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Wir leben
Liebe Leserin, lieber Leser
Es gibt Momente, in denen wir allein sind – gewollt oder ungewollt. Manchmal genießen wir die Stille nach einem langen Arbeitstag, ein anderes Mal fühlt sich das Alleinsein bedrückend an. Doch wann wird aus einem gesunden Rückzug eine belastende Einsamkeit? Und wie können wir damit umgehen, sowohl für uns selbst als auch für die Menschen, die wir begleiten?
Die Bibel macht deutlich: Alleinsein ist nicht automatisch etwas Negatives. Jesus selbst suchte die Einsamkeit, um Kraft zu schöpfen und mit seinem Vater zu sprechen (Markus 1,35). Doch er wusste auch um die Schmerzen echter Einsamkeit – nicht nur in der Wüste, sondern auch am Kreuz, als er ausrief: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Matthäus 27,46). Viele Menschen erleben heute eine tiefe innere Einsamkeit – trotz digitaler Vernetzung, trotz hektischem Alltag, trotz voller Wartezimmer. Gerade in den helfenden Berufen, wo es oft um das Wohl anderer geht, bleibt die eigene Seele manchmal auf der Strecke (Seite 30). Die sozialen Medien und digitalen Plattformen führen zu einer Illusion der digitalen Nähe (Seite 6). Doch auch plötzliche Ereignisse, wie der Verlust eines Geliebten (Seite 24) oder der Verlust der körperlichen Funktionen mit entsprechenden Einschränkungen im Leben, z. B. aufgrund einer chronischen Erkrankung (Seite 26), können dazu führen, dass Einsamkeit verspürt wird. Einsamkeit kann sich somit in verschiedenen Phasen des Lebens zeigen (Seite 20). Dabei ist Einsamkeit an sich keine psychische Störung, kann aber psychische Störungen begünstigten oder auch Folge dieser sein (Seite 34).
Es gibt allerdings Hoffnung: Gott ist ein Gott der Nähe. In Psalm 68,7 heißt es: „Den Einsamen gibt er ein Zuhause“. Das bedeutet nicht nur familiäre Bande, sondern echte, tragfähige Gemeinschaft. Als Christen sind wir berufen, Orte der Wärme zu schaffen – sei es in der Klinik, im Gottesdienst, in der Seelsorge oder im persönlichen
Umfeld (Seite 10). Neben einem guten sozialen Umfeld, ist eine erfüllende Gottesbeziehung eine wichtige Komponente für einen ausgeglichenen psychischen Zustand (Seite 30). Braucht es professionelle Hilfe, kann zum Beispiel Schematherapie dabei helfen, schrittweise aus der Einsamkeit herauszutreten (Seite 34). Zur Unterstützung in der Therapieplanung stehen hierbei mehrere Messinstrumente zur Verfügung, wie u. a. die UCLA Loneliness Skala (Seite 40)
Vielleicht ist dieses Magazin eine Einladung an Sie, heute einmal bewusst hinzusehen:
• Gibt es jemanden in meinem Umfeld, der einsam sein könnte?
• Brauche ich selbst wieder echte Gemeinschaft oder einen bewussten Rückzug, um aufzutanken?
• Wie kann mein Glaube mir helfen, mich auch in stillen Zeiten getragen zu wissen?
Informationen zu aktuellen Entwicklungen in unseren de’ignisOrganisationen erhalten Sie auch in dieser Ausgabe, neben den Fachartikeln. Wir freuen uns, wenn Sie unser Engagement zur psychischen Gesundheit auf christlicher Basis für Menschen in schwierigen Lebenslagen mit Spenden unterstützen. Im Bereich der Schulung von Fachkräften im Gesundheitswesen, karitativen Einrichtungen oder in der Seelsorge zum kompetenten Umgang mit psychischen Erkrankungen durch das de’ignis-Institut ist Ihre finanzielle Unterstützung ein hilfreicher Beitrag. Zudem suchen wir für den wachsenden Behandlungsbedarf psychisch erkrankter Menschen engagierte Mitarbeiter für unsere Teams. Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren.
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Im Namen der Herausgeber Phil Hartmann Geschäftsführer, de’ignis-Institut
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Redaktion: Dr. rer. nat. Marie Luise Armbruster, Winfried Hahn, Claus J. Hartmann, Sebastian Hartmann, Phil Hartmann, Marika Rimkus, Dipl.-Psych. Rainer Oberbillig, Dr. med. Herbert Scheiblich
Ausgabe: 01 / 2025
Implementierung und Produktion: AD Dipl.-Ing. Rainer Haas, haas@ad-stuttgart.de
Druck: F&W Druck- und Mediencenter GmbH Papier: Arctic Volume Highwhite (Umschlag), Amber Graphic matt (Inhalt) Auflage: 12.000
Die Herausgeber bemühen sich um eine gendergerechte Sprache. Haben sich die Autor:innen in Einzelfällen für die ausschließliche Benutzung der männlichen Form entschieden, sind die anderen Formen selbstverständlich ebenso damit gemeint.
Herausgeber: de’ignis-Fachklinik gGmbH auf christlicher Basis für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik
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Einsam oder Allein
Impulse und Erfahrungen
06
• Einsam unter Freunden:
Die Illusion der digitalen Nähe
Daniel Hahn
10
• Lösungen gegen Einsamkeit
Astrid Eichler
14
• Aus Situationen der Einsamkeit
Kraft schöpfen: ihre positive Seite
Rainer Oberbillig
24
• Unerwartete Einsamkeit
Marika Rimkus
26
• Vom Jogging-Schuh zum E-Rolli
Bettina Dörscheln
30
• Anthropologische und spirituelle Aspekte zur Einsamkeit
Winfried Hahn
Therapeutische Fachartikel
20
• Einsamkeit und Alleinsein
Dr. med. Herbert Scheiblich
34
• Das Land der Einsamkeit verlassen
Dr. rer. nat. Marie Luise Armbruster
40
• Einsamkeit – ein psychologisches Phänomen unserer Gegenwart
Marika Rimkus
44
• Entwicklungspsychologische Aspekte psychischer und psychosomatischer Störungen
Dr. phil. Veit-Uwe Hoy
Aktuell
48
• Was hat sich entwickelt? Welche Angebote gibt es? Berichte, Termine und Aktuelles von de’ignis
Fachklinik, Institut, Wohnheim und Stifung
Einsam unter Freunden: Die Illusion der digitalen Nähe
Von Daniel Hahn
de’ignis-magazin – Impulse und Erfahrungen
• Wie viele Freunde haben Sie? Einen, zehn, hundert oder vielleicht tausende? Die Antwort darauf hängt vermutlich stark von Ihrem digitalen Engagement in den sozialen Medien ab. Während wir in der Realität vermutlich eine Handvoll guter Freunde haben, liegt die Anzahl in der digitalen Welt vermutlich im drei- bis vierstelligen Bereich. Die Anzahl der Follower und die Anzahl von „Likes“, die man für seine Beiträge erhält, sind die Währung, die in der digitalen Welt zählt. Aber was macht dieser Fokus mit uns Menschen, mit unserer körperlichen und psychischen Gesundheit? Darauf möchte ich in diesem Artikel eingehen, denn: In einer Welt, in der die Unterschiede zwischen online und offline fließend sind und der daraus resultierenden Schwierigkeit, beide Welten zu unterscheiden, besteht die Gefahr, sich selbst zu verlieren und einsam zurückzubleiben.
Soziale Medien und digitale Plattformen prägen mittlerweile unseren Alltag und unsere Wahrnehmung. Es scheint, als ob Freundschaft und soziale Interaktion nur einen Klick entfernt seien und ohne größere Anstrengung jederzeit in hohem Umfang zur Verfügung stünden. Mit ihren Followern und Freunden auf Plattformen wie Instagram, Facebook, TikTok und Twitter fühlen sich viele Menschen verbunden, beliebt und anerkannt. Es ist eine Tatsache, dass Algorithmen ganz bewusst und gewollt eine erweiterte Realität erschaffen, die den eigenen Vorlieben und dem eigenen Verhalten entspricht. Das macht ein Unterscheiden der tatsächlichen Realität, auch des ernstgemeinten Interesses an der eigenen Person, und der virtuellen Realität sehr schwer. Die Algorithmen schaffen durch die gezielte Analyse des Nutzerverhaltens (Vorlieben, Interessen, politische Gesinnung, etc.) die Suggestion, dass die eigenen Themen, Interessen und Vorlieben der Realität entsprächen. Ehe man sich versieht, bewegt man sich in einer Bubble, die allerdings nur einen kleinen Ausschnitt der Wirklichkeit darstellt.
Hinter dieser bewusst erzeugten Fassade entwickelt sich oft eine Realität, die jedem
Menschen früher oder später schmerzhaft bewusst wird: Einsamkeit. Der vermeintliche Eindruck, von vielen Menschen umgeben und geschätzt zu sein sowie viele Follower (Nachfolger) zu haben, ist trügerisch. Nicht selten führt es zu einem Gefühl der Isolation, das sich in Einsamkeit niederschlägt und oftmals in einer psychischen Erkrankung, wie etwa einer Depression, gipfelt.
Die Illusion der digitalen Freundschaft Soziale Medien bieten eine Plattform, die es uns ermöglicht, mit anderen in Kontakt zu treten, Informationen auszutauschen und Erlebnisse zu teilen. Doch die Art und Weise, wie wir diese Plattformen nutzen, beeinflusst unsere Wahrnehmung von Freundschaft und Beziehung. Zahlreiche Studien zeigen, dass der übermäßige Konsum von sozialen Medien das Gefühl der Isolation und der Vereinsamung verstärkt. Es ist zweifelsfrei bewiesen, dass Menschen, die weniger Zeit in sozialen Netzwerken verbringen und mehr in der realen und direkten Interaktion mit Menschen stehen, glücklicher sind und sich weniger einsam fühlen.
Die digitale Interaktion kann nicht die tiefere emotionale Verbindung ersetzen, die durch persönliche Beziehungen entsteht. Freundschaft und Beziehung sind im Hier und Jetzt verankert. Sie erfordern Präsenz, Empathie und das Teilen von Erfahrungen, die über das bloße „Liken“ oder Kommentieren von Beiträgen hinausgehen. Die virtuelle Welt kann zwar eine Illusion von Nähe schaffen, doch sie kann die echte menschliche Verbindung nicht ersetzen.
Die Bedeutung von Präsenz und Bindung
Die Psychologie und Pädagogik betonen die Bedeutung von Bindung und zwischenmenschlichen Beziehungen für die Persönlichkeitsentwicklung. Die Bindungstheorie, die von John Bowlby und Mary Ainsworth entwickelt wurde, legt nahe, dass sichere Bindungen in der Kindheit entscheidend für die emotionale Gesundheit im Erwachsenenalter sind. Diese Bindungen werden durch direkte, persönliche Interaktionen gefestigt. Zahlreiche Studien weisen darauf hin, dass Menschen mit starken, unterstützenden sozialen Netzwerken weniger anfällig für psychische Erkrankungen sind.
Im Gegensatz dazu kann das Fehlen echter zwischenmenschlicher Beziehungen zu einem Gefühl der Einsamkeit führen, selbst wenn man von vielen Menschen umgeben ist. Eine Umfrage des Pew Research Centers ergab, dass 30 Prozent der Erwachsenen in den USA angeben, sich oft oder manchmal einsam zu fühlen, trotz der Vielzahl an Online-Kontakten. Diese Diskrepanz zwischen der Anzahl der Online-Freunde und der tatsächlichen emotionalen Unterstützung ist alarmierend.
Die Gefahren der Einsamkeit Einsamkeit ist nicht nur ein unangenehmes Gefühl; sie kann ernsthafte gesundheitliche Folgen haben. Studien zeigen, dass chronische Einsamkeit das Risiko für verschiedene gesundheitliche Probleme erhöht, darunter Herzkrankheiten, Schlaganfälle und sogar eine verkürzte Lebenserwartung. Darüber hinaus kann Einsamkeit zu psychischen
Zahlreiche Studien zeigen, dass der übermäßige Konsum von sozialen Medien das Gefühl der Isolation und der Vereinsamung verstärkt.
Erkrankungen wie Depressionen und Angststörungen führen. Eine Studie der University of California, Los Angeles (UCLA) fand heraus, dass Einsamkeit das Risiko für Depressionen um 50 Prozent erhöht.
Die digitale Welt kann zwar eine Plattform für soziale Interaktion bieten, sie führt jedoch auch dazu, dass Menschen sich isoliert fühlen. Soziale Medien sorgen für einen ständigen Vergleich des eigenen Lebens mit dem der anderen. Das kann das Selbstwertgefühl untergraben und das Gefühl der Einsamkeit verstärken. Wenn wir uns auf die Anzahl unserer Follower und auf die positive Selbstdarstellung der anderen konzentrieren, anstatt auf die Qualität unserer eigenen Beziehungen zu achten, verlieren wir den Kontakt zu dem, was echte Freundschaft ausmacht, etwa sich mit anderen Meinungen auseinandersetzen, gute und schlechte Zeiten gemeinsam durchstehen, gemeinsame Erinnerungen schaffen oder auch das Gefühl, eine wichtige Rolle im Leben von jemandem zu spielen.
Der Weg zu echten Beziehungen
Um die Einsamkeit zu überwinden, ist es entscheidend, den Fokus von der digitalen Welt wieder zurück auf die realen zwischenmenschlichen Beziehungen zu verlagern. Echte Freundschaften erfordern Zeit, Engagement und den Mut, sich verletzlich zu zeigen. Hier sind einige Ansätze, um authentische Verbindungen zu fördern und die Einsamkeit zu bekämpfen:
1. Präsenz im Hier und Jetzt
Um echte Beziehungen aufzubauen, ist es wichtig, im Moment präsent zu sein. Das bedeutet, sich aktiv Zeit für Freunde und Familie zu nehmen, ohne Ablenkungen durch Smartphones oder soziale Medien. Gemeinsame Aktivitäten, sei es ein Spaziergang im Park, ein gemeinsames Essen oder einfach nur ein Gespräch bei einer Tasse Kaffee, können helfen, tiefere Verbindungen zu schaffen.
2. Qualität über Quantität
Anstatt sich auf die Anzahl der Follower oder Freunde zu konzentrieren, sollten wir uns
auf die Qualität unserer Beziehungen fokussieren. Es ist besser, wenige enge Freunde zu haben, mit denen man echte Gespräche führen kann, als viele oberflächliche Bekanntschaften.
3. Offene Kommunikation
Echte Freundschaften basieren auf offener und ehrlicher Kommunikation. Es ist wichtig, über Gefühle, Ängste und Bedürfnisse zu sprechen. Wenn wir uns verletzlich zeigen und unsere Gedanken teilen, schaffen wir Raum für tiefere Verbindungen. Das Teilen von persönlichen Erfahrungen und Emotionen stärkt das Vertrauen in Beziehungen und verringert das Gefühl der Einsamkeit.
4. Engagement in der Gemeinschaft
Eine Möglichkeit, neue Freundschaften zu schließen und das Gefühl der Einsamkeit zu bekämpfen, besteht darin, sich in der Gemeinschaft zu engagieren. Freiwilligenarbeit oder die Teilnahme an lokalen Veranstaltungen, das Treffen in der Kirche oder Gemeinde können Gelegenheiten bieten, Gleichgesinnte zu treffen und neue Beziehungen aufzubauen.
5. Digitale Entgiftung
Um die negativen Auswirkungen von sozialen Medien auf unsere Beziehungen zu minimieren, kann eine digitale Entgiftung hilfreich sein. Das bedeutet, bewusst Zeit ohne digitale Geräte zu verbringen und sich auf persönliche Interaktionen zu konzentrieren.
Fazit
Soziale Medien und digitale Plattformen haben in unser Leben Einzug gehalten, sind selbstverständlich und werden selten hinterfragt. Darum ist es wichtig, die Illusion der digitalen Freundschaft zu durchleuchten und zu prüfen. Einsamkeit kann selbst inmitten einer Vielzahl von Online-Kontakten entstehen, wenn wir die Bedeutung von echten, persönlichen Beziehungen vernachlässigen. Freundschaft und Beziehung finden im Hier und Jetzt statt und erfordern Präsenz, Engagement und offene Kommunikation. Indem wir uns auf die Qualität unserer Beziehungen konzentrieren, uns aktiv in der
Gemeinschaft engagieren und uns Zeit für persönliche Interaktionen nehmen, können wir die Einsamkeit überwinden und echte Verbindungen aufbauen. Letztendlich ist es die Tiefe unserer Beziehungen, die unser Leben bereichert und uns vor den negativen Auswirkungen von Einsamkeit und psychischen Erkrankungen schützt.
Autor
Daniel Hahn ist stellvertretender Direktor im Haus Nazareth in Sigmaringen. In dieser Funktion verantwortet er die fachliche und inhaltliche Weiterentwicklung der Gesamteinrichtung. Als ausgebildeter Sozialwirt und systemischer Therapeut (DGSF) bringt er langjährige Erfahrung in Leitung, Beratung und Pädagogik ein. Daniel Hahn ist verheiratet und Vater von zwei Kindern.
de’ignis-magazin – Impulse und Erfahrungen
Foto: Paulina Herpel / unsplash
Um die Einsamkeit zu überwinden, ist es entscheidend, den Fokus von der digitalen Welt wieder zurück auf die realen zwischenmenschlichen Beziehungen zu verlagern.
Lösungen gegen Einsamkeit
– Impulse und Erfahrungen
Von Astrid Eichler
• Wenn ich die Lösungen gegen Einsamkeit hätte, dann könnte ich sicher reich werden, gibt es doch so viele Menschen –und es werden immer mehr in allen Generationen –, die sich einsam fühlen. Gesellschaftlich ist das Thema spätestens seit der Coronazeit „salonfähig“. Es gibt Umfragen, Studien, Bücher; und seit einigen Jahren ist das Thema Einsamkeit auch politisch in den Blickpunkt gerückt. 2023 veröffentlichte das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend eine „Strategie der Bundesregierung gegen Einsamkeit“. Wichtige Anliegen sind, dass das Thema gesellschaftlich nicht länger stigmatisiert bleibt, sondern als gesamtgesellschaftliche Herausforderung betrachtet und wahrgenommen, dass in der Forschung interdisziplinär gearbeitet und in der Praxis das Engagement zur Vorbeugung und Linderung der Einsamkeit gestärkt wird. Menschen mit Einsamkeitserfahrungen sollen einfache und niedrigschwellige Angebote erhalten, die ihrer Situation und ihren Bedürfnissen entsprechen.
Doch bevor es um diese Ebenen geht, ist Einsamkeit ein tiefes, unangenehmes, subjektives Gefühl des einzelnen Menschen. Sehnsucht. Schmerz. Angst. Einsamkeit bringt vielfältige Folgen bis zu schweren Erkrankungen wie Depressionen mit. Es fällt auf, dass nicht nur Menschen, die allein leben, davon betroffen sind. Auch Menschen, denen man das eigentlich nicht „zutraut“, fühlen sich einsam, trotz Familie, trotz Teamarbeit im Büro, trotz vielfältiger Kontakte. Andererseits gibt es auch Menschen, die allein leben und sich nicht einsam fühlen. Daran wird deutlich, dass Einsamkeit ein subjektives Gefühl, keine objektive Tatsache ist. Insofern ist wichtig, die Lösung gegen Einsamkeit nicht nur in Veränderung von äußeren Umständen zu suchen. Ich kann von lieben Menschen umgeben sein und mich trotzdem einsam fühlen. Es fängt innen an, vielleicht in einer ganz frühen Phase des Lebens. Wenn in der frühen Kindheit die Beziehungs- und Bindungsfähigkeit sich nicht entwickeln konnte, dann bleibt auch mitten in Beziehungen eine Unverbundenheit bestehen. Hier ist es wichtig, hinzuschauen und seelsorgerliche
oder therapeutische Hilfe zu suchen. Hier liegen angesichts der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen, die zum einen früh „abgegeben“ werden und zum anderen sich zunehmend medial beschäftigen, immer größere Herausforderungen. Wenn Verbundenheit nicht entwickelt werden konnte, kann aus diesem Zustand das anhaltende Gefühl der Einsamkeit werden.
„Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist“ (1. Mose 2,18a) steht schon in der Bibel. Dieser Satz beschreibt zutiefst die existenzielle Beschaffenheit des Menschen. Wir sind soziale Wesen, geschaffen zur Verbundenheit mit unserem Schöpfer und mit anderen Menschen. Hier möchte ich einen Moment innehalten. Die tiefste Wurzel der Einsamkeit ist meines Erachtens die Unverbundenheit mit dem Schöpfer. Der Kirchenvater Augustinus (354-430) sagt: „Unruhig ist unser Herz bis es Ruhe findet in dir.“ In der Gottesbeziehung ist die tiefste Verbundenheit zu finden, die unser Herz sättigen kann. Ich denke dabei an ein Spielzeug von Kindern, mit Kreisen, Vierecken und Dreiecken. Es gibt die Vorlage und einzelne Teile, die der Form jeweils entsprechen. Das Kind soll lernen, die jeweils passende Form in die entsprechende Vorlage zu legen. Es passt nur das Dreieck ins Dreieck, der Kreis in den Kreis usw. Genauso ist es bei uns: Es passt in die Tiefe unseres Herzens nur Gott. Kein Mensch wird jemals den tiefsten Hunger unserer Seele stillen können, wo nur Gott „hineinpasst“.
