4 minute read

Dorfstraße früher

Dorfstraße früher

Der Kern unseres Dorfes, die Dorfstraße, entwickelt zunehmend Flair. Das merkt jeder, der dort mit off enen Augen unterwegs ist. Die unter Denkmalschutz stehenden Häuser sind sachkundig renoviert und liebevoll dekoriert. Bewohner sitzen auf Bänken vor den Häusern, Kinder spielen auf dem Platz vor der Kirche und nach langer 'Durststrecke' kann man endlich auch wieder auf der Terrasse des Restaurants Essgold kulinarisch zum Zuge kommen. Auch junge Firmengründer*innen fühlen sich hier wohl.

Advertisement

Doch wie sah es früher auf der Dorfstraße aus? Als wir 1982 nach Homberg zogen, gab es in den Geschäftsräumen von Leanibi einen Bäcker, später den Vorgänger unseres heutigen 'Postbüdchens'. In den Räumen von 'frisch ans werk' konnte man bei Deselaers (Senior) Brillen erstehen. Nebenan bei Metzger Kempgen gab es Fleisch und Wurst und der Kachelofen, Vorvorgänger des Restaurants Essgold, war eine herkömmliche Kneipe. Nur den Friseursalon Kohlhaas gab es damals schon, wenn auch an anderer Stelle.

In meiner Erinnerung war die Atmosphäre weniger anheimelnd, irgendwie kahler. Ich möchte noch weiter zurückgehen und blättere in dem Buch 'Homberg-zur Geschichte eines Dorfes' von Margarete Bruckhaus und Erika Münster. Neben vielen Abbildungen, auf denen die alten Häuser bei Weitem nicht so propper aussehen wie heute, fi nde ich interessante Informationen. So war Otto Kohlhaas schon 1930 der erste Damenfriseur in Homberg. Insgesamt gab es zu Beginn des 20. Jahrhunderts mehr als 40 Handwerker bzw. handwerkliche Betriebe in Homberg, davon viele auf der Dorfstraße. Man bekam das Meiste, was man zum täglichen Leben benötigte, direkt vor Ort, doch wie anders waren die Bedürfnisse als heute. Es gab vier Schuhmacher, einer davon mit einer Sattlerei, ein anderer mit einem kleinen Geschäft. Wo kann man heute noch Schuhe reparieren lassen? Am unteren Ende der Dorfstraße gab es eine Schmiede. Zwei Schreiner fertigten bei Bedarf auch

Dorfstr. Schindelhaus Geschäft -um 1930- (K 34)

Anzeige

Dorfstraße früher

Dorfstraße Apotheke & Post (RP 1965-04-10)

Dorfstr. Sanitätsratshaus Rose & Schild Bürgermeisterei Eckamp -um 1900- (K 34)

Dorfstr. Friseur - undatiert (K 34)

Alle Bilder wurden von der Stadt Ratingen, Amt für Kultur und Tourismus Stadtarchiv zur Verfügung gestellt.

Fortsetzung nächste Seite

Anzeigen

Dorfstraße früher

Dorfstr. Geschäft Wilhelm Rasp -1976- (K 34) Dorfstr. Geschäft Wilhelm Rasp & Zum Dorfkrug -1976- (K 34)

Dorfstr. Geschäft (Milch) & Zum Dorfkrug & Tchibo -1976- (K 34)

Särge an. Auch der Umgang mit Kleidungsstücken unterschied sich damals vollständig von heute. Neben zahlreichen Hausschneiderinnen gab es zwei Schneiderbetriebe. Der Herrenschneider Dorneburg nähte nicht nur neue Kleidung, er wendete auch alte Anzüge und Mäntel und besserte sie aus.

Leanibi setzt also mit dem Ziel mehr Nachhaltigkeit durchaus alte Traditionen fort. Obwohl die meisten Homberger Selbstversorgergärten hatten, gab es vier Gemischtwarengeschäfte im Dorf. Bei Luise Hochstein (Dorfstraße 37) konnte man auch Dinge wie Petroleum, Schnürsenkel und Bohnerwachs kaufen. Wer braucht heute noch so etwas? Später wohnte hier übrigens ein berühmter Einwohner Hombergs, Christian Kohlund. Bei Peter Vogt konnte man auch Wolle kaufen, heute wieder voll im Trend, und bei Kemperdick, später Friseur Kohlhaas, gab

Anzeigen

Dorfstraße früher

es besondere Leckereien. Textilwaren und Schuhe bot auch das Geschäft Paul Groß am Markt an. In der Metzgerei Gustav Theus deckte man sich mit Fleisch und Wurstwaren ein. Im Herbst war Herr Theus mit Hausschlachtungen beschäftigt. Außerdem gab es ein kleines Milchgeschäft in den Räumen von frisch ans Werk. Bis 1945 lieferten die Tochter und Enkelkinder der Besitzerin Witwe Hinsen die Milch auch nach Hause.

'Grüne' Produktion von Lebensmitteln ist auch heute wieder in aller Munde. Feiern und Ausgehen war anscheinend früher noch angesagter als heute. Insgesamt gab es sieben Gaststätten im Dorf, zum Teil mit großen Festsälen, vier davon in der Dorfstraße. Heute spielen Homberger Kinder in zwei Kindergärten in der Nähe der Dorfstraße. Damals gab es dort zwei Schulen, die evangelische Schule, wo heute die Bücherei ist und die katholische Schule im oberen Bereich. Es wird also einiges los gewesen sein in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf der Dorfstraße, als man im Dorf lebte und arbeitete und Gebrauchsgüter noch selber produziert wurden. Ich frage mich, wie es wohl 2050 aussehen wird. Eigentlich bin ich optimistisch. Die Entwicklung geht in die richtige Richtung, viele junge Menschen sind in die Dorfstraße gezogen und das Dorfgefühl wächst.

Übrigens: Wenn Sie mehr darüber erfahren möchten, wie es in Homberg früher aussah, das Buch 'Homberg – zur Geschichte eines Dorfes'– gibt es auch auf der Dorfstraße in der Bücherei. Margarete Bruckhaus und Erika Münster behandeln darin viele interessante Themenbereiche. Petra Baierl

Dorfstr. Geschäft evtl. Schindelhaus -1982- (K 34)

Dorfstr. ZumDorfkrug & Tchibo -1976- (K 34)

Anzeigen

This article is from: