Mecklenburg Schwerin delüx Frühling 1/2013

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THEATER

Operette? Operette!!! Die Operette ist die bekannteste aller Kunstgattungen. Die Operette ist die unbekannteste aller Kunstgattungen. Die Operette kennt jeder, denn jeder kennt Operetten. Die Operette kennt keiner, denn niemand kann sagen, was Operette ist. Die Operette ist ihre eigene Dauerkrise. Operetten wird es immer geben.

Die Csárdásfürstin, Schweriner Fassung, in der Inszenierung von Hendrik Müller mit Modell des szenischen Raums für „Die Fledermaus“ auf dem Alten Márta Kosztolani und Kerem Kurk. Fotos: Silke Winkler Garten in Schwerin für die Schlossfestspiele 2013.

Operetten wird es wohl nicht nur immer geben – sie scheinen zurzeit in den Theatern des Landes eine Art Renaissance zu erleben. Emmerich Kálmáns „Csárdásfürstin“ steht auf den Spielplänen in Kassel, Leipzig, Köln, Regensburg, Dortmund, Duisburg und wird im Sommer zu erleben sein in Berlin bei den Seefestspielen Wannsee. Somit ist das Schweriner Theater in guter Gesellschaft, hier hatte die „Csárdásfürstin“ am 18. Januar eine bejubelte, erfolgreiche und auch von der Kritik gelobte Premiere. Andreas H. Hölscher schrieb im „Opernnetz“ „Das Mecklenburgische Staatstheater Schwerin präsentiert eine von den gängigen Klischees radikal entstaubte, befreite Operetteninszenierung in einer völlig überarbeiteten Textfassung von Kriss Rudolph. Regisseur Hendrik Müller zeigt die ‚Csárdásfürstin’ ohne rührseliges Pathos als großes Theater par excellence...Schwerin kann man zu dem Mut zu dieser Inszenierung nur gratulieren.“ Rettet die Operette die Theater? „Es ist schon auffallend, dass die ‚Csárdásfürstin’ derzeit Konjunktur hat, und das gilt auch für andere Stücke. Die Häufung der Produktionen an den verschiedenen Theatern zeigt, dass die Operette keine tote Kunst ist. Sie hat einen lebendigen Anteil an den Spielplänen. Man kann die Welt 8

nicht nur in Tragödien darstellen, sondern ebenso in Komödien. Die Operette ist mehr als Entertainment“, sagt Hendrik Müller. Der junge Regisseur (Jahrgang 1977) ist „musikalisch breit aufgestellt“, sieht aber in der Operette einen speziellen, aparten Reiz, und er meint, sie sei eine unterschätzte Kunstform: „Bei Offenbach war Operette subversiv, war sie Satire. Man muss sie nicht aktualisieren, man muss die Parabel herausfinden – denn Geschichte und Probleme wiederholen sich.“ Woher dann das weitverbreitete Vorurteil gegenüber der Operette, die immer aufs Neue thematisierte Meinung: Oper ist Kunst, Operette ist Kitsch? „Die Tradition hat den schlechten Ruf, nicht die Stücke. Mich interessieren die Inhalte, die in den Stücken dargestellten Charaktere und nicht das aufgeklebte Image des Genres“, sagt Hendrik Müller. Wenn dazu dann die Texte in eine zeitgemäße Sprache übertragen werden, um so besser. Denn ehrlich: Richard Wagners Libretto zu „Lohengrin“ mit Zeilen wie: „Seht! Elsa naht, die Tugendreiche. Wie ist ihr Antlitz trüb und bleiche.“ ist doch eher Gebrauchslyrik a la „reim dich, oder ich fress dich“ als Hochkultur. Unbestritten ist die musikalische Qualität vieler Operetten. Der große Tenor Richard Tauber

(1891-1948) war gleichermaßen berühmt durch seine Interpretationen von Lehar- wie PucciniArien. Und auch heute ist bei Gala-Konzerten immer wieder zu erleben, dass Opernstars wie Anna Netrebko, Rolando Villazon oder Placido Domingo die schweigenden Lippen und flüsternden Geigen aus der „Lustigen Witwe“ von Lehar zum Besten geben. Bestimmt nicht, weil die Kompositionen so einfach sind, eher im Gegenteil. Die Arie der Saffi aus dem „Zigeunerbaron“ lässt so manche Sopranistin zittern. Die Musik stimmt, Charaktere sind da – die Operette wird es ewig geben. Und sehr zur Freude des Publikums – wie man hört und die Vorverkaufszahlen belegen – wird in diesem Sommer bei den Schlossfestspielen auf dem Alten Garten ein Operetten-Klassiker aufgeführt:„Die Fledermaus“ von Johann Strauß. Premiere ist am 14. Juni, gespielt wird bis zum 21. Juli jeweils donnerstags bis sonntags. Das Bühnenbild-Modell lässt Spektakuläres ahnen, mit Fontänen, Wassersäulen, Pyrotechnik wird gespielt vor der einmaligen Kulisse des Schlosses. Zum Auftakt seines rauschenden Festes singt der Prinz Orlofsky: „Ich lade gern mir Gäste ein...“ Man sollte diese Einladung annehmen. Karin Gustmann MECKLENBURG-SCHWERIN delüx 1/2013


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