Aber auch wenn Gott diese tiefste Sehnsucht stillt und wir die Ruhe des Herzens gefunden haben, sind wir geschaffen für die Beziehung mit anderen Menschen. Gott füllt nicht aus, was nur Menschen ausfüllen können. Wir sind als Menschen nicht dazu geschaffen, autark zu sein, also völlig selbstgenügsam, keines anderen Menschen zu bedürfen, auf keinerlei Unterstützung angewiesen. Wir brauchen einander. Und da, wo der Ort für Menschen ist, wird Gott nicht ausfüllen, was nur Menschen geben können. Wir sind Beziehungswesen. Deshalb geht es für jeden Menschen darum, in Beziehung zu anderen zu leben.
Hier sind unsere Bedürfnisse sehr verschieden ausgeprägt. Jeder Mensch hat aufgrund von Veranlagung und biografischer Prägung ein anderes, sehr spezifisches Bedürfnis nach Nähe und Distanz, oder auch Angst vor zu viel Nähe oder zu viel Distanz. Dies gilt es zu entdecken und Beziehungen und Gemeinschaft dementsprechend zu gestalten. Nun tut sich hier ein besonderes Feld für Personen, die alleinstehend sind, auf, für Singles, die schon immer allein gelebt haben oder Menschen, die nach einer Trennung bzw. Scheidung wieder allein sind oder Verheiratete, die nach dem Tod des geliebten Menschen verwitwet sind.
Sie machen die Erfahrung, dass es richtig Arbeit ist, nicht einsam zu werden. Wer nicht in einer Wohngemeinschaft lebt, muss sich immer auf den Weg machen, die eigene Wohnung verlassen, oder jemand einladen. Beziehung ergibt sich nicht „von selbst“. Ich weiß von vielen, dass das müde macht. Die Frage ist auch, wie viele Absagen kann man verkraften, wenn man den Sonntagnachmittag nicht allein, sondern mit anderen Menschen zusammen verbringen möchte? Es gibt Umfragen, die zeigen, dass das Gefühl von Einsamkeit sich vor allem an Sonn- und Feiertagen einstellt. Hier ist es gut, wenn Ehepaare und Familien einen wachen Blick haben für Menschen in ihrem Umfeld. Wie wäre es mit einer Einladung zum Sonntagsessen, einem gemeinsamen Spaziergang oder einem Spieleabend?
Wer (noch) berufstätig ist, hat zumeist in diesem Feld zumindest ein Mindestmaß an Kontakten oder Beziehungen. Doch was, wenn das wirklich alles ist? Die Gefahr, dass das Leben verengt wird auf das „AESSyndrom“, Arbeiten-Essen-Schlafen, ist groß. Hier liegt sicher auch eine Ursache für manchen Burnout.
Und was ist, wenn die berufliche Tätigkeit endet und diese Kontakte wegfallen?
Da steht die Einsamkeit vor der Tür. Viele Alleinstehende haben Angst vor der Rente. Im Leben von Singles gibt es verschiedene Etappen. Während in jüngeren Jahren so mancher Seufzer heißt: „Ich schaff das nicht allein!“, stellt sich dann die Einsicht ein: „Ich muss es allein schaffen“, später heißt es dann oft unbewusst: „Ich schaff es allein!“ – und
es ist geradezu bewundernswert, wie manche Singles alles allein hinkriegen und keinen Menschen brauchen. Aber genau da lauert die Einsamkeit. Diesem Sog gilt es zu widerstehen. Niemand muss alles allein schaffen; und um Hilfe zu bitten, ist keine Schande! Manchen fällt das leicht (manchen auch zu leicht) und anderen sehr schwer. Es gilt, ein Gleichgewicht zu finden, selbständig zu leben, auch Hindernisse zu überwinden, aber an eigenen Grenzen auch andere um Hilfe zu bitten. Für manche ist das ein konkretes Übungsfeld. Wenn wir einander entdecken mit unseren Grenzen und Gaben, wirken wir der Einsamkeit entgegen, in der jeder alles allein schaffen muss.
In der Zeit meiner beruflichen Tätigkeit für das Netzwerk christlicher Singles, Solo&Co, sind mir viele Menschen begegnet, die eine große Sehnsucht nach (mehr) Gemeinschaft haben, dieser Wunsch aber nicht erfüllt wurde, weil zugleich etwas dagegensteht. Es kam mir oft so vor wie in dem Spruch: „Wasch mich, aber mach mich nicht nass!“. Hier konkurrieren der Wunsch, die Einsamkeit zu beenden, und die Angst vor Veränderung bzw. der Wunsch, dass alles so bleibt, wie es ist – nur nicht allein. Das funktioniert aber nicht. Gemeinschaft kann nicht „einfach so“ zu einem vollen Leben hinzuaddiert werden. Sie wird ein fest eingerichtetes Leben transformieren.
Die Frage ist: Was ist größer? Der Wunsch nach Beziehungen und Gemeinschaft oder die Angst vor Veränderungen, die in jeglicher Form von Gemeinschaft geschehen werden? Es ist wichtig, sich nicht für längere Zeit in einem „allein funktionierenden Singleleben“ einzurichten, sondern sich den Herausforderungen von Gemeinschaft zu stellen und auf diese Weise so früh wie möglich Schritte gegen Einsamkeit zu unternehmen. Wer sich auf Beziehungen und Gemeinschaft einlässt, muss bereit sein, sich selbst besser kennenzulernen, sich zu verändern und verändern zu lassen. Andere Menschen sind immer anders als ich selbst. Themen wie Persönlichkeitstypen, Kommunikation, Umgang mit Konflikten und Werte sind Themen, mit denen ich mich
schon allein beschäftigen kann, bevor ich Verbündete finde. Aber gerade dann, wenn Menschen sich mit dem Wunsch zusammentun, Gemeinschaft zu gestalten, sollten sie sich unbedingt damit beschäftigen und nicht einfach nur „draufloslaufen“. Nach einem euphorischen Aufbruch in Gemeinschaft und einem erlittenen Zerbruch macht die erlebte Enttäuschung die folgende Einsamkeit noch schmerzlicher.
Gemeinschaft beginnt nicht erst dort, wo Menschen zusammenwohnen. Es kommt darauf an, aus der jetzigen Lebensform, in der Einsamkeit sich ausbreitet oder immer stärker werden könnte, Schritte zu tun, die dem entgegenwirken. Es braucht Entschiedenheit, einen Weg zu (mehr) Gemeinschaft zu gehen. Und solch ein Weg besteht aus vielen kleinen Schritten.
Welcher Schritt ist jetzt dran?
Es könnte beginnen mit einer festen Vereinbarung für ein wöchentliches Telefonat mit einer Person oder einem monatlichen halbtägigen Treffen in einer Kleingruppe. Verachten wir die kleinen Anfänge nicht. Gemeinschaft braucht Mut, Gebet, Versöhnungsbereitschaft und Kompetenz. Diese Kompetenz kann erworben werden. Es gibt verschiedene Angebote in der Fachstelle Gemeinschaft, damit Gemeinschaft gelingen kann.
Links
• Netzwerk für Singles: www.soloundco.net
• Fachstelle für Gemeinschaft: www.fachstellegemeinschaft.net
Autorin
Astrid Eichler war zunächst als Krankenschwester tätig, bevor sie in den Pfarrdienst wechselte. Sie arbeitete in verschiedenen Kontexten, unter anderem in Gemeinden und im Justizvollzug. Als Initiatorin des Netzwerks christlicher Singles Solo&Co und der Fachstelle Gemeinschaft setzte sie sich für neue Formen von Zugehörigkeit und tragfähiger Gemeinschaft ein.
Heute ist sie im Ruhestand und bringt ihre Lebenserfahrung in Vorträgen, Büchern und der Begleitung von Menschen ein.
Wer sich auf Beziehungen und Gemeinschaft einlässt, muss bereit sein, sich selbst besser kennenzulernen, sich zu verändern und verändern zu lassen. Andere Menschen sind immer anders als ich selbst.
Aus Situationen der Einsamkeit Kraft schöpfen: ihre positive Seite
de’ignis-magazin – Impulse und Erfahrungen
Von Rainer Oberbillig
• Einführung: Assoziationen zum Wortfeld „Einsamkeit“ Als ich über dieses Wort mit seinen negativen Konnotationen nachdachte, fiel mir Folgendes auf: Es beginnt mit „eins“. Wenn ich „sein“ hinzufüge, also „eins sein“ mit mir selbst, mit anderen, mit der Situation der Einsamkeit, findet eine Wandlung statt: vom empfundenen Zustand des Getrenntseins oder der Dynamik einer Entfremdung hin zu einem produktiven Prozess der Integration einer zunächst negativen Emotion oder Situation in mein personales Selbst. Das heißt: Einsamkeit gehört zu mir, sie ist Teil von mir geworden. Nehmen wir jetzt noch „(z)sam“ hinzu (also zusammen allein), dann finden wir ein spirituelles Moment der Verbundenheit mit anderen Menschen: Ich und Du, wir haben einen gemeinsamen existenziellen Grund. Die Einsamkeit resultiert aus der Trennung oder Entfremdung von Gott, unserem Schöpfer. Wiederum steckt auch eine spirituelle Lösung der Einsamkeitsfrage darin: Zusammen bzw. eins mit mir selbst, mit anderen Menschen und mit Gott kann ich die Mauern überwinden. Der Psalmist David fasst dies in folgenden Liedtext: „Du, Herr, du lässt mein Licht erstrahlen, du, mein Gott, erleuchtest meine Finsternis. Denn mit dir kann ich meinen Feinden entgegenstürmen, mit meinem Gott kann ich über Mauern springen.“ 1 In Psalm 68 werden als „Prototypen“ für Einsamkeit Witwen und Waisen genannt. Für sie gilt: „Ein Vater für die Waisen, ein Anwalt für die Witwen ist Gott in seinem Heiligtum. Gott schenkt vereinsamten Menschen ein Zuhause, Gefangene führt er in Freiheit und Wohlergehen.“ Das hebräische Wortfeld für Witwen ist almàanàh und bedeutet „allein gelassen“, „von einem schmerzlichen Verlust betroffen“; es wird auch für trostlose Plätze oder für ein trostloses Haus gebraucht. Der Schutzlosigkeit in der Einsamkeit begegnet Gott als Anwalt, er schenkt vereinsamten Menschen ein Zuhause und führt sie im Zustand der Einsamkeit aus der Gefangenschaft in die Freiheit.
Als Fazit unserer ersten sprachlichen Erörterungen halten wir fest: Auch wenn uns das Gefühl der Verwaistheit2 beschleicht oder gefangen nimmt, finden wir ein
Lösungsangebot in der Bibel. Gott als Vater oder als Anwalt in der empfundenen Rechtlosigkeit bzw. Schutzlosigkeit neu zu erleben, bietet eine emotionale Chance, sich gleichsam wieder zu Hause zu wissen. Diese Chance wahrzunehmen, schafft Resilienz; Verharren in der psychosozialen „Einmauerung“ – dann bleibt als Konsequenz: „… der muss bleiben in dürrem Land.“
Verschiedene Aspekte von Einsamkeit
Im Blick auf die Deutung von Einsamkeit muss man unterscheiden: Ist das Einsamkeitserleben „aufgezwungen“ und reagiere ich schicksalsergeben? Dann werde ich vermutlich eine proaktive Auseinandersetzung damit vermeiden. Oder: Habe ich die Situation der Isolation freiwillig aufgesucht und reagiere dementsprechend initiativ? Dann werde ich akzeptierend damit umgehen und aus der Situation Kraft schöpfen. Eine weitere Unterscheidung betrifft den emotionalen Aspekt von Einsamkeit. Liegt hier die Betonung auf dem Erleben von räumlichem Getrenntsein von anderen Menschen, der ängstlich-melancholischen Seite von Alleinsein (interpersonelle Isolation)? Im Kontrast dazu ist die intrapersonale Isolation zu sehen, das Abgespaltensein von eigenen Anteilen seiner selbst 3 – z. B. ein „unerwünschter“ Persönlichkeitsanteil der eigenen Person wie beispielsweise die persönliche Liebesbedürftigkeit. Oder wird das Einsamkeitserleben als situative Erfahrung bewertet mit zeitlicher Abgrenzung des Anfangs und Endes der Situation, als Übergang von einer Episode zur anderen? Oder wird sie erfahren als chronisches Leiden ohne Anfang und Ende, ohne diesem einen Sinn geben zu können? Hier scheint aus der Perspektive der Salutogenese ein gut ausgeprägtes Kohärenzerleben hilfreich zu sein: Die Ereignisse des Lebens stellen sich subjektiv als verstehbar, die Probleme als handhabbar dar; es kann eine Sinnhaftigkeit im Ganzen beigemessen werden. Dies betrifft auch den Umgang mit der dritten Form der Isolation, der existenziellen Isolation. Sie bezeichnet nach Noyon und Heidenreich die „Tatsache, dass wir Menschen auch bei größtmöglicher Annäherung
an andere Menschen stets ‚allein‘ im Sinne von ‚getrennt von den anderen‘ bleiben. Egal wie nahe ich einer anderen Person komme –es verbleibt stets ein letzter unüberbrückbarer Spalt zwischen ‚Dir‘ und ‚Mir‘“. Das Heraustreten aus dem Verschmelzungswunsch gehört zum Entwicklungsprozess, sodass die zunehmende Isolation oder Differenzierung zwischen Ich und Du letztlich Reifung bedeutet. Yalom beschreibt es so: „Allmählich errichtet der Mensch Grenzen, die deutlich machen, wo er oder sie endet und andere anfangen, und wird selbständig, unabhängig und getrennt. Sich nicht zu trennen bedeutet, nicht zu wachsen. Aber der Preis, den wir für die Trennung und das Wachsen zahlen, ist Isolation“ 4 (inklusives Einsamkeitserleben). Die Universalität dieser menschlich existenziellen Befindlichkeit der Isolation kann spirituell als transpersonale Verbundenheit erfahren werden. Hinsichtlich der Transzendenz Gottes spricht der Psalmist aus dem Bewusstsein des Getrenntseins von Gott und Mensch aus: „Ich aber darf dir immer nahe sein, das ist mein ganzes Glück! “ 5
Kontemplation: Aus der Erfahrung der Isolation, der Akzeptanz der Unmöglichkeit einer Verschmelzung mit anderen Menschen, mit Gott – aus dieser Trennung und Differenzierung entsteht persönliches Wachstum. Spirituell kann die Nähe Gottes dann als Glückserleben wahrgenommen werden.
Stärkung der Resilienz durch überwundene Einsamkeit ChatGPT, ein Dialogsystem auf Basis künstlicher Intelligenz, antwortet auf die Anfrage: „Nenne mir positive Aspekte zum Thema Einsamkeit“ mit folgenden hilfreichen Perspektiven:
• Selbstreflexion und persönliches Wachstum: In der Stille und Abgeschiedenheit einer bewusst gewählten Herausnahme aus interpersonellen Verpflichtungen oder dem Alltagsstress haben wir die Gelegenheit, uns selbst besser kennenzulernen, unsere
Werte zu überprüfen und unsere Ziele neu zu definieren.
• Kreativität und Fokus: Viele kreative Prozesse erfordern Zeit allein, um Ideen zu entwickeln ohne Ablenkungen durch andere Menschen.
• Innere Ruhe und Gelassenheit: In der Einsamkeit kann man zur Ruhe kommen, das eigene Tempo bestimmen und zu innerer Balance finden.
• Unabhängigkeit und Selbstgenügsamkeit: Einsamkeit fördert die Unabhängigkeit. Sie lehrt uns, auf uns selbst zu vertrauen, Entscheidungen alleine zu treffen und uns selbst zu versorgen.
• Mehr Zeit für die Entwicklung eigener Interessen in der Isolation, im Raum der Einsamkeit.
• Bessere Verbindungen mit anderen: Wenn man Zeit allein verbringt, wird einem oft klarer, wie wichtig die Beziehungen zu anderen sind. Dies kann dazu führen, dass man die bestehenden Beziehungen mehr schätzt und intensiver pflegt.
• Entwicklung von Achtsamkeit: In der Einsamkeit, im Geworfen sein auf sich selbst hat man die Möglichkeit, Achtsamkeit zu üben – bewusst im Moment zu leben und sich auf die eigenen Gedanken und Gefühle zu konzentrieren, was zu einer tieferen Wahrnehmung des Lebens führt.
• Geringere Ablenkungen und mehr Produktivität
Im Begriff der Einsamkeit schwingt eine deutliche negative Komponente mit; die interpersonale Isolation wird schlicht als negativ erlebt. Dabei bedeutet „Alleinsein“ erst einmal nur, sich nicht in der Gegenwart anderer Menschen zu befinden. Als Kriterium für emotionale Reife wurde auch in der Psychotherapie die Fähigkeit des Individuums fokussiert, reife Beziehungen auf gleichberechtigter Ebene einzugehen. Notwendig ist hier eine Fokusänderung: Die Fähigkeit, alleine zu sein, stellt ebenfalls ein Merkmal emotionaler Reife dar. Wenn wir hier die ständig verfügbare Gegenwart sozialer Medien in Kontrast setzen, scheint die Fähigkeit, allein zu sein, nicht nur nicht erstrebenswert zu sein, sondern auch mehr und mehr verlernt. Damit
einhergehend wirkt Stille oder Isolation vom Lärm der Umwelt bedrohlich. Resultierend wird „Fake-Verbundenheit“ gesucht oder in Kauf genommen. Isolationserfahrungen wären umso nötiger, um die Bedeutung von Liebeserfahrungen wieder tiefer erkennen zu können:
„Keine Beziehung kann die Isolation auslöschen. Jeder von uns ist in seiner Existenz allein. Aber das Alleinsein kann auf eine Weise geteilt werden, dass die Liebe den Schmerz der Isolation aufwiegt.“ 6
Kontemplative, relationale Seelsorge mit der Bibel Zu allen Zeiten haben sich Menschen an einsame, öde Orte zurückgezogen, um mit sich ins Reine zu kommen. Das Motiv war eher Trennung von Althergebrachtem, Isolation vom Drängen des Alltags, von der Tyrannei des Dringlichen. Die selbst initiierte Einsamkeit war freiwillig und bezog sich auf die reizarme Umgebung. So kenne ich selbst Menschen, die sich jedes Jahr einige Tage in ein Kloster zurückziehen, um alleine zu sein und sich neu zu fokussieren. Auch die Teilnahme an sogenannten Exerzitien kann als relationale Seelsorge mit sich selbst im Kreis von Weggefährten verstanden werden. Ziel dieser Unternehmungen in frei gewählter Isolation ist jeweils die existenzielle Erfahrung von „Getrennt-sein“ und die erneute Wertschätzung der Verbundenheit mit anderen durch Liebe. Der isolationalistische Rückzug wird oft genutzt, um Gott wieder näherzukommen, indem die vielen (ablenkenden) Stimmen um uns herum zum Schweigen gebracht werden.
Als spirituelles Modell kann uns Jesus Christus dienen. Corinna Dahlgrün schreibt in ihrer Dissertation 7 : „So wie sich Jesus, vom Geist geführt, in die Wüste zurückgezogen hat (Mt. 4,1–11), wie er immer wieder die Menge (z. B. Mt. 8,18; Mt. 14,13) und sogar die Jüngergemeinschaft verließ, um in der Stille und Einsamkeit Gott zu suchen (z. B. Mt. 14,23, Mk. 1,35), haben dies zu
de’ignis-magazin – Impulse und Erfahrungen
Foto: Tomer Texler
„Du zeigst mir den Weg, der zum Leben hinführt. Und wo du bist, hört die Freude nie auf. Aus deiner Hand kommt ewiges Glück.“ Psalm 16,11
allen Zeiten Menschen getan und tun es bis heute.“ Auch der Rückzug in die Natur (z. B. „Waldbaden“) oder quasi-mystisches „Gott-Suchen-in-der-Natur“, mit intensiver Wahrnehmung der Schöpfung (Bäume, Blumen, Sonnenuntergänge, Vogelgesang) führt oft zum Erleben von Verbundenheit.
Diese spirituelle Erfahrung wiederum „löst dann möglicherweise ein Gefühl der Liebe aus“ (Dahlgrün).
In der Bibel ist häufig die Metapher vom Weg des Lebens / zum Leben zu finden (Psalm 16,9–11). Um diesen Weg zu erkunden, bedarf es eines Wegweisers: „Der Weg zu Gott ist kein einfacher und er führt einzig und allein über Jesus, den Sohn Gottes. Das Kreuz, an dem er für die Schuld der Menschen gestorben ist, ist der Wegweiser.“ 8
Die Überwindung der Einsamkeit, ihre Kraft wahrzunehmen, gelingt immer wieder an der Seite von Jesus. Ihm wurde selbst „Gottverlassenheit“ zugemutet. Vor dieser letzten existenziellen Trennung verschont uns Gott.
So kann auch die emotionale Schwere negativ getönter Einsamkeit verwandelt werden im Glaubenszuspruch des Psalmisten: „Ich freue mich sehr: Mein Herz ist von Jubel erfüllt. Auch mein Körper ruht in Sicherheit. Denn mein Leben überlässt du nicht dem Totenreich, dein treuer Diener wird die Verwesung nicht sehen. Du zeigst mir den Weg, der zum Leben hinführt. Und wo du bist, hört die Freude nie auf. Aus deiner Hand kommt ewiges Glück.“ 9
Fußnoten
1 Psalm 18, 29.30 (NGÜ / Neue Genfer Übersetzung): Im übertragenen Sinne wird von mir Einsamkeit als Feind der Seele angesehen; sie verdunkelt und schafft eine Mauer zum Leben; diese Abspaltung gilt es zu überwinden.
