Filmklassiker Unterrichtsmaterial Animationsfilm

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KLASSIKER SEHEN FILME VERSTEHEN

I. VOR DEM SCREENING

Geschichte des Animationsfilms Die Geschichte der Animation ist eng verbunden mit der Erfindung der Filmkamera. Ab etwa 1830 suchten Ingenieure und Erfinder in aller Welt nach einer Methode, aus Einzelbildern nach dem „Frame-by-Frame“-­ Prinzip eine fließende Bewegung zu schaffen. Ihre Illusionsapparate hießen Thaumatrop, ­Phantasmaskop, Zoetrop oder Phenakistoskop und waren schnell auf Jahrmärkten zu finden. Es handelte sich zunächst um Guckkastentrommeln oder rotierende Scheiben, auf unterschiedlichste Weise bestückt mit bemalten Bildstreifen und Sehschlitzen. Als Bildmaterial dienten noch vor den 1839 erfundenen Daguerreotypien von Hand gezeichnete Illustrati­ onen, so das sich sagen lässt: Die Animation ging dem Realfilm historisch voraus. Erst 1872 setzte der Brite Eadweard Muybridge als erster auf das Prinzip der seriellen Fotografie, indem er schnell geschosse­ ne Fotoaufnahmen eines galoppierenden Pferdes zu einer faszinierenden Bewegungsstudie verband. Als die Brüder Auguste und Louis Lumière 1895 ihren ersten Film vorführten, hatten sie viele Vorläufer.

Die Fantasie der Zauberer Die bewegte Abbildung der Realität war die Sensation der Jahrhundertwende. Doch diese erste Vorführung der Lumières, die vor allem semidokumentarische Spielszenen zeigten, inspirierte Georges Méliès zu einem frühen Meilenstein der Trickanimation: In LA VOYAGE DANS LA LUNE (DIE REISE ZUM MOND, F 1902) fliegt eine mit Menschen besetzte Rakete ins Auge des Mondes, der selbst ein menschliches Gesicht aufweist. Für Méliès, den Theaterbesitzer und Zauberer, galt das unbedingte Primat der Fantasie. Der französische Zeichentrickfilmpionier Émile Cohl (FANTASMAGORIE (F 1908)) sah das ähnlich: „Wo es um Cartoons geht, geht Realität an der Sache vorbei.“ Es ist ein interessanter Nebenaspekt der frühen Animationsgeschichte, dass sie zeitlich mit dem Surrealismus und dem Aufkommen abstrakter Kunst zu­ sammenfällt. Den zukünftigen Lauf der Dinge allerdings sieht man in GERTIE THE DINSOSAUR (USA 1914). Selbst noch als Ansager auftretend, präsentierte der amerikanische Karikaturist und Regisseur Winsor McCay dem staunenden Publikum auf der Leinwand eine lustige Tierfigur.

Walt Disney – Hier kommt die Maus! Die Welt der Animation wäre heute undenkbar ohne Walt Disney. Die Uraufführung seines knapp acht­ minütigen Kurzfilms STEAMBOAT WILLIE am 18. November 1928 in New York markiert die Geburt des kommerziellen Animationsfilms. Der junge Disney präsentierte die erste befriedigende Synchronisation von Bild und Ton im Trickfilm und einen neuen Star in Tiergestalt: Micky Maus. Gemeinsam mit seinem Zeichner Ub Iwerks entworfen, steuert der freche Mäuserich ein pfeifendes Dampfschiff durch alle mög­ lichen Situationen. Zentrales Gestaltungselement ist die Musik: Jedes Objekt an Bord führt ein musika­ lisches Eigenleben, ein jedes taugt als Instrument. Eine Ziege frisst eine Gitarre samt Notenblättern und wird durch Drehen am Schwanz zum Leierkasten, Micky spielt Xylophon auf den Zähnen einer Kuh. Publikum und Kritik waren begeistert. Micky wurde zur weltweiten Marke. Tiere mit vermenschlichten Charaktereigenschaften sowie beseelte Objekte aus Haus­ halt und Natur zählten in den kommenden Jahrzehnten zum typischen Inventar eines Disney-Films.

ANIMATIONSFILM – TRICKFILM UND FILMTRICK

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