WPK Quarterly 2012-2

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Die Wissenschaftsjournalisten

Waffen ins Ressort

Ausgabe II / 2012

DAS MAGAZIN DER WISSENSCHAFTS-PRESSEKONFERENZ e.V.

Ein Plädoyer

Waffen ins Ressort!

Zukunft Vergangenheit Gegenwart

Ein Himmel voller Drohnen? Die Instrumentalisierung der Menschheitsgeschichte Das ambitionierte Online-Format „Faktencheck”


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10 Millionen Euro für verständliche Wissenschaft EDITORIAL

In aller Unbescheidenheit steigt das „Nationale Institut für Wissenschaftskommunikation“ (NaWik) in den Ring, um der Unverständlichkeit der Wissenschaft zu Leibe zu rücken. Wie häufig in den zurückliegenden 35 Jahren, wenn eine neue Initiative dieser Art startete, ist von der „Bringschuld der Wissenschaft“ die Rede und es wird der Hoffnung Ausdruck verliehen, dadurch könne man einen positiven Beitrag zur breiten gesellschaftlichen Akzeptanz der Wissenschaft leisten. Erstaunlich ist die Kontinuität, mit der diese Überzeugung in den zurückliegenden 35 Jahren immer wieder ins Licht tritt. Und das, obwohl es den Sozialwissenschaften auch in vier Jahrzehnten weder theoretisch noch empirisch gelungen ist, einen plausiblen Zusammenhang etwa zwischen verständlicher Vermittlung und gesellschaftlicher Akzeptanz herzustellen. Entsprechend sind die ersten Reaktionen auf diese Initiative von Skepsis geprägt. Es ist allerdings zu früh, um über das NaWik zu urteilen. Es hat uns einige Diskussionen gekostet, um zu entscheiden, ob dieses neue Institut für den

Wissenschaftsjournalismus relevant sein könnte. Unser Ergebnis: Vordergründig wohl nicht. Dass es trotzdem der Erwähnung wert ist, liegt zunächst an der Ausstattung dieses Instituts. Zehn Millionen Euro stehen bereit, um die Wissenschaftler dieser Republik in den nächsten fünf Jahren mit Medien-, Sprech- und Vortragstrainings zu versorgen. Dabei wird es sicher nicht bleiben. Denn es bedürfte schon eines immensen logistischen und organisatorischen Aufwandes, um in fünf Jahren Tausende von Wissenschaftlern für solche Trainings zu gewinnen. So viele müssten es schon werden, um 10 Millionen unter die Leute zu bringen. Es ist deshalb zu erwarten, dass von diesem Institut weitere Impulse ausgehen für die Wissenschaftskommunikation. Welche das sein könnten, umreißt Martin Schneider in seinem Beitrag, der dieses Institut ausführlich vorstellt. Waffen ins Ressort! So titeln wir in dieser Ausgabe absichtsvoll provokativ. Es ist als Anregung zu verstehen, einmal ausgetretene Pfade der Wissenschaftsbeobachtung zu verlassen und den Blick zu richten auf das, was

jenseits von dem liegt, was durch renommierte Wissenschaftsjournals Woche für Woche verlautbart wird. Mit Markus Becker, Chef der Wissenschaft bei SPIEGEL ONLINE, haben wir einen Autoren gewonnen, der in den zurückliegenden Jahren immer wieder Militärisches öffentlich verhandelt hat. Er zeigt, dass die Beobachtung von dem, was gemeinhin als geheim und öffentlich unzugänglich gilt, durch Blogs und spezialisierte Quellen möglich ist. Klar in die Zukunft gerichtet ist der Blick von Markus Bösch, der uns das näher bringt, was derzeit unter dem Stichwort „Drohnen-Journalismus“ in einzelnen Fachmagazinen diskutiert wird. Bösch geht davon aus, dass unbemannte Fluggeräte nicht lediglich ein Thema für Militärs sind, sondern längst auch ins Visier von Journalisten geraten sind, die nach neuen Wegen der Informationsbeschaffung suchen. Seine Prognose: Diese Maschinen stehen auf der Schwelle zu ihrem weltweiten Siegeszug! Ob sie auch für den Wissenschaftsjournalismus oder den Datenjournalismus nutzbringend und profitabel einsetzbar sind, das diskutiert er in seinem Beitrag.


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Ebenfalls eher in die Zukunft gerichtet ist ein Projekt namens „Faktencheck“, das sein Initiator Ralf Grötker vorstellt. Der Faktencheck steht für das Experiment, Leser online-basiert in die Recherche von Hintergrundinformationen einzubinden. Anders als zum Beispiel englischen Faktenchecks, geht es Grötker nicht darum, Kontroversen zu entscheiden. Er will stattdessen Einblick gewähren in die Faktenbasis von Positionen und Meinungen. Erste Erfahrungen mit dem Faktencheck, der unter anderem bei faz.net läuft, schildert er am Beispiel der Debatte um das Für und Wider der Beschneidung aus religiösen Gründen. Weit zurück in die Vergangenheit führt uns Oliver Hochadel. Es geht nach Atapuerca, einem Ort in Spanien, der – ähnlich vielleicht dem Neandertal – zu einem Synonym für den Anfang der europäischen Menschheitsgeschichte geworden ist. Dieser bedeutende Fundort menschlicher Fossilien ist zugleich Angelpunkt nationaler (vielleicht auch nationalistischer) Identitätsbildung in Spanien, was durch eine unkritische Wissenschaftsberichterstattung von Journalisten nach Kräften unterstützt wird. Was Hochadel schildert, gewährt deshalb Einblicke in die „Untiefen der Popularisierung“, die zu studieren nicht allein Sache der spanischen Kollegen bleiben sollte, wie wir finden. Das WPK-Quarterly versteht sich als Forum, das Diskussionen anregen sowie Entwicklungen im Wissenschaftsjournalismus beschreiben und reflektieren will. Wir hoffen wie immer, dass uns das auch mit dieser Ausgabe gelungen ist und dass wir Anregungen und Einblicke geben, die für das praktische Tun von Wert sein können. }

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Inhalt Editorial

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Waffen ins Ressort! Ein Plädoyer

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Drohnen und ihr Einsatz im Journalismus. Ein Ausblick

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Die zehn Millionen schwere Vermittlungsoffensive. Das neue NaWik

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Faktencheck für Kontroversen: Ein ambitioniertes Online-Format

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Neue Wege im Wissenschaftjournalismus? Ein Interview

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Die Untiefen der Popularisierung. Atapuerca und der Nationalismus

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Ad-hoc-Recherche-Stipendien. Eine Evaluation

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Impressum

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Markus Lehmkuhl

Markus Lehmkuhl ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der FU Berlin und am FZ Jülich. Er leitet die WPK-Quarterly Redaktion.


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Waffen ins Ressort! Ein Plädoyer für eine größere Beachtung des Militärischen in der Wissenschaft. Von Markus Becker Da war er wieder, der ungehaltene Leserbriefschreiber. Als Mathematiker und Pazifist finde er es schrecklich, „dass ein Artikel mit einem solchen Thema in der Wissenschaft landet“. Das Thema war in diesem Fall Iran und seine vollmundigen Behauptungen über angeblich neue Waffen. Tötungsgerät habe mit Forschung nichts zu tun, meinte der Leser: Dergleichen gehöre ins Politikressort. Mit Sätzen dieser Art wird man als Journalist, der regelmäßig über Militärtechnologie berichtet, häufig konfrontiert, auch von äußerst gebildeten Gesprächspartnern. Das macht die Sache umso erstaunlicher. Denn dass Waffen und Wissenschaft nichts miteinander zu tun haben, ist so offensichtlich falsch wie weltfremd. Und dass Journalisten sich kritisch mit militärischer Forschung auseinandersetzen, sollte eigentlich im Interesse gerade von Pazifisten liegen. Die anregende und erfreulich sachliche Korrespondenz mit dem Leser war beendet, als ich ihn bat, mir die Berufe folgender Männer zu nennen: Robert Oppenheimer, Enrico Fermi, Edward Teller, Werner Heisenberg, Abdul Qadir Khan, Alfred Nobel, Kanatjan Alibekow alias Ken Alibek, Willy Messerschmitt, Wernher von Braun, Wilhelm Lommel und Wilhelm Steinkopf. Die meisten Namen auf dieser Liste bedürfen vermutlich keiner weiteren Erläuterung – abgesehen vielleicht von Ken Alibek, der bis zu seinem Überlaufen einer der führenden sowjetischen Biowaffen-Entwickler war, und den Chemikern Lommel und Steinkopf, die Senfgas zur Waffe machten (das deshalb auch „Lost“ genannt wird, zusammengesetzt aus den Anfangsbuchstaben beider Namen). Gemein ist diesen Männern, dass sie allesamt brillante Vertreter ihrer Fächer sind oder waren – und sich aus

den unterschiedlichsten Motiven in den Dienst der Waffenentwicklung gestellt haben. Die Liste ließe sich beliebig erweitern um viele Tausend unbekannte Wissenschaftler und Ingenieure in aller Welt, die in diesem Moment an Waffen oder Dual-Use-Technologien forschen, die sowohl zu zivilen als auch zu kriegerischen Zwecken eingesetzt werden können. Ihnen gegenüber stehen zahlreiche Wissenschaftler, die gegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen ankämpfen – etwa bei Institutionen wie der UnoAtombehörde IAEA, dem Institut für Transurane in Karlsruhe oder der Gemeinsamen Forschungsstelle der EU.

Über Waffentechnologie regelmäßig zu berichten, ist möglich und geboten

Die Erfindung neuer Waffen hat die Entwicklung der Menschheit seit jeher entscheidend mitbestimmt, mindestens ebenso sehr wie politische Entscheidungen. Wahrscheinlich sogar in größerem Maße, da technologische Neuerungen den politisch-gesellschaftlichen Entscheidungs- und Kontrollprozessen prinzipiell vorauseilen. Das gilt insbesondere für wirklich revolutionäre Erfindungen: Ein Politiker kann schwerlich die Erfindung von etwas nie Dagewesenem in Auftrag geben. Vielmehr sorgen Forscher für neue Möglichkeiten, die dann von den Entscheidungsträgern genutzt werden. Darauf, dass sie das tun, war bisher immer Verlass – insbesondere wenn es um neuartige Waffen ging, die schon aufgrund ihrer Neuartigkeit einen Vorteil gegenüber dem jeweils aktuellen Gegner versprechen.

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Ein cleverer Steinzeitbewohner wird irgendwann darauf gekommen sein, einen Ast zu biegen und eine Sehne zwischen die Enden zu spannen – voilà, der Bogen war erfunden. Sein Chef wird dessen Nutzen erkannt und mehr davon verlangt haben. Schon hatte der Nachbarclan ein Problem. Ein paar Jahrtausende später verschmolzen Tüftler Kupfer und Zinn, das Resultat waren die ersten bronzenen Schwerter. In den Jahrhunderten danach ermöglichte die Metallurgie immer schärfere und härtere Klingen. Die Chemie führte zu Feuerwaffen, Biologen verwandelten Mikroben zu Waffen, Physiker ersannen die Atombombe. Wohl kein Politiker wäre auf die Idee gekommen, dass man mit der Spaltung von Atomkernen eine Waffe bauen könnte, die den blutigsten Krieg der Geschichte auf einen Schlag – oder genauer: Auf zwei Schläge – würde beenden können. Geschweige denn, dass diese Waffe eines Tages in der Lage sein würde, die gesamte Zivilisation zu sprengen. Das führt allerdings keinesfalls dazu, dass die Verbreitung von Atomwaffen global zurückgeht. Iran steht kurz vor dem Bau der Bombe, und nicht wenige Fachleute sind überzeugt, dass die Türkei dann folgen würde, vielleicht auch Saudi-Arabien und Ägypten. Und unter den bereits vorhandenen Nukleararsenalen wächst ausgerechnet das in Pakistan am schnellsten.