2 Psalm 68, 6–7 (NGÜ): Im Gospel „Sometimes I feel like a motherless child, far away from home“ finden wir eine treffende Beschreibung des Grundgefühls von Einsamkeit, verlassen von Vater und Mutter zu sein.
3 Nach Noyon / Heidenreich (2012): Existenzielle Perspektiven in Psychotherapie und Beratung. Kap. 9, S. 163ff.
4 Noyon / Heidenreich a.a.O., S. 164.
5 Psalm 73,28 (HFA: Hoffnung für alle)
6 Yalom (1989): Existenzielle Psychotherapie. S. 430 – zitiert aus Noyon / Heidenreich a.a.O., S. 171.
7 Corinna Dahlgrün (2018): Christliche Spiritualität – Formen und Traditionen der Suche nach Gott. S. 4 und S. 10.
8 Thomas Huth (2020): Aus der Tiefe rufe ich zu dir. Durch die Psalmen gesegnet. S. 20.
9 In der Übersetzung „BIBEL.Heute“, Psalm 16,9–11: Auch ‚erzwungene‘ Einsamkeit muss nicht zum Siechtum führen, wenn die Nähe von Jesus gesucht wird: er ist der Einsamkeitsspezialist.
Autor
Rainer Oberbillig ist Diplom-Psychologe, approbierter Psychotherapeut und ehemaliger Mitgründer der de’ignis-Fachklinik. Derzeit im Ruhestand, arbeitet Rainer in freier Praxis und als Dozent an der Akademie für Psychotherapie Pforzheim. Er ist Doktorand am Institut für empirische Religionsforschung (IER) an der Universität Bern.
Impulse und Erfahrungen
„Der Weg zu Gott ist kein einfacher und er führt einzig und allein über Jesus, den Sohn Gottes. Das
Kreuz, an dem er für die Schuld der Menschen gestorben ist, ist der Wegweiser.“
Thomas Huth (2020)
Einsamkeit und Alleinsein
Von Herbert Scheiblich
A
Wege in die Einsamkeit
• Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend veröffentlichte 2024 erstmals das Einsamkeitsbarometer. Es offenbarte deutlich die Auswirkungen der
COVID-19-Pandemie mit einem Anstieg des Sich-einsam-Fühlens von 11% vor 2019 auf 32% im Jahr 2020. Menschen unter 24 Jahren waren am stärksten betroffen. Danach sank der Wert wieder, aber nicht mehr auf das Niveau vor der Pandemie. Wie Kinder unter zwölf Jahren die Isolation verarbeitet haben, ist noch offen und Gegenstand der
Forschung. Es sind aber sicherlich negative Langzeiteffekte für die psychische Entwicklung der Kinder zu erwarten.
Einsamkeit zu definieren und gegen Alleinsein abzugrenzen, ist wegen der unterschiedlichen Anteile von Selbstverantwortung und äußeren, nicht beeinflussbaren Ursachen, de’ignis-magazin – Therapeutische Fachartikel
schwierig. Es ist ein Kontinuum von „ich bin nie einsam“ bis „ich bin immer einsam“.
In jedem Lebenslauf gibt es immer wieder Phasen, in denen man alleine ist und sich das Gefühl der Einsamkeit entwickelt. Life events, die mit Verlust oder Trennung verbunden sind, führen immer in ein Alleinund Einsamsein hinein. Das ist normal. Die Grenze jedoch zu einem pathologischen Status ist fließend, besonders im Hinblick auf die Dauer der Einsamkeit und die Fähigkeit, selbst aktiv zu handeln. Besonders gefährdet sind nach Bowlby et al. Menschen mit unsicheren oder ambivalenten Beziehungsund Bindungserfahrungen: sie zeigen ein erhöhtes Risiko zur Einsamkeit. Bei dem desorganisierten Bindungstypen ist eine fast 100-prozentige Wahrscheinlichkeit gegeben, im späteren Lebensverlauf bei entsprechenden Situationen chronische pathologische Einsamkeitsphasen zu entwickeln.
Einsamkeit ist ein überwiegend subjektives Gefühl, bei dem die eigenen sozialen Beziehungen nicht den persönlichen Wünschen und Bedürfnissen entsprechen. Das psychosoziale Netz ist ausgedünnt und Allein- oder Einsamsein gehört zum Leben.
Es ist häufig mit einem Grundgefühl der Scham, Trauer, Angst und Wut verknüpft. Der Übergang zum Alleinsein und sich dabei gut fühlen ist fließend.
Einsamkeit ist eine seelische Auseinandersetzung mit Werten, Bewertungen, Kognitionen, Emotionen und Bilanzen, die sich körperlich negativ als chronischer Stress auswirkt. Symptome von Einsamkeit sind möglicherweise:
• Müdigkeit, Nervosität und Reizbarkeit
• Rückzug mit dem Gefühl, leer zu sein
• Schlafprobleme
• Gedanken an den Tod
Gegenüber solchen Menschen, die gerne alleine sind, fühlen sich einsame Menschen mitten im größten Trubel alleine. (Abb. 1) Ihre Gedanken kreisen um Fragen wie: Wer will schon meine Gesellschaft? Warum sind andere attraktiver? Weshalb bin ich nichts wert? Diese negativen Gedanken verstärken die Abwärtsspirale. (Abb. 2)
Ursachen für Einsamkeit resultieren aus Rahmenbedingungen, Risiken und Ressourcen:
Vulnerable Gruppen, wie Menschen in besonderen Lebenslagen – etwa Armutsgefährdete, Obdachlose, Inhaftierte, Menschen mit Behinderung oder Migrationshintergrund – sind besonders gefährdet.
Die Folgen von Einsamkeit sind deshalb auch mannigfaltig in Bezug auf körperliche Erkrankungen. Sie bewirken unter anderem:
• erhöhtes allgemeines Sterblichkeitsrisiko (einige Studien sprechen von +26%)
• erhöhtes Risiko von Diabetes mellitus Typ 2
• erhöhtes Risiko von Herz- und Kreislauferkrankungen
• erhöhtes Risiko für Demenzerkrankungen
• erhöhtes Risiko für Erkrankungen des Bewegungsapparates und des Immunsystems
• Krebserkrankungen
Ausgegrenzt
Einsam sein
Isoliert
Alleine sein
Verbunden mit Anderen
Vernetzt sein
Glücklich im Leben stehend
In Gemeinschaft
Aktuelle Erfahrung von Zurückweisung etc.
Einsamkeitsstatus von Emotion etc.
Weitere Erfahrungen von negativen Interaktionen
Aktiver, bewusster Prozess zum Schutz des Selbsts
Kontraproduktives Verhalten
Life-Events Krankheit, Trennung / Verlust, Arbeitslosigkeit etc.
Passiver, unbewusster Prozess
Grundbedürfnisse wie Geborgenheit / Sicherheit, Bindungserfahrungen
Verzerrung der Wahrnehmung / Bewertung der psychosozialen Situation
Abb. 2 Negative Spirale der Einsamkeit
Abb. 1
Abb. 3 Ursachen / Prozesse analog zum biopsychosozialen spirituellen Modell
Psychische Dimension
Seelische Einsamkeit
Suizidalität Wut
Schuld / Scham
Trauer
Keine Nähe / Vertrauen
Selbst
Ego
Person
Identitat
Existenzielle Einsamkeit
Krankheit, Handicaps etc. Körperliche Einsamkeit
Pflegebedürftigkeit
Verlust der Autonomie
Spirituelle Dimension Spirituelle Einsamkeit
Keine Beziehung zu Gott etc.
Selbstaufgabe
Leere
Keinen Sinn
Keine Zukunft
Keine Sicherheit
Verlust einer sozialen
Verbandgruppe
Verlust
Partner / Familie / Freunde
Tod Keine Bindung
Biologische Dimension
Körperliche Einsamkeit
In Bezug auf psychische Erkrankungen:
• erhöhter Stress durch vermehrte Sorgen, Ängste, Nervosität
• Depression
• Angststörungen
• Zuspitzung von Persönlichkeitsakzentuierungen
• länger anhaltende Schlafstörungen
• selbstverletzendes Verhalten bis zur Suizidalität
• Sucht
Die gesellschaftlichen Folgen chronischer Einsamkeit sind daher erhebliche Mehrkosten im Gesundheitssystem bei gleichzeitig geringem politischen Interesse:
• Fokussierung der Wut auf die Gesellschaft
• erschwerte Integration in den Arbeitsmarkt
Soziale Dimension
Soziale Einsamkeit
Menschen, die einsam sind, vertrauen weniger und haben vor weiteren sozialen Kontakten Angst. Die Konsequenz: weiterer Rückzug und ein Ansteigen der Feindseligkeit.
Auch spirituell entwickeln sich negative Folgen:
• Verlust der existenziellen Dimensionen von Sinn, Bedeutung und Zusammenhang des Lebenslaufs
• Selbstaufgabe und zunehmende Distanz zur Transzendenz
• spiritueller Stress /Schmerz
• religiöse /spirituelle Kämpfe mit Zweifel
Wege aus der Einsamkeit
Ressourcen, die vor Einsamkeit oder dem Alleinsein schützen, sind:
• gute familiäre, soziale, freundschaftliche und nachbarschaftliche Beziehung (wie z. B. Mitglied in einem Verein sein)
• Heimatverbundenheit
• ehrenamtliches Engagement
Sozialen Medien kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Es ist immer wieder eine Frage der Häufigkeit und der Qualität der Anwendung von digitalen Medien, weshalb ein Zuviel und eine Einseitigkeit die Isolation verstärken. Soziale Medien können aber auch ermutigen, sich in eine virtuelle Gemeinschaft zu begeben. Der große Nachteil sozialer Medien ist das Wählen des Gefühls der Interaktion. Jedoch können soziale Medien die Selbsthilfe und Selbstkompetenz wieder aktualisieren und stärken. In anderen europäischen Ländern wie den Niederlanden gibt es von der Regierung geförderte digitale Anwendungen. Besonders gute Effekte werden erzielt, wenn die Anregung von außen kommt, d. h., wenn der Betroffene nicht aktiv tätig werden muss, sondern gefördert wird (keine Komm-, sondern Geh-Struktur). Ganz aktuell ist jetzt von der Bundesregierung eine DigiApp zur Messung der Einsamkeit veröffentlicht worden.
Praktische Tipps
Der Betroffene kann sich selbst aktivieren, indem er Einsamkeitsgefühle als normal ansieht. Denn jeder kennt Einsamkeit. Dabei ist es wichtig, aufmerksam (nicht achtsam) seine eigenen psychischen Signale zu beobachten und zu modulieren: „Alles muss ich selbst machen. Niemand ist da. Immer muss ich alleine entscheiden. Niemand redet mit mir. Alle finden mich blöd. Ich fühle mich leer. Ich bin nur eine Last. Ich bin wütend und schimpfe auf andere mit Rachefantasien.“
Der neue Ansatz ist, diese negativen Formulierungen abzulegen und in kleinen Schritten sich selbst Gutes zu tun, z. B.:
• ein neues Hobby finden
• Gleichgesinnte finden
• dem Alltag Struktur und Sinn geben (z. B. Freizeitstruktur und Aktivitäten, die vor allem einem selbst Freude bereiten).
Daneben sind natürlich die üblichen Hilfsangebote der Psychotherapie, psychosozialer Einrichtungen und der Seelsorge anzuwenden.
Existenzielles Fazit
Der Einstellungsänderung der Werte und Bewertungen liegt leider (und unausweichbar) eine allgemeine, existenzielle Erkenntnis für jeden zu Grunde:
„Wer nicht gelernt hat, alleine zu sein, wird einsam. Er muss daher lernen, Alleinsein als etwas Positives zu sehen (Nachreifung).“
„Alleine durch diese Welt gehen, ist normal, ist menschlich. Das eigene Erleben, Denken etc. mit anderen zu teilen, ist nur partiell vermittelbar und daher teilbar (die Intersubjektivität ist virtuell).“
Fundamentaler Weg zur Überwindung des existenziellen Fazits
Um dem fundamentalen Fazit zu entgehen, ist die Ressource von Religiosität/Spiritualität wahrzunehmen, zu erfahren und zu leben. Die Spiritualität als allgemeine neurobiologische Kompetenz des Gehirns ermöglicht uns, die Selbsttranszendenz zu aktivieren und für ein Höheres und für andere zu leben. Diese Verbundenheit mit etwas außer/ über uns überwindet Einsamkeit und führt in ein positives Alleine-sein. Neben dieser wissenschaftlichen Tatsache zeigt uns die christliche Anthropologie, dass jeder Mensch immanente und transzendente Anteile hat.
Daraus wächst die Erkenntnis, dass ohne Beachtung der Transzendenz der Mensch immer alleine und einsam ist. Dies ist die Begründung des existenziellen Fazits.
Die christliche Religion zeigt neben anderen Religionen den Weg zum tiefsten Verständnis des Lebens mit Ausrichtung auf Imago Dei, die Gottebenbildlichkeit (siehe Artikel von Rainer Oberbillig auf Seite 14)
Die Literaturliste im beim Autor zu erfragen.
Autor
Dr. med. Herbert Scheiblich ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Kinderund Jugendpsychotherapie. Er war Mitgründer der de'ignis-Fachklinik und ist derzeit Weiterbildungsleiter an der Akademie für Psychotherapie sowie Dozent am collegium verum in Warschau.
Unerwartete Einsamkeit
Wie eine Frau Einsamkeit in ihrer Trauer erlebt. Von Marika Rimkus
• Frau W. (58) verabschiedet morgens glücklich ihren Ehemann nach einem gemeinsamen Frühstück an ihrem 35. Hochzeitstag für seine alljährliche Motorrad-Tour. Ihr Mann ist ein erfahrener und geübter Motorradfahrer, verunglückt jedoch noch am selben Tag tödlich. Wie in den allabendlichen TV-Krimis klingelt am späten Abend die Polizei an der Tür und überbringt die Todesnachricht.
Die erste innerliche Reaktion der Patientin ist ein klares: NEIN, das kann nicht sein! Im gleichen Zuge bietet sie den Beamten und dem Krisendienst Getränke an. Sie informiert die älteste Tochter, diese irgendwie dann die jüngere Tochter. Realität muss sich erst noch einstellen!
21 Monate später kommt Frau W. zur stationären Psychotherapie, um die Trauer um den plötzlich verlorenen Ehemann zu bearbeiten und sich von massiver Erschöpfung und Funktionalität zu erholen. Frau W. kommt arbeitsfähig. Sie hat selbstverständlich bis zum Vortag ihre Aufgaben als Leitung zweier Kindergärten gewissenhaft und zuverlässig erledigt, gleichzeitig Kraftlosigkeit und fehlende Spannkraft wahrgenommen. Die Beziehung zu ihrem Ehemann und den beiden erwachsenen Töchtern beschreibt sie als sehr eng.
Den Vater ihres Ehemanns, den sie mit ihm gemeinsam jahrelang gepflegt hatte, habe sie nach dem tödlichen Unfall bis letzten Sommer alleine weiter gepflegt.
Einsamkeit on top zur Trauer belastet Frau W. erst jetzt, 21 Monate später, in unerwarteter Form und Wucht. Es ist nicht die logische, zu erwartende Einsamkeit, nein, es handelt sich um eine Einsamkeit, mit der sie nicht gerechnet hatte. Dass Menschen ihren Weg in der Trauer nicht ausdauernd und ausreichend begleiten können, kam unerwartet. Und diese Einsamkeit schmerzt sehr.
Direkt nach dem tödlichen Unglück erlebt Frau W. zu Hause viel Unterstützung. Jedem ist klar, dass das plötzliche Alleinsein für sie unerträglich sein könnte und viele signalisieren neben Beileid auch praktische Hilfe für den Alltag. Sie stellt sich eine Liste zusammen, wer denn wofür die perfekte Person
wäre und ordnet wichtige Beziehungsmomente und praktische Hilfe verschiedenen Menschen aus ihrem Umfeld zu. Vom Kaffeetrinken über handwerkliche Tätigkeiten bis zum Zuhören, ihre Liste umfasst verschiedene „Aufgaben“ für verschiedene liebe Menschen in ihrer Umgebung. Leere Plätze und Situation werden gefüllt.
Frau W. erlebt auch skurrile Fragen und Kommentare – wie es halt so ist in Situationen, die manche Menschen überfordern, sie selbst meistert jedoch die kommenden Monate privat wie beruflich.
Zu Beginn des stationären Aufenthaltes hat sie bereits zur weiteren Unterstützung eine Gruppe für früh verwitwete Partner durchlaufen. Sie empfindet es als einen Schlüsselmoment und ein Geheimnis, dem gemeinsamen Schicksal in dieser Gruppe Raum geben zu können. Podcasts, Bücher und vieles mehr helfen bislang auch. Jetzt aber kommt Frau W. mit einer anderen Art von Einsamkeit in Berührung.
Aus EINS-Sein mit ihrem Mann wird Einsamkeit ohne irgendjemand, eine unerwartete Qualität von Einsamkeit, denn:
Die gute und enge Bindung mit den Töchtern trägt anders als gedacht, braucht Respekt und Achtung, auch Abgrenzung, weil jeder anders trauert. Die Rollen sind zu unterschiedlich. Jeder muss seinen eigenen Weg finden. Sie können sich nicht so helfen, wie sie wollen.
Das macht einsam.
Die Arbeitskolleginnen, die Unterstützung und Begleitung zugesagt hatten, melden nach einem guten halben Jahr zurück, sie können und wollen die Trauer nicht mehr so intensiv mittragen.
Auch das macht einsam.
Das Glück, das Frau W. mit ihrem Mann erlebt hatte, kann sie niemandem mehr begreiflich machen, weil ihn niemand mehr kennenlernen wird.
Auch das macht einsam.
Sie stellt fest, viele Freunde gibt es nicht, die mit langem Atem zuhören würden.
Auch das macht einsam.
Alles, was sie jetzt und immer noch gerne teilen würde, hätte Frau W. mit ihrem Mann geteilt.
Auch das macht einsam.
Es entsteht ein innerer Schrei: Wo kann ich denn hin mit meiner Trauer, wer erträgt mich, ich wollte doch neben der Trauer und dem Alleinsein nicht gleichermaßen dieser Einsamkeit begegnen? Ich dachte, Leute wären und blieben an meiner Seite?
Jetzt schmerzt unerwartet die Einsamkeit, weil das Gedachte und Gehoffte nicht hält, was es verspricht.
Enttäuschung kommt hinzu, Einsamkeit bleibt mit ihr zurück.
Das ist eine Art von Einsamkeit, mit der einfach nicht zu rechnen war. Unerwartete Einsamkeit, die sich nicht so einfach auflösen lässt, weil andere aussteigen. Und diese Art der Einsamkeit tut richtig weh. Trauert sie falsch, zu intensiv, zu lang?
Frau W. erinnert sich:
Am Tag des Unfalls liest sie „zufällig“ morgens unter der Überschrift „Niemals allein“ unter anderem:
„Sei getrost und unverzagt, denn ich der Herr, dein Gott, bin mit dir, was auch immer du tust.“ (Jos. 1,9)
Ein tröstender Zuspruch in eine inzwischen harte Realität hinein?
Frau W. beginnt ihre neue Identität zaghaft zu verstehen. Sie entdeckt, gegen diese Art von Einsamkeit hilft es, sprachfähig bleiben zu dürfen, gehört und ausgehalten zu werden. Nicht falsch sein, wenn sie den ihr ganz eigenen Weg geht, anders vielleicht als andere. Sie rafft sich auf, sich nicht zu isolieren und zusätzlich Einsamkeit aushalten zu müssen. Irgendwie ahnt sie, diese nicht erwartete Einsamkeit wird zum Helfer, zum Motivator. So sagt es auch die evolutionäre Theorie der Einsamkeit (ETL; Cacioppo & Cacioppo, 2018): ein biologisches Warnsystem, das Stressreaktionen auslöst. Schmerz,
mit dem Hinweis, dass Beziehung fehlt, beschädigt oder gefährdet ist.
Über viele Gespräche und die Trauergruppe auch hier stationär bei de’ignis kann Frau W. sprachfähig bleiben und entscheidet sich mutig, wenn auch im Moment allein, nicht einsam zu bleiben. Für diese herausfordernde weitere Aufgabe im Trauerprozess hat die unerwartete Einsamkeit Anstoß geben können. Über Bilder, ausgeschnittene aus Zeitschriften und selbst gemalte, wird ihr schmerzlich klar, jeder geht seinen ganz eigenen Weg in der Trauer, die gute Bindung zu den Töchtern hilft hier nicht. Ihre jetzige, eigene Einsamkeit unterscheidet sich zutiefst von der Einsamkeit, die sie bisher (kaum) kannte und liefert irgendwie gleichzeitig die Kraft zu verstehen:
Im Moment bin ich allein, mein Mann ist tatsächlich nicht mehr an meiner Seite. Sie entscheidet sich umso mehr, nicht weiter allein zu bleiben mit der Einsamkeit. Sie will Freundschaften intensivieren und neue Freundschaften wagen.
Und letztendlich auch Gott suchen und finden, der ihr am Unfalltag doch morgens schon zusagte:
„Sei getrost und unverzagt, denn ich der Herr, dein Gott, bin mit dir, was auch immer du tust.“
Sie findet es nicht leicht, aber möglich!
Autorin
Marika Rimkus ist Psychologin, Systemische Therapeutin i. A., Systemische Supervisorin i. A., ACT-Therapeutin und als Therapeutin in der de’ignis-Fachklinik tätig, sowie am de’ignis-Institut engagiert.
