SPIEGEL - 2014

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17.04.2014, Von Klaus Werle

http://www.spiegel.de/karriere/berufsleben/self-tracking-im-job-die-besten-self-tracking-apps-fuer-manager-a-964940.html

Self-Tracking für Manager

„Blöd, dass der Körper keinen USB-Anschluss hat“ Dank smarter Technik und permanenter Datenlese lässt sich heute das ganze Leben optimieren. Das fasziniert viele Manager. Doch bringt mehr Kontrolle auch bessere Ergebnisse? Sicher, das alles klingt ziemlich anstrengend, und vielleicht wurde auch an der einen oder anderen Stelle ein wenig geflunkert, aber unterm Strich ist es doch eine ziemlich super Sache, Dave Asprey zu sein. Findet Dave Asprey, der sich selbst Unternehmer und Silicon-Valley-Investor nennt, was ja schon für sich genommen super ist, aber noch längst nicht alles. Denn on top hat Asprey noch fast 50 Kilogramm abgenommen, indem er Kaffee mit Butter trank, hat seinen IQ um 20 Punkte gesteigert und sein biologisches Alter gesenkt, weil er jetzt weniger als fünf Stunden pro Nacht schläft. Nicht zu vergessen den Orgasmus von 20 Minuten Dauer, den er durch intensive Selbstvermessung erreicht haben will. Und weil Asprey nicht nur ein besserer, sondern vor allem ein guter Mensch ist, teilt er seine Erfolge mit anderen. Auf seiner Website Bulletproofexec.com lässt sich lernen, dem Körper einen Turbolader zu verpassen, das Gehirn upzugraden und so zum „Bulletproof Executive“ zu werden. Zur kugelsicheren Führungskraft also.

wegung populär zu machen, die mittlerweile aus den USA nach Deutschland geschwappt ist: Die „Self-Tracker“ zählen Schritte und Kalorien, messen Puls, Schlafqualität, Blutzucker, Körperfett, Launen, Arbeitsabläufe und noch vieles mehr, was sich in Tabellen, Kurven und Grafiken packen lässt. Produkte wie Melon oder Emotiv bieten gar Hirnstrommessung für zu Hause, das kleine EEG für zwischendurch. Das Quantified Self, das „vermessene Ich“ ist der Weg, das Ziel die Selbstoptimierung, die Ego-Verbesserung durch bewussteres Leben in sämtlichen Bereichen: Job, Familie, Sport, Freizeit, Sex. Ganz im Sinne der „schuldigen Subjekte“, wie der Soziologe Hartmut Rosa die Mitglieder der Leistungsgesellschaft nannte. An ihnen nagt stets das Gefühl, nicht alles Nötige getan zu haben.

Die Self-Tracker kriegen dieses Nötige jetzt schriftlich, auf Wunsch jeden Tag, jede Minute: „Selbsterkenntnis durch Zahlen“ gaben ihre geistigen Väter, die „Wired“-Journalisten Gary Wolf und Kevin Kelly, als Marschroute vor. Vor Asprey ist ein Exzentriker, gut zwei Jahren fand die erste „Forbes“ hat über ihn berich- Quantified-Self-Konferenz in tet, das Fernsehen, die „Fi- Kalifornien statt. nancial Times“, und so hat er dazu beigetragen, eine Be- Vom Optimierungsdorado aus

Läuft du schon oder misst du noch? Den Herzschlag bei der Meditation, die Denkleistung nach einer Tasse Kaffee: „Self-Tracker“ messen ständig ihre Körperwerte - und versuchen ihr Ich zu optimieren. Der Markt für Geräte, Computerpogramme und Apps zur Selbstvermessung boomt - vor allem Manager sind begeistert.

haben sich die Mess-Diener über den Erdball ausgebreitet, in alle gesellschaftlichen Schichten hinein. Eine Gruppe musste nicht lange überredet werden: Schon qua Beruf sind Manager dem Kontrollieren,

Optimieren und Effizienzsteigern zugetan - die Aussicht, das Benchmarking endlich mit großem Hebel und in allen Daseinsbereichen einzusetzen, war einfach zu verlockend. Die Eigenvermessung kombiniert zwei Megatrends So kombiniert die Eigenvermessung zwei Megatrends der Leistungselite: permanente Verbesserung und Technikbegeisterung. Nur: Macht die Dauerdatenlese tatsächlich schlauer? Führt mehr Kontrolle zwangsläufig zu besseren Ergebnissen?

