Rettl & friends

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Porträt

Der Herr der schrägen Hüte Als Hutmacher ist „Charly“ Karl Brandstätter ein weithin bekanntes Unikum – für Thomas Rettl hat er aber noch etwas ganz Besonderes kreiert: den „Alpin–Sporran“ Wort: Evelyn Rupperti, Bild: Georg Pflügl

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alls Sie nicht wissen sollten, was ein Sporran ist: Dabei handelt es sich um jenen Lederbeutel, den sich ein Kiltträger von Welt vor die Leisten schnallt und der außer seiner praktischen Funktion als Tasche auch noch als Dekoration und im Ernstfall sogar zum Schutz der Weichteile dient. Als sich Thomas Rettl zur Abrundung seiner Kärnten-Kilts auf die Suche nach schmucken Exemplaren in Schottland begab, war die Enttäuschung groß – als zu einfallslos und uniform in Idee und Fertigung entpuppten sich die schottischen Vertreter. Erst eine Begegnung mit einem Kärntner Handwerkskünstler brachte die ultimative Lösung des Problems. Das Team Rettl / Brandstätter war geboren und seitdem können die Schotten nur neidvoll nach Kärnten blicken: Bei diesen Sporrans gleicht keiner dem anderen – verarbeitet wird altes Leder, neues Leder, Felle, metallene Embleme und andere Fundstücke vom Flohmarkt, Federn, Zähne und Knochen usw. – Charly macht vor nichts Halt, was seinen Kreationen das gewisse Etwas verleihen könnte!

Nichts ist vor Charlys kreativer Interpretation sicher

Das hält er natürlich nicht nur mit den Sporrans so: sein Hauptwirkungsgebiet besteht momentan in der Fertigung von Kopfbedeckungen aller Art – vom Lederkäppi zum Wikingerhelm, vom Zylinder bis zum Westernhut – keine Stilrichtung ist bei ihm vor fantasievoller Interpretation sicher. Dabei hat Charly ein ganz biederes Handwerk gelernt – nämlich Sägewerksingenieur – dem er allerdings nur einige Jahre treu geblieben ist. Irgendwann hat er dann aus einem Griechenlandurlaub ein feines Stück Ziegenleder mitgenommen, um sich eine Hose daraus zu schneidern. Die handwerkliche Begabung dazu war KleinKarlchen schon in die Wiege gelegt: Stricken und häkeln konnte er bereits als 5-Jähriger! Das Leder war schon sehr gut abgelegen, als er endlich Zeit und Muße fand, es nach einem

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selbst entworfenem Schnittmuster in edle Beinkleider zu verwandeln – es bedurfte schon eines Bänderrisses und der damit verbundenen Auszeit, bis sich Charly auf seine eigentliche Passion besann und seitdem die Bretter Bretter sein ließ.

Pferdeschwanz und Nagerkralle

An Einfallsreichtum ist der geborene Oberdrauburger nicht zu bremsen – als Material für seine Werke muss schlicht alles herhalten, was nicht niet– und nagelfest ist. Ein Blick in die Schachteln, Kisten und Regale seiner Werkstatt in Köstenberg verrät, dass ein Gutteil des Zeitaufwandes für die brandstätterschen Produkte im Auftreiben der Zutaten liegen muss! Die bunte Vielfalt an Leder mag ja noch einleuchten – da warten neben Kuh, Ziege und Strauß auch noch Schlange und sogar Fischhäute auf ihre künstlerische Verwandlung. Noch skurriler muten die massiven Widderhörner, Schildkrötenpanzer, Ketten und Beschläge aller Größen und Stärken, Lampenschirme, Pferdeschwänze, Vogelkrallen und sogar silbergefasste Nagerfüße an. Alles früher oder später wiederzufinden in Charlys Hutkreationen! Doch was heißt das Hutkreationen? Auf Kopfbedeckungen und Sporrans lässt sich Charly nicht festnageln – seine weit gereisten treuen Kunden, die ihn auf Kunsthandwerksmärkten, bei ihm zu Hause oder eben beim Rettl finden, schätzen auch seine Taschen, Gürtel, sogar pferdeschwanzgeschmückte Bikinis gibt’s käuflich zu erwerben. „Früher hab ich auch Schmuck gemacht, aber das ist nicht so wirtschaftlich, weil die Produktion sehr langwierig ist – das zahlt dir dann keiner mehr!“ Aber mehr Klamotten zu machen, würde ihn schon reizen, meint der bekennende Lebenskünstler, dem ein eigener Shop viel zu stressig wäre. Also Pferdchen, haltet auf eure Schwänze fest – Charlys Bedarf am euren Prunkstücken wird wohl noch weiter steigen!


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