Von Bettina Dörscheln
Vom Jogging-Schuh zum E-Rolli
Einsamkeit durch Behinderung, das Ende eines Lebenskonzeptes? Lässt sich mit einem Nein leben?
• Was heißt hier behindert?
Laut dem statistischen Bundesamt (Erhebung bis Ende 2021) gehen wir in Deutschland von circa 9,6 Millionen Menschen mit einer Behinderung aus (11,7 %). Davon sind 7,9 Millionen (9,4 %) festgestellte schwere Behinderungen mit dem Grad der Behinderung (GdB) von mehr als 50. 90 % sind durch eine Krankheit verursacht. Darüber hinaus gibt es wahrscheinlich eine hohe Dunkelziffer von Menschen, die sich als behindert erleben oder sich zu ihrer Schwerbehinderung nicht öffentlich bekennen.
Zu beachten ist aber auch die Gruppe der Angehörigen: Eltern, Kinder, Geschwister. Sie haben in der Regel Gleiches oder Ähnliches erlebt.
Eine feste Definition für Behinderung gibt es nicht. Im Sprachgebrauch üblich ist die Bezeichnung eher für jemanden, der nicht der Normalität entspricht.
Minderheiten gelten nach wie vor als nicht der Norm entsprechend und erfahren in unserer Gesellschaft eine erhöhte
Stigmatisierung und Diskriminierungstendenz, folglich besteht eine erhöhte Gefahr von Einsamkeit mit gesundheitlichen Folgen bis hin zur Suizidalität (siehe Einsamkeitsbarometer 2024, Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend) Dem gegenüber steht unser Grundgesetz in Verbindung mit der UN-Menschenrechtskommission, aus der hervorgeht, dass ein behinderter Mensch einem nicht behinderten gleichgestellt ist. Die Umsetzung ist gesellschaftspolitisch weiterhin unbefriedigend.
de’ignis-magazin – Impulse und Erfahrungen
Ein Schöpfungsaspekt ist, dass Vielfalt und Unterschiedlichkeit gewollt sind. Sie ergänzen sich und sind dadurch wertvoll.
Behinderung als Verlust körperlicher Funktionen, Mobilität, kognitiver Fähigkeiten, ebenso Veränderung in der eigenen Persönlichkeit sowie auf emotionaler Ebene können daher schnell als Endstation des Lebens empfunden werden.
Gelingt es uns als Gesellschaft insbesondere auch in unseren Kirchen und Gemeinschaften eine Schnittmenge zu gestalten, anstatt abzugrenzen und zu polarisieren, dann werden wir es schaffen, uns auf Gemeinsamkeiten und gegenseitige Bereicherung zu konzentrieren und nicht auf die Unterschiede.
Dies wäre für viele Betroffene wichtig, denn Integration und Inklusion vermindern die Gefahr von Aggression innerhalb der Gesellschaft und Autoaggression als Folge von Einsamkeit.
Mit dem Verlust von körperlichen, kognitiven und mentalen Funktionen und dessen Folgen für das tägliche Leben unerwartet und endgültig konfrontiert zu sein, kann das eigene Lebenskonzept von einem Tag auf den anderen zerstören. Die eigene Kohärenz ist nicht mehr vorhanden. (Abb. 1 – Verlust der Kohärenz)
Der Verlust der Eigenwirksamkeit und Kohärenz impliziert auch den Verlust der Grundbedürfnisse: Folglich ist die gesamte Existenz aufs Empfindlichste getroffen. Der Betroffene empfindet dadurch nicht nur die körperlichen Schmerzen der Erkrankung, sondern erlebt auch einen zutiefst existenziellen Schmerz, den Verlust der Sinnhaftigkeit. (Abb. 2)
Das Leben erscheint nicht mehr lebenswert und hat seinen Sinn und seine Daseinsberechtigung verloren. Wird diese Situation zum Ende aller Ziele, Hoffnungen und Wünsche?
Mühsame Schritte zu einer neuen Perspektive
Der erste Schritt ist die persönliche Auseinandersetzung mit dem, was war, aber nicht mehr ist und sein wird. Dabei sollten alle
Mein Körper tut nicht mehr, was er will
Ich kann nicht mehr arbeiten
Ich kann nicht mehr mit meinen Freunden unterwegs sein
Ich habe meinen Platz im Leben verloren
Macht mein Leben noch Sinn?
Ich verstehe die Welt nicht mehr Verlust der Kohärenz
Spirale der Einsamkeit: Entstehung von spirituellem Schmerz – Verlust der Grundbedürfnisse
In Anlehnung an Grawe: „Grundbedürfnisse / Cicely Saunders — Total Pain“ modifiziert nach B. Dörscheln
Gefühle ihren Raum bekommen. Klagen und Trauern eröffnen eine andere Blickrichtung. In den Psalmen oder den Klageliedern Jeremias finden wir dieses vor – im Gegensatz zum Jammern, welches in Selbstmitleid und Selbstaufgabe endet. Bleibe ich im Selbstmitleid, schaffe ich mir selbst eine Einsamkeit auf vielen Ebenen, die nicht durch soziale Medien ersetzt werden kann. Die Entscheidung zur Selbstakzeptanz bzw. zur Akzeptanz der neuen Wirklichkeit ist notwendig und motiviert dazu, sich nicht mehr ausschließlich über Defizite zu definieren. Stattdessen entsteht die Motivation, diese in die Realität zu integrieren. Daraus folgt Selbstdistanz an Stelle von Selbstmitleid. Ohne diesen Schritt können keine effektiven Ressourcen oder ResilienzFaktoren erworben werden.
Durch diesen Schritt ist auch die Auseinandersetzung mit der Frage nach der Sinnhaftigkeit möglich. Die Frage nach dem individuellen, wie nach einem höheren, übergeordneten Sinn eröffnet den Raum der Bedeutsamkeit.
Der Wille zum Sinn, das Trotzdem des Lebens (Viktor E. Frankl) neu zu suchen als elementares Grundbedürfnis des Menschen. Auf diesem Weg wird erlebt, dass Defizite auch Stärken sein können, sich neue Wege eröffnen, Motivation, Neues zu wagen, Ziele zu setzen, Hoffnung zu schöpfen, da deutlich wird, dass nicht alles verloren gegangen ist an wertvollen Persönlichkeitsmerkmalen und Begabungen.
Mit Sinnhaftigkeit im Kleinen liegt in uns Menschen das Verlangen nach einem höheren Sinn. Spiritualität als neurologische Komponente des Gehirns eröffnet hier auch die Dimension der Transzendenz. Die Möglichkeit, über meine Selbsttranszendenz nicht nur mit mir selbst verbunden zu sein, sondern auch eingebunden zu sein in etwas Höheres, Bedeutsamkeit zu haben. Auf diesem Weg reduziert sich das Gefühl der existenziellen Einsamkeit im Hinblick auf das Gefühl, verlassen zu sein. Aus Sicht der christlichen Anthropologie leben wir Menschen zwischen Immanenz
und Transzendenz. Nach N. Luckmann gibt es verschiedene Ebenen der Transzendenz (losgelöst, unabhängig von mir, über mein gegebenes Bezugsfeld hinaus). Über die Selbsttranszendenz in ein Höheres eingebunden zu sein, bedeutet im christlichreligiösen Kontext, dass Gott uns in Jesus Christus begegnet. Bei ihm sind wir mit allen Defiziten angenommen: Ich bin gut so, wie ich bin. Wertigkeit und von Bedeutung zu sein auch für etwas Höheres verstärkt das Gefühl von Sinnhaftigkeit im Ganzen. Diese vertikale Transzendenz kann aber nur zusammen mit der horizontalen Transzendenz seine Wirkung entfalten. Die horizontale Transzendenz erleben wir in der Gemeinschaft mit anderen Menschen. Menschsein impliziert das Bedürfnis, verbunden zu sein, nach innen und außen. Hier hat die Gemeinschaft der Christen, Brüder und Schwestern, eine Chance als Resilienzfaktor. Positive Bindungserfahrungen, die Raum lassen für Eigenständigkeit, sind ein wesentlicher Faktor, Einsamkeit zu minimieren (dieser Bezug auf Winnicott ist auch präventiv zu verstehen).
Voraussetzung ist, dass wir Andersartigkeit nicht als etwas Trennendes, sondern als etwas Gemeinsames sehen und leben, Vielfalt als Einzigartigkeit und Bereicherung wahrnehmen. Emotionale Stabilität und Selbstwert werden so gefördert, Wachstum über die eigenen Grenzen hinaus möglich. Umsetzen können wir das ganz praktisch in kleinen Schritten, zum Beispiel im Gottesdienst oder nach dem Gottesdienst, wo wir gemeinsam Leben teilen, nicht reine Dienstgemeinschaft sind, wo auch Humor seinen Raum hat, um das Leben trotzdem gemeinsam zu feiern. Leider geht dies allzu oft verloren.
Gemeinsam eine Tasse fairen Kaffee zu genießen, sich zu freuen und zu lachen über das, was uns geschenkt ist, statt zu jammern, setzt ungeahnte Kräfte frei und lässt uns nachhaltig leben.
Spiritualität zeigt sich in sehr unterschiedlichen Ausübungen, zum Beispiel in Form von Gebet, Lobpreis, Achtsamkeitsmeditation ….
Ob diese ihre Wirkung als effektive Ressourcen entfalten können, ist davon abhängig, ob wir Selbstdistanz gefunden haben. Sonst haben wir hier einen spirituellen Bypass. Das bedeutet, dass diese Praktiken als Moment der Wohlfühlzone gedeutet werden, das Erleben lässt sich dann jedoch nicht in den defizitären Alltag integrieren. Dann wird dieser als noch sinnloser erlebt. Ein gut gemeinter Ratschlag, man müsse mehr beten als Weg aus der Einsamkeit, kann so zu einem KOKriterium werden.
Hier wird deutlich, dass Spiritualität und Religiosität unter gewissen Voraussetzungen hilfreiche Ressourcen und Resilienzfaktoren sein können, um Einsamkeit weniger belastend zu erleben, anders zu gestalten.
Um in Therapie und Seelsorge dieses Element nutzen zu können, bedarf es einer sensiblen Erfassung der Spiritualität meines Gegenübers. Zu beachten ist, dass Spiritualität sehr viele Facetten hat und nicht meiner eigenen entsprechen muss. Sonst besteht die Gefahr, dass ich mein Gegenüber überfordere, in etwas hineindränge, dass es nicht aus sich heraus gestalten kann.
Der Faktor Spiritualität / Religiosität bietet über den kognitiv-verhaltenstherapeutischen Ansatz eine wertvolle Ergänzung, die sich wiederum auf Kognition und Verhalten positiv auswirkt.
Wer nicht nur um seinen eigenen Wert weiß, sondern auch um einen übergeordneten und damit höheren Sinn, wird sein Leben in einer wesentlich gesteigerten Aufmerksamkeit sich selbst und anderen gegenüber gestalten und dadurch nachhaltig leben. Gesundheit und Lebenserwartung werden positiv beeinflusst. Präventiv gesehen, da Einsamkeit jedes Alter betrifft, ist es hilfreich, früh zu lernen, mit einem Nein zu leben.
Akzeptanz der eigenen Realität, mit einem realistischen Selbstbild und Verbundenheit durch tiefe menschliche Beziehungen tragen dazu bei, wieder Eigenwirksamkeit und Zuversicht zu erleben, wodurch die Erfahrung von Sinnhaftigkeit entsteht. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt.
de’ignis-magazin – Impulse und Erfahrungen
Mein persönlicher Hintergrund Als Autorin schreibe ich hier nicht nur als Beobachtende im Zusammenhang mit wissenschaftlichen Erkenntnissen, sondern als Betroffene, die in Folge einer seltenen, chronischen, neuromuskulären Erkrankung (Myasthenia gravis generalisiert) mit einem endgültigen Verlust der Selbstständigkeit, eigener Mobilität und damit gleichzeitig mit Einsamkeit und Isolation konfrontiert wurde und ist. Statt Rennrad und Jogging-Schuhen hatte ich plötzlich nicht nur zwei Räder, sondern vier, die ich nicht mehr selbst aktiv bewegen kann und die mir viele Aktivitäten versagen. Ein Rollstuhl mit E-Antrieb und Sauerstoffversorgung schienen mir meine bisherige Sinnhaftigkeit zu nehmen. Ich war gezwungen, ein neues Lebenskonzept zu finden, mich zwischen Selbstaufgabe und Selbstdistanz zu entscheiden. Spiritualität und Religiosität waren und sind für mich eine tragende Säule, um mein Leben trotzdem sinnvoll gestalten zu können.
Dies ersetzt aber keine menschlichen Beziehungen. Für mich konkret bedeutet das, nach tragenden Beziehungen Ausschau zu halten und den Kampf gegen die Mühlen unseres Verwaltungsapparates zum Erhalt der sozialen Teilhabe nicht aufzugeben.
Hilfreich ist für mich, dass in einer Kirchengemeinde Unterschiedlichkeit kein Problem darstellt, sondern als Bereicherung gesehen wird. Die Zugehörigkeit hat sich nicht geändert. Im Gegenteil: Es haben sich neue Aufgaben ergeben. Diese Eigenschaft genießen auch andere Menschen, die unsere Gottesdienste besuchen.
Einsamkeit und körperliche Defizite gehören weiterhin zu meinem Leben, aber ich definiere mich nicht darüber. Ich hätte diesen Artikel und auch meine Fortbildungen und Ausbildungen weder nutzen noch ausführen können, wenn ich nicht in diese Situation geraten wäre.
Wir sind täglich mit Defiziten konfrontiert, persönlich und in unserer Gesellschaft. Wichtig ist, dass wir einen Weg finden, damit gut zu leben.
„Darum verlieren wir nicht den Mut. Wenn auch unsere körperlichen Kräfte aufgezehrt werden, wird doch das Leben, das Gott uns schenkt, von Tag zu Tag erneuert.“ (2. Korinther 4,16 – Hoffnung für Alle).
Mein Leben bleibt zwischen Immanenz und Transzendenz, zwischen Leid unter der Hoffnung, erlöst zu sein nach dem Tod. Die Zwischenzeit zu gestalten, das ist unsere Aufgabe.
Ich schließe mit den Worten von Cicely Saunders: „Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben.“
Nein, Gott hat gerade das auserwählt, was der Welt als dumm und schwach erscheint, um die Weisen und Mächtigen zu beschämen (1. Korinther 1,27 – Neue evangelische Übersetzung).
Die Literaturliste ist bei der Autorin zu erfragen.
Autorin Bettina Dörscheln ist ausgebildete Kinderkrankenschwester, mit Zusatz Familienbegleiterin im ambulanten Kinder-, Jugend-, Familien-Hospitzdienst der Malteser. Nach abgeschlossener Seelsorgeausbildung in verschiedenen Richtungen befindet sie sich aktuell in Ausbildung für Psychotherapie Schwerpunkt Spiritual Care und Existential Care (APP und AEKD). Sie ist aktives Mitglied der evangelischen Landeskirche Württemberg.
Anthropologische und spirituelle Aspekte zur Einsamkeit
Gottesbegegnung und Empathie als Hilfe zur Bewältigung
Von Winfried Hahn de’ignis-magazin – Impulse und Erfahrungen
• Einsamkeit ist ein sich immer weiter ausbreitendes Phänomen. Es hat solche Ausmaße angenommen, dass sich die Bundesregierung herausgefordert sieht, sich mit dieser Entwicklung zu beschäftigen. So wurde im Jahr 2024 erstmals ein sogenanntes Einsamkeitsbarometer erstellt.
Zentrale Ergebnisse des Einsamkeitsbarometers sind:
• Die Einsamkeitsbelastungen durch die Corona-Pandemie gehen zurück. Die Einsamkeitsbelastungen bei der Gesamtbevölkerung sanken von 28,2 Prozent im Jahr 2020 auf 11,3 Prozent im Jahr 2021.
• Einsamkeit zieht sich durch die gesamte Gesellschaft. Die Einsamkeitsbelastungen im Jahr 2021 betrugen bei den 18- bis 29-Jährigen 14,1 Prozent, bei den 30- bis 50-Jährigen 12,3 Prozent, bei den 51- bis 75-Jährigen 9,8 Prozent und bei den Menschen ab 75 Jahren 10,2 Prozent.
• Frauen weisen eine höhere Einsamkeitsbelastung als Männer auf. Im Jahr 2021 betrugen die Einsamkeitsbelastungen bei Frauen 12,8 Prozent und bei Männern 9,8 Prozent. Die Corona-Pandemie hat diesen Effekt weiter verstärkt.
• Einsamkeit wirkt sich negativ auf die physische und psychische Gesundheit aus. Im Jahr 2021 hatten 60,7 Prozent der Menschen mit erhöhten Einsamkeitsbelastungen eine unterdurchschnittliche körperliche Gesundheit.
• Care-Arbeit und Migration hängen stark mit Einsamkeit zusammen. Menschen, die intensive Sorgearbeit leisten, sind stärker von Einsamkeitsbelastungen betroffen, ebenso Menschen mit Migrations- und/ oder Fluchterfahrung.
• Einsamkeitsbelastungen beeinflussen die Einstellungen zur Demokratie. Personen mit erhöhter Einsamkeitsbelastung haben ein niedrigeres Vertrauen in politische Institutionen (Polizei, Parteien, Politiker und Politikerinnen, Rechtssystem, Bundestag) als Personen ohne erhöhte Einsamkeitsbelastung.1
• Soziale Einsamkeit
• Emotionale Einsamkeit: Es gibt Personen, die zwar soziale Kontakte haben, denen aber enge emotionale Bindungen fehlen.
• Existenzielle Einsamkeit: Manche Menschen fühlen sich dem Sinn des Lebens und damit sich selbst und ihrer Umwelt entfremdet.
• Situationsbedingte Einsamkeit: Diese wird durch bestimmte Lebensumstände hervorgerufen, wie etwa einen Umzug in eine neue Stadt, eine Trennung oder den Verlust eines geliebten Menschen.2
Ein besonderes Merkmal von Einsamkeit ist, dass ein Mensch sich einsam fühlen kann, obwohl er umgeben ist von Freunden, Kollegen und durchaus freundlichen Mitmenschen. Man nennt dies auch „Alone-in-the-crowd“-Phänomen. Da es sich beim Menschen um ein soziales Wesen handelt, ist Einsamkeit ein ernstzunehmender psychischer Belastungsfaktor mit erheblichen gesundheitlichen Risiken. Schon auf den ersten Seiten der Bibel kommt Gott zu dem Ergebnis: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei“, so erschuf er ihm eine Partnerin. Zwar ist der Mensch auf die Gemeinschaft zu seinem Schöpfer hin konzipiert, aber ohne Seinesgleichen konnte er offenbar selbst im Paradies nicht glücklich werden. Somit ist der Mensch, um in einem ausgeglichenen psychischen Zustand leben zu können, auf zwei Komponenten angewiesen:
1. Eine gute Gottesbeziehung Neuere Forschungsergebnisse bestätigen, dass der Mensch per se ein spirituelles Wesen ist.3 Ohne erfüllende Gottesbeziehung oder eine über sich hinausweisende Sinnperspektive läuft er Gefahr, psychisch zu erkranken. Viktor Frankl beschreibt diesen Zustand der Sinnleere und die damit verbundene psychische Mangelerscheinung als „noogene Neurose“4 .
In dem Stadtteil Berlin-Reinickendorf wurde bundesweit erstmals eine Stelle, die sich Einsamkeitsbeauftragte(r) nennt, eingerichtet. Es handelt sich also um ein Phänomen von erheblicher gesellschaftlicher Relevanz und Tragweite. Dabei ist Einsamkeit ein durchaus vielschichtiges Problem mit sehr unterschiedlichen Ausprägungsformen. Einige sind hier ergänzend wiedergegeben.
Durch den Bruch der ungetrübten Gemeinschaft mit Gott durch den Sündenfall ist, wie Paul Tillich ausführt, eine dreifache Entfremdung des Menschen geschehen. Da ist erstens die Entfremdung des Menschen zu Gott als seinem Ursprung, zweitens die Entfremdung des Menschen zu sich selbst und drittens die Entfremdung des Menschen zu seiner Umwelt und damit auch zu seinen Mitmenschen.5 Diese dreifache Entfremdung des Menschen führt nach Tillich zum Selbstverlust, zum Verlust des inneren Zentrums und zur Spaltung der Person als Ganzheit. Die Geschichte vom Sündenfall erklärt also eine der Ursachen für Einsamkeit. Auch Carl Gustav Jung entwickelte schon in der Frühphase der analytischen Psychologie die Theorie, dass ohne die Klärung der Gottesbeziehung die Selbstfindung und Selbstwerdung des Menschen – er nennt es „Individuation“ – nicht wirklich möglich ist.6
Vor allem die wertvolle spirituelle Erfahrung, dass Gott wertschätzend liebevoll und orientierungsgebend ist, kann Menschen im Herzen berühren. Der von Gott entfremdete Mensch erlebt in der Begegnung mit Gott die Erfahrung des Heimkommens, des Nach-Hause-Kommens.
Der Mensch kann zwar durch Leistungsorientierung, Karrierestreben, Konsumorientierung etc. diesen tiefsitzenden Mangel betäuben und sich davon ablenken, sich selbst findet er jedoch in der Beziehung zu seinem Ursprung in Gott, der uns durch Jesus Christus zum liebevollen Vater, zum Freund und zu einem inneren Zuhause geworden ist. Diese Heimat zu finden bei Gott ist die tiefste und ergreifendste und zugleich heilsamste Erfahrung, die einem Menschen auf dieser Erde zuteil werden kann. Sie eröffnet eine Sinnperspektive, die orientierungsgebend, motivierend und herausfordernd zugleich ist und weist damit einen Weg aus Einsamkeit und Isolation.
