Element der Stadt New York, New York 1913, S. 22. Der Katalog „Paintings & Objects of Art – The collection of the late Princess Vilma Lwoff-Parlaghy containing many portraits of american & european celebrities by this great portrait painter

Einen systematischen Unterricht wird Vilma Parlaghy von Lenbach kaum erhalten haben, der damals wie die Großen seiner Zeit zwischen München, Berlin, Wien, London, Paris und Venedig hin und her pendelte und sich von einem Diener begleiten ließ. Seit 1882 verbrachte Lenbach die Winter in Rom, wo er im Palazzo Borghese residierte, vor dem in langen Reihen die Equipagen der Herzoginnen und Prinzessinnen standen, die darauf warteten, von ihm porträtiert zu werden. Lenbach kaufte sich in Rom teure Antiquitäten zur Ausstattung seines Ateliers und hängte seine Gemälde dazwischen, um deren Wirkung zu steigern. Seine Staffeleien und angefangenen Bilder standen zwischen Skulpturen, Kardinalsmänteln und barocken Möbeln. Alle diesbezüglichen Berichte scheint Vilma Parlaghy begierig aufgesogen zu haben. Sie strebte nun nicht nur danach, wie Lenbach zu malen, sondern sie setzte sich auch das Ziel, eines Tages wie eine Malerfürstin zu leben. Mit der gleichen Intensität, mit der sie Lenbachs Malstil analysierte und modifizierte, verfolgte sie dessen Aufstieg, der nach der Hochzeit mit einer Gräfin und dem Bau einer palastartigen Villa in München auch an äußerem Glanz gewann.

Lenbach verlieh den Dargestellten in seinen virtuos gemalten Porträts durch eine rembrandteske Patina die Aura historischer Würde. Die Konzentration lag dabei stets auf den Gesichtspartien, alles andere wurde vernachlässigt und verschmolz in dunklen Brauntönen mit dem Hintergrund. In diesem unverwechselbaren Stil porträtierte er Päpste, Kaiser und Könige, elegante Damen sowie bedeutende Herren aus Politik und Wirtschaft. Seinen Ruhm verdankte er in erster Linie den etwa 80 Porträts des Reichskanzlers Otto von Bismarck.

Im Unterschied zu Lenbach legte Vilma Parlaghy größeren Wert auf die farbige Differenzierung der Gesichter sowie auf eine sprechende Haltung der Hände. Außerdem bevorzugte sie eine klarere Körperhaltung und sie benutzte kräftigere und sensiblere Farben. Während Lenbach seine Porträts nicht selten unter Verwendung von Fotos anlegte, gibt es keinen Hinweis, dass Vilma Parlaghy ebenfalls auf Fotografien zurückgriff. Für sie wurden schnell erfasste Skizzen Grundlage ihrer Bildnisse.

Vilma Parlaghy behielt zeitlebens ihren einmal erarbeiteten Porträtstil bei, sie suchte nie den Anschluss an die Moderne, was in erster Linie der bräunliche Galerieton ihrer Porträts belegt, der wie ein energischer Protest gegen die Hellmalerei der Impressionisten wirkte. Ihr fehlte das psychologische Feingefühl einer Olga

[…] with precious jewlery, other paintings objects of art“, The Anderson Galleries, New York 1924 verzeichnet unter der Nr. 283 den „Kopf eines alten Mannes“ nach Lenbach. Die Datierung 1890 kann jedoch kaum richtig sein, denn es ist unwahrscheinlich, dass Vilma Parlaghy zu diesem Zeitpunkt noch nach Lenbach kopiert hat. Im National Magazine Vol. LI, 11. April 1923 wird das von Vilma Parlaghy kopierte Werk Lenbachs als ein Porträt Königin Margueritas von Italien angegeben, wobei es sich bei der Vorlage um ein Werk Lenbachs handeln könnte, das mit „Rom 1886“ angegeben ist (Abb. Adolf Rosenberg: Lenbach, Bielfeld/Leipzig 1899, Abb. 39), was gut in die Lebenschronologie der Parlaghy passt. Steckner (1993), S. 38.

