Berliner Zeitung - 2014

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26.06.2014, von Jutta Maier http://www.berliner-zeitung.de/digital/us-trend-arbeitgeber-lieben-die-gesundheits-app,10808718,27622336.html

US-Trend

Arbeitgeber lieben die Gesundheits-App

Palo Alto – Fitness-Tracker – so heißen die Geräte, die es als Armband oder auch als Halskette gibt – sind nicht mehr aufzuhalten. 30 Millionen Stück verkauften die Hersteller 2013 weltweit.

Stellen Sie sich vor, ihr Fitness-Armband beginnt zu piepsen, wenn Sie es sich mit einem Stück Kuchen auf der Couch bequem gemacht haben. Das Band verlangt eine Runde Joggen statt Kuchen, um das vorgegebene Fitnessziel zu erreichen. Und hinter all dem steckt ihr Arbeitgeber, der mit Aufschlägen auf Ihren Krankenversicherungsanteil droht. In den USA könnte das in Form sogenannter Wellness Programs für Arbeitnehmer bald Wirklichkeit werden. Im Körper getragene Technik Fitness-Tracker – so heißen die Geräte, die es als Armband oder auch als Halskette gibt – sind nicht mehr aufzuhalten. 30 Millionen Stück verkauften die Hersteller 2013 weltweit, in fünf Jahren könnten es 300 Millionen sein, schätzt Harry Strasser. Er ist geschäftsführender Gesellschafter des US-Unternehmens Wearable Technologies, das am oder im Körper getragene Technik vermarktet. Strasser moderierte jüngst eine Veranstaltung der Konferenz „Internet of Things World“ im kalifornischen Palo Alto, die sich ganz um das sogenannte Internet der Dinge dreht. Fitness-Tracker werden Teil unseres Lebens, wie es Smartphones bereits sind, glaubt Strasser. Und die wichtigsten Kunden der Hersteller werden Arbeitgeber sein. Dass Nutzer sich aus Sorge vor mangelndem Datenschutz nicht auf die Armbänder einlassen könnten, diese Sorge äußert keiner der Redner auf der Konferenz. Sie werden die Tracker umlegen, wenn sie im Gegenzug Geld sparen, etwa durch einen günstigeren Versicherungsbeitrag, so der Tenor. Google hat die Plattform Google Fit vorgestellt, auf der so gewonnene Daten zentral gespeichert werden können. Apples Angebot heißt Healthkit, das von Samsung Sami.

Bisher tun sich Versicherer und Arbeitgeber in den USA noch schwer mit Programmen, die ungesundes Verhalten bestrafen, obwohl der Gesetzgeber dies erlaubt. Vorherrschend sind bislang Systeme, die auf Belohnung setzen. Der Ölkonzern BP setzt eines ein: 14.000 Beschäftigte bekamen 2013 ein Fitness-Band umsonst, im Gegenzug ließen sie ihre Schritte aufzeichnen und von BP auswerten. Diejenigen, die im Laufe des Jahres mehr als eine Million Schritte zurücklegten, sammelten Punkte, mit denen sie ihren Versicherungsbeitrag senken konnten. Auch der US-Versicherer Cigna verkaufte vergangenes Jahr Fitness-Armbänder an Tausende Angestellte eines großen Geschäftskunden. Ersten Auswertungen zufolge, so das Magazin Forbes, hätten so mehrere potenzielle Diabetes-Kandidaten ihr Erkrankungsrisiko gesenkt. In Deutschland überwacht jeder Achte einer Umfrage zufolge seine Körperfunktionen über die Mini-Geräte. Die Daten werden über Apps gesammelt und können mit anderen geteilt werden. Daten, die etwa für Krankenkassen bei der Berechnung von Tarifen sehr wertvoll sein und die Branche verändern könnten. Die AOK Nordost etwa bietet ihren Versicherten in Kooperation mit der Fitness-App Dacadoo an, sportliche Aktivität und andere Informationen aufzuzeichnen, um daraus den allgemeinen Gesundheitszustand zu errechnen. Auch die Barmer GEK, die DAK und die Daimler Betriebskrankenkasse bieten Fitness-Apps an, teils locken sie mit Prämien. Und der Datenschutz? Und der Datenschutz? Die AOK Nordost teilt mit, sie könne die erhobenen

Gesundheitswerte nicht mit einzelnen Versicherten in Verbindung bringen. Die Kasse habe nur einen allgemeinen Einblick in die Daten, um zu sehen, ob die App eine Verbesserung der Gesundheit bewirkt. Zudem speichere Dacadoo persönliche und gesundheitsbezogene Daten auf zwei verschiedenen Servern. Generell warnen Datenschützer jedoch davor, solch sensible Daten leichtfertig weiterzugeben. Schließlich würde schon ein Leck genügen, um Händlern Fitnessund Gesundheitsprofile von enormem Wert zu liefern. Zumal sich die Server vieler App-Anbieter in den USA befinden, wo andere Datenschutzrichtlinien gelten. Noch sind die Tracker mehr Spielzeug, bislang überzeugt kein Gerät. Die Messungen sind oft ungenau, der Mehrwert für den Verbraucher nicht groß. „Es geht darum, ein Produkt zu entwickeln, für das man noch mal umkehren würde, wenn man es zu Hause vergessen hat“, lautet die Forderung der Internet-der-Dinge-Konferenz. Aktuell sind das nur Schlüssel, Geldbörse und Smartphone. Vielleicht wird Apple das gelingen, denn das Unternehmen will seine intelligente Uhr, die iWatch, möglicherweise im Oktober auf den Markt bringen. Konkurrent Microsoft soll ebenfalls an einer Smartwatch basteln. In der Branche heißt es: Dem Hersteller, dessen Produkt auch den Blutzuckerspiegel genau messen kann, wird der Durchbruch gelingen. Denn der Blutzucker sagt viel über die Ernährung aus, die bekanntlich eine mindestens ebenso große Auswirkung auf die Gesundheit hat wie Bewegung.


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