Militärisches ist relevanter als vieles andere, das erschöpfend behandelt wird

Das alles zeigt, dass die Staatengemeinschaft nur sehr bedingt in der Lage ist, die Verbreitung von Rüstungstechnologien effektiv zu kontrollieren oder gar zu unterbinden. Das ist einer der Gründe, warum es für das Wissenschaftsressort eines Massenmediums nicht nur möglich, sondern geradezu geboten ist, über Waffentechnologie zu berichten. Ein weiterer ist, dass die Forschung an neuen Waffen keinesfalls an Fahrt verloren hat.


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Mancher mag geglaubt haben, dass mit der Erfindung von InterkontinentalAtomraketen das Ende der Fahnenstange erreicht wäre. Was könnte man mehr wollen als die Fähigkeit, ganze Städte auf einen Schlag auszuradieren? Doch da gibt es offenbar einiges. Nicht-autonome Roboter, allen voran fliegende Drohnen, spielen inzwischen Schlüsselrollen in der modernen Kriegführung. Laufende und fahrende Drohnen sind dabei, es ihnen gleichzutun. Zugleich werden militärische Roboter nicht nur immer größer und tödlicher, sondern auch kleiner, bis hin zu den Ausmaßen von Insekten. Hinzu kommen Cyberwaffen, etwa der von den USA und Israel entwickelte „Stuxnet“Virus, der Irans Atomprogramm sabotieren sollte und prompt in die freie Wildbahn des Internets entkam. Die Menschheit steht technologisch vermutlich an einer ähnlichen Schwelle wie in den vierziger Jahren, als die ersten Atomwaffen und die ersten Strahlflugzeuge zum Einsatz kamen. Die Fragestellungen sind ähnlich wie damals: In welche Richtung werden sich diese Technologien entwickeln? Wie werden sie die Gesellschaften der Welt und die internationale Politik verändern? Wie verhindert man, dass ihre Nutzung geradewegs in die Katastrophe führt? Auf die ethischen, juristischen und politischen Debatten, die sich daraus ergeben, sind die westlichen Gesellschaften derzeit kaum vorbereitet. Falls die Öffentlichkeit aber überhaupt in der Lage sein soll, ihnen zu folgen und im Idealfall ein gewisses Maß an Kontrolle auszuüben, muss sie zunächst wissen, worum es überhaupt geht. Dieses Wissen kann nur zustande kommen, wenn die Hintergründe und Zusammenhänge vermittelt, Entscheidungsprozesse in Wissenschaft und Wirtschaft hinterfragt werden und das Ergebnis öffentlich – also in den Medien – verhandelt wird. Und zwar nicht in Fachblättern oder obskuren SpezialistenBlogs, sondern in den Massenmedien. Merkwürdigerweise würde nicht nur jeder Journalist, sondern wohl auch jeder aufgeklärte Mensch das alles sofort unterschreiben, ginge es um das Gesundheitswesen, die Wirtschafts-,

WPK-Quarterly die Außen- oder die Innenpolitik. Selbst die tatsächlichen und vermeintlichen Gefahren von Computertechnik, dazumal ein Thema fürs Telekolleg, werden inzwischen mit Verve in den Massenmedien debattiert. Militärische und Dual-Use-Technologien aber sind dort merkwürdig unterbelichtet, obwohl sie eine weit größere Tragweite besitzen als vieles, was sonst in den großen Medien erschöpfend abgehandelt wird.

Statt gelegentlicher Entrüstung oder billiger Waffenpornographie ist kontinuierliche Beobachtung notwendig, um fundiert berichten zu können

Ebenso seltsam ist manchmal die Art der Berichterstattung. Da gibt es zum einen den Typus des wuchtigen Feuilleton-Aufmachers, der bevorzugt dann erscheint, wenn mal wieder ein dystopischer Roman Bestsellerstatus erreicht hat (wie jüngst „Kill Decision“ von Daniel Suarez). Bei der Lektüre solcher Artikel beschleicht einen nicht selten das Gefühl, der Autor habe im Angesicht der Tötungstechnik und des daraus folgenden Debattenpotentials seinen persönlichen Shock-and-Awe-Moment erlebt. „Kinder, was es heute nicht alles gibt!“ würde als Überschrift oft passen. Anschließend widmet sich das Ressort wieder den Feuchtgebieten dieser Republik, bis der nächste aufrüttelnde Roman aus der Welt der Waffen die Bestsellerlisten stürmt. Ein anderes Genre ist das meist wenig reflektierte, dafür aber umso bildgewaltigere Abfeiern der dicksten Bomben, schnellsten Kampfjets und geheimsten U-Boote. Es soll TVSender geben, die damit beachtliche Teile ihres Programms füllen. Böse Zungen nennen das Waffenporno. Leider scheinen manche Kollegen, die Waffenporno mitunter zu Recht als solchen kritisieren, auch gleich jede

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Sachkenntnis auf diesem Gebiet als anrüchig zu empfinden. Auch das verwundert. Niemand käme etwa auf die Idee, einem Wirtschaftsjournalisten zu große Detailkenntnis in Finanzfragen oder gar einen Geldzählfetisch vorzuwerfen, auch wenn Finanzjongleure ganze Volkswirtschaften ruinieren und in ärmeren Ländern durchaus kriegsähnliche Verheerungen hinterlassen können. Eine gewisse Sachkenntnis kann übrigens auch verhindern, dass man als Journalist vor dem Karren politischer Akteure landet. Zu den Evergreens auf dieser Bühne zählen die eingangs erwähnten blasbackigen Behauptungen iranischer Politiker und Militärs über ihre neuesten Waffen. Allzu oft posaunen Allrounder in Nachrichtenagenturen und Redaktionen solche Meldungen in die Welt hinaus, ehe sie sich einen Tag später als Märchen aus Tausendundeiner Nacht herausstellen. Wie aber sollte der Wissenschaftsjournalismus mit militärisch relevanter Forschung umgehen, die oft auch politisch und gesellschaftlich relevant wird? Denn die Verantwortung verschwindet nicht durch Nichtstun. Die Antwort kann nur lauten, weder das Thema noch seine Bedeutung aus den Augen zu verlieren. Das bedeutet zweierlei: Zum einen, die Nachricht in ihren Kontext einzubetten und so ihre Bedeutung zu zeigen (dazu später mehr). Zum anderen, nicht nur zweimal im Jahr tätig zu werden (und dann den wuchtigen FeuilletonAufmacher zu produzieren).

Informationen findet man abseits ausgetretener Pfade: Zum Beispiel in US-Blogs!

Hält man ein Thema regelmäßig im eigenen Bewusstsein und dem des Lesers, werden Entwicklungen nachvollziehbar, und die Redaktion kann Fachwissen aufbauen und bewahren. Für die Berichterstattung über militärische oder sicherheitsrelevante Dual-


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Use-Forschung ist das womöglich noch wichtiger als in anderen Bereichen. Denn an Informationen ist hier oft wesentlich schwieriger heranzukommen als in der freien Forschung, die ihre Erkenntnisse von sich aus veröffentlicht. Fachleute sitzen eher in Privatunternehmen und Behörden als in Universitäten und Forschungsinstituten. Sie sind Journalisten gegenüber meist noch reservierter als der berüchtigte deutsche Universitätsprofessor – speziell wenn sie den Eindruck bekommen, dass der Fragesteller am anderen Ende der Leitung keine Ahnung von der Materie hat. Leichter zugänglich sind zwar die Experten an den einschlägigen Think Tanks in den USA und Europa, die zu vielen Dingen kompetent Auskunft geben können. Was allerdings technologische Entwicklungen angeht, sitzen sie naturgemäß nur in der zweiten Reihe. Daneben gibt es eine kleine, aber ebenfalls sehr kompetente Szene von Militärbloggern, die in großer Mehrheit

WPK-Quarterly in den USA sitzen und oft einen militärisch-technischen Berufshintergrund haben. Welche enorme Bedeutung ihre Berichterstattung hat, wurde übrigens im September 2007 deutlich, als der damalige US-Präsident George W. Bush eine Handvoll Militärblogger zu einer Diskussion ins Weiße Haus einlud – ein Maß an Beachtung, um das mancher Regierungschef lange vergeblich kämpft. Zugleich zeigt die Episode, wie groß der Abstand zur entsprechenden Berichterstattung in Deutschland ist.

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Waffe nicht nur deshalb berichtet, weil sie besonders treffsicher, zerstörerisch oder billig herzustellen ist. Sondern weil sie dadurch Entscheidungsträgern neue Möglichkeiten in die Hand gibt – die, einmal genutzt, weitreichende Konsequenzen haben können. Informationen dieser Art könnten übrigens selbst pazifistische Mathematiker spannend finden. Denn die Alternative wäre, von neuen Kriegstechnologien erst durch ihren Einsatz zu erfahren. }

Dabei wäre sie in den allermeisten Fällen leicht zu rechtfertigen, wenn es gelingt, Nachrichten aus dem Bereich der Rüstungs- und Dual-UseForschung wie bereits erwähnt in ihren Kontext einzubetten – und ihnen so die Fallhöhe zu geben, die sie verdienen. Man muss dazu nicht in jedem zweiten Satz betonen, dass Waffen etwas Schreckliches sind und übrigens auch töten können. Das wird in dem Moment unnötig, in dem man von einer neuen

Markus Becker ist Ressortleiter Wissenschaft bei SPIEGEL ONLINE.

Der Himmel voller Drohnen Warum wir im anbrechenden Drohnenzeitalter leben, was das genau heißt und wieso wir in Zukunft öfter mal nach oben gucken sollten... . Von Marcus Bösch Im April 1977 stellen zwei Twens, die beide mit Vornamen Steve heißen, einen der ersten Mikrocomputer vor. Er heißt Apple II, kostet 1298 Dollar und ist damit wesentlich preisgünstiger als der rudimentäre Apple I, den die beiden Steves (Jobs und Wozniak) ein Jahr zuvor gebastelt haben. Während man den Apple I als Käufer noch selbst zusammensetzen muss und das Gehäuse extra dazu kauft, sieht der Apple II schon aus wie ein echter Computer. Um damit aber wirklich jenseits von reiner Textverarbeitung und Tabellenkalkulation etwas anzufangen, impliziert der Rechner: Programmiere mich! Im Juni 2012 vergleicht Chris Anderson, der Chefredakteur des US-Technikmagazins Wired, den gegenwärtigen Stand der Drohnentechnologie mit der Computersituation 1977 und ruft

das Drohnenzeitalter aus: „We´re entering the Drone Age.“ Er spricht hier natürlich nicht über männliche Bienen, sondern über unbemannte Luftfahrzeuge. Die erleben seit dem 11. September 2001 nicht nur militärisch einen Boom, sondern auch bei der Polizei, der Feuerwehr, in der Forschung, bei Unternehmen, Architekten und Privatnutzern. Die deutsche Bundespolizei hat Drohnen im Einsatz, um Grenzen und Gleisanlagen zu überwachen. Die Rettungsstaffel der Thüringer Feuerwehr sucht mit einer acht-rotorigen Flugdrohne nach Vermissten, während Thyssen Drohnen zur Kontrolle von Gaspipelines einsetzt. Die Nasa erforscht Orkane mit „GlobalHawk“Drohnen, die Umweltschutzorganisation Sea Sheperd macht mit einer Droh-

ne Jagd auf Walfänger, das Schweizer Fernsehen filmt am Lauberhorn SkiAbfahrtsrennen aus der Luft, ein österreichischer Privatanbieter bietet Drohnenfotos der Stadt Wien zum Kauf an… . Wissenschaftler der Humboldt-Universität proben derweil den Einsatz von Drohnen als preiswerte Fernerkundungstechnologie für eine exakt dosierte Nährstoffversorgung von Ackerflächen. Und einem Forscherteam im Fonds Regional d`Art Contemporain Centre in Orléans gelingt es Ende 2011 mit vier autonomen Quadrocoptern aus 1500 Styroporblöcken einen sechs Meter hohen Turm zu bauen. Es handle sich hierbei um das weltweit erste Architekturobjekt, „das mittels fliegender Robotereinheiten kollaborativ gebaut wird“, so die Initiatoren. Willkommen im Drohnenzeitalter.