Thomas Rabe: Ein akribischer Plan bestimmt das Lauftraining des Bertelsmann-Lenkers: Für jeden Kilometer, den er läuft oder rudert (zu Hause auf der Maschine), gibt er sich einen Punkt, ganz gleich, wie lange er dafür braucht. Auf peppige Fitness-Apps verzichtet der Manager, er kommt mit Pulsuhr und -gurt aus.

Absolut, davon ist Thomas Rabe, 48, überzeugt, Leiter des Bertelsmann-Konzerns und einer jener großen, dünnen Männer, die vielfältige Betrachtungen über ihre KörSeite 1


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per und Kräfte anstellen. Rabe - ein kunstfertiger Rechner und Zahlendreher, Finanzvorstand im früheren Leben - ist eine prosaische, hochstirnige Natur, ein Ordnungsgeist, gebaut nach Art der Asketen. Würde man ihn in ein weißes Nachthemd stecken, könnte er als Julius Cäsar auftreten. Sein Körperfettanteil beträgt etwa 8 Prozent, so viel wie bei einem Profiradrennfahrer. Auf peppige Fitness-Apps verzichtet der Manager, er kommt mit Pulsuhr und -gurt aus. Auch ohne quirliges Equipment hält er das eigene Dasein seit gut drei Jahren auf Vordermann. Denn als Systematiker springt er nicht einfach in der Gegend herum, wenn ihn der Hafer sticht. Rabe unterwirft sich einer Praxis, die keinen Raum für Ausflüchte lässt.

Die ganz Harten messen Hüftbewegungen beim Sex Bertelsmann ist auf der ganzen Welt tätig und Rabe ständig unterwegs, und er hat sich geschworen, in Form zu bleiben: schläft wenig, isst gesund, trinkt seit 2011 keinen Alkohol mehr, dafür reichlich Ingwertee. Dass er nicht raucht, versteht sich von selbst. Im Urlaub, beim Bergwandern in Südtirol etwa, hundert Punkte zu erreichen, ist für Rabe ein Kinderspiel. Angestachelt von seinem geradezu fabrikmäßigen Leistungstrieb, duldet der Marathonmann keinen Verzug. Da er in Arbeitswochen aber selten über 80 Punkte kommt, lebt er ständig in Soll und Defizit und läuft sich selbst dauernd hinterher.

Gut 25.000 Mitglieder in 35 Ländern zählt die Seite Quantifiedself.com inzwischen, die lokalen Gruppen in Deutschland bringen es auf 100 Gefolgsleute. Und das ist nur der harte Kern, Menschen zum Beispiel, die ihre Mahlzeiten per Kalorien-App fotografieren, sich jeden Morgen zwecks Blutzuckerbestimmung in den Daumen stechen, dies mit Schlaf- und Mondphasen sowie der Hautspannung vergleichen und dem ebenfalls 100 Punkte entsprechen der permanent getrackten IQ abLänge von zweieinhalb Mara- gleichen. thons. Die Grenze ist natürlich so gelegt, dass sie nicht so ein- Die ganz Harten messen noch Beschleunigungssensor fach zu überwinden ist. Aber via Reue, Zerknirschung und Ge- die Hüftbewegungen beim wissensqual sind ja nicht, was Sex und sagen Sätze wie „Zu die Self-Tracker vermeiden, blöd, dass der Körper keinen sondern wecken und heraus- USB-Anschluss hat“. fordern wollen. Wer seinen Leib nach Zahlen ertüchtigt, Die loseren Anhänger, die oft der wird sie so hoch ansetzen, nur ein paar Lauf-Apps nutzen, sind um ein Vielfaches dass es weh tut. Für jeden Kilometer, den er läuft oder rudert (zu Hause auf der Maschine), gibt er sich einen Punkt, ganz gleich, wie lange er dafür braucht. Auch mit dem Rennrad jagt Rabe durch die Landschaft: Fahrradkilometer zählen in seiner Welt indes nur die Hälfte. 100 Punkte versucht Rabe in der Woche zu erreichen. Dies hat er kraft seines Amtes festgelegt.

