Savador Dali Sculptures

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■ DALÍ & SURREALISMUS

des Lebens“ besteht, welche letztlich auch in seinem Opus zum Ausdruck kommen. Dalí besaß die einzigartige Fähigkeit, „vergangene Augenblicke“, denen er die Intensität der Gegenwart verleiht, wieder an die Oberfläche treten zu lassen und sie immer wieder neu einzusetzen. Dem Mann, der den „Anti-Faust“ zelebriert, ist es gelungen, durch die Schärfe seines Geistes der Zeit zu entfliehen. Mit seinem außergewöhnlichen sinnlichen Gedächtnis schafft er es, auch nach zwanzig Jahren noch den gleichen Schrecken zu erleben, den die Staffelei ausgelöst hatte, die in das Maul eines Fisches geraten war („Das Schauerspiel“, 1929). Das verschlossene, trotzige, undisziplinierte Kind, das schon von früh auf die Aufmerksamkeit auf sich lenkte, entdeckte bald in seinem Körper starke und ungewohnte Gefühle, wie das der Masturbation oder der Autosodomie, Themen, die später in zahlreichen Gemälden bearbeitet werden sollen, die deutlich von seinen Erlebnissen in der Kindheit beherrscht sind. Die Uro-lagneia (lat.; Urolagnie, ein 1962 für sexuelle Lust am Harnlassen definierter Begriff), die Beziehung zwischen Haut und Flüssigkeit (Milchkaffee, Milch), seine Fresssucht (Schönheit ist essbar oder nicht essbar), der Kiefer, der im Mund, dem primären Erkenntnismittel, präsent ist (sich selbst auf die Lippen beißen, sich lecken und ablecken) und zu einem oralen Instrument wird, welches die Vision verstärkt, der Geruch, der im Laufe seines langen und großartigen Schaffens eine derartige „Geschwindigkeit“ erzeugt, dass seine einzige Sorge sein wird, für seine Kunst immer mehr zu erwerben. Wenn wir das Leben Dalís verfolgen, treffen wir mit der Figur Galas auf einen Meilenstein. Bei seiner ersten Begegnung war diese Frau russischer Abstammung 25 Jahre alt und die Gattin des französischen Dichters Paul Eluard, eines der Vorreiter des Surrealismus. Dalí sah in ihr „die offensichtliche Frau“, die einzige, die in der Lage war, seine Lebensgefährtin, sein Dämon, seine Viktoria (daïmon, niké) zu werden. Von diesem entscheidenden Erlebnis berichtet Dalí in seinem Werk „Das geheime Leben des Salvador Dalí“: „…Galas Hand ergriff meine. Es war ein Augenblick zum Lachen, und ich lachte mit einer derartigen Nervosität, die umso heftiger wurde, da dieses Verhalten für sie in diesem Augenblick noch verletzender war. Gala jedoch war, anstatt beleidigt zu sein, stolz. Mit einer übermenschlichen Anstrengung drückte sie meine Hand noch fester, anstatt sie, wie jede andere Frau es getan hätte, beleidigt fallen zu lassen. In ihrem Instinkt, der beinahe dem eines Medium gleichkommt, hatte sie den Sinn verstanden, der sich hinter meinem Lachen verbarg und den ich anderen niemals hätte erklären können. Mein Lachen war kein freudiges Lachen so wie das Lachen aller anderen. Es drückte weder Skepsis noch Frivolität sondern Fanatismus, einen Kataklysmus, eine bodenlose Tiefe und Schrecken aus. Und ich hatte ihr soeben das schrecklichste und katastrophalste Lachen zu Füßen gelegt.“ „Mein Kleiner“, sagte sie mir, “wir zwei werden uns nie mehr verlassen“.3

■ Die Thematik Dalís

Im Zuge des Fortschritts seiner Arbeiten dienen die von Dalí permanent angewandte Synthese seiner bevorzugten Landschaften von Port Lligat und Cadaqués sowie der Himmel und das Meer, die Felsen und die Ebenen von Ampurdan beinahe immer als Hintergrund für den Auftritt von Geistern, die Dalí dank der zwingenden Logik dieser Elemente ins Bild setzen konnte. Wenn Surrealist sein bedeutet, realistisch, superrealistisch und hyperrealistisch zu malen, und wenn dieses Etikett für jene „Dilettanten der Nachkriegszeit“4 angewandt werden soll, und auch wenn Dalí offiziell dieser Gruppe angehörte, so befindet er sich dennoch Meilen von dieser Art des Surrealismus entfernt. Im Unterschied zu seinen systematischen Verleumdern (mit Ausnahme von René Crevel) hatte sich Dalí bereits vor seinem Eintreffen in Paris im Jahre 1929 in Spanien einen Namen geschaffen. Dies sicherlich nicht aufgrund einer krampf160


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