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Der Einstieg in die Drohnentechnologie ist denkbar einfach. Für knapp 300 Euro kann jeder im Elektrofachhandel Einsteigermodelle wie die A.R.Drone kaufen. Die unterscheidet sich in einigen kleinen aber wesentlichen Punkten vom seit Jahren erhältlichen Modellhelikopter. Die A.R. Drone fliegt durch die vier Rotoren ruhiger als ein Helikopter, gesteuert wird sie über ein Smartphone. Und damit nicht genug. Die eingebaute Kamera filmt bei Interesse in HD-Qualität mit. Das Video – das bis jetzt leider ohne Ton aufgenommen wird – kann man wahlweise auf einen USB-Stick speichern oder direkt auf das Smartphone streamen. Dort kann es mit weiteren Apps bearbeitet und direkt publiziert werden. Die Flugdauer beträgt rund 10 bis 12 Minuten.

Drohnen für den Journalismus?! Matt Waite ist Besitzer einer A.R.Drone 2. Der JournalismusProfessor hat im November 2011 am College of Journalism and Mass Communications der University of Nebraska-Lincoln das so genannte „Drone Journalism Lab“ gestartet. Die Idee des so genannten Drohnenjournalismus hat seitdem international für einiges Interesse gesorgt. Umfassende Presseberichterstattung bekam Waite in Deutschland für seinen Auftritt bei der Journalistenkonferenz Scoopcamp im September in Hamburg, wo Waite nicht nur Applaus für einen kleinen Rundflug über den Sitzreihen der anwesenden Journalisten einheimste, sondern auch viel Gehör für seine These fand, dass unbemannte Luft-

Grafik: Ulla Schmidt

WPK-Quarterly fahrzeuge in Zukunft fester Bestandteil des Journalismus würden. Herausfinden will Waite mit Kollegen, wie man unbemannte Fluggeräte gewinnbringend für den Journalismus nutzen kann. Unterstützt wird er dabei von der Knight Foundation, die ihm im Sommer 2012 eine 50.000 Dollar-Förderung zuerkannte. Neben schönen Bildern und Videos aus ungewöhnlichen Blickwinkeln, die sich im Vergleich zu Helikopteraufnahmen günstig und schnell umsetzen lassen, geht es Waite aber um mehr. Vorantreiben will er vor allem Versuche, Daten via Drohne zu sammeln und zu verarbeiten. Denkbar wäre zum Beispiel, eine mit Sensoren ausgestattete Drohne autark über ein radioaktiv verseuchtes Gebiet zu schicken, die zeitnah eine Gefährdungskarte erstellen könnte. „Durch Drohnen bekommen wir mehr Informationen und andere Perspektiven auf Ereignisse... in zehn Jahren wird es sie überall geben“ sagt Waite im Interview mit dem Medium Magazin (Oktober / Novemberausgabe). Neben den technischen Gegebenheiten, stehen aber zahlreiche rechtliche und ethische Fragen an, die beantwortet werden müssen.

Noch gibt es rechtliche Hürden für den Einsatz von Drohnen

Denn im Moment gestaltet sich die Situation für angehende Drohnenjournalisten noch etwas schwierig. Die US-amerikanische Luftfahrtaufsicht FAA beschäftigt sich unter anderem mit den Drohnenflügen des iPad-Ma-

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gazins „The Daily“. Redakteure des Magazins hatten im Juni 2011 eine MicroDrone MD4-1000 über ein nach einem Sturm verwüstetes Gebiet in Alabama geflogen und die Aufnahmen zur Berichterstattung genutzt. Da das Magazin einen kommerziellen Zweck verfolge, sei dies nicht zulässig, so die Argumentation der FAA. Seit Mai 2011 vergibt auch die Filmkommission in Kalifornien keine Erlaubnis mehr für Luftaufnahmen mittels Drohnen. Das sei zu riskant. Derweil bleiben die Regeln für Hobbypiloten weniger streng. Und auch kommerzielle Drohnenflieger müssen sich einfach nur noch ein bisschen gedulden. Der Kongress hat den Weg für eine Modernisierung des Luftverkehrssystems freigeräumt. Für 63,4 Milliarden US-Dollar soll die FAA für das Zeitalter unbemannter Fluggeräte bereit gemacht werden. Ab dem 30. September 2015 wird der Himmel für unbemannte Fluggeräte – egal ob militärisch, kommerziell oder privat genutzt – geöffnet. Aller Voraussicht nach wird das international Nachahmer finden. Einen ersten Schritt hat der Deutsche Bundestag Anfang des Jahres 2012 mit der Verabschiedung eines neuen Luftverkehrsgesetzes getan. Künftig sollen „bemannte und unbemannte Luftfahrtgeräte gleichberechtigt am Luftverkehr teilnehmen“ so steht es im Gesetzentwurf des Verkehrsministers. Das Gesetz schafft also die Grundlage, dass künftig neben den herkömmlichen, von Piloten gesteuerten Flugzeugen auch unbemannte Drohnen über Deutschland fliegen können. Bislang zuständig für die Vergabe so genannter Aufstiegserlaubnisse sind die Landesluftfahrtbehörden. Einen Zulassungskatalog für Drohnen gibt es


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allerdings noch nicht. Trotzdem habe die Mehrheit der 500 Antragsteller in den vergangenen zwei Jahren eine Erlaubnis bekommen, so das Verkehrsministerium. Genehmigungsfrei ist der Einsatz von Drohnen zu Sport- und Freizeitzwecken. Im heimischen Garten darf also jeder eine Drohne aus dem Elektromarkt ausprobieren. An geltendes Recht muss er sich trotzdem halten. Privat- oder Firmengrundstücke zu überfliegen ist und bleibt Hausfriedensbruch. Und natürlich gelten die allgemeinen Grundsätze des Datenschutzes und Persönlichkeitsrechts weiter – zumindest auf dem Papier.

Grafik: Ulla Schmidt

Diskutiert werden rechtliche und ethisch-moralische Fragen auch von der Community. Matthew Schroyer, der neben Waite zu den führenden Köpfen der Drohnenjournalismus-Szene gehört, hat auf seiner Website Dronejournalism.org einen „Drone Journalism Code of Ethics“ formuliert und zur Diskussion gestellt. Relativ losgelöst von der Debatte werden Drohnen in Deutschland – mit Aufstiegsgenehmigung – seit einigen Jahren bereits ganz selbstverständlich bei Fernsehproduktionen eingesetzt. Beim WDR kamen Drohnen bislang 10 bis 15 Mal zum Einsatz, berichtet das Medium Magazin. Aufnahmen von Drohnen konnten Zuschauer der Sendungen „Quarks & Co.“ oder der „Lokalzeit“ sehen.

In Deutschland treiben Nerds und Bastler die Technologie voran

Einen deutlichen Schritt weiter in Richtung Zukunft des Journalismus geht unterdessen ein junger Mann

WPK-Quarterly namens Tim Pool. Der 1986 in Chicago geborene Journalist hat es im angelsächsischen Raum zu etwas Berühmtheit gebracht, weil er die Occupy Wallstreet-Proteste via Smartphone und Zusatzbatterie live gestreamt hat. Seine 21-stündige Übertragung wurde unter anderem von NBC, Reuters und Al Jazeera aufgegriffen. Die Zuschauer seines Livestreams konnten den Protesten aus der Ich-Perspektive folgen und währenddessen mit Pool chatten. In einem weiteren Schritt hat Pool auch eine handelsübliche A.R.Drone zur Berichterstattung genutzt. Durch einen Software-Hack war es ihm möglich, mittels seines „OccuCopter“ Livevideos aus der Luft zu streamen. Und das via Smartphone und Drohne im Gegenwert von rund 1000 Euro. Spinnt man diesen Gedanken noch etwas weiter, ist es nicht unwahrscheinlich, dass Chris Andersons Voraussagung des Drohnenzeitalters schon sehr bald Wirklichkeit wird. Während man an der Fakultät für Luft- und Raumfahrttechnik der Universität der Bundeswehr unter dem Schlagwort „Precision Farming“ an einem praxis-​ tauglichen Drohnenprototypen baut, der mit einem GPS gestützten Flugführungssystem und Fernerkundungssensoren ausgestattet verschiedene Verteilungsdichten und Vegetationszustände automatisch erfassen kann, schätzt das US-Magazin „Wired“, dass allein in den USA pro Monat rund 1000 neue Hobby-Drohnen aufsteigen. Die aktive Community „DIY Drones“ hat bereits 23.000 Mitglieder und auch in Deutschland treiben Nerds und Bastler die Entwicklung voran. Bei einem so genannten Hackathon Anfang Oktober in Berlin arbeiteten sich 60 Entwickler an der Software der A.R. Drone ab. Sie ermöglichten zum Beispiel, dass man die Drohne per Sprachsteuerung manövriert. Als Sieger der Veranstaltung ging ein Programmierer nach Hause, der es mittels einer Modifikation der Software möglich machte, dass die Drohne autark einem markierten Ziel folgt. Vielleicht wird das ja in zehn Jahren Standard. Dass der Himmel dann voller Drohnen sein wird, erscheint derweil so sicher wie der Siegeszug des Personalcomputers 1977. }

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Marcus Bösch arbeitet als freier Journalist und Dozent. Zusammen mit Lorenz Matzat betreibt er die Seite Drohnenjournalismus.de.