mehr; laut Pew Research bastelt in den USA bereits mehr als jeder Fünfte computergesteuert am eigenen Selbst. Es gibt Tausende Apps allein für Gesundheit; Gabeln, die hektisch blinken, wenn man zu schnell isst (Hapifork), Pillen mit Sensoren oder Implantate, die Körperwerte in die Cloud senden. „Self-Tracking hat die Nerd-Nische verlassen“, sagt Florian Schumacher, Trendscout und Sprecher der Bewegung in Deutschland. Experten sagen dem Markt für 2017 ein Volumen von 27 Milliarden Dollar voraus. Da gibt es Pulsuhren, GPS-Tracker oder EEG-Messer, die sich wie ein Bonsai-Krake am Kopf festkrallen. Drumherum eine kleine App-Industrie, mit zig Millionen heruntergeladenen kleinen Helferlein, saftigen Umsätzen und frisch geschlüpften Imperien wie dem Runtastic-Reich mit seinen 50 Millionen Downloads, an dem der Axel-Springer-Verlag kürzlich die Mehrheitsanteile kaufte. „Fitness-Apps sind vor allem für Couch-Potatoes eine gute Möglichkeit, erste Schritte im Bereich Bewegung und Gesundheit zu machen“, sagt Runtastic-Chef Florian

Gschwandtner, „diese Menschen hätten sich wahrscheinlich keine GPS-Uhr für 300 Euro gekauft.“ Aber seinen Brustgurt schnallen sie um. Bunte Apps statt dröger Excel-Tabellen Seit die bunt animierten Apps dröge Excel-Tabellen ablösten, ist Quantified Self im Mainstream angekommen. Geholfen hat dabei auch der Trend zur „Gamification“. „Daten zu vergleichen und das eigene Verhalten zu verändern, fällt auf spielerische Art eben leichter“, sagt Schumacher. Die Mixtur aus zahlengläubigen Nerds und konsumfreudigen Ego-Modellierern, dazu die Tech-typische SoLoMo-Zauberformel („Social, Local, Mobile“) könnten Quantified Self nun sogar zum nächsten großen Ding machen. Derzeit unterscheidet die Szene mit Blick auf die Gadgets zwischen reinen Trackern und den Nudgern, die ihre Besitzer anstupsen, wenn ein Ziel hinterm Horizont zu verschwinden droht. Fitness-Armbänder wie das Jawbone Up (Slogan: „Know yourself. Live better!“), Fitbit Flex, One oder

Auf die Plätze, fertig, los: Sitzen ist das neue Rauchen, heißt es. Wer zu viel sitzt, schadet seiner Gesundheit. Wissen wir ja alles. Aber was ist die Alternative? Ein Schreibtisch mit integriertem Laufband!

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das Fuelband von Nike funktionieren so. Die neuen Lifestyle-Accessoires messen Bewegungen aller Art, zählen Schritte, Schlafphasen und Nährwerte und vibrieren energisch bei Stubenhockeralarm. Oder sie mahnen düster: „Sitzen kann so ungesund sein wie Rauchen.“ So wird jeder zu seinem eigenen Tamagotchi, was der Beliebtheit von Tracking-Tools in der dauerjoggenden Führungs-Community nicht abträglich ist: Deutsche-Bank-

Anshu Jain: Der Co-Chef der Deutschen Bank misst per Armband seine Fitness. Auch er gehört zur dauerjoggenden Führungs-Community.

Chef Anshu Jain trägt ein solches Laufband ebenso wie Microsoft-Top-Manager Scott Guthrie und Großbritanniens Premier David Cameron; auch

Daniel Ek: Mit einem Fitbit-Gerät analysiert der Spotify-Gründer seinen Schlaf.