2. Ein gutes soziales Umfeld ist eine wichtige Voraussetzung für psychische Gesundheit
Fatalerweise vermögen psychische Erkrankungen, den Menschen in Passivität und Isolation zu treiben. Der Depressive neigt
dazu, sich aus dem Gefühl der Überforderung zurückzuziehen. Das Gleiche gilt für Menschen mit Ängsten wie z. B. einer Sozialphobie. Auch bei anderen Krankheitsbildern lässt sich beobachten, dass sich eine Tendenz zur sozialen Isolation entwickelt. Psychische Erkrankungen können also durchaus eine Einsamkeitsproblematik verstärken, auch wenn sie nicht immer als ursächlich anzusehen sind. Immer wieder machen wir die Erfahrung, dass eine wertschätzende, auf Empathie setzende Begegnung die Bereitschaft fördert, sich zu öffnen und auf diese Weise durch verständnisvolle Kommunikation sich neue Perspektiven, wenn auch in kleinen Schritten, entwickeln können. Das bedeutet, sich auf den einsamen Menschen verstehend einzulassen, sein Vertrauen zu gewinnen und ihm zuzuhören. Auf diese Weise lässt er sich am ehesten motivieren, neue Schritte zu wagen.
Das Phänomen des Rückzugs in die Einsamkeit aufgrund von Angst- und Bedrohungsgefühlen sehen wir auch bei Elia, als die Königin Isebel ihn bedrohte. Trotz grandiosen Erfolgs auf dem Berg Karmel geriet er in Angst, Panik, Resignation und Rebellion und zog sich, selbst nach ermutigender Gottesbegegnung in Gestalt von Engeln und Stärkung durch Speise, in eine Höhle am Berg Horeb zurück.7 Was war nun das wirksame Therapeutikum, das diesem einsamen, resignierten Menschen half?
Erfahrungen von gewaltigen übernatürlichen Erscheinungen konnten diesen Mann Gottes nicht mehr beeindrucken. Stattdessen erreichte ihn in seiner Isolation das sanfte Säuseln eines göttlichen Windhauchs. Was zeigt uns dies für den Umgang mit Einsamkeit? Es gibt viele hilfreiche Angebote, aber am wirksamsten scheint echte Begegnung, Nähe und empathisches Verstehen zu sein. Es war die Begegnung der Sanftheit, in diesem Fall von Gott selbst, die Elia aus seiner Isolation herauslockte. Dort, wo man sich aufeinander einlässt von Herz zu Herz, kann neuer Lebensmut entstehen. Dort können sich neue Sinnperspektiven entwickeln.
Fußnoten
1 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Einsamkeitsbarometer. Aktuelle Meldung, 30.05.2024.
2 Helsana: Einsam: Was tun? 4.12.2023, https:// www.helsana.ch/de/blog/psyche/achtsamkeit/einsamkeit.html.
3 Deutsches Ärzteblatt: Wo die Spiritualität im Gehirn verortet ist. 11.08.21, https://www.aerzteblatt. de/news/wo-die-spiritualitaet-im-gehirn-verortet-ist.
4 Viktor E. Frankl (1992): Psychotherapie für den Alltag. Freiburg. S. 19.
5 Wolfhart Pannenberg (2011): Anthropologie in theologischer Perspektive. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht. S. 276.
6 Vgl. hierzu: C. G. Jung (1990): Die Frage nach Gott in der Psychologie.
7 Altes Testament: 1. Könige 19.
Autor
Winfried Hahn ist Pastor und Pädagoge. Der Vater von zwei erwachsenen Kindern studierte Pädagogik, war Pastor in mehreren freikirchlichen Gemeinden und absolvierte eine Ausbildung zum christlichen Therapeuten. Er ist Geschäftsführer des Sozialtherapeutischen Zentrums de’ignis-Wohnheim – Haus Tabor zur außerklinischen psychiatrischen Betreuung und Vorsitzender der de’ignis-Stiftung Polen. Er ist verantwortlich für den Fachbereich Theologie am de’ignis-Institut. Als Pastor im übergemeindlichen Dienst und Buchautor hält er Predigten, Vorträge und Seminare im In- und Ausland.
Es gibt viele hilfreiche Angebote, aber am wirksamsten scheint echte Begegnung, Nähe und empathisches Verstehen zu sein.
Das Land der Einsamkeit verlassen
Schematherapeutische Aspekte für die Bewältigung von Einsamkeitserleben
Von Marie Luise Armbruster
• Tatsächlich ist es ganz normal, sich ab und zu einmal einsam zu fühlen, ebenso wie es normal ist und zum Alltag dazu gehört, ängstlich, traurig oder wütend zu sein. Auch wenn diese Gefühlszustände nicht als angenehm erlebt werden, so sind sie doch nicht
gefährlich. Wesentlich ist, ob wir ausreichend Strategien besitzen, um mit den Gefühlen und der damit zusammenhängenden Situation umzugehen. Treten bestimmte Gefühle – hier das Gefühl und das Erleben der Einsamkeit – immer wieder und in stärkerer
Intensität auf, so kann ein Leidensdruck entstehen, der bei den Betroffenen einen starken Wunsch nach Veränderung mit sich bringt („raus aus der Einsamkeit“). Einsamkeit an sich ist keine psychische Störung, sie kann aber psychische Störungen
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begünstigen, insbesondere Depressionen. Einsamkeit kann auch die Folge psychischer Störungen sein, vor allem von Angststörungen, die mit einem starken Vermeidungsverhalten einhergehen. Auch veränderte Lebensumstände (z. B. ein Umzug oder der Verlust eines nahestehenden Menschen) sowie körperliche Krankheiten, die die Teilhabe am sozialen Leben einschränken (etwa Parkinson), können in Einsamkeit münden.
Ein überdauerndes oder wiederkehrendes Empfinden von Einsamkeit kann mit einem tiefen emotionalen Schmerz einhergehen, der Handlungen, die aus der Einsamkeit herausführen könnten, schier unmöglich zu machen scheint. Es ist nicht getan mit einem „Stell dich nicht so an. Du musst einfach mehr nach draußen gehen. Warum setzt du dich nicht einfach in ein Café und schaust den Menschen zu? Dann bist du nicht alleine“ Sicherlich mag die eine oder andere sich einsam fühlende Person schon einmal einen solchen Ratschlag oder viele ähnliche erhalten haben … von Menschen, die helfen, beraten und unterstützen wollten. Von den Betroffenen wurde dies möglicherweise wie ein Stich in die bereits vorhandene Wunde empfunden.
Doch wie kann es gelingen, aus der Einsamkeit schrittweise herauszutreten, ohne dabei über die eigenen Gefühle, die dabei aufkommen, hinweg zu gehen? Und wo gilt es, das Alleinsein einmal auszuhalten, anstatt sich in die Gemeinschaft zu flüchten? Aspekte aus der Schematherapie sollen helfen, diesen Fragen nachzugehen. Zunächst erfolgt eine kurze Einführung in die Schematherapie.*
1. Einführung in die Schematherapie
Die Schematherapie, entwickelt in den 1990er Jahren von Jeffrey Young, verbindet Elemente aus kognitiver Verhaltenstherapie, Bindungstheorie, Tiefenpsychologie und erlebnisorientierten Techniken. Der Schwerpunkt liegt auf der therapeutischen Beziehung, der Aufarbeitung traumatischer Erlebnisse sowie auf der Arbeit an überdauernden Verhaltensmustern und dahinterliegenden Schemata, Emotionen und Bedürfnissen. Die Schematherapie wird aufgrund
ihrer guten Wirksamkeit und der hohen Patientenzufriedenheit bei verschiedenen seelischen Erkrankungen eingesetzt. Auch in Beratung, Coaching und Pädagogik wird die Arbeit mit Schemata angewendet.
Unter dem Begriff „Schema“ versteht man ein breites, übergeordnetes Thema oder Muster. Es entwickelt sich in der Kindheit und Jugend und kann im Laufe des Lebens immer wieder aktiviert werden, sodass es sich festigt und unflexibel werden kann. Ein Schema beinhaltet Erinnerungen, körperliche Wahrnehmungen, Emotionen und Kognitionen. Bleiben wesentliche Bedürfnisse unerfüllt (z. B. durch kritische Lebensereignisse), können ungünstige Schemata entstehen, wie Schemata der Unzulänglichkeit, der Unterordnung oder der Abhängigkeit. Diese negativen Schemata können in belastenden Alltagssituationen erneut aktiviert werden. Die Aktivierung eines Schemas im Alltag, also das Erleben von Gefühlen, Gedanken, Körperempfindungen oder Erinnerungen „von damals“, nennt man Schemamodus. Ist ein Schema aktiviert, handeln betroffene Personen ähnlich wie in der früheren Situation, in der sie sich z. B. ängstlich fühlten. Weil die Gefühlserinnerungen so stark sind,
können Betroffene nicht auf ihre erwachsenen Fähigkeiten zugreifen und „kippen“ nahezu automatisch in alte, ungesunde Erlebens-, Denk- und Verhaltensmuster. Dabei kann es zu einem schnellen Wechsel zwischen den einzelnen Modi kommen (Modus-Flipping).
Abbildung 1 zeigt die einzelnen Schemamodi. Man unterscheidet zwischen:
• Kind-Modi (verletztes, wütendes oder glückliches Kind; hier zeigen Personen ihre Gefühle ganz echt, „wie Kinder es tun“),
• innere Eltern-Modi (innere kritische Stimmen mit hohen Ansprüchen oder Selbstabwertungen) sowie
• ungünstigen Bewältigungsmodi/Bewältigungsstrategien: diese werden (automatisch) angewendet, wenn die „inneren Eltern“ stark aktiviert sind und hierdurch die kindlichen Bedürfnisse beispielsweise nach Annahme und bedingungsloser Liebe bedroht erscheinen. Die Strategien (z. B. sich von anderen zurückziehen) werden als ungünstig betitelt, da sie nur kurzfristig Entlastung bringen und langfristig der Person eher schaden oder negative Konsequenzen haben. (Abb. 1)
Gesunder Erwachsener
SPANNUNG
Bewältigungsmodi
Klinische Symptome
Abb. 1 Einfaches Modusmodell
Abb. 7, Roediger, 2009, ergänzt nach Hersberger, 2016
Ziel der Schematherapie ist es, die eigenen Bedürfnisse zu erkennen und sie angemessen zu sättigen. Es soll ein liebevoller, flexibler (anstatt starrer) und situationsangemessener Umgang mit Gefühlen, Gedanken und Verhalten entwickelt werden, sodass der Betroffene nach und nach das Empfinden entwickelt, Alltagssituationen bewältigen zu können anstatt ihnen ausgeliefert zu sein.
2. Einsamkeit aus schematherapeutischer Perspektive Im folgenden Abschnitt werden die einzelnen Modi auf den Bereich der Einsamkeit übertragen. Welche Modi könnten somit im Alltag einer sich einsam fühlenden Personen aktiviert sein?
Einsamkeit als Kind-Modi: In diesem Modus empfindet der Betroffene Gefühle der Einsamkeit, möglicherweise in Verbindung mit Angst (vor anderen Menschen), Ausweglosigkeit oder Traurigkeit. Gefühle werden hier so echt und spontan erlebt, wie Kinder es tun. Tatsächlich besteht ein Zusammenhang zwischen früheren andauernden Zurückweisungserfahrungen durch nahestehende Bezugspersonen wie Eltern, Lehrer oder Freunde und der Entwicklung einer hohen Zurückweisungsempfindlichkeit; das heißt, potentielle Signale auf Zurückweisung werden schneller wahrgenommen und die Betroffenen reagieren stärker auf die wahrgenommene Zurückweisung (in Krieger & Seewer, 2022). Somit wäre es vorstellbar, dass bei empfundener Zurückweisung im Alltag rasch Gefühle, Gedanken und Verhalten aus der damaligen Zurückweisungssituation aktiviert werden und zu Einsamkeitserleben führen. Aktiviert werden kann das Gefühl der Einsamkeit zusätzlich durch das Alleinsein an sich und/oder durch negative Gedanken (z. B. Selbstabwertung wie „Ich fühle mich unfähig, Beziehungen zu anderen aufzubauen“).
Einsamkeit durch innere Eltern-Modi: Unter inneren Eltern-Modi versteht man negative Bewertungen und Regeln enger früherer Bezugspersonen, die im Laufe der Biografie erlernt und verinnerlicht wurden und zu eigenen Bewertungen und Normen geworden sind. Zu den „inneren Eltern“ gehören:
• Der innere Bestrafer oder Kritiker: innere Stimmen, die die eigene Person abwerten, wie „Du bist zu dumm, um Kontakte aufzubauen“, „Keiner interessiert sich für dich“, „Es ist vermutlich nicht angenehm, mit dir in Beziehung zu sein“.
• Der innere Antreiber: innere Stimmen, die hohe Erwartungen an die eigene Person aktivieren, wie „Ich erwarte von dir, dass du kompetent auftrittst, wenn du mit anderen Menschen in Kontakt bist“.
Sowohl der innere Kritiker als auch der innere Antreiber können den Modus des einsamen Kindes und die damit in Verbindung stehenden Gefühle verschlimmern und es in der Folge erschweren, in Kontakt mit anderen zu treten.
Ungünstige Bewältigungsmodi: Diese Modi sind früh angeeignete Strategien, die dazu dienen, die Spannung zwischen den Bedürfnissen der Kind-Modi und den Erwartungen der Eltern-Modi zu reduzieren. Sie haben die Funktion, Unangenehmes zu verhindern (z. B. Ablehnung) und/oder Positives herzustellen (z. B. Anerkennung/Liebe). Die Strategien sind ungünstig, da sie die unangenehmen Gefühle nur kurzfristig reduzieren, langfristig jedoch verstärken. Wie auch bei dem Kind-Modus und dem Modus der inneren Eltern „fallen“ die Betroffenen nahezu automatisch in einen ungünstigen Bewältigungsmodus, weil sie aufgrund der Intensität der Gefühle nicht auf ihre eigentlich vorhandenen erwachsenen Fähigkeiten zugreifen können. Man unterscheidet folgende Modi:
• Im gefühlsvermeidenden Modus wenden die Betroffenen ungünstige Strategien an, um Gefühle der Einsamkeit kurzzeitig weniger zu spüren, indem sie sich durch ablenkende Tätigkeiten selbst beruhigen, beispielsweise durch Essen, Tabak, sich in die Arbeit stürzen, Ablenkung am Handy, sich eine eigene Welt aufbauen. Auch durch die Vermeidung sozialer Situationen bzw. durch Rückzug können Gefühle vermieden werden, insbesondere die Angst vor befürchteter Ablehnung oder Ausgrenzung, die die Einsamkeit verschlimmern würden. Wenn sich Betroffene im direkten Kontakt mit anderen einsam fühlen, kann eine Vermeidung der Einsamkeitsgefühle dadurch erfolgen, dass
das Gegenüber auf Distanz gehalten wird (z. B. Fassade zeigen, keine Gefühle der Einsamkeit zulassen, intellektualisieren).
• Im überkompensierenden Modus reagieren die Betroffenen sozusagen zu stark, z. B. indem sie andere manipulieren, entwerten oder verbal angreifen. Um Gefühle der Einsamkeit zu bewältigen, erscheinen diese Strategien weniger geeignet bzw. relevant. Eine Reduktion von Einsamkeitsgefühlen im überkompensierenden Modus könnte am ehesten dadurch erfolgen, dass man die die eigene Leistung im Gespräch besonders hervorhebt (sich selbst erhöht), um anerkannt zu werden und sich weniger einsam zu fühlen.
• Im untergeordneten Modus zeigen die Betroffenen ein angepasstes Verhalten und ordnen sich meist unbewusst anderen unter, um gemocht zu werden und sich nicht noch einsamer zu fühlen.
3. Das Land der Einsamkeit verlassen Wie kann nun das „Kippen“ in frühere ungünstige Modi verhindert oder reduziert werden? Wie können von Einsamkeit Betroffene zunehmend erleben, dass sie selbst wieder mehr ihre Gefühle, Gedanken und ihr Verhalten bestimmen, anstatt dem Gefühl der Einsamkeit ausgeliefert zu sein? In der Arbeit mit Schemata und Modi nimmt der Gesunde Erwachsene eine wichtige Rolle ein. Im Gesunder-Erwachsener-Modus sind wir in der Lage, unsere Gefühle, Wünsche und Bedürfnisse, aber auch Situationen in unserem Umfeld achtsam wahrzunehmen, Handlungsalternativen nach Zielen und Werten abzuwägen und flexibel anstatt starr nach bestimmten Regeln zu handeln. Der Gesunde Erwachsene ist in der Lage, sich fürsorglich um sein verletztes oder einsames Kind zu kümmern und sich außerdem liebevoll und empathisch Positives zusprechen (positive Selbstinstruktionen). Ziel ist es somit, den Gesunden Erwachsenen als sogenannten Lösungsmodus zu stärken, sodass langfristig das Einsamkeitserleben sowie damit zusammenhängende innere kritische Stimmen und ungünstige Bewältigungsstrategien reduziert werden können. Dies erscheint vermutlich leichter gesagt als
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Trauer erfordert eine enorme Anpassungsleistung des gesamten Menschen an die veränderte Lebenssituation, nämlich an ein Leben ohne den Verstorbenen, der so wichtig war.
getan und ist ein Prozess, der bei tiefgreifender Einsamkeit und damit einhergehenden psychischen Störungen die Begleitung und Unterstützung eines Therapeuten bedarf. In der christlichen Schematherapie darf der Patient zusätzlich erleben, wie er (bzw. seine einzelnen Modi) von Gott versorgt wird (siehe Abb. 1)
Lassen Sie uns nun einen Blick darauf werfen, wie einzelne Modi schrittweise verändert werden können. Denn die Einsamkeit zu überwinden, bedeutet nicht einfach, nach draußen zu gehen, sich in die Gemeinschaft zu begeben und auf „Knopfdruck“ glücklich zu sein.
Versorgung des einsamen Kindes: Oftmals erscheinen Einsamkeitsgefühle so stark, fast als würden sie lähmen, sodass die Vorstellung, sich in Gemeinschaft zu begeben, undenkbar wird. Dies greift der schematherapeutische Ansatz auf, indem der Fokus darauf gelegt wird, zu lernen, sein verletztes und einsames Kind zu trösten, zu umsorgen und zu ermutigen. In den therapeutischen Gesprächen ist der Therapeut tröstend und ermutigend für den Patienten da und leitet ihn (modellhaft) dazu an, wie er in Situationen, in denen er sich einsam fühlt, liebevoll und fürsorglich mit sich umgehen kann. Dieses fürsorgliche Verhalten kann für jeden Patienten ganz unterschiedlich aussehen. Möglicherweise helfen in Situationen der Einsamkeit eine angenehme Gestaltung des häuslichen Umfelds, Wärme sowie wohltuende, entspannende Tätigkeiten oder auch die Kontaktaufnahme zu vertrauten Bezugspersonen. Durch diese Interventionen soll nicht nur das „einsame Kind“ versorgt werden. Gleichzeitig wird durch diese Interventionen dem glücklichen Kind, das zuvor kaum Raum hatte, mehr Platz eingeräumt. Liegen bei den Betroffenen in der Vergangenheit kritische Lebensereignisse vor, in denen Einsamkeit oder Ausgrenzung erlebt
wurde, können diese Situationen in der Schematherapie aufgearbeitet werden. In sogenannten Imaginationsübungen können mithilfe des Therapeuten hilfreiche Bewältigungsbilder für die belastenden Lebensereignisse entwickelt werden. Das führt in der Regel dazu, dass durch die in der Imagination erlebte Versorgung des einsamen Kindes Gefühle der Einsamkeit im Alltag seltener bzw. weniger stark aktiviert werden. In der christlichen Therapie darf der Patient zusätzlich eine geistliche Versorgung des einsamen Kindes erleben, durch tröstende Bibelverse wie „Ich selbst werde euch trösten, wie eine Mutter ihr Kind tröstet“ (Jes. 66,13), im Gebet oder in einer Imaginationsübung, in der Jesus das einsame Kind liebevoll umsorgt (siehe Abb. 1 auf Seite 35) Der Betroffene darf sich gewiss sein, dass Gott ihm in seiner Einsamkeit begegnen
und helfen möchte („Fürchte dich nicht, denn ich stehe dir bei; hab keine Angst, denn ich bin dein Gott! Ich mache dich stark, ich helfe dir, mit meiner siegreichen Hand beschütze ich dich“, Jes. 41,10).
Entschärfung innerer kritischer Stimmen:
Ein weiterer Ansatzpunkt besteht darin, die inneren kritischen Stimmen, die die Einsamkeit verschlimmern, zu begrenzen und zu reduzieren. Der Patient wird vom Therapeuten darin unterstützt, seine selbstkritischen Aussagen (z. B. „Ich ziehe mich lieber zurück, da die meisten Menschen mich nicht nett finden“) zunächst herauszuarbeiten, zu hinterfragen und dann positive Selbstaussagen aufzubauen. Im Rahmen von christlichen Interventionen kann der Patient erleben, wie die inneren kritischen Stimmen von seinem Somit gilt es, nach und nach aktiv aus
Gott begrenzt werden. Hier können dem Patienten erneut Bibelverse helfen („Denn ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der Herr: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung“, Jer. 29,11; „Ich habe dich je und je geliebt, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte“, Jer. 31,3) oder die Frage: „Was würde Jesus den kritischen Stimmen entgegnen?“.