3 Selbstbildnis, um 1884; Öl auf Leinwand. Verbleib unbekannt

Bonańzka, die ihre erste grundlegende künstlerische Ausbildung fast zeitgleich in München im Umfeld ihrer polnischen Landsleute erhalten hatte.

Mit einem Porträt von Carl Albert Regnet, der sich als Biograf Münchner Künstler einen Namen gemacht hatte, war Vilma Parlaghy 1883 auf der Internationalen Kunstausstellung in München vertreten. Das Bild fiel auf, denn die „geistreiche Auffassung“ und der „breite, energische Vortrag“ verrieten „in keiner Weise die zarte Hand einer jungen Dame, die sich erst vor ein paar Jahren der Kunst zugewendet“. 31 Schon jetzt beherrschte Vilma Parlaghy die Kunst des Gebens und Nehmens. Als sich die inzwischen 21-jährige Malerin 1884 auf einer Ausstellung des Münchner Kunstvereins mit einen Selbstbildnis in Szene setzte, pries Regnet „die Vornehmheit der Erscheinung und das wunderbar harmonische Kolorit“, das die „Aufmerksamkeit aller Kenner auf sich zog“ (Abb. 3) 32

31 Kunstchronik, Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe 18. Jg., 1883, S. 578.

32 Die Kunst in Österreich-Ungarn, (Jahrbuch der Allgemeinen Kunstchronik), 1. Jg., Wien 1884), S. 92 f. Kunstchronik Nr. 7 vom 27. November 1884, S. 126. Allgemeine Kunst-Chronik Wien Bd. 8, 1884, S. 875.

4 Selbstbildnis; Öl auf Leinwand, 40 × 37 cm. Bez.: V. Parlaghy. Nordfriesland Museum. Nissenhaus Husum

Vilma Parlahgy zeigte sich sehr selbstbewusst in einem eng anliegenden, stark glänzendem weißen Kleid aus Atlasseide im Empire-Stil. In der Linken hält sie die Palette, in der Rechten ein farbdurchtränktes Tuch. Dieses Porträt fordert den Vergleich mit einem anderen Selbstbildnis geradezu heraus, das die gleichaltrige Sabine Gräf, später verheiratete Lepsius, 1885 in Berlin malte. 33 Sabine Gräf trägt zwar ebenfalls keinen Malkittel, aber dennoch sind die Unterschiede gravierend. Das Kleid von Sabine Gräf, das über der Brust von einer Brosche zusammengehalten wird, ist deutlich anspruchsloser. Auch sie hält Pinsel und Palette in der Hand, doch ihre Geste ist nicht ostentativ, sondern eher nachdenklich. Während Sabine Gräf den Blickkontakt verweigert und „ein melancholisches Versunkensein in die eigenen Innenwelten“ zum Ausdruck bringt, 34 richtet Vilma Parlaghy ihre Augen herausfordernd auf den Betrachter. Weitaus bescheidener gibt sie sich ausnahmsweise

