CI - Magazin # 46

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NEW TENDENCY AUS BERLIN SETZT KONSEQUENT AUF MINIMALISMUS

IN DER WEISSEN STADT

BAUHAUS 2.0 100 JAHRE NACH GRÜNDUNG IST DIE KUNSTSCHULE AKTUELLER DENN JE WOHNEN + EINRICHTEN UND LEBEN + ARBEITEN

FRÜHLING 2019 15. JAHRGANG DEUTSCHLAND: 4,50 € SCHWEIZ: 8,– SFR EU-LÄNDER: 5,50 €

TEL AVIV IST DIE HAUPTSTADT DER BAUHAUSARCHITEKTUR


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STANDPUNKT

Wir brauchen Antworten auf die Fragen unserer Zeit IST DAS BAUHAUS HEUTE – 100 Jahre nach seiner Gründung – noch relevant? Welche Bedeutung hat die Lehre aus Weimar für New Tendency? Zunächst gibt es ganz praktische Werte, denen wir uns verpflichtet fühlen: Da ist die Liebe zum Material und Handwerk, das Streben nach Funktionalität. Der Verzicht auf Überflüssiges und die Zeitlosigkeit guten Designs. Aber mehr noch ist Bauhaus für uns Ausdruck einer progressiven Haltung: Der Blick geht nach vorne und nicht zurück. Wichtig sind neue Perspektiven und Methoden, weniger ein spezifischer Stil.

Ein simples Rezitieren von Entwürfen aus den 20erund 30er-Jahren bedeutet Stillstand, wir brauchen Antworten auf die Fragen unserer eigenen Zeit. Wie erreichen wir mehr Nachhaltigkeit? Sind unsere Produkte so mobil und flexibel wie unsere Kunden? Welche Herausforderungen und Möglichkeiten bringt die Digitalisierung? Der Möbelmarkt ist konservativer geprägt als ver­wandte Branchen wie Mode oder Kunst. Hier wollen wir bewusst Kontraste setzen, auch mal lauter auftreten,

Sebastian Schönheit

selbst auf die Gefahr hin anzuecken. New Tendency steht für kritisches Hinterfragen von Design und die Erprobung neuer Formen des Arbeitens. Dabei kommt es uns entgegen, dass wir als junges, agiles Unternehmen unabhängiger von Marktzwängen sind und zu den wichtigsten Messen des Jahres nicht unbedingt eine neue Produktreihe zeigen müssen. Lieber setzen wir auf Slow Design und die kontinuier­­liche Weiterentwicklung bestehender Entwürfe. Unser Ansatz ist auch eine Gegenbewegung zum klassischen Autorendesign der vergangenen Jahrzehnte: Als Kollektiv entwickeln wir Produkte im Dialog. Das Bauhaus hat gezeigt, dass sich mit einer gemein­ samen Idee unheimlich viel bewegen lässt. Gestalterisch und gesellschaftlich. Die Zusammenarbeit mit Künstlern wie Mike Meiré oder Architekten wie Clemens Tissi, mit Künstlern und Galerien bringt uns wichtige Impulse. Auch unsere Kunden und Vertriebspartner werden bewusst in den Entwicklungs­ prozess einbezogen. Dieser Weg mag zu weniger Produkten führen. Aber wir glauben, dass er sie besser macht.

Manuel Goller

Christoph Goller

New Tendency gibt es seit 2012. Begonnen hat die Geschichte des Designlabels aber bereits drei Jahre zuvor: An der Bauhaus-Universität in Weimar lernen sich die Designstudenten Manuel Goller und Sebastian Schönheit kennen. Ein gemeinsames Studienprojekt führt zur Firmengründung, zunächst noch unter dem Namen „My Bauhaus is better than yours“, dann zum Umzug nach Berlin. Seit dem Einstieg von Manuel Gollers Bruder Christoph im Jahr 2012 ist das heutige Führungstrio komplett. New Tendency vertreibt seine Produkte weltweit über ausgewählte Händler und arbeitet mit etablierten Architekturbüros und Kunden. newtendency.com