Reduktion ungünstiger Bewältigungsmodi:
Wenn die unter Einsamkeit leidende Person ihr einsames Kind nach und nach selbst versorgen kann, sind ungünstige Bewältigungsstrategien, durch die die Gefühle zuvor vermieden wurden (z. B. zu viel Internet, sich in die Arbeit flüchten etc.), weniger notwendig. Gleichzeitig ist der Modus des Gesunden Erwachsenen dadurch gestärkt, dass er innere kritische Stimmen begrenzen und positive innere Selbstaussagen (z. B. Ermutigungen) entwickeln kann. Dies stellt eine gute Grundlage dar, um ungünstige Bewältigungsmodi abzubauen und hilfreiche Strategien aufzubauen.
Um weniger Einsamkeitsgefühle im Alltag zu verspüren, gilt es zu reflektieren: Wäre es für mich heilsam, bewusst und aktiv weniger Zeit alleine zu verbringen? Oder geht es vielmehr darum, Gefühle der Einsamkeit bzw. das Alleinsein einmal auszuhalten, da ich eigentlich ausreichend mit anderen in Kontakt bin? Bei Letzterem geht es insbesondere um die Versorgung des einsamen Kindes sowie um die aktive Gestaltung der Zeit, die der Betroffenen alleine verbringt. Wenn es darum geht, weniger Zeit alleine zu verbringen, dann kann das bisherige Rückzugsverhalten in der Therapie gemeinsam betrachtet werden. Hierbei können Vor- und Nachteile des Rückzugs herausgearbeitet werden. Das kann den Patienten motivieren, sich für mehr Zeit mit anderen Menschen zu entscheiden.
Wenn sich der Patient bewusst für ein Austreten aus der Einsamkeit entscheidet, gilt es zunächst zu erspüren, welche Art von Gemeinschaft ihm langfristig gefallen würde. Hier entsteht die Frage: Wo hat das glückliche Kind Raum? Wo also könnte das
glückliche Kind – nach und nach – so richtig unbeschwert, fröhlich, zufrieden und auch selbstsicher sein? Wo möchte der Patient sich integrieren (in einem Sportverein, einer christlichen Gemeinde, Volkshochschulkurs o. Ä.)? Welche Kontakte möchte er wieder aufgreifen (und welche lieber nicht)? Wie viel Zeit in Gemeinschaft täte eigentlich gut und wie viel Zeit wünscht er sich tatsächlich auch für sich? Wie möchte er die Zeit alleine gestalten, sodass er sich dabei nicht einsam fühlt? Ist die aktuelle Wohnform passend oder bedarf es einer Veränderung (z. B. eine Wohngemeinschaft)? Etwa bei älteren Menschen oder Menschen mit chronischen körperlichen oder seelischen Erkrankungen: Wird längerfristige Hilfe benötigt im Sinne von Wohnbetreuern, Dorfhelfern oder Tagespflege, um mehr in Gemeinschaft zu sein?
Um in der Gemeinschaft selbstsicher aufzutreten und positive Erfahrungen zu machen, kann außerdem ein Training beziehungsstiftender sozialer Kompetenzen hilfreich sein, in dem soziale Fertigkeiten wie das Initiieren und Aufrechterhalten von Kontakten oder das Äußern von Wünschen gezielt im Rollenspiel trainiert werden.
Somit gilt es, nach und nach aktiv aus der Einsamkeit herauszutreten. „Schnell und spielend leicht aus der Einsamkeit auszubrechen“ – diese Worte würden den Prozess nicht beschreiben. Dabei kann die Begleitung durch einen Therapeuten hilfreich sein, der gemeinsam mit dem Patienten dessen Schritte überprüft und ggf. erneut auftretende kritische Stimmen direkt hinterfragt und reduziert. Gelingt es den Betroffenen, mehr in Kontakt mit anderen Menschen zu sein, können weitere kritische Stimmen durch die Gemeinschaft selbst reduziert und positive Selbstaussagen aufgebaut werden. So passt es dann nicht mehr in das Konzept des inneren Kritikers, wenn jemand zu einem unter Einsamkeit Leidenden sagt: „Schön, dass du gekommen bist!“ Durch eine solche Aussage fühlt sich vielmehr das glückliche Kind wohl und der Gesunde Erwachsene kann selbstsicher auftreten und ist motiviert, zu einem weiteren Treffen zu erscheinen.
Im Veränderungsprozess wächst der Gesunde Erwachsene, sodass er sich – und seinem Kind-Modus – mit seinen Gefühlen nach und nach liebevoller und fürsorglicher begegnen kann. Er kann außerdem wieder besser auf seine vorhandenen Handlungsfähigkeiten zugreifen und sie erweitern und hierdurch Alltagssituationen kompetent begegnen. So reduziert sich im Verlauf das Gefühl, in der Einsamkeit „gefangen“ zu sein und keinen Ausweg mehr zu sehen. Vielmehr dürfen einst von Einsamkeit Betroffene erleben, wie sie in ein neues Land der Gemeinschaft geführt werden, in dem sie sich zunehmend sicher und geborgen fühlen und andere als wohltuend erleben. Und ganz bestimmt beschenken sie andere mit ihrer Anwesenheit ebenso, wie sie selbst von anderen beschenkt werden.
* Eine detailliertere Beschreibung der Schematherapie findet sich im Artikel „Traumatischen Erfahrungen mit Schematherapie begegnen“ im de’ignis-Magazin Nr. 60.
Literatur:
• Krieger & Seewer (2022): Einsamkeit. Fortschritte der Psychotherapie. Hogrefe.
• Roediger (2009): Was ist Schematherapie? Junfermann.
• Hersberger (2016): Heilsame Beziehungen. Wenn christlicher Glaube und Schematherapie sich ergänzen. arteMedia.
Autorin
Dr. rer. nat. Marie-Luise
Armbruster ist DiplomPsychologin, Psychologische Psychotherapeutin (Verhaltenstherapie) und Supervisorin in der de’ignis-Fachklinik sowie Dozentin am de’ignis-Institut.
Einsamkeit – ein psychologisches Phänomen unserer Gegenwart
Eine Psychologin macht sich Gedanken
Von Marika Rimkus
• Einsamkeit wird scheinbar weltweit sozialpolitischer Auftrag Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gründet eine internationale Commission on Social Connection (2024 – 2026) und beschreibt den Impact, den Einsamkeit oder soziale Isolation auf physische und mentale Gesundheit und das gesamte Wohlbefinden der Gesellschaft besitzen kann.
2018 wird Tracey Crouch die weltweit erste Einsamkeitsministerin mit der Gründung des Ministeriums für Einsamkeit in Großbritannien unter Theresa May. Japan zieht 2021 nach und gründet ebenfalls ein Einsamkeitsministerium.
Auch Deutschland scheint aktiv. Seit Sommer 2023 gibt es im Berliner Bezirk Reinickendorf einen ersten offiziellen Einsamkeitsbeauftragten. Im selben Jahr beschließt das Bundeskabinett kurz vor Weihnachten die „Strategie der Bundesregierung gegen Einsamkeit“, die vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) federführend erarbeitet worden war und mittlerweile 132 konkrete Maßnahmen beinhaltet. Das Ziel ist ein systematisches und vernetztes Vorgehen, um das Thema Einsamkeit langfristig in Maßnahmen zur sozialen Teilhabe einzubetten. Dazu veröffentlicht Familienministerin Lisa Paus Ende Mai 2024 Ergebnisse eines ersten Einsamkeitsbarometers, ein Monitoring-Bericht zur Umsetzung und Weiterentwicklung der Strategie der Bundesregierung gegen Einsamkeit. Fünf Ziele werden darin reflektiert:
Ziel 1: Sensibilisierung der Öffentlichkeit
Ziel 2: Wissen stärken
Ziel 3: Praxis stärken
Ziel 4: Bereichsübergreifend agieren
Ziel 5: Menschen unterstützen –Angebote ausbauen
Ein 2022 gegründetes Kompetenznetz Einsamkeit bündelt Wissen über konkrete Angebote und Orte gegen Einsamkeit noch bis Ende 2026 unter Zusammenarbeit des Instituts für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e. V. mit dem BMFSFJ und anderen.
Mh! Da sind ja alle bestens versorgt, oder?
Soziale Strukturen im Sinne eines sozialpolitischen Auftrags zu stärken, ist sehr begrüßenswert und erfreulich, gleichzeitig reicht es nicht aus, die Aufgaben, die in der Nächstenliebe liegen könnten, an offizielle Institutionen und Maßnahmen zu delegieren. Durch die Individualisierungsentwicklung der Persönlichkeit, eine gewisse Emanzipation jeglicher Menschen in Richtung Unabhängigkeit und Freiheit einerseits, sind auch andererseits Einsamkeitsphänomene und Überforderungserleben in der persönlichen Lebensgestaltung entstanden. Liegt der Weg zurück in Gemeinschaft nicht vielleicht in einer Abkehr der allzu einsam machenden Individualisierung, hin zu einer individuellen, realen Begegnung Einzelner, hin zu neuer Gemeinschaft und Verbindlichkeit?
Psychologie
Manfred Spitzer, der bekannte Neurowissenschaftler und Psychiater, plädiert neben der Politik ebenfalls für eine Fokussierung auf Einsamkeit aus psychiatrischer Perspektive mit Konsequenzen für eine psychotherapeutische Behandlung. In seinem Buch „Einsamkeit – die unerkannte Krankheit“, in dem er vielfältige Forschungsperspektiven zusammenstellt, postuliert Spitzer geradezu aus den Erkenntnissen der Epidemiologie, der Psychologie, der empirischen Sozialforschung, der Gehirnforschung und der Psychiatrie, Einsamkeit nicht nur als ein lediglich begleitendes Symptom anderer psychischer
Störungen zu betrachten, sondern Einsamkeit als Krankheit selbst zu verstehen. Daniel Haas, Journalist und Spiegel-Kolumnist, beschreibt seine selbst erlebte Einsamkeit mit Attributen wie: nicht verstanden werden, sehnsüchtig sein, selbstmitleidend, Groll hegend, melancholisch sein, antriebslos und ausgegrenzt. Insofern liegt es nahe, an eine depressive Erkrankung zu denken und Einsamkeit als Nebensache zu betrachten. Er sagt auch, er fühle sich stigmatisiert, schäme sich, würde er das Kind beim Namen nennen: Einsamkeit – sein Leben nicht im Griff haben. Alleine nicht klar kommen, Versagen. Im stationären Bereich ist häufig zu beobachten, wie Patienten mit Zuweisungsdiagnosen aus dem affektiven Störungsbereich anreisen, leichtgradig, mittelgradig oder auch schwergradig depressiv, und massive Antriebslosigkeit beschreiben, sozialen Rückzug nicht mehr überwinden können, einfach nur noch regungslos zu Hause säßen. Nach wenigen Tagen scheint manchmal Antriebslosigkeit und sozialer Rückzug kein Problem mehr zu sein, ganz im Gegenteil: die stationär verweilenden Menschen genießen die Gemeinschaft unter Gleichgesinnten und werden zeitweise sogar zum Organisator und Animateur gemeinsamer Aktivitäten, was eine enorme Energie erfordert. Im Kliniksetting sind Menschen um sie herum, Kontakt aufzunehmen ist leicht, gegenseitiges Verständnis, Achtung und Respekt greifbarer als zu Hause und sie sind eben nicht allein, nicht einsam. Insofern kann ich mich als Psychotherapeutin der behandlungsleitenden Idee Spitzers aus meiner praktischen Erfahrung heraus nur anschließen und betrachte selbst gerne in der therapeutischen Begleitung von Menschen ihre Einsamkeit nicht nur als Symptom, sondern als das eigentliche Problem. Ein Problem, das nicht nur psychisch belastet, sondern auch deutlichen Einfluss auf
Das Ziel ist ein systematisches und vernetztes Vorgehen, um das Thema Einsamkeit langfristig in Maßnahmen zur
körperliche Disposition oder Gesundheit und Lebensprognose hat, darin sind sich viele Studien einig. Insgesamt ist in der Entwicklung zum ICD-11 jedoch nicht von einer eigenen Störungsklassifikation für Einsamkeit auszugehen.
Fragebögen und Messskalen
Zur Erfassung von Einsamkeit stehen mehrere Messinstrumente zur Verfügung, was für die Therapieplanung hilfreich sein kann. Allen voran die häufig genutzte UCLA Loneliness Skala, die in einer 20-ItemVersion, aber auch in einer 3-Item-Version (5-Punkte Skala), mit Normwerten aus einer repräsentativen Studie in Deutschland vorliegt (Klein et al., 2021). Damit bekommt man eine erste einfache Orientierung:
1. Wie oft haben Sie das Gefühl, dass Ihnen die Gesellschaft anderer fehlt?
2. Wie oft haben Sie das Gefühl, außen vor zu sein?
3. Wie oft haben Sie das Gefühl, dass Sie sozial isoliert sind?
Außerdem eignet sich der Kurzfragebogen zur Erfassung von Einsamkeit (LS-S) oder der Social Network Index (SNI).
Auch Fragebögen zur Erfassung assoziierter Konstrukte für die Therapieplanung können hilfreich sein: Soziale Unterstützung (F-SozU), Kognitive und behaviorale (soziale) Vermeidung (CBAS, dt. Version KBVS), Soziale Kompetenzen (ISK; Kanning, 2009), Depressive Symptome (PHQ9), Soziale Ängste in Interaktionssituationen (SIAS), Frühkindliche traumatische Erfahrung (CTQ) oder Partnerschaftszufriedenheit (RAS, Hassebrauck, 1991).
Therapeutisch wichtig scheinen ebenso sogenannte Abwärtsspiralen von Menschen, die an Einsamkeit leiden. Sie haben häufig eine höhere Sensibilität und Vulnerabilität, erleben soziale Situationen bedrohlich und reagieren eventuell schneller mit Rückzug oder gar Ablehnung, oft aus niedrigem Selbstwerterleben und defizitären Bindungserfahrungen heraus. Persönliches Erleben gilt es hier gut zu explorieren und
zu validieren, ist belastende, schmerzende Einsamkeit doch ein subjektives schmerzhaftes Erleben, womit es auch von selbst gewählter Einsamkeit oder erholsamem Alleinsein abgegrenzt werden muss. Was sind geeignete Interventionen für eine erhoffte Verminderung von Einsamkeitserleben? Inter-venire (lat.) stellt die Frage nach dem besten Dazwischen-Kommen, um die schmerzhaften Erlebensmuster zu durchbrechen, was eben eine wertschätzende gute Exploration voraussetzt. Viele verschiedene Interventionsversuche lassen sich in vier grundsätzliche Kategorien einteilen:
1. Vermehrung der Kontaktmöglichkeiten
2. Soziale Unterstützung
3. Training von sozialen Fähigkeiten
4. Kognitive Verhaltenstherapie zum Erlernen neuer Gedanken
Tatsächlich verzeichnet die kognitive Verhaltenstherapie im Ranking den größten Effekt bezüglich einer Minderung von Einsamkeitserleben (-0,598). Soziale Unterstützung weist ebenfalls einen statistisch signifikanten Effekt auf, wenn auch schwach (-0,162). Keinen signifikanten Einfluss hingegen zeigten die Kategorien Erhöhen von Kontaktmöglichkeiten und das Erlernen sozialer Fähigkeiten.
Somit scheint es sich in der Begleitung von Menschen mit schmerzender Einsamkeitserfahrung zu lohnen, verhaltenstherapeutisch den Eigenanteil von Menschen mit Blick auf Einstellungen, Gedanken, Haltungen, Gefühlen und Verhaltensweisen zu fokussieren. Spithoven et al. konnte 2017 in ihrer Studie beschreiben, wie junge Erwachsene aufgrund negativer kognitiver Verzerrungen in besonderem Maße gefährdet sind, in eine Abwärtsspirale der Einsamkeit hineinzugeraten. Diese Verzerrungen, die dann profitabel als therapeutischer Ansatzpunkt genutzt werden können, können die Verarbeitung sozialer Informationen, die Wahrnehmung, die Motivation und das Verhalten der Betroffenen beeinflussen, was mit einer erhöhten Ablehnungssensibilität einhergeht.
• Umgang mit vorbestehender körperlicher oder psychischer Erkrankung
• Kontextfaktoren (Therapeutische Beziehung; Einzel- und Gruppensetting)
Kurz: Out of the box
Frau Dr. Horstmann untersucht an der Uni Duisburg-Essen, ob soziale Roboter als Trainingspartner die sozialen Kompetenzen junger, einsamer Erwachsener stärken können. Nicht um menschliche Interaktionspartner zu ersetzen, sondern Technologien als soziale Trainingsinstrumente zu nutzen. Im Bereich sozialer Phobien und Autismus-SpektrumStörungen bestehen bereits umfangreiche Forschungsprojekte. Vielleicht ein zukünftiges supportives Terrain?!
Ganz wesentlich für ChristlichIntegrative Therapie
„Und wenn einer von dir verlangt, eine Meile mit ihm zu gehen, dann geh zwei Meilen mit ihm!“ (Mt. 5,41)
Das klingt nicht nach einem einsamen Wanderer…
Auch Jesus ist mir ein Vorbild, indem er nicht alleine sein wollte ganz am Ende. Freunde, Menschen, zu denen er Beziehung hatte, die drei tiefsten, Johannes, Petrus und Jakobus, nahm er mit in den Garten Gethsemane. Er wollte nicht auch noch Einsamkeit spüren im Alleinsein mit dem Vater und seiner letzten unerfüllten Bitte um ein Vorübergehen des Kelches. Also dann!
Wie viel mehr brauchen wir Beziehungen! Vielleicht ist es die einzige Möglichkeit, in Frieden zu leben, zu ruhen in diesem stabilen Kräftedreieck, das Jesus als das Wichtigste beschreibt: „Liebe den Herrn Deinen Gott… den Nächsten… Dich selbst!“ (Lk. 10,27)
Literatur
• Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Monitoring-Bericht 2024 zur Umsetzung und Weiterentwicklung der Strategie der Bundesregierung gegen Einsamkeit, Stand Dezember 2024.
• Horstmann, Aike Christiane (Dezember 2024): Mit Technologie die Abwärtsspirale der Einsamkeit durchbrechen: Können soziale Roboter als Trainingspartner die sozialen Kompetenzen junger, einsamer Erwachsener stärken? Bericht Forschungskolloquium Kompetenznetz Einsamkeit 01/2025. Frankfurt am Main.
• Krieger, Tobias, Seewer, Noemi (2022): Einsamkeit. Fortschritte der Psychotherapie. Band 85. Göttingen: Hogrefe Verlag.
• Masi et al. (2011): A meta analysis of interventions to reduce loneliness. Personality and Social Psychology Review 15. S. 219–266.
• Spithoven et al. (2017): It is all in their mind. A review on information processing bias in lonely individuals. Clinical Psychology Review 58: S. 97–114. Spitzer, Manfred (2018): Einsamkeit, die unerkannte Krankheit. München: Droemer-Verlag.
• WHO: WHO Commission on Social Connection. https://www.who.int/groups/commission-onsocial-connection. Abgerufen am 28.03.2025.
Autorin
Marika Rimkus ist Psychologin, Systemische Therapeutin i. A., Systemische Supervisorin i. A., ACT-Therapeutin und als Therapeutin in der de’ignis-Fachklinik tätig, sowie am de’ignis-Institut engagiert.
„Und wenn einer von dir verlangt, eine Meile mit ihm zu gehen, dann geh zwei Meilen mit ihm!“
Matthäus 5,41
Entwicklungspsychologische Aspekte psychischer und psychosomatischer Störungen
Von Veit-Uwe Hoy
• Theoretische Fundierung Effizienz von Psychotherapie Psychische und psychosomatische Störungen gelten als bedeutsame Krankheitsgruppe mit einem Anteil von circa 33% in Allgemeinarztpraxen (Zintl-Wiegand et al., 1978, S. 125). Mit Leid konfrontierte Menschen – Betroffene wie Helfende – begehren gewöhnlich eine Reduktion desselben. Eine der spannendsten daraus resultierenden Fragen ist die: Wie ist psychisches Leiden am effizientesten verminderbar? In den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts wurden 350 bis 450 Psychotherapieformen gezählt, Tendenz steigend (Buchkremer & Batra, 2006, S. 3). Neben der Frage nach der Dauer einer Psychotherapie ist die der Nachhaltigkeit von Interesse (Hoy, 2014). In der Kategorisierung von Psychotherapie grenzte Strotzka Methoden zur lediglichen Symptombesserung ab von denjenigen, die auf eine Strukturveränderung der Persönlichkeit abzielen (Strotzka, 1975, S. 4–5). Abbildung 1 illustriert die Fragen nach Effizienz und Nachhaltigkeit; der für die Ausprägung von Leiden stehende Graph nimmt einen idealen Verlauf.
Therapieansätze, die den Aspekt des kognitiv-affektiven Entwicklungsniveaus mit zentraler Bedeutung für die Regulierung von Emotionen und Beziehungen explizit in Diagnostik und Therapie fokussieren, wurden
von Sulz mit der Strategisch-Behavioralen Therapie (SBT) und von McCullough mit dem Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy (CBASP) – zwei ähnlichen Therapieformen – veröffentlicht; weitere sind nicht bekannt (Sulz, persönliche Korrespondenz, 2013). Sulz: „Psychotherapie hat eine viel mühsamere Aufgabe, wenn sie versucht, sich auf die Umkonditionierung von Verhaltensweisen zu verlassen und auf kognitiv-affektive Entwicklungsschritte zu verzichten“ (Sulz, 2007, S. 66). In Anbetracht der zahlreichen therapeutischen Angebote stellten Hohagen und Berger die Frage nach der Notwendigkeit, „ein weiteres Verfahren hinzuzufügen? Im Falle des ‚Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy‘ (CBASP) kann man diese Frage mit einem klaren ‚ja‘ beantworten“ (McCullough, 2006, S. V).