Spotify-Gründer Daniel Ek ist

bekennender Selbstmesser, er „Früher waren Gesundheitsnutzt die Wii-Fit-Waage oder werte etwas Abstraktes von irgendeinem Bundesamt für den Fitbit-Schlafmonitor. soundso“, sagt Christian Grasse, Autor des Buchs „Mein diWer ist der Sportlichste im gitales Ich“. „Mit Quantified Web? Self kann sich jeder an seiner Nicht zufällig findet der Self- Peergroup orientieren und geTracker-Boom bislang vor- winnt Autonomie über seinen wiegend im Reich von Fitness Körper zurück.“ Das läuft und Gesundheit statt. Die Ent- dann wie bei einem Compuwickler von Runtastic, Endo- terspiel: höhere Herzfrequenz, mondo, My Fitness Pal und besserer Blutzucker, nächstes anderen konnten auf den Leis- Level. tungssport aufbauen, wo Athleten seit langem die Zuckung Spieglein, Spieglein in der jeder Zelle überwachen. Die App, wer ist der Sportlichste Möglichkeiten sind hier schier im ganzen Web? Das Teilen uferlos: Fast 100 Milliarden der eigenen Erfolge auf einer Euro könnten durch „Mobile Plattform wie Nike+ mit ihren Health“ EU-weit im Gesund- vielen Millionen Mitgliedern heitswesen eingespart werden, stachelt den Ehrgeiz der Leishat das Beraterhaus PwC aus- tungsträger an. Beinahe wichgerechnet. Allein in Deutsch- tiger noch ist den gestressten land summiert sich der Pro- Führungskräften die Flexibiduktionsausfall aufgrund von lität: „Feste Trainingszeiten Bewegungsmangel auf rund oder gar Strukturen wie im zehn Milliarden Euro jährlich. Sportverein sind in meinem Job nicht drin“, sagt Morten Zwar traut sich bislang keine Hannesbo (51). Der Chef der Krankenkasse in großem Stil Schweizer Automobil- und an den Datenschatz aus ge- Motoren AG hat 400 Stunden sammelten Pulsfrequenzen, im Jahr für Sport reserviert, Blutzuckerwerten und Sau- radelt 6000 Kilometer über erstoffsättigungen der Selb- 100.000 Höhenmeter, bei eistüberwacher heran. Doch als nem Durchschnittspuls von Motivationshilfe für den Ein- 123. zelnen taugt das Tracking allemal: „Mein Tag ist durchgetak- Der Däne weiß das so genau, tet. Das Jawbone Up zeigt mir weil er ständig technische auf einfache Art und Weise, ob Hilfsmittel nutzt, „um etwa ich mich ausreichend bewegt bei Trainingseinheiten abends habe oder nicht“, sagt Axel im Hotel das Jahresziel nicht Wehmeier. Der Telekom-Ma- aus dem Blick zu verlieren“. nager verantwortet das neue Hannesbo greift unter andeGeschäftsfeld Gesundheit, mit rem zurück auf die Plattform dem der Kommunikationskon- Dacadoo, die auch mit der zern am Hype verdienen will AOK kooperiert und für ihre - etwa mit einer Consumer He- 100.000 User das Ziel ausgealth Cloud oder sicheren Ser- geben hat, alle Gesundheitspaververbindungen für Ärzte, die rameter in einer Zahl zu komihre Patientendaten via Smart- binieren, mit einem Maximum phone-App im Blick behalten. von 1000 Punkten. Im vergangenen Spätherbst lag Hannes-

bos Health Score bei 806. „Der Mechanismus funktioniert besonders gut bei Managern“ Egal was die jeweilige App misst: Alle Quantified-Self-Anwendungen basieren auf der Idee, wonach sich mehr anstrengt, wer beobachtet wird - und sei es nur durch sich selbst. Die Wissenschaft spricht vom Hawthorne-Effekt, der verhindert, dass wir abends eine Tüte Chips essen, das Joggen sausen lassen und uns später ärgern, dass die Hose nicht mehr passt. „Der Mechanismus funktioniert besonders gut bei Managern, die ohnehin meist im Wettbewerbsmodus leben“, sagt Jutta Rump, Leiterin des Ludwigshafener Instituts für Beschäftigung und Employability. Wie die Leistungsträger, so die Länder: Die Macher der populären Abnehm-App Noom eröffneten ihre ersten Dependancen außerhalb der USA in den klassischen Strebernationen Südkorea, Japan und Deutschland. Wer glaubt, sich nach einem anstrengenden Tag voller Messen, Tracken und Monitoren einfach ins Bett fallen lassen zu können, hat die Rechnung ohne ein paar smarte finnische Jungs gemacht. Von einem schmucklosen Rotklinkerhaus in Espoo aus macht sich das Start-up Beddit daran, auch noch die Nachtruhe zu optimieren. „Ursprünglich haben wir Beddit für Menschen mit Schlafstörungen entwickelt“, sagt CEO Lasse Leppäkorpi (34), der gerade 15 Flüge und 40 Meetings binnen 14 Tagen absolviert hat, aber dank seiner App schlafmäßig einigerSeite 3