Drohnenjournalismus http://www.drohnenjournalismus.de Drohnenjournalismus http://training.dw-world.de/ausbildung/blogs/lab/?p=2514 Drone Journalism Lab http://www.dronejournalismlab.org/ Society of Drone Journalists http://www.dronejournalism.org/ Knight Foundation grant to help UNL drone journalism lab take flight http://www.siliconprairienews. com/2012/06/knight-foundation-grant-tohelp-unl-drone-journalism-lab-take-flight How I Accidentally Kickstarted the Domestic Drone Boom http://www.wired.com/dangerroom/2012/06/ff_drones/all/ Bundestag verabschiedet „Drohnengesetz“ http://www.heise.de/newsticker/ meldung/Bundestag-verabschiedetDrohnengesetz-1424100.html Drones Will Be Admitted to Standard US Airspace By 2015 http://www.popsci.com/technology/ article/2012-02/under-newly-authorized-airspace-rules-drones-will-flyalongside-piloted-planes-2015 NASA-Drohnen erforschen Stürme http://drohnenreport.de/nasa-drohnenerforschen-wirbelsturme/ Livestreaming Journalists Want to Occupy the Skies With Cheap Drones http://www.wired.com/threatlevel/2012/01/occupy-drones/ Hackathon http://nodecopter.com/


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Die 10 Millionen schwere Vermittlungsoffensive Die Klaus Tschira Stiftung eröffnet das „Nationale Institut für Wissenschaftskommunikation (NaWik)”. Von Martin Schneider Zurückhaltung und falsche Bescheidenheit kann man ihm nicht vorwerfen, dem Auftritt des „Nationalen Zentrums für Wissenschaftskommunikation“ NaWik, das am 17. Oktober eröffnet wurde. 10 Millionen Euro lässt sich die Klaus Tschira Stiftung ihr Engagement am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) kosten, um Wissenschaftlern das Einmaleins des guten Kommunizierens beizubringen. Das hochkomfortable „backing“ des SAP-Gründers evoziert schon vereinzelt das Wort von der „TSG Hoffenheim der Wissenschaftskommunikation“, die nun die „Szene“ aufmischen könnte. Gleichzeitig entsteht am KIT ein neuer Studiengang „Wissenschaft – Medien – Kommunikation“, der mit dem NaWik verwoben ist. Hier sollen sowohl künftige Pressesprecher, aber auch Wissenschaftsjournalisten ihr Handwerk lernen. Entsteht in Karlsruhe ein neues Zentrum für Wissenschaftskommunikation – und wie weit berührt es den Wissenschaftsjournalismus in Deutschland? Welches Bild vom Journalismus steht dahinter? Wie immer hilft es, zunächst mal genauer hinzuschauen, was da eigentlich genau entstehen soll. Bleiben wir zunächst beim NaWik (http://www. nawik.de). Das Institut möchte Wissenschaftlern – forschenden wie noch studierenden – beibringen, sich klarer und zielgruppengerechter auszudrücken. Dafür soll geeignetes Handwerkzeug bereitgestellt werden: Schreib-, Vortrags-, Interview- und Medientraining zum Beispiel, aber auch Anleitungen zum Bloggen oder der Umgang mit Social Media im Allgemeinen. Ein umfangreiches Angebot ohne Frage – aber keines, das es nicht an den meisten deutschen Universitäten oder bei anderen Anbietern auch schon gäbe. Für Besonderheit sorgt allerdings der im Namen zum Ausdruck gebrachte

„nationale“ Anspruch des Instituts. Der klingt zwar irgendwie hochoffiziell und politisch – ist allerdings schnell erklärt: Das NaWik bietet seine Kurse nicht nur vor Ort in Karlsruhe an – sie sind bundesweit buchbar (in der Regel für 100 Euro pro zweitägigem Kurs). Was tatsächlich eine neue Dimension darstellt, ist die finanzielle Ausstattung, die eine Struktur und Konzentration ermöglicht, wie sie auf diesem Gebiet tatsächlich einzigartig ist. Derzeit fünf fest angestellte Dozenten entwickeln Kursmodule, die Kurse selbst sollen dann auch von zusätzlichen freien Mitarbeitern durchgeführt werden. Damit entsteht zwar ohne Frage ein neuer Player auf dem Gebiet „Kommunikationstraining für Wissenschaftler“. Eine wie auch immer geartete „Gefahr“ oder auch nur Konkurrenz für guten Wissenschaftsjournalismus, wie er hier und da schon befürchtet wurde, ergibt sich daraus natürlich in keiner Weise. Wie auch? Käme irgend jemand auf die Idee, Implikationen für den politischen Journalismus zu wittern, nur weil Politiker Rhetorikunterricht nehmen? Oder eine Herausforderung für den Wirtschaftsjournalismus, weil die DAX Vorstände neue Medienberater einstellen? Dass man im Fall des Wissenschaftsjournalismus überhaupt auf die Idee kommen kann, hat natürlich mit der Geschichte unserer Profession zu tun. Die ersten Protagonisten unseres Faches waren selbst Wissenschaftler, die ihre Hauptaufgabe darin sahen, das, was sich in der Wissenschaft tat, in verständlichen Worten einer breiten Öffentlichkeit schmackhaft zu machen. Die meisten Wissenschaftler sahen dies weder als ihre Aufgabe an noch waren sie dazu in der Lage. Auch wenn dieses antiquierte Bild des Wissenschaftsjournalisten in der Wis-

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senschaftler-Gemeinde immer noch sehr verbreitet zu sein scheint – hier im WPK-Quarterly muss man nicht eigens erwähnen, dass es längst obsolet ist. Umgekehrt gesehen, könnten Wissenschaftler, die sich zielgruppengerecht und verständlich ausdrücken können, sogar ein Gewinn für Journalisten sein. Jeder Wissenschaftsjournalist ist froh, wenn er im Interview einem Forscher gegenüber sitzt, der auch mal zwei Sätze gerade aus reden kann und weiß, für welches Publikum er gerade einen O-Ton gibt. Vor allem die audiovisuellen Medien suchen geradezu nach Wissenschaftlern, die für ihre Sache „brennen“ und als Protagonist eines Hörfunkfeatures oder Fernsehbeitrags aufgebaut werden können. Und wenn Wissenschaftler als bessere Verkäufer ihrer selbst auftreten, wird eine journalistische Herangehensweise, die zum Beispiel nach dahinter versteckten Interessen sucht, wichtiger und interessanter.

Hat die Wissenschaft tatsächlich ein Vermittlungsproblem?

Aus journalistischer Sicht noch relevanter ist die Frage, welche Auffassung über das Verhältnis Wissenschaft und Gesellschaft (und dem daraus folgenden Verständnis von Wissenschaftskommunikation) hinter der Gründung des Instituts zu stehen scheint. Ist es denn – die Frage sei erlaubt – tatsächlich so, dass die Wissenschaft nach wie vor ein „Vermittlungsproblem“ hat, und dass durch besseres Kommunizieren etwaige Akzeptanzprobleme in der Gesellschaft ausgeräumt werden? Dass es bei der Gründung des NaWik letztlich (auch) um Akzeptanzbeschaffung geht, daran ließ Stifter Klaus Tschira bei der Institutseröffnung keinen Zweifel. Er wolle mit dem Institut erreichen, dass die Wissenschaft ihrer „Bringschuld“ besser nachkomme. Das sei zum einen geboten, weil die Forschung aus öf-


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fentlichen Haushalten gefördert werde, und zweitens „weil die Wirtschaft zur Umsetzung der wissenschaftlichen Erkenntnisse ein positives Meinungsklima braucht.“ In diversen Blogs (http://wissenschaftkommuniziert.wordpress. com/2012/10/18/das-nawik-ist-eroffnet-beatrice-bleib-stark/, http://weltamsonnabend.wordpress.com/) wird zu Recht die Frage aufgeworfen, ob diese One-Way-Kommunikationsstrategie nicht endlich einem dialogischen Modell weichen müsse. „Es ist der Anspruch auf Deutungshoheit, den die Wissenschaft nicht verlieren will“, kritisiert etwa Stifterverbands-Pressesprecher Michael Sonnabend in seinem Blog (http:// weltamsonnabend.wordpress.com/), „es geht um die Verteidigung von Pfründen, und das ist der denkbar schlechteste Antrieb, um mit dem Bürger ins Gespräch zu kommen. Denn wer wirklich kommunizieren will, hört erst einmal zu. Und genau das geschieht nicht.“

Das NaWik zielt auf die Vermittlung eines zeitgemäßen Verständnisses von Wissenschaftskommunikation Auch Sonnabends Chef Volker Meyer-Guckel, Generalsekretär des Stifterverbands, beklagte in einem nachlesenswerten Vortrag auf der diesjährigen GDNÄ-Tagung (http:// wissenschaftkommuniziert.wordpress.com/2012/09/24/marketingoder-kommunikation-wie-wissenschaft-kommunizieren-sollte/), dass die Wissenschaftskommunikation im Grunde größtenteils schlicht „Wissenschaftsmarketing“ sei – und damit viele Chancen verspiele. „Das große Versäumnis der Wissenschaft ist, dass sie immer noch ausschließlich in eine Richtung kommuniziert. Das Gegenüber – die Gesellschaft – hat die Botschaften freundlich entgegenzunehmen. Gegenrede, Wider-

WPK-Quarterly spruch, Diskussion sind nicht vorgesehen“. Tatsächlich kann man fragen, ob es sich nicht gerade ein neues „nationales“ Institut für Wissenschaftskommunikation zur Aufgabe machen sollte, Wissenschaftlern ein anderes, zeitgemäßes Bild von Wissenschaftskommunikation zu vermitteln, anstatt das alte Klischee von der Wissenschaft zu bemühen, die sich einfach nicht verständlich genug ausdrückt, um von den „Menschen da draußen“ akzeptiert zu werden. Institutsleiter Carsten Könneker, der im Hauptberuf weiter Chefredakteur von Spektrum der Wissenschaft bleibt, gibt zu, dass das derzeitige Angebot des NaWik auf den ersten Blick (noch) nicht einen solchen offeneren, zeitgemäßeren Ansatz vermittelt. Er mahnt aber Geduld an, da das Institut ja gerade erst gestartet sei und sein Programm nun in den nächsten Monaten erst entwickle. „Es wäre tatsächlich völlig anachronistisch, heute mit einem solchen eindimensionalen Verständnis von Wissenschaftskommunikation zu starten und die Wissenschaftler nur zu einem besseren Frontalunterricht befähigen zu wollen“, macht er Hoffnung darauf, dass gerade dieser dialogische Aspekt noch ausgebaut wird. Und auch Vize-Direktorin Beatrice Lugger hob bei der NaWikEröffnung ausdrücklich eine Verbesserung des ehrlichen Dialogs mit der Gesellschaft hervor, für den ihrer Auffassung nach das NaWik stehe. Wie genau dies erreicht werden soll, bleibt allerdings abzuwarten. Dabei ist jedes Institutsprogramm nur so gut wie die Menschen, die dahinter stehen. Und da gibt es Grund zur Hoffnung. Mit Könneker und Lugger stehen zwei journalistisch erfahrene Direktoren an der Spitze des Instituts, die zumindest eine klare Vorstellung von der Rollenverteilung auf dem Gebiet der Wissenschaftskommunikation haben. So markierte Könneker in seiner Rede zur Eröffnung des NaWik vor allem die Vermittlung eines solchen differenzierten Rollenverständnisses als wichtige Mission des NaWik. „Wir wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am NaWik auch

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dafür sensibilisieren, welche Rolle sie im medialen Betrieb innehaben – und worin die jeweils anderen Rollen der Öffentlichkeitsarbeiter einerseits sowie der Wissenschaftsjournalisten andererseits bestehen“. Könneker sieht hierin sogar ein – wenn nicht das entscheidende – Alleinstellungsmerkmal des NaWik. Das Vermitteln der Rollenbilder sei heute nötiger sind denn je, weil es heute viel mehr Möglichkeiten für Wissenschaftler gebe, sich zu äußern. Und das führe beinahe zwangsläufig dazu, dass sie den anderen „Playern“ auf dem Gebiet der Wissenschaftskommunikation in die Quere kämen. Wenn dieses Rollenverständnis bei den Wissenschaftlern ankommt, die durch die Schule des NaWik gehen, wäre sicher viel gewonnen.