Partielle Entwicklung Erwachsener „Erwachsene haben sich nur partiell entwickelt“ (Sulz, 2007, S. 65). Partielle Entwicklung meint, dass bestimmte Funktionsbereiche nicht so weit wie andere entfaltet werden konnten. Beispielsweise kann das Denken im Umgang mit unbelebten Objekten bis auf ein hohes (etwa abstraktes, formal-operatives) Niveau entwickelt sein, während in zwischenmenschlichen Beziehungen
strukturelle Beeinträchtigungen dominieren und die „mentale Organisation“ auf niedrigem (z. B. präoperativem) Niveau verhaftet bleibt (McCullough, 2006, S. 43–44). Das in Abbildung 2 illustrierte Phänomen der partiellen Entwicklung Erwachsener beschreibt Noam als Einkapselung (Noam, 1988, S. 95), McCullough als „auseinanderdriftende“ (bifurcated) Entwicklung (McCullough, 2006, S. 6) und Sulz als Entwicklungsloch (Sulz, Theßen; 1999, S. 43).
(Abb. 2 auf Seite 46)
Nach Sulz ist jedes Entwicklungsniveau charakterisiert durch Ressourcen und Defizite der Emotions- und Beziehungsregulierung; die jeweils dominierenden sind in Abbildung 3 auf Seite 46 aufgeführt.
Für das einverleibende Entwicklungsniveau besteht die Ressource in der Fähigkeit, von einer Bezugsperson Angebotenes aufnehmen zu können; als Defizit dominiert die Unfähigkeit, sich von einer Bezugsperson Benötigtes holen zu können; eine Bezugsperson muss (emotional) versorgen.
Auf dem impulsiven Entwicklungsniveau ist im Gegensatz zum einverleibenden Entwicklungsniveau als zentrale Ressource die Fähigkeit zum Äußern von Interessen gegeben; zur Befriedigung derselben ist eine sich kompatibel verhaltende Bezugsperson erforderlich, ansonsten wird die Befriedigung des Wunsches frustriert und die Interaktion mit der Bezugsperson nimmt einen unbefriedigenden Ausgang.
Die auf impulsivem Entwicklungsniveau defizitären Fähigkeiten sind auf dem nächsthöheren Entwicklungsniveau, dem souveränen, als Ressource verfügbar; diese erlauben kausal-logisches Denken und Steuerungsfähigkeit von Bezugspersonen; damit steigt die Chance auf Realisierung von Interessen. Das Interesse des Interaktionspartners wird nicht berücksichtigt; die Fähigkeit von Empathie und Perspektivwechsel sind damit das zentrale Defizit.
Auf zwischenmenschlichem Entwicklungsniveau dominieren die Fähigkeiten
Abb. 1 Effizienz von Psychotherapie (t1 zu t2) und die Nachhaltigkeit daraus resultierender Effekte: Wie sind diese Ziele am besten erreichbar? (Hoy, 2015)
Leiden
Abb. 2 Auseinanderdriftende Entwicklung: während bestimmte Funktionsbereiche (blauer Graph) auf ein hohes Niveau entwickelt wurden, besteht für das im Dienste der Emotions- und Beziehungsregulierung relevante kognitiv-affektive Entwicklungsniveau (roter Graph) ein Entwicklungsdefizit (Hoy, 2015)
Entwicklungsniveau
rigiden, abgesonderten Aspekten der vorherrschenden Selbst- und Weltsicht“ (Röper & Noam, 1999, S. 263). Ähnliche Ursachen von Entwicklungsdefiziten des kognitivemotionalen Funktionierens und des Verhaltens beschreiben McCullough (McCullough, 2006, S. 45–46), McGee (McGee, 12/1990, S. 3–18), Bowlby (Bowlby, 1995, S. 95–137) und Giovannoni (Giovannoni, 1989, S. 29).
Praxis
Diagnostik des Entwicklungsniveaus
Abb. 3 Entwicklungsniveauspezifische Ressourcen und Defizite als Kriterien der Entwicklungsdiagnostik nach Sulz, 2010 (Sulz, Pohl, Hoy, 2014)
Entwicklungsniveau mit
Institutionell
… mich über Regeln hinwegsetzen
… emotional Abstand von Bezugsperson nehmen
Souverän
… empathisch sein
… Bezugsperson in meinem Sinne steuern
t1 Zeit von Empathie und Perspektivwechsel als Ressource; mit diesem „sich ganz in den Anderen hineinversetzen“ ist die Fähigkeit zur emotionalen Distanzierung von Bezugspersonen defizitär ausgeprägt.
• dominierendem Defizit: „Ich kann noch nicht …“
• dominierender Ressource: „Ich kann schon …“
Überindividuell
• kein Defizit … ohne äußere Regel Beziehung gestalten
Zwischenmenschlich
… mich aus inniger Beziehung lösen
… empathisch sein
Impulsiv
… Bezugsperson in meinem Sinne steuern … holen, was ich brauche
Einverleibend
… nehmen … aufnehmen
Das Defizit des zwischenmenschlichen Entwicklungsniveaus wird auf dem institutionellen Niveau zur Ressource. Die Fixierung auf Regeln lässt eine emotionale Distanzierung von der Bezugsperson gelingen, wird aber gleichsam zum Defizit, weil eine Nichteinhaltung von Regeln nicht überwunden werden kann.
Erst auf überindividuellem Entwicklungsniveau können Emotionen und Beziehungen uneingeschränkt befriedigend reguliert werden (Sulz, 2008, S. 5).
Ursachen partieller Entwicklung Noam sieht die Verursachung der Einkapselung in schmerzhaft eingeprägten Erlebnissen oder Lebensphasen, die sich nicht integrieren lassen. „Sie hinterlassen im wahrsten Sinne des Wortes einen ‚tiefen Eindruck‘ und widerstehen dem Transformationsprozess. Sie formieren sich zu
Die Diagnostik der emotionalen Entwicklung und der Beziehungsentwicklung wird im Rahmen der Strategisch-Behavioralen Therapie (SBT) vorgenommen und eröffnet damit eine „weitere Perspektive in die Fall- und Therapiekonzeption“ (Sulz, 2000, S. 341–342).
Therapeutische Konsequenzen
Da sich bestimmte intrapsychische und interpersonelle Konflikte auf niedrigen Entwicklungsniveaus nicht bzw. nicht befriedigend lösen lassen und stattdessen Symptombildung erfolgt, muss – unter der Zielsetzung angestrebter Symptomreduktion – „der partielle Entwicklungsstillstand behoben werden“ (Sulz, 2007, S. 65).
Häufiges Ziel besteht in der Generierung interaktioneller Selbsteffizienz, dem zentralen Charakteristikum des souveränen Entwicklungsniveaus, mit welcher der Bezugsperson das eigene Interesse vermittelt werden kann und ihr damit die Chance eröffnet wird, dieses zu erfüllen. Ein Interesse besteht beispielsweise im Äußern von Grenzen, um sich damit vor störenden, verletzenden und Ärger auslösenden Verhaltensweisen zu schützen (Sulz, 2008a, S. 18).
Ist eine dauerhaft befriedigende zwischenmenschliche Beziehungsgestaltung das Ziel, ist die Entwicklung von Empathiefähigkeit nötig.
Die Entwicklungsschritte von der impulsiven auf die souveräne und von dieser auf
de’ignis-magazin – Therapeutische Fachartikel
Abb. 4 Entwicklungstherapie mit der Generierung interaktioneller Selbsteffizienz und Empathiefähigkeit (Hoy, 2015); in Anlehnung an Sulz, „Entwicklung als Therapie“ (Sulz, 2008)
Entwicklungsniveau
Empathiefähigkeit Selbsteffizienz
die zwischenmenschliche werden mittels entwicklungstherapeutischer Instrumente in Form spezieller Übungen realisiert (Sulz, 2008a, S. 34–51). Abbildung 4 illustriert die beschriebenen Entwicklungsschritte.
Autor
Dr. phil. Veit-Uwe Hoy ist Diplom-Psychologe und arbeitet als Psychologischer Psychotherapeut für Verhaltenstherapie mit eigener Praxis. Zudem ist er wissenschaftlicher Beirat im de’ignis-Institut.
Literatur
• Bowlby, J. (1995): Elternbindung und Persönlichkeitsentwicklung: Therapeutische Aspekte der Bindungstheorie. Heidelberg: Dexter.
• Buchkremer, G., & Batra, A. (2006): Was wirkt in der Psychotherapie? In A. Batra, G. Buchkremer, & R. Wassmann (Eds.), Verhaltenstherapie. Grundlagen – Methoden – Anwendungsgebiete (2. Auflage, S. 3–8). Stuttgart: Thieme.
• Giovannoni, J. (1989). Definitional issues in child maltreatment. In D. Cicchetti (Hrsg.), Child maltreatment. Theory and research on the causes and consequences of child abuse and neglect (1. Auflage, S. 3–37). Cambridge: Cambridge University Press.
• Hoy, V.-U. (2014): Evaluation des strategischbehavioralen Therapiemoduls „Entwicklung als Therapie“. München: CIP-Medien.
• McCullough, J. P. (2006): Psychotherapie der chronischen Depression: Cognitive behavioral analysis system of psychotherapy; CBASP. (Schramm, E., Hrsg.). München [u.a.]: Elsevier, Urban & Fischer.
• McCullough, J. P., & Schweiger, U. (2007): Behandlung von Depressionen mit dem Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy (CBASP): Therapiemanual (Skills-Training-Manual) (1. Auflage). München: CIP-Medien.
• McGee, R. A. & Wolfe, D. A. (1990): Psychological maltreatment: Toward an operational definition. Developmental psychopathology, (3(01)). S. 3–18.
• Noam, G. G. (1988): A constructivist approach to developmental psychopathology. New Directions for Child and Adolescent Development, (39). S. 91–121.
• Röper, G., & Noam, G. (1999): Entwicklungsdiagnostik in klinisch-psychologischer Therapie und Forschung. In R. Oerter (Hrsg.), Klinische Entwicklungspsychologie. Ein Lehrbuch (1. Auflage). S. 240–269). Weinheim: Beltz PVU.
• Strotzka, H. (1975): Was ist Psychotherapie. In H. Strotzka & A. M. Becker (Hrsgg.), Psychotherapie. Grundlagen Verfahren Indikationen. S. 3–6. München: Urban & Schwarzenberg.
• Sulz, S. K. D., & Theßen, L. (1999): Entwicklung und Persönlichkeit: Die VDS-Entwicklungsskalen zur Diagnose der emotionalen und Beziehungsentwicklung. Psychotherapie in Psychiatrie, Psychotherapeutischer Medizin und Klinischer Psychologie, 4(1). S. 32–45. Abgerufen von https://opacplus.bsb-muenchen.de/ InfoGuideClient/userAccount.do?methodToCall=s howAccount&typ=6.
• Sulz, S. K. D. (2007): Entwicklung als Therapie – von Piagets Entwicklungstheorie zu McCulloughs CBASP und zur Strategischen Kurzzeittherapie. Psychotherapie in Psychiatrie, Psychotherapeutischer Medizin und Klinischer Psychologie, 12(1). S. 60–76.
• Sulz, S. K. D. (2000): Verhaltensdiagnostik und Fallkonzeption: Bericht an den Gutachter und Antragstellung; Problemanalyse, Zielanalyse, Therapieplan; VDS-Handbuch (3. Auflage). München: CIP-Medien.
• Sulz, S. K. D. (2008): SBT-Modul: Entwicklung als Therapie. München.
• Zintl-Wiegand, A., Schmidt-Maushart, C., Leisner, R., & Cooper, B. (1978): Psychische Erkrankungen in Mannheimer Allgemeinpraxen: Eine klinische und epidemiologische Untersuchung. In H. Häfner (Hrsg.), Monographien aus dem Gesamtgebiete der Psychiatrie. Psychiatrische Epidemiologie. Geschichte, Einführung und ausgewählte Forschungsergebnisse. S. 111–133. Berlin: Springer.
Aktuell •
Fachklinik • Wohnheim • Institut • Stiftung
In der de’ignis-Fachklinik erhalten Menschen bei psychischen und psychosomatischen Erkrankungen, wie zum Beispiel Depressionen, Ängsten, Zwängen und Burn-out, sowohl stationär als auch ambulant oder tagesklinisch eine individuell auf sie ausgerichtete Behandlung. Zusätzlich bietet sie Nachsorge- und Sonderprogramme mit einzelnen Sozialversicherungsträgern sowie verschiedene Präventionsangebote an. ↗ Ab Seite 49
Das de’ignis-Wohnheim nimmt Menschen mit psychischen Erkrankungen und Lebenskrisen auf, die vorübergehend oder langfristig nicht in der Lage sind, selbstständig zu leben. Es deckt die Bereiche des intensiven und teilstationären Heimbereichs, den Wohntrainingsbereich sowie den ambulanten Bereich ab. Dabei bietet es ein umfangreiches sozialtherapeutisches Programm an. ↗ Ab Seite 54
Das de’ignis-Institut bietet seit über 30 Jahren erfolgreich Fortbildung, Schulung, Supervision und Beratung für Erwachsene sowie Kinder und Jugendliche an, hierbei insbesondere die Fortbildung für Christlich-integrative Therapie. Das Institut bildet eine Schnittstelle zwischen Medizin, Psychologie und Theologie. ↗ Ab Seite 51
Die de’ignis-Stiftung in Polen bietet bereits seit einigen Jahren Seelsorgekurse an und unterstützt den Aufbau eines Netzwerks von Seelsorge-Beratungsstellen. Des Weiteren erhalten Menschen mit psychischen Erkrankungen in der de’ignis-Beratungsstelle in Warschau ambulante Psychotherapie. ↗ Seite 58
Fachklinik
Neue Chefärztin für den stationären Bereich der de’ignis-Fachklinik
•Die Klinik feierte im Mai einen bedeutsamen Moment. Bei einer feierlichen Stabsübergabe verabschiedete das gesamte Team Dr. med. Rolf Senst als eine prägende Persönlichkeit bei de’ignis, der nach Jahrzehnten engagierten Wirkens aus seiner Rolle der ärztlichen Leitung in den Teilruhestand ging. Dr. Senst hat die Klinik maßgeblich geprägt und mit seiner fachlichen Kompetenz, seinem strategischen Weitblick und seinem unermüdlichen Einsatz für die Hilfe von psychisch und psychosomatisch Erkrankten auf christlicher Basis einen entscheidenden Beitrag zur Entwicklung unseres Hauses geleistet. Unter seiner Leitung hat sich die Klinik als ein renommierter Standort für exzellente medizinische und therapeutische Versorgung von psychisch und psychosomatisch Erkrankten auf christlicher Basis etabliert.
Wir danken Dr. med. Rolf Senst aufrichtig für seinen außergewöhnlichen Einsatz und wünschen ihm für den neuen Lebensabschnitt alles erdenklich Gute und vor allem Gottes Segen.
Gleichzeitig begrüßte die Klinik Dr. med. Karla Kränzlein als neue Chefärztin, die mit ihrer umfassenden Expertise und Laufbahn die Klinik bereichern wird. Über drei Jahre war sie vor ihr neuen Rolle bereits als Oberärztin in der de’ignisFachklinik beschäftigt, sodass ein guter Nachfolgeübergang möglich war. Dr. Kränzlein ist sowohl Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie als auch für Innere Medizin. Darüber hinaus verfügt sie über theologische Fachkenntnisse, mitunter durch nebenberuflich erlangte Masterabschlüsse. Dr. med. Kränzlein besitzt zudem eine Weiterbildungsbefugnis für die Facharztweiterbildung Psychiatrie und Psychotherapie für die Dauer von 24 Monaten, sodass auch weiterhin in der Klinik Ärztinnen und Ärzte auf ihrem Karriereweg zum Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und zur Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie begleitet werden können.
Mit der Berufung zur Chefärztin beginnt ein neues Kapitel für die Klinik, die sich seit 1987 vielfältig für psychische Gesundheit in allen Lebenslagen einsetzt und neben moderner, wissenschaftlich anerkannter Behandlungs- und Betreuungsverfahren dabei nach einem etablierten christlich-integrativen Konzept
den christlichen Glauben mit der therapeutischen Arbeit vereint, sofern dies von Patientinnen und Patienten gewünscht wird.
Das Klinikteam hieß Dr. med. Karla Kränzlein in ihrer neuen Funktion als Chefärztin herzlich willkommen und wünscht ihr immer gutes Gelingen und Gottes reichen Segen für die neue Rolle sowie viel Freude dabei. Das gesamte Team feierte diesen besonderen Tag gebührend mit einem passenden Mitarbeiterevent.
Erweiterungsbau geplant – für die Zukunft der psychischen Gesundheit
•Die psychische Gesundheit unserer Gesellschaft steht vor großen Herausforderungen. Psychische Belastungen und Erkrankungen nehmen zu und der Bedarf an psychotherapeutischer Hilfe wächst stetig. Doch gerade in Zeiten wie diesen, in denen Ressourcen knapp sind und Unsicherheiten den Alltag prägen, ist es wichtiger denn je, in die Zukunft der psychischen Gesundheit zu investieren. Unsere Klinik hat sich entschlossen, diesen Schritt zu gehen.
Wir planen einen modernen Klinikneubau an unserem Standort in Egenhausen. Eingebettet in die idyllische Landschaft des Nordschwarzwalds schaffen wir ein zukunftsorientiertes, nachhaltiges und noch besseres Umfeld für unsere Patientinnen und Patienten.
Natürlich weiß auch unsere Klinik, dass ein solches Vorhaben in der aktuellen Zeit, in der wir leben, keine einfache Entscheidung ist. Doch wir sind davon überzeugt, jeder investierte Euro, jedes Engagement und jede Unterstützung trägt dazu bei, das Fundament für eine bessere psychotherapeutische Versorgung zu legen.
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Institut
Erste Eindrücke nach der Eröffnung der Kinder- und Jugendambulanz vom de'ignis-Institut im September 2024
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Viele Jugendliche sind stark bedrängt, aber nie verlassen!
• Die Beratung in der Kinder- und Jugendambulanz hat Fahrt aufgenommen. Es ist spürbar, wie sich die Nachricht über die Neueröffnung stetig verbreitet – und damit verbunden das Interesse an unseren Angeboten wächst: Eltern, Schulsozialarbeiterinnen, Lehrkräfte und kirchliche Mitarbeitende fragen nach sozialpädagogischer Beratung, thematischen Seminarund Projektangeboten für Schülerinnen, Lerncoaching, kirchengemeindlichen Schulungen zum Kindeswohl oder Anleitung zur Kollegialen Beratung.
In dieser kurzen Zeit ist uns erneut deutlich geworden, wie sehr vor allem Jugendliche durch sowohl internale Herausforderungen (wie z. B. Pubertät, Selbstwertkrise, Identitätskrise oder persönliche Erkrankungen) als auch durch externe Belastungen (wie z. B. schwierige Familienverhältnisse, destruktiver Freundeskreis, schulische Überforderung, Mobbing, schädlicher und exzessiver Medienkonsum, Suchtgefährdung/Drogenkonsum, gesellschaftliche Krisen/Nachrichten usw.) bereits so sehr bedrängt sein können, dass sie in ihren jungen Jahren die Freude am und den Willen zum Leben verlieren können und sich in die Einsamkeit und Isolation zurückziehen.
Die Folge: Ein mögliches Aufkommen suizidaler Gedanken. Da Jugendliche in ihrem jungen Lebensalter erst damit beginnen, angemessene und geeignete Coping-Strategien (Strategien zur Lebensbewältigung) für sich zu entwickeln, sind sie denkbar mehr als andere Altersgruppen durch ihre internalen und externen Herausforderungen gefährdet. Sie sehen sich mit verschiedenen Riesen konfrontiert und wissen noch nicht, wie sie diesen begegnen, geschweige denn überwinden sollen; Gefühle der Überforderung, Ohnmacht und Resignation können sich einstellen. Dauern solche Gefühle der Hilflosigkeit und die persönliche Einschätzung von Unveränderbarkeit über eine gewisse Zeit an, verliert der Mensch an Hoffnung und sieht den Ausweg aus seiner Lage meist mehr und mehr nur noch in der Flucht – aus der Bedrängnis oder sogar aus dem Leben. Umso wichtiger ist, dass Eltern aufmerksam sind, ihre Kinder aktiv und interessiert begleiten, sie schützen und ermutigen, ihnen in ihren Herausforderungen mit Rat, Tat und Liebe zur Seite stehen, wachsam für mögliche Wesensveränderung ihrer Kinder sind, aber auch frühzeitig bereit sind, wenn nötig, externe Unterstützung aufzusuchen.