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seine Vorsätze, „und wie in einer digitalen Trainingsgruppe wird er gelobt für Fortschritte und erinnert, wenn er zurückfällt“, sagt Mentor-Chef Lukas Kampfmann. „Es soll auch Spaß machen“, betont Al Bryant. Neben dem Vorhaben, nach 18 Uhr möglichst keine Kohlenhydrate mehr zu essen, hat der Strategiechef der Werbeagentur McCann Erickson in Berlin auch gelobt, mindestens einmal am Tag jemanden zum Lachen zu bringen. Bryant mag den ZuZierlich: Auf die Ablagefläche passen gerade mal ein Laptop und ein Kaffeebecher - das Display spruch aus der Community, des Laufbands ist dann schon verdeckt. von Menschen aus Singapur maßen on track ist. sagt: „Die Apps entwickeln oder Sydney: „Natürlich bin sich vom reinen Messen in ich nicht plötzlich ein anderer Die neue Produktversion Richtung Coaching und Un- Mensch. Aber ich habe mich („Turn your bed into a smart terstützung.“ selbst besser im Griff und tue bed“) ist schlanker und am vieles bewusster.“ Endkunden orientiert; ein mit Das Niveau von GlückskeksSensoren gespickter Gurt misst weisheiten Vom Auftunen im Privaten unter dem Laken Schlafzeiten, zur Optimierung der ArbeitsLärm- und Lichtpegel sowie Abnehm-Apps wie Noom ar- welt ist es nur ein kleiner Bewegungen, dazu Herz- und beiten bereits nach diesem Schritt. Auch wenn er sein Atemfrequenz - und schickt die Prinzip, auch die digitalen Ertüchtigungssystem, wie Daten direkt aufs Smartphone. Launenmesser (Moodpanda, er ausrichten lässt, nicht auf „Unsere App analysiert dann, Moodscope, Track your hap- die Büroarbeit übertrage, ist ob die Schlafziele erreicht piness) tracken weniger und Punktezähler Thomas Rabe wurden“, sagt Leppäkorpi, der nudgen mehr. doch ein Abarbeiter, der die als ehemaliger LeistungssportDinge von oben nach unten ler (Triathlon) die Vorzüge Noch bewegen sich die erledigt, fein säuberlich, ohne gewissenhafter Regeneration Tipps der meisten Fitnes- etwas zu übersehen oder lieschätzen gelernt hat. Die Bed- sarmbänder auf dem Niveau genzulassen. Beruflich geht dit-Macher sind ebenso wie von Glückskeksweisheiten der Bertelsmann-CEO hohes die Erfinder von Sleep Cycle - Schwung kommt erst in die Tempo. Er braucht Kraft und und ähnlichen Apps fest davon Sache, wenn andere Menschen Ausdauer. Der Wettbewerb im überzeugt, dass tagsüber nur bei der Selbstüberwachung Medienbetrieb ist entsetzlich. kräftig lospowern kann, wer mitmachen. Mit der jüngst Links und rechts von ihm genachts amtlich gepennt hat. kreierten Mentor-App, einem hen Rivalen zugrunde, links der zahlreichen Selbstma- und rechts ziehen Rivalen an Außer hübschen Kurven und nagementwichtel à la Lift und ihm vorbei. beeindruckenden Tabellen bie- Everest, stellt sich der Kunde tet der Schlummercoach auch ein flottes Set guter Vorsätze Deshalb wacht Rabe streng Handreichungen zur Optimie- zusammen: mehr lesen, gesün- über den Spielbetrieb, schaut rung der Nachtruhe, etwa Er- der essen, ins Sportstudio ge- seinen Leuten auf die Finger, nährungstipps und Einschlaf- hen und Mama öfter anrufen. ob sie ihre Pflichten erfüllen hilfen. Es ist einer der neuesten Auf Platz zwei der beliebtesten und ihr Pensum erledigen. Schwenks der Bewegung, wie Ziele findet sich „Mehr Was- Schlendrian toleriert der WestRuntastic-Chef Gschwandtner ser trinken“. Der Nutzer postet falen-Express nicht.