Bei den Wissenschaftlern scheint ein differenziertes Bild von Wissenschaftskommunikation immer noch zu fehlen

Dass die Institutsleitung ein klares Bild von diesen Rollen hat, auch daran ließ Könneker bei der NaWik-Eröffnung keinen Zweifel: „Die Aufgabe von Wissenschaftsjournalisten besteht darin, unseren Wissenschaftsbetrieb kritisch zu begleiten“, rief er den anwesenden Honoratioren ins Gedächtnis, „nicht wenige Forschende pflegen jedoch ein Bild des Wissenschaftsjournalisten als einer Art fliegenden Übersetzungsbüros. Der Journalist als Sprachrohr der Wissenschaft. Doch die Übersetzungsleistung von Fachchinesisch in gebrauchsfertiges Alltagsdeutsch obliegt den Forschenden selbst!“ So selbstverständlich dies für Leser des WPK-Quarterly sein mag – bei den Wissenschaftlern selbst scheint dieses differenzierte Bild


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der „wissenschaftskommunikativen Landschaft“ noch nicht so recht angekommen zu sein. Anders ist auch die Kurzbeschreibung des neuen BA/ MA-Studiengangs „Wissenschaft – Medien – Kommunikation“ nicht zu erklären, der am KIT in diesem Semester entsteht und der mit dem NaWik verwoben ist. „Die Studierenden werden dazu befähigt, komplexe Sachverhalte aus Naturwissenschaft und Technik für diverse öffentliche Zielgruppen und unter Nutzung verschiedener medialer Kanäle aufzubereiten und verständlich zu machen“, heißt es dort. Könneker, der selbst an diesem Studiengang lehren wird, weiß, dass eine solche Beschreibung geeignet ist, die Stirn des Wissenschaftsjournalisten in tiefe Falten zu legen. Aus Sorge nämlich, dass hier Wissenschaftsmarketing, Wissenschafts-PR und Wissenschaftsjournalismus in einen Topf geschüttet, gut durchgerührt, und anschließend an die Studierenden verabreicht werden könnten, aus denen dann später mal – ja was eigentlich genau? – „Wissenschaftskommunikatoren“, irgendwie halt, werden sollen. Genau das will Könneker allerdings verhindern helfen. „Es ist ja gar keine Frage, dass man nicht WissenschaftsPR und Wissenschaftsjournalismus gleichzeitig lehren und lernen kann“, lässt Könneker keinen Zweifel, „spätestens im Master-Studiengang muss es hier eine Spezialisierung geben“. Bleibt zu hoffen, dass dies tatsächlich auch geschieht. Nicht aus einer rein akademischen Attitüde heraus, sondern allein schon, um den hoffnungsvoll gestarteten Studierenden (aus 350 Bewerbern wurden 50 ausgewählt) ein realistisches Bild von ihrem künftigen Berufsfeld zu vermitteln und sie auf klare Berufsbilder vorzubereiten. Denn wer heute noch mit einem diffusen Bild von „Verständlichmachen“ von Forschung in den Wissenschaftsjournalismus strebt, der wird zumindest da nicht weit kommen. Viel wird auch hier davon abhängen, welche Personen an dem Studiengang lehren werden. Zwei Lehrstühle sind noch zu besetzen, das Curriculum des Masterstudiengangs ist noch nicht entwickelt.

WPK-Quarterly Dass grundsätzlich beide Berufsgruppen – zukünftige Pressestellen-Mitarbeiter und Journalisten – zunächst mal unter einem Dach studieren und dazu das NaWik an den Studiengang angedockt ist, darin vermag Könnecker allerdings durchaus Chancen zu sehen, wie er bei der NaWik-Eröffnung ausführte: „Es gibt hier deutschlandweit die einmalige Möglichkeit, das Miteinander der drei Wissenschaft darstellenden Berufsgruppen – Öffentlichkeitsarbeiter und Journalisten am KIT sowie eben die Wissenschaftler selbst am NaWik – in räumlicher Nähe und gemäß ihrer jeweils unterschiedlichen Rollen ganz praktisch einzuüben.“ Er erhofft sich davon sogar „auch eine Beruhigung der in den letzten Jahren speziell von Journalisten und zwar aus guten Gründen intensiv geführten Abgrenzungsgefechte gegenüber den institutionellen Kommunikatoren“. Sicher ist: Je „eingeübter“, sprich: Gefestigter die Rollenbilder sind, desto weniger sind derartige „Abgrenzungsgefechte“ (gab es die eigentlich wirklich?) nötig. So gesehen, könnte tatsächlich eine Chance darin liegen, schon angehenden Kommunikatoren und Journalisten die verschiedenen Profile ihres Berufs ins Stammbuch zu schreiben.

Gerade weil die Wissenschaft selbst immer besser lernt, sich gut zu „verkaufen“, müssen sich Wissenschaftsjournalisten auf ihre eigenen Tugenden besinnen

Bei Politikern sind es die klassischen 100 Tage, die man ihnen nach Amtsantritt lässt, um zu schauen, wie sich ihr Schaffen entwickelt. Im Fall des NaWik sollte man vielleicht noch ein paar Tage drauf geben, eh man

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etwas nachhaltiger beurteilen kann, welchen „Impact“ die Aktivitäten des Instituts haben und ob sich die von Carsten Könneker gesetzten Ansprüche verwirklichen lassen. In jedem Fall zeigen die Aktivitäten des NaWik wieder einmal, wie wichtig es für Wissenschaftsjournalisten ist, noch konsequenter und selbstbewusster ihre Rolle im zweiten Teil ihrer Berufsbezeichnung zu sehen (wie dies bei zusammengesetzten Hauptwörtern ja eigentlich auch semantische Regel ist). Gerade weil die Wissenschaft selbst immer besser lernt, sich gut zu „verkaufen“, müssen sich Wissenschaftsjournalisten auf ihre eigenen Tugenden besinnen. Bei einem auf diese Weise geschärften Profil ist dann auch endgültig kein „Abgrenzungsgefecht“ mehr nötig – und der Wissenschaftsjournalismus wird zu einem Ressort wie jedes andere auch. }

Martin Schneider leitet zusammen mit Helmut Riedl die Wissenschafts-Redaktion des SWR in Baden-Baden.

Links zu Blogs, die sich dem Thema annehmen http://wissenschaftkommuniziert.wordpress.com/2012/10/18/das-nawik-isteroffnet-beatrice-bleib-stark/ http://weltamsonnabend.wordpress. com/ http://www.scilogs.de/wblogs/blog/ relativ-einfach/outreach/2012-10-17/ stufe-wissenschaftskommunikation http://scienceblogs.de/erklaerfix/2012/10/19/wissenschaftskommunikation-kommunizieren-mal-wieder/ http://wissenschaftkommuniziert. wordpress.com/2012/09/24/marketingoder-kommunikation-wie-wissenschaftkommunizieren-sollte/


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Faktencheck für Kontroversen Ein neues Online-Format für investigative Recherche mit Leserpartizipation. Von Ralf Grötker „Faktencheck!?“ In Deutschland mögen viele dabei an den Online-Auftritt der TV-Show „Hart aber Fair“ denken. Ausgewählte Experten überprüfen hier im Nachgang Behauptungen, die während der Sendung gefallen sind. Schade eigentlich, dass der Begriff „Faktencheck“ in Deutschland derart gekidnappt wurde. Denn dass ein Faktencheck weitaus mehr zu bieten hat, als ein Nischendasein im Schatten einer Polit-Show zu fristen, zeigen die großen Vorbilder in den US-Medien, vor allem Politifact und der Fact-Checker der Washington Post. Beide nehmen hauptsächlich Aussagen und Versprechen von Spitzenpolitikern unter die Lupe und bewerten diese. Obgleich ausschließlich Online-Formate, sind die neuen Fact-Checker in den vergangenen Jahren zum Inbegriff des kritischen und rechercheintensiven Journalismus geworden. Mit zur Familie gehört auch der Reality Check des Guardian. Abgesehen davon, dass hier hauptsächlich britische Themen verhandelt werden, sticht der Reality Check noch in einer anderen Hinsicht heraus: Er ist als Live-Recherche angelegt. Leser können dem Gang der Ermittlungen über den Verlauf eines oder mehrerer Tage folgen und dabei auch selbst Beiträge einbringen, entweder via eines Online-Forums oder durch Twitter-Nachrichten. Der in diesem Oktober gestartete Faktencheck unserer Online-Plattform „Debattenprofis“ (vormals „FürundWider.org“: Siehe Bericht im WPKQuarterly I/2011) verfolgt die gleiche Zielsetzung: Live-Recherche mit Leserbeteiligung. Der Faktencheck wird gemeinsam mit den Medienpartnern faz.net, Telepolis und Freitag.de realisiert und durch die Robert Bosch Stiftung gefördert (siehe Interview in dieser Ausgabe). Inhaltlich verfolgen wir eine etwas andere Linie als das britische Vorbild. Anstelle einfacher Fakten geht es um evidenzbasierte Politikberatung. Es geht also um eine Rationali-

sierung gesellschaftspolitischer Streitfragen mit Hilfe von wissenschaftlicher Expertise. Dem zugrunde liegt die Problemwahrnehmung, dass es für Leser (aber auch für Journalisten) trotz umfangreich verfügbarer Informationen manchmal sehr mühevoll ist, sich einen Überblick über eine Kontroverse zu verschaffen. Denn einzelne Artikel oder auch Wikipedia-Einträge bilden unterschiedliche Interpretationen verfügbaren Wissens oder Unsicherheiten nur sehr begrenzt ab. Sie können kaum Einblicke verschaffen in die Hintergründe kontroverser Positionen oder Meinungen. Davon abgesehen begegnet die Öffentlichkeit den etablierten Experten und ihren Organisationen oft mit Misstrauen – siehe die leidliche Diskussion um den Klimawandel. Der Faktencheck von Debattenprofis setzt in dieser Situation auf den Ansatz einer „Open Expertise“. Das heißt: Größtmögliche Transparenz in der Recherche, faire Berücksichtigung von Meinung und Gegenmeinung, Ermöglichung öffentlicher Partizipation und Offenheit hinsichtlich von Schlussfolgerungen und Bewertungen.

Verschiebung von Fronten „Wir benötigen ein Verfahren, das ich als Faktencheck bezeichnen möchte: Dabei konfrontieren wir die wissenschaftlichen Ergebnisse miteinander.“ Auf diese Weise, meinte Heiner Geissler vor kurzem im Interview mit dem New Scientist, ließen sich politische Fehler wie beim Atommülllager Asse vermeiden. Im besten Fall bleibt der Faktencheck nicht bei der Konfrontation stehen, sondern kann durch die Gegenüberstellung von Argumenten und Gegenargumenten eine Verschiebung von althergebrachten Fronten herbeiführen.

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Ein Beispiel: Ein im Frühjahr 2011 ähnlich dem Faktencheck gestalteter Stakeholder-Dialog zur Notwendigkeit einer Gesetzesreform in Sachen Sterbehilfe zeigte, dass die meisten Meinungsverschiedenheiten nicht in ethischen Überzeugungen begründet lagen. Vielmehr herrschte Uneinigkeit darüber, ob mehr Gesetze tatsächlich zu größerer Rechtssicherheit führen oder nicht eher größere Unübersichtlichkeit erzeugen. Das wiederum könne Ärzte dazu veranlassen, aus Furcht vor strafrechtlichen Konsequenzen zuweilen Maßnahmen zu unterlassen, die sie medizinisch für angezeigt halten. Ein anderes Beispiel: Der Faktencheck zum Thema „Beschneidung“. Hier ging es um die Frage, ob die religiöse Beschneidung (also die Beschneidung minderjähriger Jungen ohne medizinische Indikation) aus medizinethischer Sicht überhaupt vertretbar ist. Die aus der Debatte sattsam bekannten Argumente für und gegen die religiöse Beschneidung als solche traten schnell in den Hintergrund. Ganz andere Bedenken wurden deutlich. So könne die Übernahme von Dienstleistungen, die wie die religiöse Beschneidung nicht medizinisch indiziert sind, zum Beispiel einer problematischen Instrumentalisierung der Medizin Vorschub leisten. Anders als seine angelsächsischen Vorbilder, kann und will der Faktencheck die Debattenthemen, die er aufgreift, nicht unbedingt entscheiden. Vielmehr geht es darum, die argumentativen Folgelasten aufzuzeichnen, die mit den jeweiligen Positionen verbunden sind. Dabei hilft auch das besondere Format des Faktencheck: Argumentkarten begleiten den Gang der Recherche und helfen, auch bei komplexen Themen den Überblick zu behalten.