33 Sabine Lepsius, Selbstbildnis 1885 (Öl auf Leinwand, 83,7 × 63,5 cm). Nationalgalerie Berlin.

34 Annette Dorgerloh: Das Künstlerpaar Lepsius – Zur Berliner Porträtmalerei um 1900, Berlin 2003, S. 66.

in einem kleinen privaten Selbstbildnis, das gegen Ende ihrer Münchner Zeit entstanden sein dürfte und Anmut und Lebensfrische ausstrahlt (Abb. 4). 35 Vilma Parlaghy wird in München auf den künstlerischen Werdegang der Bildhauerin Elisabet Ney aufmerksam geworden sein, der dreißig Jahre zuvor das „Unmögliche“ gelungen war, als erste Frau probeweise in die Bildhauerklasse der Kunstakademie aufgenommen zu werden. Um ihre Karriere voranzutreiben, hatte es zu ihrer publikumswirksamen Strategie gehört, hervorragende Persönlichkeiten geradezu zu bedrängen, sich von ihr porträtieren zu lassen. Und so war es für Ney ein Triumph, dass ihr auch Arthur Schopenhauer Modell saß, der Frauen jede Fähigkeit absprach, künstlerische Werke von bleibendem Wert zu schaffen. Dies dürfte Vilma Parlaghy imponiert haben, aber sie wird auch mitbekommen haben, wie sehr man versucht hatte, die Leistung der Bildhauerin herabzusetzen. Als Elisabet Ney ihre Galerie großer Männer, darunter Büsten von Ludwig Grimm und Otto von Bismarck, 1868 im Münchner Kunstverein präsentierte, hatte sie von der Presse zwar großes Lob erhalten, aber es gab auch Stimmen, die ihr unterstellten, die Arbeiten nicht selbst geschaffen zu haben, „da diese nur von der Hand eines Mannes entstammen könnten“. 36 Eine ähnliche Erfahrung sollte später auch Vilma Parlaghy machen.

35 Steckner (1993), Kat. Nr. 55. – Ein weiteres Damenporträt aus dem Jahr 1884 befindet sich in der Slowenischen Nationalgalerie in Ljubljana.

36 Saskia Johann: „Mein Gefühl weissagt Erfolg, mehr wie irgendwo anders.“ Elisabet Ney in München. In: „Herrin der Kunst“ – Elisabet Ney, Bildhauerin in Europa und Amerika, Stadtmuseum Münster 2008, S. 97.

Der alte Revolutionär –

das Porträt Lajos Kossuth 1885

Nachdem Elisabet Ney einen ersten großen Erfolg mit einer Büste des italienischen Freiheitskämpfers Giuseppe Garibaldi erzielt hatte, versuchte Vilma Parlaghy ihr Glück mit dem Porträt eines anderen großen Revolutionärs der europäischen National bewegungen des 19. Jahrhunderts. Ihre Wahl fiel auf den ungarischen National helden Lajos Kossuth, von dem es bislang kein Porträt gab. Elisabet Ney hatte sich einst zur entlegenen Insel Caprera begeben, auf die sich Garibaldi zurückgezogen hatte, nun reiste Vilma Parlaghy im März 1885 nach Turin, wo der 83-jährige Kossuth im Exil lebte. Kossuth, der den Freiheitskampf der Ungarn gegen Österreich eingeleitet hatte, wollte zunächst kein Porträt von sich, doch dank der Hartnäckigkeit der 22-jährigen Künstlerin gab der „Einsiedler von Turin“ schließlich nach, woraufhin insgesamt drei Porträts entstanden, von denen wir nur eines kennen (Abb. 5). 37 Müde und zusammengesunken hat der alte Revolutionär in einem Sessel Platz genommen und hält in seiner Rechten ein Buch. Gleichwohl erahnt der Betrachter in dem vom weißen Haupthaar und Vollbart umrahmten Gesicht mit den durchgeistigten Zügen und den leuchtend blauen Augen noch den Mann, der einst mit der Kraft des Wortes über Volksmassen gebot.