Learn to fail - or fail to learn Zahlreiche Apps wie Daytum oder Rescue Time zählen, wofür wir wie viel Zeit aufwenden, Anbieter wie Beeminder fordern vom Nutzer Ziele ein - etwa mehr Verkaufstelefonate oder Mitarbeitergespräche. Nicht mehr fern ist der Tag, an dem Manager ein wichtiges Meeting verschieben, weil eine App ihnen sagt, dass sie just zu dieser Tageszeit am unproduktivsten sind. Till Kaestner, gute zwei Meter groß, begeisterter Analytiker und ehemaliger Handballprofi, trainierte schon als Schüler nach den Büchern von Arnold Schwarzenegger. Privat vertraut der deutsche LinkedIn-Statthalter heute auf eine Schlaf-App und Fitnessvideos von „Men‘s Health“, um Kraftsport auch auf Dienstreisen durchzuziehen. Die Messbegeisterung macht nicht Halt an der Bürotür: „Wir sind ein äußerst zahlengetriebenes Unternehmen, das sich ständig verbessern will.“ Kaltakquise, Präsentation, Verhandlung, Aftersales - Kaestners Leute messen, wie viel Arbeitszeit dafür draufgeht und was es bringt. Weil etwa Aftersales viele Stunden frisst und wenig einbringt, überlegen sie jetzt, wie der Aufwand verringert werden kann. Doch so groß die Begeisterung der Datenapologeten, so ungewiss ist bislang ihr Erfolg. Psychologische Studien widersprechen dem Silicon-Valley-Credo, nach dem jedes Problem lösbar ist, wenn es nur genug Daten gibt - tatsächlich sind wenige gute Daten besser als viele wahllos gesammelSeite 4


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te. Weil Datensammeln vor allem der Risikovermeidung dient, zweifelt Top-Management-Coach Heinz-Detlef Scheer am langfristigen Nutzen für den Einzelnen: „Wer keine Fehler mehr macht, bleibt stehen. Learn to fail - or fail to learn.“

befürchtet durch Self-Tracking im Management gar die „explosionsartige Vermehrung der unseligen KPIs“. Er warnt: „Alles, was über die Zukunft eines Unternehmens entscheidet, ist eben nicht messbar: Kreativität, Innovation, Vertrauen.“

Nur allzu leicht, meint der Glücksforscher Wilhelm Schmid, werde das Streben nach Glück durch die Optimierung zur Pflicht: „Ich kenne niemanden, der immer glücklich ist. Aber ich kenne viele, die genau dieser Druck unglücklich macht.“ Managementguru Reinhard Sprenger

Auch LinkedIn-Manager Kaestner weiß, wie wichtig das Nicht-Quantifizierbare ist. Natürlich dürfe man das Tracking nicht übertreiben oder den Teams überstülpen. Aber kleine Anstupser sind okay. Als Nächstes will er mit Aktivitätsprotokollen herausfinden, was erfolgreiche Vertrie-

bler auszeichnet. „Wenn ich weiß, warum ein Fußballer einen Elfer hundertprozentig verwandelt, wird das die anderen auch interessieren.“ Derlei Augenmaß ist Dave Aspreys Sache nicht. Seine Begeisterung für Self-Tracking ist wieder abgeflaut; der Apologet der kugelsicheren Führungskraft macht jetzt Biohacking. Dessen Anhänger experimentieren mit Magneten unter der Haut, lassen sich Chips einpflanzen, um per Funk Türen zu öffnen, oder werkeln an Genstrukturen herum. Kurz: Biohacking ist der ganz böse Bube unter den

Do-it-yourself-Optimierungstrends. Die mühsame Datenlese der Self-Tracker, das umständliche Auswerten und die putzigen Apps - für einen Mann vom Schlage eines Dave Asprey war das am Ende wohl einfach eine Nummer zu lasch.

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