MAGAZIN FÜR EINRICHTEN UND LEBEN

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INHALT

03 STANDPUNKT

Cover: Zeitgenössische Designer frischen Bauhaus-Klassiker wie den Gropius-Sessel F51 im Rahmen der Tecta-Initiative „BauhausNowhaus“ auf

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NEW TENDENCY

„Wir brauchen Antworten auf die Fragen unserer Zeit“

06 P ANORAMEN Walter Gropius’ Büro in neuem Glanz, das Bauhaus in Dessau und die Bauhaus-Metropole Tel Aviv

34 D ESIGNKATALOG.COM Der schier unerschöpfliche Designkatalog der creativen inneneinrichter hat jetzt eine eigene Website 35 BAUHAUS AKTUELL Ausstellungen und Bücher zum 100. Geburtstag 36 DESIGNTRIP

TEL AVIV 12

TITELSTORY

BAUHAUS 2.0 Nie war das Bauhaus so angesagt wie heute – und junge Designer orientieren sich an den Prinzipien

Rund 4000 Gebäude im Bauhaus-Stil stehen in der israelischen Hafenstadt neben Musterexemplaren moderner Architektur – ein Besuch in der Architekturgeschichte

46 NEW WORK

START-UP-SZENE TEL AVIV

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Dank Förderung sammeln sich in der Stadt die kreativsten jungen Unternehmensgründer

52 DESIGNER-PORTRÄT

NEW TENDENCY

24 DER KLASSIKER

WASSILY CHAIR

Marcel Breuers Stahlrohrsessel von 1925 revolutionierte den Möbelbau

Das Berliner Studio bezieht sich aufs Bauhaus und hat doch ganz eigene Ideen

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58 TRENDSCOUT

4 NEUE TRENDS

26 HOMESTORY

RADIKAL REDUZIERT

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Konsequent minimalistisch und ohne jeden überflüssigen Schnörkel präsentiert sich das Haus des Juristen Paul Lappia in Delft

MAGAZIN FÜR EINRICHTEN UND LEBEN

Kompakte Sofas, cooles Glas, chillige Outdoormöbel und Vitrinen für Rares

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FAMOUS CHAIRS

David Hockney auf einem Mies-van-der-Rohe-Freischwinger


MOSS BY JEHS + LAUB COR.DE


MEISTERZIMMER DAS BAUHAUS als W체rfel. Walter Gropius hat mit seinem 1923 geschaffenen Direktorenzimmer zentrale Bauhaus-Ideen in einem Raum von 5 x 5 x 5 Metern verdichtet: Die reduzierte Form, die strenge Raumaufteilung und die angewandte Farbenlehre markieren einen radikalen Bruch mit g채ngigen Gestaltungsmustern und stehen f체r die kollektive Schaffenskraft der Bauhaus-Werkst채tten.

UNI-WEIMAR.DE/BAUHAUSSPAZIERGANG


PANORAMA


PANORAMA


GLASFASSADE NACH DEM ENDE in Weimar fand das Bauhaus ­eine neue Heimat in Dessau. Das nach Plänen von Walter Gropius errichtete Bauwerk ­besteht aus fünf Flügeln und ist für seine vor­gehängte Glasfassade bekannt. Oskar Schlemmer setzte dem Gebäude 1932 mit seinem Gemälde „Bauhaustreppe“ ein Denkmal. Im selben Jahr war die Schule auf Betreiben der NSDAP abermals zum Schließen gezwungen.

BAUHAUS-DESSAU.DE


PANORAMA


AUFERSTEHUNG NEUES LEBEN im Herzen der „White City“: Das 1934 gebaute Poli House diente schon als Druckerei, Bürogebäude und Schuh­geschäft – ehe es 2016 nach einer Phase des Verfalls und Leerstands als Designhotel Auferstehung feierte. Die Renovierung steht auch für den Versuch, dem gesamten Bauhaus-Ensemble in Tel Aviv mit 4000 Gebäuden nach langer städtebaulicher Verwahrlosung eine Zukunft zu geben.

