RADIOBOY | WESTBAM | JORI HULKKONEN | RONI SIZE | SUICIDE | SUPER MARIO |STAR TREK | 287 REVIEWS
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ELEKTRONISCHE LEBENSASPEKTE
November 2002.€EUR MÄRZ 2002. 2.802.80 Schweiz: SFR 5,50
MUSIK MEDIEN KULTUR SELBSTBEHERRSCHUNG
MONATSZEITUNG
PEER CAST
JEANS
GUS GUS
Als vor gut zwei Jahren Gnutella veröffentlicht wurde, revolutionierte es als Filesharingsoftware die binäre Tauschbörsen-Welt. Nun sorgt Peercast mit der gleichen Technologie für eine Renaissance der Piratenradios im Netz. Wir sprachen mit Peercast-Programmierer Giles Goddard. <Seite10>
Nicolette Krebitz kreist in ihrem semi-improvisierten Spielfilm "Jeans" um den Szenealltag im Berliner Wahnsinnssommer 2001, der eben nie Alltag werden will, sondern das routinefeindliche Driften in Designerjeans feiert. Im Gestus des Passierenlassens stimmig, aber auch gut? <Seite#04>
Personell ab- und ravig aufgespeckt, mit neuer Sängerin und insgesamt nur noch vier Mitgliedern macht sich die isländische Supergroup mit Vorliebe für Rum Cola auf, die Welt ein weiteres Mal zu erobern. Elektronischer und straighter als je zuvor. Island ist eine Disco, was sonst. Attention. <Seite#05>
BIEDERMEIER DIGITAL
BPITCH CONTROL
TEXT: ANTON WALDT, WALDT@QUINTESSENZ.AT
TEXT: JAN JOSWIG | JANJ@DE-BUG.DE / FOTO: AMI SIOUX
Filesharing rettet Piratenradios.
Nicolette Krebitz filmt ihr Umfeld.
Das notorische Wohnzimmer.
Rucola? Rum Cola!
Berlin, Berlin ... hey! Dein Herz kennt keine Mauern.
Vor zehn Jahren wurde die Idee der Wohnzimmerproduktion von Gütern des täglichen Kulturbedarfs massenhaft propagiert. Gleichzeitig sollte durch die ewige Party die Wohnung zur verlängerten Tanzfläche und damit irgendwie öffentlicher Raum werden. Inzwischen haben sich diese Ideen im Wortsinn verbreitet und das Resultat ist wieder mal ganz anders als gedacht: Nachdem die Grenzen einmal niedergedacht waren, haben die Wohnzimmer sich auf den Weg in die Clubs gemacht und dort häufig für unambitionierte Sitzkultur vom unfeinsten gesorgt. Den gleichen Gemütlichkeitsausfluss mussten auch viele Büros über sich ergehen lassen, auch wenn dieser Tendenz durch das Platzen der New-Economy-Blase zunächst Einhalt geboten wurde. Gleichzeitig wurden die notorischen Wohnzimmer in der Tat einem Technologie-getriebenen Wandel unterzogen, nur dass die Öffentlichkeit dabei natürlich nicht mit ihren ganz real schmutzigen Schuhen in die gute Stube vorgelassen wurde, sondern digital und sauber durch das Netz, das auch die heimischen Gemächer als Produktionsstätte an die globale Volkswirtschaft anbindet. Emotional geht diese Entwicklung mit äußerst schizophrenen Reaktionen einher: Während die linke Hirnhälfte sich einer gediegenen Paranoia von Großen-Bruder-Fantasien hingibt, schleimt sich die rechte Hälfte mit Schmackes vor jede verfügbare Kamera, um dort möglichst intime Regungen und Verrichtungen zu zelebrieren. Das notorische Wohnzimmer wiederum wundert sich über seine Transformation wahrscheinlich wenig, ist seine Entstehung doch mit einem ganz ähnlichen Prozess verbunden: Als vor 200 Jahren im Zuge der ersten industriellen Revolution die höfische Kultur vom entstehenden Bürgertum aufgegriffen wurde, musste auch jeder Biedermann sein Klavier haben, um das eine Repräsentationskulisse gebaut wurde, die zwar auch hergezeigt, aber keinesfalls schmutzig gefeiert werden durfte. Der kühne Zeitsprung eröffnet dabei sowohl beängstigende als auch optimistische Perspektiven für das, was noch kommt: Im Biedermeier wurden nicht nur Kapitalismus, Reaktion und Nationalismus definiert, sondern auch Sozialismus, Revolution und Demokratie. <Seite#26>
Mitten in Mittes Mitte, Berlin, Hackescher Markt, da, wo die manischcoole Entsolidarisierung von Tisch zu Tisch bei Starbucks die rüdesten Blüten treibt, wird ein sozialistisches Hipsterhippie-Modell vorangetrieben: Kolchose, Kibbuz, Kommune 1 – und von da in steigender Linie chaotischer, kreativer, polit-hedonistischer, rasselbandiger: BPitch Control. Auf drei Stockwerken in der einzigen Techno-Arche, so weit das Auge reicht, turnen das Büro von Ellen Alliens BPitch Control, die Studios von Sascha Funke, Modeselektor und Kiki und die verkifften Grafikkatakomben der Pfadfinderei umeinander rum. Und bilden ein wuseliges Kollektiv, dass an einer Renaissance-Mensch-Existenz arbeitet: Musik, Mode, Poster, Sticker, Party in fröhlicher Synästhesie, die sich frei macht von Clash/Cash-Lifestyle-Konnotationen, einfach durch die Integrität der beteiligten Personen, die in jedem Produkt durch-