Argumentkarten Vom Ansatz her ähneln Argumentkarten Mindmaps: Beides sind grafische Darstellungen von Textelementen. Grafische Darstellungen dieser Art haben Vorteile gegenüber rein linearen Präsentationen: Die baum- oder netzwerkartige Struktur erlaubt es, ein-


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facher zwischen den verschiedenen Ebenen oder Zweigen zu navigieren und einzelne Punkte zu fokussieren. Anders als Mindmaps sind Argumentkarten jedoch keine Darstellung von Themen und Unterthemen. Stattdessen stellen sie eine idealisierte Beweiskette dar. Sinn und Zweck einer Argumentkarte ist es, den voran schreitenden Überlegungsprozess zu unterstützen. Hilfreich sind Argumentkarten dabei vor allem auch deshalb, weil sie eine Versachlichung der Diskussion unterstützen und die Möglichkeit des punktgenauen Ergänzens von Inhalten bieten.

! Behauptung

Pro

Pro

Con

Con

Con

Con

ist, als wir sie bei deutschen OnlineMedien finden.

Erste Resultate

Zunächst haben wir uns von der Live-Recherche wie sie der Guardian praktiziert verabschiedet. Neben verfahrenstechnischen Gründen spielte dabei die Vermutung eine Rolle, dass es wahrscheinlich einfach nicht ausreichend Leser gibt, die bereit sind, über mehrere Tage immer wieder ein- und denselben Artikel aufzurufen, um nach Fortschritten Ausschau zu halten. Nur noch die Übertragung der Leserbeiträge in die Argumentkarte geschieht deshalb live. Der Haupttext hat die Form eines Recherche-Tagebuches, welches die wechselnden Positionierungen der Rechercheure dokumentiert, die sich mit der sich verändernden Informationslage einstellen. Gleichzeitig erlaubt es diese Form, sich meinungsmäßig sozusagen mehr in die Kurve zu legen – weil die eigene Meinung ja oft durch den nächsten Eintrag wieder relativiert wird.

Eine Argumentkarte stellt Gründe dar, die eine Behauptung oder einen Vorschlag untermauern oder entkräften. Auf diese Weise ergibt sich ein übersichtliches Gesamtbild als Grundlage für Entscheidungsfindung und Bewertung.

Eine Frage, die das Experiment „Faktencheck“ beantworten soll, ist diese: Lässt sich die Qualität von Forenbeiträgen in Online-Medien durch den Einsatz von Argumentkarten so sehr verbessern, dass diese zum Zwecke einer „kollaborativen Recherche“ genutzt werden können? Menschlich oder technisch unmöglich sollte so etwas nicht sein. Schließlich zeigen zahlreiche Foren in US-amerikanischen Online-Magazinen (wie Slate oder The Atlantic), dass eine qualitativ ganz andere Art von Forendiskussion möglich

Spenden-Praktiken mithilfe von Tauschketten, wie sie in den USA und den Niederlanden üblich sind, zu verbessern. Was die Anzahl der Verlinkungen und Stellungnahmen von Experten betrifft, die sich persönlich bei uns gemeldet haben, musste sich der Faktencheck Organ-Tauschring dennoch nicht hinter der erfolgreichen „Beschneidungsethik“ verstecken – was ein deutliches Zeichen dafür ist, dass die betreffenden Fachöffentlichkeiten den Faktencheck aufmerksam verfolgen. Ob das Projekt über die Förderung durch die Robert Bosch Stiftung hinaus eine Zukunft haben wird, hängt vor allem von der Finanzierungsform ab. Aus dem Budget einer Online-Redaktion lässt sich der mehrtägige Aufwand, der mit einem Faktencheck einher geht, kaum bestreiten. Ein Zusammenschluss von Redaktionen könnte dies eher leisten – womöglich unterstützt durch ein Konsortium von Sponsoren. Ob es möglich ist, dergleichen aufzubauen, ist noch ein offener Punkt auf der Agenda des Faktenchecks. Das Projekt läuft noch bis Februar 2013. }

Ralf Grötker ist freier Wissenschaftsjournalist u.a. für brand eins und Technology Review.

Pro

Grafik: Ralf Grötker

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© David Ausserhofer Das Thema des ersten Faktenchecks war die bereits erwähnte „Beschneidungsethik“. Was die Anzahl von Kommentaren betrifft und auch die Anzahl der Empfehlungen via Twitter und anderer Dienste, war der Beitrag ein erfreulicher Erfolg. Zumindest einige der Forenbeiträge bezogen sich auch explizit auf die Argumentkarte. Vor diesem Hintergrund überraschend war es dann, dass der zweite Faktencheck zu OrganTauschringen nur wenig Resonanz fand. Möglicherweise lag es am Thema. Organ-Lebendspenden – meist geht es dabei, wie im Fall von Steinmeier und seiner Frau, um eine Niere – sind an sich schon eine wenig populäre Sache. Umso mehr gilt das für Vorschläge, die

Homepage des Faktencheck www.debattenprofis.de Faktencheck abonnieren http://tinyurl.com/cy973gt https://twitter.com/debattenprofis Im Text erwähnte Links http://www.politifact.com/ http://www.washingtonpost.com/ blogs/fact-checker http://www.guardian.co.uk/politics/ reality-check


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Neue Wege im Wissenschaftjournalismus? Mit bis zu 15.000 Euro fördert die Robert Bosch Stiftung neue Ideen für einen zukunftsfähigen Wissenschaftsjournalismus. Eine dieser Ideen ist der Faktencheck, den wir in dieser Ausgabe vorstellen. Das WPK-Quarterly sprach mit dem Projektmanager Patrick Klügel über das Förderprogramm, das noch bis Ende März 2013 läuft.

An wen richtet sich das Programm? Mit dem Programm „Neue Wege im Wissenschaftsjournalismus“ wollen wir allen denjenigen schnell verfügbare Anschubförderung geben, die mit einer richtig guten Idee nachhaltig zur Qualität im Wissenschaftsjournalismus beitragen. Bewerben können sich freie Journalisten, Journalistenverbände, Kooperationsprojekte – das ist relativ offen. Es zählt das Projekt.

Warum gibt es dieses Programm? Der Journalismus verändert sich. Der richtige Umgang mit den Herausforderungen durch die neuen Medien wird ebenso diskutiert wie neue Bezahlmodelle für den Qualitätsjournalismus; Stellen werden abgebaut, es herrscht eine gewisse Unsicherheit, wie die Entwicklungen weitergehen. Von dieser Umbruchphase wird auch der Wissenschaftsjournalismus nicht verschont bleiben. Aber diese Situation bietet auch Chancen: Gerade im Wissenschaftsjournalismus gibt es gute Voraussetzungen, mit neuen Formaten konstruktiv Wege aufzuzeigen, z.B. im Bereich Datenjournalismus oder Visualisierung komplexer Themen oder auch durch interaktive Lesereinbindung bei kontroversen Recherchen.

prüfen wir noch. Insgesamt haben uns seit April etwa 30 Anfragen sehr unterschiedlicher Herkunft erreicht. Das sind freie Journalistenbüros, Journalistenverbände, Hochschulen, aber auch engagierte Einzelpersonen und Verlage. Fördern können wir natürlich nur gemeinnützige Projekte. Im Moment überlegen wir, den geförderten Projekten und allen Interessierten eine Vernetzungsmöglichkeit zu bieten – denn schließlich sollen die guten Ideen ja nachgeahmt und weiterentwickelt werden!

Patrick Klügel leitet den Programmbereich Gesundheit und Wissenschaft bei der Robert Bosch Stiftung in Stuttgart.

Moment großes Potential, z.B. bei unabhängigen Portalen zu bestimmten wissenschaftlichen Themen. Viele Anträge beschäftigen sich mit den neuen vielfältigen Möglichkeiten der Interaktion mit den Lesern/Usern. Der Kontakt mit der Zielgruppe scheint schon ein Zukunftsthema zu sein. Aber wir fördern z.B. auch ein Projekt, das hochqualitativen Wissenschaftsjournalismus ins Privatradio bringt – das ist ziemlich einzigartig.

Wie wird ausgewählt und wer wählt aus? Gibt es jemanden in der Stiftung, der das letzte Wort hat? Der Auswahlprozess ist wie meistens in der Robert Bosch Stiftung zweistufig: Inhaltlich passende Projekte, die die Ausschreibungskriterien erfüllen, laden wir nach einer formalen Prüfung und gegebenenfalls Beratung zur Antragstellung ein. Der ausführliche Antrag wird von einem unabhängigen Beirat begutachtet, der der Stiftung eine Empfehlung gibt. Die Entscheidung über eine Förderung liegt letztlich bei der Geschäftsführung. }

Wie wird es angenommen?

Kann man die Anträge irgendwie inhaltlich gruppieren? Gibt es Schwerpunkte?

Wir sind sehr zufrieden. Fünf Anträge haben wir bisher bewilligt, andere

Es gibt einen eindeutigen OnlineSchwerpunkt. Hier liegt sicherlich im

Mit Patrick Klügel sprach Markus Lehmkuhl


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Die Untiefen der Popularisierung Das spanische Atapuerca steht für spektakuläre Fossilienfunde – und eine unhinterfragte Allianz von Paläoanthropologen und Medien. Von Oliver Hochadel Wenn die Sportredakteure von El País den Spielstil einer Fußballmannschaft als besonders altmodisch kritisieren wollen, benutzen sie gerne das Wort „Atapuerca“. Das mag einem spanisch vorkommen. Und das ist es auch. Atapuerca, der kleine Berg in der Nähe vor Burgos, ist in Spanien längst so bekannt wie das Neandertal in Deutschland. Atapuerca ist in den letzten Jahren zu einem Synonym für etwas Uraltes geworden – und damit auch zum imaginären Anfang der spanischen Geschichte. In populären Darstellungen begann diese lange Zeit mit den berühmten Höhlenmalereien von Altamira. Seit etwa dem Jahr 2000 lautet der Untertitel vieler Bücher zur „Geschichte Spaniens“ aber „Von Atapuerca bis ...“. Diese neue Konstruktion nationaler Geschichte verdankt sich einer langjährigen Allianz zwischen spanischen Paläoanthropologen und spanischen Medien. Für El Mundo ist Atapuerca “das berühmteste Wissenschaftsprojekt Spaniens”, für El País “die wichtigste Ausgrabung Europas”, für El Periódico “die vollständigste und wichtigste archäologische Fundstelle Eurasiens”. In spanischen Zeitungen finden sich unzählige Zitate dieser Art. Dieser “Superlativismus” ist zum wummernden Soundtrack der Berichterstattung über Atapuerca geworden. Was wurde denn nun gefunden? Ausgegraben wird in der Sierra de Atapuerca schon seit 1978, aber erst Anfang der 1990er-Jahre machte das Equipo de Investigación de Atapuerca (EIA) schlagzeilenkräftige Entdeckungen. Besonders spektakulär war 1992 der Fund eines fast vollständigen Schädels in der Sima de los Huesos. Der Schädel schaffte es auf das Cover von Nature und wurde zu Ehren der spanischen Radrennfahrerlegende Miguel Indurain „Miguélon“ getauft. Schwer zugänglich und tief im Innern des Berges gelegen, ist dieses „Erdloch

der Knochen“ der fossilienreichste Ort der Welt. Mittlerweile brachte das EIA dort über 6500 hominide Fossilien ans Tageslicht, die von mindestens 28 Individuen stammen. Die Überreste sind mehr als 530.000 Jahre alt und wurden der Art Homo heidelbergensis zugeordnet. Es ist nicht klar, wie es zu dieser Ansammlung kommen konnte, eine Epidemie wäre eine mögliche Erklärung. Schon 1994 wurde die nächste Sensation aus den Sedimenten befreit, diesmal an der Fundstelle Gran Dolina. Bald stand fest: Diese Fossilien müssen älter als 780.000 Jahre sein – also die bis dato ältesten Europas. Daraus machten die Forscher des EIA 1997 eine neue Art: Homo antecessor. Der „vorausgehende Mensch“, der Pionier Europas soll auch noch der gemeinsame Vorfahr von Neandertaler und Homo sapiens sein, also einen zentralen Platz im menschlichen Stammbaum einnehmen. Diese reichlich gewagte Interpretation fand allerdings von Beginn an keine Zustimmung bei Forschern im Ausland.