THEPOLIHOUSE.COM


TITELSTORY BAUHAUS HEUTE

Liege MR Chaise Longue von Mies van der Rohe Zum Geburtstag lanciert Knoll die Bauhaus-Edition der MR Lounge Collection mit neuen Stoff- und Lederbezügen

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MAGAZIN FÜR EINRICHTEN UND LEBEN


JUBILÄUM

BAUHAUS Die Intention der Bauhaus-Gründer war eindeutig: Ihnen ging es um neue, klare Formen für ein besseres Leben. Sie erprobten sich in der Kunst des Weglassens. Die Schönheit der Dinge sollte sich nicht in Überflüssigem zeigen, sondern darin, dass sich Form, Material und Funktion entsprechen. 100 Jahre später hat dieser Ansatz nichts an Gültigkeit verloren. Der Spirit der Bauhäusler ist ablesbar in den lustvollen, präzisen Entwürfen der De­signergeneration 2000 plus

01 Leuchte EB 27 von Édouard-Wilfrid Buquet Heute von Tecnolumen hergestellt, beeindruckte die Leuchte von Beginn an mit Funktionalität und ihrer fragilen Aura

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TEXT: Andreas Tölke, Peter Würth

04 Sessel Barcelona von Ludwig Mies van der Rohe Der Vertreter des kompromisslosen Purismus entwarf den Sessel anlässlich der Weltausstellung in Barcelona 1929 – jubiläumsaktuell in grünem Leder

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02 Tafellampje von Gerrit Rietveld Die Leuchte wird zum BauhausJubiläum erstmals in einer limitierten Serie produziert

03 Drehstuhl LC7 von Charlotte Perriand Die Designerin benutzte den Siège tournant fauteuil selbst in ihrem Esszimmer

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01 Sessel MR Lounge Chairs und Sofa Avio von Piero Lissoni Zeitloses Design in perfekter Kombination

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02 Sessel S 411 von Thonet Werkdesign Der voluminös gepolsterte Lieblingsplatz zum Zeitunglesen von 1932 gehört zu Thonets werkeigenen Entwürfen

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er Werkstattgedanke, die „Raus aus dem Elfenbeinturm“-Mentalität von Walter Gropius und Henry van de Velde, war das revolu­ tionäre Moment des Bauhauses. Selbst heute ist der Ansatz, dass quer durch die Disziplinen ein Austausch stattfinden soll, dass gegenseitige Inspira­tion entscheidender ist als Beharren auf Fachkompetenzen, noch stark nach vorn gedacht. In den Werkstätten des Bauhauses wurde viel gemeinsam experimentiert – meist so lange, bis ein Gegenstand perfekt war. Vernetzung war schon damals angesagt, für eigenbrötlerisches Spezialistentum kein Platz. Die Vision Bauhaus, das 1919 in Weimar seinen Ursprung hatte, ist und bleibt Avantgarde. Damals war in der Architektur Klassizismus hip und angesagt. Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts war es höchste Zeit, in Kunst, Architektur und Design auf die Industrialisierung zu reagieren. „Ein Gefühl von Unruhe und mangelnder Befriedigung beherrschte uns um 1890 so allgemein“, schrieb Henry van de Velde. Es ging den Vordenkern generell um eine befreiende Haltung. Die neu14

03 Sessel Utrecht von Gerrit Rietveld Cassina hat den Klassiker von 1935 aktuell auch in rotem Samt im Programm 03

FUNKTIONALE FORMEN, DIE NICHT DURCH ÜBERFLÜSSIGES BEIWERK VERUNKLART WERDEN, SOLLTEN AUCH DEN KOPF BEFREIEN en Möbelformen, die entwickelt wurden, sollten auf den Alltag der Menschen zurückwirken. Die Rationalität der von allem Ballast befreiten Formen hatte eine material- und kostensparende Herstellung zu ermöglichen. Alle sollten sich die neuen Möbel leisten können. Gleichzeitig stellte man sich vor, dass funktionale Formen, die nicht durch überflüssiges Beiwerk verunklart sind, auch den Kopf befreiten und ihn für neue, progressive Ideen empfänglich machten. MAGAZIN FÜR EINRICHTEN UND LEBEN