Vilma Parlaghy kehrte mit ihren Eltern nach Budapest zurück, um das Porträt des Emigranten auf der großen Landesausstellung, die 1885 den Charakter einer Weltausstellung hatte, zu präsentieren. Ungarn hatte 1867 im Rahmen eines österreichisch-ungarischen Ausgleichs eine Verfassung erhalten, doch Ungarn blieb amtlich ein Teil der Österreichisch-Ungarischen Monarchie und Kaiser Franz Josef wurde zum König von Ungarn gekrönt. Im Rahmen dieses Ausgleichs wurde Kossuth zwar amnestiert, doch als Gegner dieses Abkommens blieb er persona non grata. Das Porträt des abtrünnigen Revolutionärs war von der zuständigen Kommission zunächst auch angenommen worden, wurde dann aber doch zurückgewiesen, weil Kaiser Franz Josef I. die Ausstellung eröffnete und man den Besuchern keine Gelegenheit geben wollte, dem Kämpfer für die Unabhängigkeit Ungarns zu

37 Der Verbleib der Bilder ist nicht bekannt. Zwei Porträts zeigen Kossuth sitzend, eines stehend.

Der alte Revolutionär – das Porträt Lajos Kossuth 1885 huldigen. 38 Die Ablehnung kam der Künstlerin wohl nicht ganz ungelegen, denn sie organisierte bereits mit Hilfe ihrer Eltern eine Tournee des Kossuth-Porträts durch mehrere Städte Ungarns, auf der neben dem Hauptbild noch zwei Varianten ausgestellt wurden, die allgemeine Bewunderung fanden. 39 Kossuth, der von den Ereignissen nichts mitbekam, ging davon aus, dass sein Porträt auf der Landesausstellung zu sehen sein würde und schrieb der Künstlerin einen Brief, der hier angesichts seiner Bedeutung in voller Länge in deutscher Übersetzung wiedergegeben ist:

Für Vilma Parlaghy

Turin, 15. April 1885.

Liebes Fräulein!

Man hat mir gesagt, dass Sie am 15. April Geburtstag haben. Bitte nehmen Sie meine herzlichsten Glückwünsche an und erlauben Sie mir, Sie zu bitten, das beiliegende unbedeutende Zeichen als Beweis dafür anzunehmen, dass ich nicht nur die Künstlerin in Ihnen bewundere, sondern dass auch die Stunden froher Bekanntschaft, die ich dank Ihrer Heiterkeit und geist reichen Unterhaltung hatte, einen sehr lieben Platz in den Erinnerungen meines Alters einnehmen.

Aber Sie sind nicht nur eine geniale Künstlerin und ein reizendes Mädchen, Sie sind auch eine kluge Verschwörerin, denn Sie haben mich überredet, mich von Ihnen malen zu lassen. Um Ihres eigenen Rufes willen hätten Sie vielleicht besser daran getan, ein interessanteres Sujet für Ihre feinen Pinsel zu wählen, als mein hageres Gesicht und meine rötliche Gestalt, die gewiss den Stempel der Naturnähe tragen; aber die Inspiration der Kunst, die Ihren Schoß durchflutet, stellt Sie unter die Auserwählten der Natur, die ihre Inspiration aus sich selbst schöpfen und nicht aus dem Sujet, das sie Ihrer Pinsel würdig finden; und in dem Bild, mit dem Sie sich entschlossen haben, mein Gesicht und meine Gestalt (ein alter Mann von dreiundachtzig Jahren, ein Staatenloser) auf der Budapester Ausstellung in das Gedächtnis meiner Landsleute zurückzurufen, haben Sie ein Kunstwerk geschaffen, das Sie hier im klassischen Land der Kunst geschaffen haben. Selbst die Kunstkenner, die gewohnt sind, streng über Sie zu urteilen, haben Sie als Schöpferin dieses Meisterwerks, als eine bewundernswerte Künstlerin anerkannt und Sie mit den Worten gewürdigt, dass das Bild, das Ihre Kunst auf die Leinwand gezaubert hat, an die Werke des goldenen Zeitalters der Kunst erinnere, denn es enthalte nicht nur das schönste Gleichnis, sondern auch Leben; Sie sagten,

38 Wrede/Reinfels (1897/98), S. 382.

39 Das für die Ausstellung in Budapest bestimmte Bild war 1887 auf der Berliner Akademie-Ausstellung und 1891 auf der Deutschen Ausstellung in London zu sehen.

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