schlägt, ohne im bloß wertsteigernden Image-Kapital aufzugehen. Ellen Allien hat als künstlerischer Käpt’n nie gescheut, sich weit rauszulehnen. Fensterstürze drohten aber selbst dann nie, wenn das Rauslehnen 80er-Electro hieß und sich als ein Bonfire of the Vanitys mit einer Halbwertzeit abfackelte, die einen glatt mal den Kopf hätte kosten können. Aber BPitch Control hat sich ohne radikale Kurswechsel, sondern einzig durch Erweiterung des Kollektivs, durch Splittung der Kompetenzen und Verbreakung der Musik in eine Liga gehievt, in der man immer zwangsläufiger einen Film in Technicolor und Dolbysurround über sie drehen müsste. Eine verschworene Fassbinder-Crew, die sich ihren Fassbinder abschafft. Wir klettern an Bord der BPitch-Arche und klopfen bei den Hoffnungsträgern Feadz und Modeselektor an. <Seite#13>
REBOL
DIE NEUE GENÜGSAMKEIT DUMB UNIT Elektronische Musik und ihre Kritiker.
Musketier des kanadischen Techno.
Carl Sassenrath hat mit dem Amiga OS in den 80ern eine Betriebssystem-Revolution gestartet. Das wollte er jetzt mit dem Update für die Filesharing-Plattform Morpheus 2.0 wiederholen. Peer to Peer und Betriebssystem sollten sich gegenseitig kurzschließen, bis Microsoft kapituliert. Mehr als eine Neustart Utopie? <Seite#30>
Biedermeierlicher Alltag ist eingezogen in die Welt der elektronischen Musik. Nobody move, nobody get hurt. Sucht denn niemand mehr Auseinandersetzung, Zerrüttung, Verschwendung? Musikjournalismus muss wieder das Ereignis mit Sprengkraft erzeugen, plädiert Alexis Waltz. <Seite#31>
Jeremy Caulfield infiziert mit seinem Label "Dumb Unit" den Patienten Minimaltechno mit einer gehörigen Portion Differenz. Aus Toronto sendet er seine Trenchcoatagenten auf multiphrenen Expansionskurs und erschleicht sich entlang minimalster Unterschiede die nächste Moderne. <Seite#18>
Medien.
Kultur.
Musik.
WorldWide Dreamer.
DESIGN: 3D LUXE.............................................................................. <SEITE#05> BILDERKRITIKEN............................................................................... <SEITE#10> MUSIKTECHNIK: KONTAKT.............................................................<SEITE#23> SERVER................................................................................................ <SEITE#28> FLASH MX BÜCHER......................................................................... <SEITE#33> SUPER MARIO SUNSHINE.............................................................. <SEITE#34> GOTO...................................................................................................<SEITE#36>
STAR TREK........................................................................................ <SEITE#10> JOYPAD CONTROLLER..................................................................<SEITE#22> NORM THE THINGS.......................................................................<SEITE#29> ARS DOKUMENTA..........................................................................<SEITE#29> INTERNET UND POLITIK................................................................<SEITE#30> ÜBERWACHUNG............................................................................<SEITE#32> KINO: JEANS.................................................................................... <SEITE#35>
SPEZIALMATERIAL......................................................................... <SEITE#04> JORI HULKKONEN......................................................................... <SEITE#08> HAUSMEISTER.................................................................................<SEITE#12> BPITCH: FEADZ............................................................................... <SEITE#14> BPITCH: MODESELEKTOR............................................................<SEITE#15> RONI SIZE..........................................................................................<SEITE#20> JEFF SAMUEL................................................................................... <SEITE#20>