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04 Wiege von Peter Keler In der Frühzeit des Weimarer Bauhauses entstanden, verdeutlicht die Wiege die Art der Reduktion, um die es den Bauhäuslern ging


TITELSTORY BAUHAUS HEUTE

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05 Teppich Homage to the Square von Josef Albers Der handgetuftete Teppich zeigt ein Motiv der gleichnamigen Bildserie zur Farbwahrnehmung

06 Satztische B 9 a–d von Marcel Breuer Die multifunktionalen Satztische standen am Beginn von Marcel Breuers Stahlrohrarbeiten

Was damals für gutes Design galt, gilt noch immer. Ressourcenschonendes, interdisziplinäres Arbeiten und die Kenntnis von Material und Fertigungstechniken sind für Designer wichtiger denn je. Ebenso aktuell ist eine Ästhetik, die das Wesentliche eines Gegenstands hervorbringt. Denn: Funktionalität und Ästhetik stellen keinen Widerspruch dar. Das zeigen nicht nur die Entwürfe des Bauhauses selbst, dessen Einfluss weltweit spürbar ist. Ausgerechnet hierzulande dauerte es aber bis in die 60er-Jahre, bis nach Nazis, Krieg und Trümmerräumen Luft für ein neues Denken war und die Entwürfe des Bauhauses endlich zu Ehren kamen – nicht zufällig übrigens auch die Zeit, in der viele CI-Einrichtungshäuser gegründet wurden, die die Bauhaus-Prinzipien bis heute konsequent hochhalten. In den 60ern erwarb

07 Bibendum, Adjustable Table und Tube Light von Eileen Gray Klassiker der Moderne des erfinderischen Multitalents

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08 Sessel LC3 von Le Corbusier, Pierre Jeanneret und Charlotte Perriand Cassina offeriert den Sessel jetzt auch in einer Outdoorvariante

MAGAZIN FÜR EINRICHTEN UND LEBEN

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TITELSTORY BAUHAUS HEUTE

auch Cassina die Lizenzrechte an den Entwürfen von Le Corbusier, und Knoll startete mit der Produktion in Europa. 50 Jahre nach der Gründung des Bauhauses in Weimar war mehr als ein Hauch von Aufbruch zu spüren. Bekannt wurden nicht nur die Gegenstände, die in den Bauhaus-Werkstätten direkt oder während der 14 Jahre, in denen die berühmte Schule existierte, entstanden. Den Aufbruch zu einer reduzierten Formensprache signalisierte bereits 1908 Otto Blümels Garderobe Nymphenburg. Parallel zum Bauhaus wurden in Finnland, Frankreich oder in den Niederlanden Objekte entworfen, die den Geist des Bauhauses atmeten. Und als 1963 das Aufbewahrungssystem USM Haller herauskam, hatte sich das Bauhaus endgültig bis in die 60er verlängert. GRENZENLOSE KREATIVE FREIHEIT

Dabei ist es nicht geblieben. Das Bauhaus und seine Prinzipien sind populärer denn je, die Bauhaus-Erben des 21. Jahrhunderts genießen die grenzenlose Freiheit im kreativen Prozess samt fortgeschrittenen technischen Möglichkeiten und neuen Materialien.