Journalisten als Sprachrohr der Wissenschaft

Der letzte große Coup war der Fund eines Unterkiefers in der Sima del Elefante, dem „Erdloch des Elefanten“, der im März 2008 das Cover von Nature zierte. Und schon wieder lautete die Schlagzeile: Der erste Europäer! Das EIA hatte seinen eigenen Rekord nochmals um etwa 400.000 Jahre übertroffen. Der Unterkiefer soll 1,2 Millionen Jahre alt sein. Die wissenschaftliche Bedeutung von Atapuerca steht außer Frage. Kaum weniger beeindruckend ist jedoch die gewaltige Popularisierungsindustrie,

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die die Forscher um ihre Funde herum aufgebaut haben. Die Grabungen werden seit 1991 von Juan Luis Arsuaga, José María Bermúdez de Castro und Eudald Carbonell geleitet. Diesem Trio war schon lange vorher klar, dass ihre Forschung nur dann wirklich erfolgreich sein würde, wenn sie eine breite Öffentlichkeit erreichen würde. In den Worten von Bermúdez de Castro: “Wir mussten ein gesellschaftliches Bedürfnis für Paläoanthropologie wecken.“ In den Worten von Carbonell: „Ich werde mich immer darum bemühen, eine gute Beziehung und gute Kontakte mit der Presse zu haben.“ Die Atapuerca-Forscher haben ein instrumentelles Verständnis der Medien und sagen das auch offen. Bermúdez de Castro und Carbonell bezeichnen Journalisten als “unsere Freunde”. Auf die Frage, ob die Medien immer das schreiben, was er wolle, antwortet Carbonell etwas herablassend: „Ja, wenn sie intelligent sind.“ Braves Nachplappern entspricht nun nicht gerade dem Ideal eines kritischen Wissenschaftsjournalismus. Diesen eklatanten Mangel an Distanz mag man kritisieren. Das tut in Spanien aber kaum jemand. Einmal – und an versteckter Stelle – schrieb die Archäologin Ángeles Querol etwas spitz über die Wissenschaftsjournalistin Alicia Rivera von El País, dass diese immer genau das sage, was auch die Forscher des EIA sagen. Rivera – wen wundert es – findet ihre Berichterstattung nicht zu anerkennend positiv. Zur Begründung verweist sie auf die zahlreichen Publikationen des EIA in Fachzeitschriften mit hohem Impact.

Wissenschaftler bestimmen über Medieninhalte

Dass sich die spanischen Medien so willig zum Sprachrohr der Atapuerca-Forscher machen lassen und seit 20 Jahren das hohe Lied ihrer Erfolge singen, hat aber auch einen sehr konkreten historischen Grund. Anders als etwa in der Kunst laborieren die Spanier in puncto Wissenschaft an


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einem formidablen Minderwertigkeits- zier war die Region Kastilien und Leon, von den „ersten Europäern“ und nicht komplex. Das Gefühl, im Bereich der die sich dadurch Impulse für den Tou- von den „ersten Spaniern“ reden, geht Naturwissenschaften und Technik weit rismus erhofft. mit diesem „unser“ doch eine nationahinter anderen europäischen Nationen Das EIA versucht mit dieser umfas- le Identitätskonstruktion einher. Homo zurückzuliegen, lässt sich bis ins 19. senden medialen Strategie, der eige- antecessor war ja schließlich der erste Jahrhundert zurückverfolgen. Dadurch nen Arbeit öffentliche Sichtbarkeit zu Bewohner der iberischen Halbinsel. Und habe Spanien gleichsam den An- verschaffen. Der hohe Bekanntheits- nur aufgrund dieser imaginierten Kontischluss an die Moderne verpasst, so grad soll wiederum die Geldgeber – in nuität konnte Atapuerca zum Beginn der der Tenor. Dieses Bedürfnis, aufholen der lokalen Politik, in den Ministerien spanischen Geschichte werden. zu müssen, erklärt die enthusiastische für Wissenschaft und Kultur, aber geraDie Geschichten, die das EIA erzählt, und von nationalem Stolz durchzoge- de auch potenzielle Sponsoren aus der handeln darüber hinaus aber gerade ne Berichterstattung über Atapuerca. Privatwirtschaft – überzeugen, weiter in auch von den Extremen menschlicher Endlich, so ist man versucht zu sagen, die Ausgrabungen zu investieren. Und Existenz, von äußerster Brutalität und endlich haben spanische Forscher es nicht zuletzt werden die eigenen For- herzerwärmender Güte. Die Kratzspuren ganz nach oben und zu internationaler schungsergebnisse durch die mediale auf den Fossilien von Homo antecesAnerkennung gebracht. Präsenz auch legitimiert. sor legen nahe, dass dieser ein eifriger Die Allianz zwischen EIA Kannibale war – und es wohl und Journalisten ist fest geinsbesondere auf Kinder und schmiedet, immer wieder Heranwachsende abgesehen verschwimmen die Rollen sohatte, um die feindliche Grupgar. Das lässt sich etwa dape demographisch entscheiran ersehen, dass insbesondend zu schwächen. Das wäre dere Arsuaga häufig selbst nebenbei auch noch der ältesArtikel für El País verfasst. te Beleg für Kannibalismus in Die anderen Ko-Direktoren der Menschheitsgeschichte, schreiben ihre eigenen Blogs ein weiterer „claim to fame“. bei anderen spanischen TaDer Gegenpol ist der Algeszeitungen. Carbonell bei truismus, den die Forscher El Mundo und Bermúdez bei Homo heidelbergensis, de Castro sogar zwei, bei also den Fossilien aus der Público (die Zeitung wurde Das Triumvirat der Popularisierung von Atapuerca – Juan Luis Sima de los Huesos auszuallerdings im März 2012 einArsuaga, José María Bermúdez de Castro und Eudald Carbonell. machen glauben. Als medial gestellt) und bei der Lokalzei(v.r.n.l.) sehr durchschlagskräftig ertung Diario de Burgos. Foto: IPHES wies sich die Geschichte von Wer die Popularisierung Benjamina, einem Mädchen selbst in die Hand nimmt, bestimmt Arsuaga, Bermúdez de Castro, Car- das unter Kraniosynostose litt. Bei dieauch die Inhalte. Seit 1998 haben die bonell und ihre Mitarbeiter haben sich ser seltenen Krankheit verknöchern eine drei Ko-Direktoren an die dreißig (!) als außerordentlich geschickte Spindok- oder mehrere Schädelnähte zu früh, populärwissenschaftliche Bücher (mit-) toren in eigener Sache erwiesen. Dies was zu einer Deformierung des Kopfes verfasst. Auch wenn es eher die Re- zeigt sich etwa in der Wahl ihrer medi- und oft auch zu einer geistigen Behindegel als die Ausnahme ist, dass Pa- enwirksamen Metaphern. Sie sprechen rung führt. Nun wurde Benjamina („das läoanthropologen Bücher für das gro- immer wieder davon, dass Atapuerca geliebte Kind“) aber trotz dieser Pathoße Publikum schreiben, dürfte diese eine „Enzyklopädie der Evolution“ sei, logie ungefähr zehn Jahre alt, muss also „Produktion“ doch einzigartig sein. Zur die man gleichsam durchblättern könne, von den Mitgliedern ihrer Gruppe aufopÖffentlichkeitsarbeit des EIA gehören eben weil dort über einen Zeitraum von ferungsvoll betreut worden sein, so die auch Wanderausstellungen, die durch über einer Million Jahren verschiedene Forscher. Die spanische Presse jedenganz Spanien ziehen und bislang von Menschenarten lebten. Oder eine „Zeit- falls war angesichts dieser prähistorimehreren Millionen Menschen besucht kapsel“, in der sich unsere Vorgeschich- schen Fürsorge für ein missgestaltetes wurden; Führungen durch die Sierra te konserviert habe und mit der man Mädchen tief gerührt. de Atapuerca und der Besuch des ar- quasi in die Vergangenheit reisen könchäologischen Parks gleich nebenan; ne. Und last not least: Atapuerca sei ein Dokumentarfilme, für die Arsuaga zum „Zauberberg“, der noch viele GeheimÜber die Kunst, Teil selbst das Drehbuch geschrieben nisse in sich – pardon – berge. hat. Der krönende Schlussstein dieser Geschichten zu machen multimedialen PopularisierungsindustDie Atapuerca-Forscher wissen rie ist das „Museum der menschlichen „Geschichten“ zu erzählen, sprich: Evolution“, das 2010 in Burgos durch Ihre Ergebnisse in die Logik der Meniemand geringeren als die spanische dien einzupassen. Diese Geschichten Den Atapuerca-Forschern ist Königin selbst eröffnet wurde und das handeln zum einen von „unseren“ Ur- schmerzlich bewusst, dass ihre media70 Millionen Euro kostete. Hauptfinan- sprüngen. Obwohl die Forscher immer le Ausstrahlung im Großen und Ganzen


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auf Spanien beschränkt bleibt. Daher versuchen sie verstärkt, „internationale“ Geschichten zu erzählen. Das Paradebeispiel hierfür ist die „Taufe“ eines wunderbar gearbeiteten Faustkeils, der in der Sima de los Huesos zwischen all den Fossilien gefunden wurde. Da das Steinwerkzeug nicht benutzt worden war, interpretierte Arsuaga dies als quasi zeremonielle Grabbeigabe. So wurde schnell – noch ein weiterer „claim to fame“ – die erste symbolische Handlung der Menschheitsgeschichte daraus, die sich vor mehr als einer halben Million Jahren ereignet haben soll. Die ersten Bestattungen werden an sich auf etwa 50.000 Jahre datiert, entsprechend groß war die Skepsis ausländischer Forscher. Der PR-Clou besteht aber in der Benennung dieses rötlich schimmernden Quarzits: „Excalibur“. Der Öffentlichkeit vorgestellt wurde Excalibur erstmals im Januar 2003 bei der Eröffnung einer Atapuerca-Ausstellung im American Museum of Natural History in New York. Durch die Benennung des Faustkeils nach dem Schwert eines sagenhaften englischen Königs suchten die Forscher ihren Fund international „anschlussfähig“ zu machen. Was wiederum Stirnrunzeln in Burgos ausgelöst haben mag. Denn dort schwingt der mittelalterliche Ritter El Cid auf dem Theaterplatz in Gestalt einer Reiterstatue sein imposantes Schwert. Das Schwert gibt es sogar wirklich, es trägt den schönen Namen Tizona, ist aber eben nur in Spanien bekannt. Danach wollten die Forscher den Faustkeil offensichtlich nicht benennen. Aber die vielleicht „beste“ Geschichte ist ihre eigene. Die drei Ko-Direktoren erzählen sie seit Jahren in den Medien und in ihren Büchern. Es ist die Geschichte junger, idealistischer Wissenschaftler, die sich trotz widrigster Umstände nicht entmutigen lassen. In den ersten Jahren des Atapuerca-Projektes fehlt es an allem: Die spanische Wissenschaft ist rückständig, schlecht ausgestattet und chronisch unterfinanziert. Die Arbeit in der Sierra und ihren dunklen Höhlen ist hart. Als die ersten Fossilien auftauchen, müssen sie „freundliche“ Übernahmeversuche französischer Wissenschaftler abwehren. Die spektakulären Fossilienfunde der 1990er-Jahre erscheinen als wohlverdienter Lohn für die heroischen Entbehrungen und das Durchhaltevermö-

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gen. Es ist die klassische Geschichte per aspera ad astra ergänzt um die „nationale Karte“, die die Ko-Direktoren gerade in ihrer Öffentlichkeitsarbeit spielen: Wir sind spanische Forscher und kämpfen für eine spanische Wissenschaft. Diese Fossilien gehören uns!

schaftsjournalistin Alicia Rivera von El País rechtfertigt den Medienhype um Atapuerca denn auch genau so wie die Ida-Forscher: “Es gefällt mir, dass die Leute über Atapuerca und nicht immer nur über Fußball reden”.

