Filmklassiker Unterrichtsmaterial Animationsfilm

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II. SCREENING

Während Abu das jugendliche Publikum anspricht, gibt Ahmad den romantischen Helden. So bewahrt der ohnehin zu junge Abu seine sexuelle Unschuld und ist frei fürs Abenteuer. John Justin als Ahmad und June Duprez als Prinzessin hingegen verwöhnen das Auge vor allem als schönes Paar, ähnlich wie schon bei Lotte Reiniger die grazilen Figuren der Paare Achmed/Pari Banu und Aladin/Dinarsade. Eine besondere Rolle spielt Rex Ingram als Dschinni. Zwar sehen sich alle handelnden Figuren des Films als Gefangene, ob ihrer sozialen Stellung oder ihrer Leidenschaften. Das Bild eines Schauspielers mit schwarzer Hautfarbe jedoch, der in einer Flasche gefangen sich schließlich befreit und seinem „Herrn“ davonfliegt, ist eine vor dem Hintergrund der afroamerikanischen Geschichte sehr deutliche Metapher. Gegenüber der britischen Kolonialgeschichte zeigt sich Korda, wie die Besetzung von Sabu beweist, ­wesentlich versöhnlicher. Die übrigen Hauptrollen wurden ausschließlich von weißen Darstellern/innen gespielt.

Filmhistorischer Kontext Schon früh begeisterte sich der Film für orientalische Themen und Fantasien. D.W. Griffiths Weltgeschichte INTOLERANCE (INTOLERANZ, USA 1916), ein frühes Meisterwerk des Kinos, entführt ins alte Babylon. THE SON OF THE SHEIK (DER SOHN DES SCHEICH, USA 1926, R: George Fitzmaurice) mit dem damaligen Frauen­ schwarm Rudolph Valentino, THE THIEF OF BAGDAD (DER DIEB VON BAGDAD, USA 1924, R: Raoul Walsh) und CLEOPATRA (USA 1934, R: Cecil B. DeMille) übertrumpften sich gegenseitig mit exotischen Schauwer­ ten. Der wirkliche „ferne Osten“ lag von Hollywood aus betrachtet sehr fern. Alexander Kordas Filme ­ELEFANTEN-BOY (1937) und die Literaturverfilmung VIER FEDERN sind hingegen stark von einer kolonia­ len Sicht geprägt. Erst in DER DIEB VON BAGDAD (1940) wich dieses Konzept dem puren Eskapismus – in arabischen Kulissen, die jedoch eher indisch wirken. Sein junger Darsteller Sabu spielte kurz darauf in ARABIAN NIGHTS (USA 1942, R: John Rawlins), einer weiteren Version der Märchen aus „Tausendundeiner Nacht“. In neuerer Zeit hat die „arabische Fantasie“ an Attraktivität verloren, wohl nicht zuletzt aufgrund politischer Gründe.

Musik In einer Frühphase war DER DIEB VON BAGDAD als operettenhaftes Musical geplant. Einige Songs – ein Seemannslied im Hafen, ein Lied im Garten der Prinzessin – fanden auch Eingang in den fertigen Film, wurden jedoch von Chören eingesungen. Einzig Sabu singt auf der Bootsfahrt selbst eine einnehmende Ballade. Die Musik, die klassische und orientalische Motive vermischt, stammt von dem weltberühmten Filmkomponisten Mikós Rózsa. Der gebürtige Ungar schrieb u.a. die Musik von BEN-HUR (BEN HUR, USA 1959, R: William Wyler).

Nachwirkung DER DIEB VON BAGDAD spielte seine Kosten um ein Vielfaches ein und wurde mehrfach wiederauf­ geführt, zuletzt 2007 in New York. Regisseure wie Steven Spielberg, Francis Ford Coppola und Martin ­Scorsese nannten ihn immer wieder als einen ihrer Lieblingsfilme. Sein Einfluss auf das heutige Abenteuer­ kino, etwa die Indiana-Jones-Filme von Spielberg, ist unübersehbar.

ANIMATIONSFILM – TRICKFILM UND FILMTRICK

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