01 Liege Theban von Ferdinand Kramer Die geflochtene Liege entstand 1925 für die Siedlungsbauten des „Neuen Frankfurt“ in den 20er-Jahren 02 Sessel Cité von Jean Prouvé Entstanden für die Studentenwohnheime der Cité universitaire von Nancy

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SUBSTANZIELLES DESIGN IST KEINEN MODEN UNTERWORFEN, LEDIGLICH MIT DER AKZEPTANZ KANN ES SCHON MAL DAUERN

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03 Stuhl Standard von Jean Prouvé Bei dem Entwurf von 1934 bestimmt die Statik die Form

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04 Stuhl Zickzack von Gerrit Rietveld Der Stuhl ist nichts für langes Sitzen – eher ein skulpturales Möbel mit Ablage­ funktion 06 „Das Bauhaus in 100 Objekten“ Anlässlich des Jubiläums der Gründung der berühmten Kunstschule vor 100 Jahren führt minimum, das zu den creativen inneneinrichtern gehörende Berliner Unternehmen, durch das Herz des Bauhauses: die Lehrwerkstätten. Aus dem vielen Interessanten wurden 100 Objekte für das Buch ausgewählt. Sie werden im Herbst 2019 in einer Ausstellung im Foyer des Berliner Stilwerks zusammengeführt. Das Buch ist auch über die Mitgliedshäuser der creativen inneneinrichter und unter www.creative-inneneinrichter.de zu beziehen (ISBN-Nummer: 978-3-86228-196-1)

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05 Tischleuchte von Wilhelm Wagenfeld Zum Geburtstag gibt’s die Ikone bei Tecnolumen in echtem Silber

07 Liege Barcelona von Mies van der Rohe Das Tages­ bett entstand für die New Yorker Wohnung des Architekten Philip Johnson

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08 Stuhl Thonet 118 von Sebastian Herkner Neuinter­ pretation des Frankfurter Stuhls von 1939

07 MAGAZIN FÜR EINRICHTEN UND LEBEN

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TITELSTORY BAUHAUS HEUTE

04 Kommode von USM Haller Auch die Schweizer sehen sich in der Tradition des Bauhauses 01

05 Klapptisch K10N von Erich Brendel und Sessel D1N von Peter Keler Zwei Klassiker, neu interpretiert für das „BauhausNowhaus“-Projekt von Tecta

04 01 Sessel F51 von Walter Gropius Der BauhausGründer zeigte 1920, wie ein voluminös gepolsterter Sessel aussieht 02

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02/03 Faltsessel D4N von Marcel Breuer, interpretiert von Kerstin Bruchhäuser für „BauhausNowhaus“

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Pia Wüstenberg etwa ist eine der Ver­treterinnen des zeitgenössischen Designs, die sich traut. Ihre Referenz: Natur. Ihr Postulat: Einzigartigkeit als Gegengewicht zu industrieller Massenproduktion. Strenge Bauhaus-Vertreter werden zu Recht zucken: Wollte das Bauhaus nicht Funktionales in Massenproduktion einer immer größer werdenden Menge potenzieller Konsumenten anbieten? Touché! FORM FEATURES FUTURE

Spannender, als sich an vermeintlichen Dogmen zu orientieren, ist es, das Bauhaus als Entwicklungsprozess zu begreifen und zeitgenössische Entwürfe an der Freiheit des Designs unter aktuellen Fragestellungen zu beobachten. Pia Wüstenberg reagiert. Nachhaltig, einzigartig, persönlich. Tanz die Vase. Glas mit Keramik mit Holz mit Metall – Form follows function, heißt heute:

MAGAZIN FÜR EINRICHTEN UND LEBEN

Form features future – Form folgt nicht, Form nimmt Zukunft vorweg. Einiges von Pia Wüstenberg kommt unkompliziert daher, wirkt wie die Blaupause für ein Massenprodukt. Das macht einen Teil des Charmes aus und zeigt ein bisschen, wie Wahrnehmung 2019 ästhetisch polarisiert: „Die Geissens“ versus Jonathan Ive, Apple. Ach ja, Apple … In galoppierenden Zeiten setzt auch ein ästhetisch avantgardistisches Label schnell Staub an. Aber nicht vergessen: Ives Ur-In­ spiration fürs Apple-Design waren Dieter Rams’ Entwürfe für Braun. Ein kleiner Sprung aus den 20ern in die 60er, als die ersten Stereoanlagen und TV-Geräte in die Wohnräume integriert werden mussten. Schon sind wir bei Knoll, dem Unternehmen, das in den 60ern durch die ersten Aufnahmen von Bauhaus-Entwürfen ins Museum of Modern Art