Als gute Vermarkter ihrer Forschung, aber eben auch ihrer selbst, wissen die drei Ko-Direktoren um die Bedeutung der Personalisierung. Das EIA ist längst riesig, mehr als ein Dutzend spanischer Forschungseinrichtungen sind an den Ausgrabungen beteiligt. Aber das öffentliche Gesicht sind Arsuaga, Bermúdez de Castro und Carbonell. Ihre Namen tauchen mit Abstand am häufigsten in den Medien auf. Sie posieren auf den Fotos, wenn der spanische Ministerpräsident oder die Königin wieder einmal Atapuerca besucht. Arsuaga inszeniert sich gern als “Naturbursche” und beschrieb sich selbst in einem Interview mit El País einmal als “Cocktail aus Darwin und Indiana Jones”. Carbonell hat sich längst dadurch zu einer Ikone gemacht, dass er stets mit einer Art Tropenhelm umherläuft. So wurde er auch zum Aushängeschild der Archäologie-Reality-TV-Show „Sota Terra“ („Unter der Erde“), die seit 2010 im katalanischen Fernsehen läuft. In jeder Folge muss das Team binnen drei Tagen eine Forschungsfrage qua Schnellstausgrabung lösen, Carbonell mimt den Experten.

Wissenschaft ist besser als Fußball

Wissenschaftspopularisierung als Mittel nationaler Identitätsstiftung Auch in Spanien kommt zumindest hinter vorgehaltener Hand die Frage hoch, ob diese Selbstvermarktung nicht „zu weit“ gehe. Lesern des WPKQuarterly (Ausgabe II 2009) mag der Vergleich mit dem Hype um das Fossil Ida in den Sinn kommen. Eine Gruppe um Jørn Hurum hatte im Mai 2009 den Fund eines 47 Millionen Jahre alten Primaten als das „missing link“, „achtes Weltwunder“ und dergleichen der Weltöffentlichkeit angepriesen. Die Wissen-

Letztlich halten sich die Parallelen aber doch in Grenzen. Das EIA agiert in puncto Medienarbeit wesentlich nachhaltiger, ihr Image als herausragende spanische Forscher haben sie sich über Jahre erarbeitet – durch ihre Funde aber eben auch durch ihre (Omni-) Präsenz in den Medien. Der größte Unterschied zu Ida liegt aber wohl in der nationalen Einfassung des AtapuercaProjektes. Das EIA inszeniert sich dezidiert als spanisches Forscherteam. Und gerade wegen des modellhaften Charakters des EIA für die spanische Wissenschaft insgesamt sind die nationalen Medien so enthusiastisch (und handzahm). Diese Fixierung ist Fluch und Segen zugleich. Das Forschungsprojekt ist in einer nationalen Blase gefangen. Klar, in der Scientific Community der Paläoanthropologie ist Atapuerca eine fixe Adresse, wenn auch manchen Theorien des EIA mit großer Skepsis begegnet wird. Aber der Bekanntheitsgrad Atapuercas in der breiteren Öffentlichkeit ist international nach wie vor recht gering – trotz Excalibur. }

Oliver Hochadel ist Wissenschaftshistoriker, lebt in Spanien und hat viele Jahre als Wissenschaftsjournalist gearbeitet.

Oliver Hochadel hat ein Buch über Atapuerca verfasst, das im Februar unter dem Titel: „El mito de Atapuerca” erscheinen wird.


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Recherchen als Karrieresprungbrett 29 Stipendien hat die ausgelaufenen Inititative Wissenschaftsjournalismus zwischen 2010 und 2011 vergeben. Die nun vorliegende Evaluation zeigt: Besonders junge Freie profitierten von dem Programm. Von Christoph Marty Die Ermordung eines Unternehmers, der zuvor vier Schüler vor gewalttätigen Jugendlichen hatte schützen wollen, gab für die freien Wissenschaftsjournalistinnen Constanze Löffler und Beate Wagner Anlass, das sensible Thema Zivilcourage anzupacken. „Uns war schnell klar, dass wir mehr Zeit und Geld benötigen würden als uns normalerweise zur Verfügung steht, um das Thema in all seinen Facetten zu bearbeiten“, sagt Löffler. Auf der Wissenswerte in Bremen hörte sie von der Vergabe sogenannter Ad-hoc-Recherchestipendien durch die Initiative Wissenschaftsjournalismus und bewarb sich mit Erfolg. „Mit dem Stipendium im Rücken haben wir uns einiges zu-

getraut“, erinnert sich Löffler. „Für Freie sind Stipendien die große Chance, auch mal aufwändigere Recherchen umzusetzen.“ Insgesamt waren bei der Initiative Wissenschaftsjournalismus zwischen Februar 2010 und Anfang September 2011 42 Anträge auf ein Ad-hoc-Recherchestipendium eingegangen – 29 wurden bewilligt, 13 abgelehnt (was einer Förderquote von etwa zwei Drittel entspricht). Die Stipendien waren mit Mitteln der Robert Bosch Stiftung finanziert worden. Das Ziel bestand darin, „die Umsetzung von mutigen und anspruchsvollen Rechercheprojekten [zu] fördern und die Urteilskraft von Journalisten [zu] stärken.“ Nach Auslaufen

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des Förderprogramms Ende 2011 war es deshalb Zeit für ein Resümee. Dazu gab die Initiative Wissenschaftsjournalismus eine Evaluation in Auftrag, deren Ergebnisse nun vorliegen. Die Analyse stützt sich auf drei Quellen: Die Anträge auf ein Ad-hoc-Recherchestipendium, einen von den Jury-Mitgliedern der Auswahlkommission auszufüllenden Bewertungsbogen (jeder Antrag wurde von drei Mitgliedern eines Pools aus Wissenschaftsjournalisten sowie Mitarbeitern der Initiative Wissenschaftsjournalismus bzw. des Lehrstuhls Wissenschaftsjournalismus der TU Dortmund bewertet) sowie eine Online-Befragung der Antragsteller. Leider konnte kein Antragsteller, dessen Antrag abgelehnt worden war, für die Befragung gewonnen werden. Ausgefüllt wurde der Fragebogen von drei Viertel aller Stipendiaten. Die meisten Teilnehmer der Befragung waren zum Zeitpunkt der Antragstellung freiberuflich tätig. Die Ergebnisse der Online-Befragung belegen, dass ein Bedarf an journalistischen Recherchestipendien – zumal angesichts des in den meisten Redak-

Die Stipendien können der Karriere Auftrieb geben. Fast alle der 22 Stipendiaten berichten, dass ihr Ansehen in den Redaktionen gestiegen sei. Folgeaufträge haben immerhin noch gut die Hälfte der Stipendiaten erhalten. Grafik: Christoph Marty IfQ


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Ganz besonders geschätzt wurden die Stipendien, weil die Antragstellung jederzeit möglich war und weil schnell entschieden wurde. Grafik: Christoph Marty IfQ

tionen vorherrschenden Sparzwangs – vorhanden ist. So mussten knapp drei Viertel der Befragten in den zwölf Monaten vor Antragstellung um ein Ad-hocRecherchestipendium eine Rechercheidee verwerfen, weil deren Bearbeitung über den normalen Rechercheaufwand hinausging, den sie üblicherweise leisten können. Gleichzeitig wird der von den Redaktionen gewährte Freiraum für aufwändige Recherchen mehrheitlich als „klein“ (18,2 %) oder „sehr klein“ (40,9 %) eingeschätzt; nur etwa ein Drittel findet ihn „groß“ (36,4 %). Wichtige Kriterien für die Beantragung eines Stipendiums bei der Initiative Wissenschaftsjournalismus waren die Möglichkeit zur Abrechnung von Recherchetagen, der zeitnahe Förderentscheid (adressiert waren zwei Wochen nach Eingang des Antrags) sowie die jederzeit mögliche Antragstellung. Christian Meier hat gemeinsam mit Aitziber Romero und Dino Trescher gleich zwei Anträge auf ein Stipendium „durchgebracht“, wobei ein Projektantrag die europäische Forschungsfinanzierung zum Thema hatte. „Die Themenfelder Forschungspolitik und

Forschungsförderung haben mich schon lange gereizt“, sagt Meier. Für die Projektbearbeitung griff das Team freier Wissenschaftsjournalisten auch auf Methoden des Computer-assisted Reporting zurück. „Das Stipendium hat uns den Freiraum gegeben, das Themenfeld für uns zu erschließen.“ Die Originalität der Anträge ist von den Gutachtern überwiegend positiv bewertet worden. Das ist das Resultat einer Analyse der Bewertungsbögen, die jeder der pro Antrag drei tätigen Gutachter jeweils ausgefüllt hat. Nicht immer waren sich die Gutachter aber sicher, ob das annoncierte Veröffentlichungsmedium die Recherche nicht auch selbst hätte finanzieren können. Legt man das eingangs genannte Ziel als Maßstab an, so lassen sich die Ad-hoc-Recherchestipendien der Initiative Wissenschaftsjournalismus also durchaus als Erfolg bewerten. In Zeiten sich angleichender Lebensläufe können solche Recherchestipendien generell insbesondere auch für Nachwuchsjournalisten ein Distinktionsmerkmal darstellen und dabei helfen, im Journalismus Fuß zu fassen.

Für Löffler und Wagner haben sich die Stipendien in jedem Fall gelohnt: Ihre Recherche erwies sich als so ergiebig, dass sie ihre Ergebnisse sogar in einem Ratgeber-Buch veröffentlichten. Auch für Meier und seine Kollegen war das Stipendium ein Türöffner in die Redaktionen, in denen sie zuvor noch nicht veröffentlicht hatten, z.T. ging daraus sogar eine längerfristige Zusammenarbeit hervor. „Es macht viel Spaß sich intensiv mit einem Thema zu beschäftigen“, sagt Meier. Er hat deshalb weitere Bewerbungen auf andere Stipendien laufen. }

Christoph Marty arbeitet am IfQ in Berlin und hat die Ad-hoc-Recherchestipendien im Auftrag der Initiative Wissenschaftsjournalismus bewertet.


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Impressum

Redaktion Markus Lehmkuhl (V.i.s.d.P.), Antje Findeklee, Volker Stollorz, Claudia Ruby, Nicole Heißmann und Christian Eßer

Autoren Markus Lehmkuhl, Markus Becker, Marcus Bösch, Martin Schneider, Ralf Grötker, Oliver Hochadel und Christoph Marty

Layout, Design und Titelbild Katja Lösche – www.gestaltika.de Titelbild unter Verwendung des Fotos „BW RAF Tornado”, www.sxc.hu/photo/1083707 © Martin Kessel – www.kessel.co.uk

Telefon & Fax

Adresse WPK-Quarterly Wissenschafts-Pressekonferenz e.V. Ahrstraße 45 D-53175 Bonn

Tel ++49 (0)228-95 79 840 Fax ++49 (0)228-95 79 841

E-Mail & Web wpk@wpk.org www.wpk.org

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung der WPK wieder.


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