Professionelle Hilfe von außen kann zum Beispiel dabei helfen, neue Perspektiven zu entwickeln – auf sich und auf die eigene Situation. Sie regt dazu an, vielfältige Lösungsstrategien kennenzulernen und persönlich auszuprobieren, sie ermutigt zur Aktion und manchmal auch zur Konfrontation der inneren und äußeren Riesen. Sie fördert die Selbstwirksamkeit – das Gefühl, selbst wieder Einfluss auf sich und seine Umwelt nehmen zu können, ganz nach dem Motto: „Love it, change it or leave it –without loosing yourself“. Also: Was an mir bzw. was in meiner Situation kann ich so annehmen?… oder verändern?… oder auch loslassen, ohne mich dabei selbst aufgeben zu müssen? Dabei geht es nicht allein um die Frage nach den inneren Veränderungsmöglichkeiten, sondern zugleich auch immer um die Möglichkeiten der äußeren Einflussnahme, also welche äußeren Umstände durch wen oder was in der Art verändert werden können, dass Erleichterung und Zuversicht wieder zunehmen. Es geht darum, den inneren Stillstand, die innere
Ausweglosigkeit und Selbstaufgabe über innere und äußere Veränderungsprozesse behutsam aber zielstrebig wieder auf den Kurs „zurück ins Leben“ zu bringen. Fachkundige Unterstützung kann dabei oft von außen viel besser den notwendigen, wortwörtlich: den Not wendenden Schwung und Fahrtwind auslösen, der im Familiensystem nicht (bzw. nicht mehr) aufkommen will, weil das System vielleicht selbst blockiert oder überfordert ist.
Professionelle Hilfe kann zwar auch nicht alles, aber meist viel mehr, als man denkt. Mit einem ersten Schritt in die richtige Richtung ist bereits Bewegung ins System hineingekommen, der Anfang eines hoffnungsvollen Weges auf der Reise namens Leben. Und da wir bei de’ignis nicht nur auf unser menschliches Vermögen und unsere fachliche Kompetenz zurückgreifen wollen, sondern mit viel Gottvertrauen Gott selbst ganz bewusst und ausdrücklich mit ins Boot nehmen, dürfen wir auch mit außermenschlicher, ja göttlicher Hilfe rechnen. Denn Gott ist treu und Sein Wort wahrhaftig, wenn Er unter anderem spricht: „Rufe Mich an in deiner Not, so will Ich dir helfen und dich retten, und du wirst Mich preisen!“ (Psalm 50,15) oder: „Bittet, und es wird euch gegeben werden; sucht, und ihr werdet finden; klopft an, und es wird euch geöffnet werden!“ (Matthäus 7,7).
Wie wunderbar, dass Gott weder Sprechzeiten hat noch Besonderes von uns verlangt, außer, dass wir zu ihm kommen und von ihm Hilfe erwarten – gemäß Hebräer 11,6: „Durch unser Vertrauen auf Ihn können wir Gott wohlgefallen; denn wer sich an Gott wendet, muss darauf vertrauen, dass es Ihn gibt und, dass Er ein Belohner derer ist, die Ihn um etwas bitten.“ Deshalb wollen auch wir von de‘ignis weiterhin auf Jesus schauen und ihn ganz bewusst um sein helfendes Eingreifen in jeder Hinsicht bitten – ob für Fachklinik, Institut, Wohnheim oder wie jetzt neu: auch für die Kinder- und Jugendambulanz! Und: Vor dem Hintergrund all dessen, was Gott bereits getan hat, können wir wiederum nur staunen und ihm danken –Ehre sei Gott!
Mehr erfahren:
Näheres zu den Rahmenbedingungen unserer sozialpädagogischen Beratungsangebote sowie unser Kontaktformular finden Sie auf www.deignis.de
Gerne können Sie uns für Ihre Fragen oder zur Terminvereinbarung auch per E-Mail über institut@deignis.de kontaktieren.
Fortbildungen, Schulungen, Seminaren und Vorträge
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Die Christlich-integrative Therapie ist die Integration von Theologie, Pastoralpsychologie, Psychotherapie, Psychiatrie und Psychosomatik zu einem ganzheitlichen Konzept, das alle Aspekte des Menschseins ausgewogen umfasst. Die Teilnehmenden der Seminare lernen, Menschen mit seelischen Problemen qualifiziert auf der Basis biblischer Werte und Wahrheiten in Kombination mit wissenschaftlicher, klinischpsychotherapeutischer Fachkenntnis zu helfen.
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Wohnheim
Innovationsprozesse im Sozialtherapeutischen Zentrum de’ignis-Wohnheim
Es berichten Günter Steppacher, Bernd Storek und Winfried Hahn, der Leitungskreis des Sozialtherapeutischen Zentrums de’ignis-Wohnheim.
• In den letzten Jahren haben wir in unserem Haus eine Reihe von tiefgreifenden strukturellen Veränderungen vorgenommen. So haben wir vor Jahren coronabedingt aber auch aufgrund gesetzlicher und behördlicher Vorgaben die Bewohnerschaft in Wohngruppen aufgeteilt. Dies bedeutet für den einzelnen mehr Privatsphäre und die Möglichkeit, seine Integrationsfähigkeit in eine Gruppe, ähnlich dem betreuten Wohnen, zu erhöhen und so dem Ziel in offenere Wohn- und Betreuungsformen zu wechseln, näher zu kommen.
Diese Entwicklung hat viele positive Auswirkungen, allerdings erleben wir als einen Nebeneffekt eine rückläufige Teilnahme an Gemeinschaftsveranstaltungen. Dieser Verinselungstendenz der einzelnen Wohngruppen wollen wir durch verstärkte Motivation und Anreize zu mehr Engagement entgegenwirken. Eine Auswirkung psychischer Erkrankungen ist verständlicherweise die Tendenz zu Passivität, Rückzug und Isolation. Hier das richtige Maß an Motivation und Herausforderung zu finden, so dass bei unseren Heimbewohnern sich Eigeninitiative im Sinne einer intrinsischen Motivation entwickeln kann, ist eine der Aufgaben, die für uns in der Zukunft hohe Priorität hat.
Erweiterung des pädagogischen und sozialtherapeutischen Begleitungsangebots Ein Mitarbeiter des de’ignis-Wohnheims befindet sich auf der Zielgeraden seiner berufsbegleitenden Ausbildung zum Theaterpädagogen, welche er an der Theaterpädagogischen Akademie in Heidelberg absolviert. Wir haben darum die Begleitung unserer Bewohner um ein entsprechendes theaterpädagogisches Angebot ergänzt. Es findet an zwei Tagen in der Woche statt und wird sowohl in Gruppen als auch einzelpädagogisch durchgeführt. Die ersten Rückmeldungen aus der Bewohnerund Mitarbeiterschaft sind sehr positiv. Wir versprechen uns unter anderem nachhaltige Effekte hinsichtlich der
sozial-kommunikativen Kompetenzen der Teilnehmer mittels des gesundheits- und persönlichkeitsfördernden Zugangs zu sich und anderen.
Ähnlich wertvolle und ganzheitlich wirksame Erfahrungen dürfen wir seit längerem bei unserem tiergestützten Angebot mit Pferden machen, welches bewusst nicht nur einzeln, sondern auch als sozialtherapeutisches Gruppenangebot durchgeführt wird.
Veränderungen und Verstärkung in der Mitarbeiterschaft Nicht nur auf Leitungsebene bewegt uns das Thema des Generationswechsels, sondern auch in der Breite des Teams sind wir in entsprechenden Veränderungs- und Übergabeprozessen. Darum sind wir Gott dankbar, dass wir im hauswirtschaftlichen, pädagogischen und medizinisch-pflegerischen Bereich das Haus um engagierte und teils sehr erfahrene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verstärken konnten, die fachlich und durch Christus motiviert die Grundausrichtung von de’ignis weiter mit Leben füllen und in eine neue Zeit hineintragen. Auch in der psychiatrischen Versorgung des Hauses gab es eine grundlegende Veränderung. Wir konnten einen Neurologen und Psychiater (Doppelfacharzttitel in Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie), welcher Mitte 2024 in der unmittelbaren Nachbarstadt Meßkirch seine Praxis eröffnet hat, als neuen Kooperationspartner für das Wohnheim gewinnen. Durch die räumliche Nähe ist es uns möglich, die persönlichen Sprechstunden der Bewohner in Form von hausinternen Visiten nun zweimal pro Monat durchzuführen. Ziel ist es, auch auf psychiatrischer Ebene möglichst präventiv und zeitnah bei erkrankungsbedingten Krisen unterstützend und ggf. gegensteuernd reagieren zu können.
Unsere hohe Wertschätzung und Anerkennung gilt an dieser Stelle „unserem“ Psychiater Dr. Herbert Scheiblich, welcher
de’ignis-magazin – Aktuell – Wohnheim
uns weiterhin als Freund, Impulsgeber und Supervisor zur Verfügung stehen wird. Nicht nur der Aufbau der Fachklinik, sondern auch das Entstehen des Sozialtherapeutischen Zentrums de’ignis-Wohnheim wäre ohne seinen maßgeblichen Einfluss in dieser Form nicht möglich gewesen. Lieber Herbert, ein herzliches Dankeschön und Gott vergelts.
Belegungssituation
Uns erreichen viele Anfragen von Menschen, die bei uns um Aufnahme und ganzheitliche Lebenshilfe anfragen. Dies umfasst zum einen Personen, die schon seit vielen Jahren und Jahrzehnte mit der Erkrankung und ihren Folgen ringen. Aber wir verzeichnen seit einiger Zeit vermehrt auch Anfragen von jungen Erwachsenen und konnten einigen bereits eine Aufnahme ermöglichen. So ist das de‘ignis-Wohnheim auch ein dynamischer Organismus aus „Jung und Alt“, in welchem Lebenshunger und Lebenserfahrung sich fruchtbar ergänzen können.
Die Wege, auf welchen Menschen in unserem Hilfsangebot ankommen, könnten unterschiedlicher nicht sein. Teilweise werden Anfragen direkt durch Behörden (z. B. Kostenträger) oder andere soziale Einrichtungen an uns herangetragen. Aber auch formelle und informelle Netzwerke im christlichen Bereich (inklusiver vieler Einzelpersonen) und das de’ignis-Magazin spielen eine tragende Rolle. Dankbar sind wir an dieser Stelle auch über die Vernetzung innerhalb der „Arbeitsgemeinschaft Christlicher Lebenshilfen“ (ACL) und die exzellente fachliche Beratung und Begleitung durch den Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband, bei dem wir schon seit vielen Jahren Mitglied sind. In all diesen Entwicklungen sehen wir uns von Gott geführt und beauftragt, Menschen ein Stück auf ihrem oft nicht einfachen Lebensweg begleiten und helfen zu dürfen. Für all die vor uns liegenden Aufgaben brauchen wir nach wie vor Gebet und Unterstützung.
Verstärkte Motivation und Anreize zu mehr Engagement z. B. mithilfe von Ausflügen mit dem Segelboot.
Dr. med. Herbert Scheiblich steht als Freund, Impulsgeber und Supervisor dem de’ignis-Wohnheim zur Verfügung.
Der Kurseinstieg ist jederzeit möglich, da die Lehreinheiten regelmäßig in weiteren Zyklen im Tabor Schulungszentrum wiederholt werden.
Teilnehmerstimmen
Themenübersicht zum Kurs in begleitender Seelsorge
(Alle Verfasser sind der Redaktion bekannt)
„Ich habe mich sehr wohl und vor allem verstanden gefühlt beim Kurs in begleitender Seelsorge (de’ignis). Ich habe zuhören gelernt und zuhören als Kernkompetenz von Seelsorge sehr schätzen gelernt. Darüber hinaus habe ich viel Werkzeug für zukünftige Seelsorgegespräche mitbekommen. Was mir an dem Seelsorgekurs von de’ignis sehr gefallen hat, ist die geistliche Komponente. Winfried Hahn ist jedes Mal zuerst geistlich ins Thema eingestiegen. Das hat geholfen, eine neue Sicht für Seelsorge zu bekommen, hat aber auch mir persönlich für mein Leben sehr geholfen. Vielen Dank und weiter so!“
„ Das Training von Gesprächsführung mit den anderen in den Kleingruppen war für mich sehr gut und ich habe viel dabei gelernt. Bitte behaltet dies unbedingt bei! Da steckt unendlich viel Herzblut dahinter. Alle sind mit Herz dabei. Für mich war der Seelsorgekurs sehr wertvoll und ich kann ihn unbedingt weiterempfehlen.“
„Ich bin bereits seit längerer Zeit in der Seelsorge tätig und wollte nochmal was von anderer Seite her hören. Der Seelsorgekurs von de’ignis war für mich eine gute Erfahrung
Die Vorträge waren super, haben mir sehr weitergeholfen und waren eine gute Unterstützung für mich. Auch dass ich das Seminar nicht am Stück durchziehen musste, war echt gut. Ich habe alles auf zwei Durchgänge gemacht. Das war sehr entspannend. Mega, was ihr da auf die Beine gestellt habt. Weiter so!“
Seminar 1 • Biblische Perspektiven für seelsorgerliches Handeln
• Psychische Erkrankung und Lebenskrisen
• Transaktionsanalyse als Kommunikationsmodell
Seminar 2 Methodische, inhaltliche und juristische Rahmenbedingungen seelsorgerlicher Gesprächsführung
Seminar 3 • Psychische Krankheitsbilder einordnen und verstehen lernen
• Psychisch krank trotz Glaube?
• Unterscheidung von Normalpathologie und Psychopathologie
Seminar 4 Darstellung der gängigen Therapieschulen und ihre Behandlungsverfahren aus christlicher Sicht
Seminar 5 Freundschaft, Liebe, Sexualität – im Jugendalter und in der Ehe
Seminar 6 Biblisches Menschenbild (Anthropologie), Therapie des Herzens, umfassende Konzeption biblischer Seelsorge, Hören auf Gott
Seminar 7 Innere Heilung durch Klärung der Beziehung zu Gott, zum Du (Mitmenschen) und zum Ich (zu mir selbst) in Vergangenheit und Gegenwart
Seminar 8 Identitätsentwicklung und -störungen, Auswirkung auf die Persönlichkeit
Kursleitung: Winfried Hahn
Teamleitung: Dagmar Göhring
Fachliche Beratung: Dr. med. Herbert Scheiblich
Unter Mitwirkung von: Dr. med. Friedrich Böhme, Dr. med. Ute Horn, Helge Lack, Norbert Monschau, Marianne Burau
Seminar 9 Persönlichkeit des Seelsorgers, Fähigkeit zur Selbstreflexion, Selbstkritik und Introspektion
Seminar 10 Umgang mit Leid, Theodizee-Problematik, Burn-out und andere Belastungsstörungen
Kompetenz. Und Gottvertrauen.
Kurs in begleitender Seelsorge
Der Kurs in begleitender Seelsorge von de’ignis ist eine unverzichtbare Schulung für Menschen, die anderen in schwierigen Lebenssituationen zur Seite stehen möchten. Fachlich qualifiziert, theologisch reflektiert und praxisorientiert lernen Sie, Menschen in Lebenskrisen, seelischen Nöten und psychischen Erkrankungen kompetent und biblisch fundiert zu begleiten.
Lebenskrisen sind Phasen, die fast jeder – mehr oder weniger intensiv – im Laufe seines Lebens durchlebt. Hierbei ist eine einfühlsame Begleitung aus Empathie und Lebenserfahrung entscheidend. Der Kurs vermittelt die dafür notwendigen Reflexionsprozesse und Selbstreflexionsübungen.
Seelische Nöte gehören ebenfalls zum Erleben vieler Menschen. Der Kurs zeigt auf, wie man sie bewältigen kann und welche Hilfen im Bereich der Seelsorge und Therapie zur Verfügung stehen. Angesichts der steigenden Zahl von Menschen mit behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankungen wird auch die Rolle der Seelsorge als besonderes und wirkungsvolles Hilfsangebot beleuchtet.
Der Seelsorgekurs ist nicht nur für Helfende und solche, die es werden möchten, geeignet, sondern auch für Angehörige und Betroffene selbst. Entdecken Sie die Möglichkeiten und Chancen, die in dieser wichtigen Form der Unterstützung liegen!
Termine für 2025
Seminar 6 | 25. – 26. Juli 2025
Biblisches Menschenbild (Anthropologie), Therapie des Herzens, umfassende Konzeption biblische Seelsorge, Hören auf Gott
Seminar 7 | 19. – 20. September 2025
Innere Heilung durch Klärung der Beziehung zu Gott, zum Du (Mitmenschen) und zum Ich (zu mir selbst) in Vergangenheit und Gegenwart
Seminar 8 | 21. – 22. November 2025
Identitätsentwicklung und -störungen, Auswirkung auf die Persönlichkeit
Alle Seminartermine für 2025 sind online auf www.deignis.de unter Veranstaltungen zu finden.
Der Kurseinstieg ist jederzeit möglich, da die Lehreinheiten regelmäßig in weiteren Zyklen im Tabor Schulungszentrum wiederholt werden.
Veranstaltungsort
Tabor Schulungszentrum für Pastoraltheologie, Seelsorge und Erweckung
Sigmaringer Straße 64 • 72474 Winterlingen info@tabor- schulungszentrum.de
Weitere Infos und Termine auf deignis.de/fortbildung/ seelsorge - schulung
Winfried Hahn, Vorstandsvorsitzender der de’ignis-Stiftung in Polen, gibt einen Einblick in die aktuellen Entwicklungen und Tätigkeiten der Stiftung.
• Ein zentraler Schwerpunkt unserer Arbeit in Polen sind die Seelsorgekurse, die seit Jahren auf großes Interesse stoßen. Die Kurse bestehen aus zehn Wochenendseminaren und schließen mit einem Zertifikat ab. Den nächsten Durchgang planen wir für das Jahr 2026.
Darüber hinaus veranstalten wir zweimal jährlich unsere sogenannten Beratungsstellentreffen. Ursprünglich als interne Austauschtreffen für die Verantwortlichen unserer Beratungsstellen gedacht, haben sich diese Veranstaltungen zunehmend geöffnet – auch für externe Interessierte aus dem Bereich Seelsorge und Psychotherapie. Daher werden wir sie künftig treffender „Konferenz für Psychotherapie und Seelsorge“ nennen.
Ein Höhepunkt in diesem Jahr ist unsere Deutsch-polnische Seelsorgekonferenz, die vom 23. bis 25. Mai in unserem gut frequentierten Seminar- und Tagungshaus in Pomysk bei Bytów stattfindet. Es erwarten uns inspirierende Impulse von Referentinnen und Referenten aus Deutschland und Polen. Das Haus ist auch außerhalb unserer Veranstaltungen ein lebendiger Ort geistlicher und fachlicher Begegnung.
Ziel unserer Arbeit ist es, Menschen zu befähigen, andere in Lebenskrisen und psychischen Nöten wirksam zu begleiten –mit fachlicher Kompetenz und geistlicher Tiefe. Denn es geht nicht nur um Wissen und Methode, sondern um das, was Menschen innerlich frei macht: geistliche Wahrheiten, die das Herz berühren und verändern.
Gerade heute, auch in Polen, sehen wir die wachsende Tendenz zur Psychologisierung der Seelsorge. Deshalb ist es uns ein Anliegen, bei all den wertvollen bereichernden Erkenntnissen aus der Psychologie, die geistlichen Kernkompetenzen der Seelsorge durch die Anbindung an biblische Wahrheiten zu stärken.
Für diesen wichtigen Dienst sind wir weiterhin auf Gebet und auch auf finanzielle Unterstützung angewiesen – nicht zuletzt, um die spürbaren Kostensteigerungen in unserer Arbeit in Polen bewältigen zu können.
Herzlichen Dank für jede Form der Unterstützung!
Sie möchten die Arbeit der de’ignis-Stiftung unterstützen?
Eine Spendenquittung kann auf Wunsch ausgestellt werden.
Als Medizinisch-pflegerische Leitung oder Gesundheits-/Pflegefachkraft
im de’ignis-Wohnheim.
Das sozialtherapeutische Zentrum de’ignis-Wohnheim nimmt Menschen auf, welche aufgrund einer psychischen Erkrankung aktuell nicht in der Lage sind, selbstständig zu leben. Helfen Sie mit, den Bewohnern des de’ignis-Wohnheims auf Basis des christlichen Glaubens Hilfe und Heimat zu geben. Die Aufgaben, die Sie dabei erwarten sind anspruchsvoll, vielseitig und bieten Ihnen die Möglichkeit, Ihre Berufung zum Beruf zu machen.
z. B. als Medizinisch-pflegerische Leitung (m/w/d)
z. B. als Gesundheits- und Krankenpfleger (m/w/d)
z. B. als Altenpfleger (m/w/d)
Interessiert? Lernen Sie uns als Einrichtung und das Mitarbeiter-Team kennen. Nutzen Sie die Chance, Ihre persönliche Berufung bei uns zu finden. Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!
de’ignis-Fachklinik
Fachklinik auf christlicher Basis für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik
Stationäre medizinische Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen, ambulante und teilstationäre Rehabilitation und Behandlungen, Sanatoriumsbehandlungen, Nachsorge IRENA und Psy-RENA, Prävention und Vorsorge, Berufsbegleitende Reha, de’ignis-Kompakt
de’ignis-Wohnheim
Sozialtherapeutisches Wohnheim nach biblischen Grundsätzen mit Einzel- und Gruppenangeboten
Gesprächstherapie, Sozialtraining, Arbeitstraining (z. B. im eigenen Verlag), Freizeitpädagogik, individuelle Betreuung
de’ignis-Institut
Institut für Psychotherapie und christlichen Glauben
Kurs in begleitender Seelsorge, Vernetzung von Fachleuten, Fortbildung in Christlich-integrativer Therapie, Coaching, Supervision, ambulante Beratung für Erwachsene, Sozialpädagogische Beratung für Kinder / Jugendliche / Familien, weitere Angebote zur Prävention
de’ignis-Stiftung Polen
Christliche Stiftung mit Einzel- und Gruppenangeboten
Schulungen in pastoralpsychologischer Seelsorge und christlichintegrativer Psychotherapie, Aufbau von Beratungssstellen