TITELSTORY BAUHAUS HEUTE

Liege Day Bed von Eileen Gray ClassiCon produziert jetzt eine Variante mit schwarzem Metall sowie eine größere Version

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TITELSTORY BAUHAUS HEUTE

Kultstatus erwarb – mit Möbeln von Mies van der Rohe aus den 20ern und 30ern. Ein Beleg dafür, dass substanzielles Design keinen Moden unterworfen ist – lediglich mit der Akzeptanz kann es schon mal ein paar Dekaden dauern. Zum 100-jährigen Bauhaus-Jubi­ läum wurden die MR Collection (Stuhl, Sessel, Liege, Beistelltisch) und die Sessel­­ikone Barcelona Chair (1929) von Bauhaus-Direktor Mies van der Rohe in limitierter und überarbeiteter Auflage präsentiert. Und die von Piero Lissoni für Knoll vorgestellten Sessel KN01 und KN02 fußen nicht nur auf der Tradition von Mies van der Rohe, sondern stehen dem Meister auch formal und ästhetisch in nichts nach. BAUHAUS, NEU INTERPRETIERT

Die Lizenzen für originale BauhausEntwürfe sind weit verbreitet: Tecta, Knoll, Vitra, Thonet, Tecnolumen, ClassiCon, Cassina und Lampert teilen sich die Rechte an Originalem und Verwandtem aus der Zeit. Und sind so schlau, nicht nur Museales zu verkaufen. Sie peppen die ursprünglichen Entwürfe durch neue Bezugsmate­ rialien und Farben auf, graben in den Archiven bisher nicht Realisiertes aus und stellen neue, bauhausinspirierte Designs zeitgenössischer Gestalter ­neben die Klassiker. Tecta ließ zum Jubiläum Ikonen wie den Wassily Chair von Marcel Breuer,

01 Sessel Weißenhof von Ferdinand Kramer Ein Statement für Klarheit und Komfort durch die großzügige Sitztiefe. Der Sessel wurde erstmals 1927 gezeigt

02 Stuhl D8P von Martin Hirth Silhouette und Ausstrahlung des F51-Sessels, übertragen auf einen neuen Polsterstuhl

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Walter Gropius’ Sessel F51 oder Erich Brendels Teetisch K10 von aktuellen Designern auffrischen. Kerstin Bruchhäuser und die britische Stickkünst­ lerin Esther Wilson interpretieren Marcel Breuers Sessel D4 durch innovative Bezüge neu, Katrin Greiling leistete Gleiches für Walter Gropius’ Kubus-Sessel F51. Tectas Initiative „BauhausNowhaus“ zeigt, dass Konzepte, Ideen und Möbel der Bauhaus-Ära überhaupt nichts von ihrer Faszination und Alltagstauglichkeit eingebüßt haben. Neu und in einer auf 200 Exemplare

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03 Stuhl Beugel von Gerrit Rietveld Jubiläumsedition, bedruckt mit einer Illustration des Grafikers Joost Swarte

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MAGAZIN FÜR EINRICHTEN UND LEBEN


TITELSTORY BAUHAUS HEUTE

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04 Möbel von Fnji Bauhaus goes China – pure Reduktion, hergestellt aus lokalen Materialien

05 Konsole von Johanenlies Leichtfüßiges, bis aufs Minimum reduziertes Design

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06 Beistelltisch von Johanenlies Sehr spielerischer Umgang mit Farbe

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07 Sideboard von Johanenlies Alt wird neu – Upcycling hätte auch Walter Gropius beschäftigt

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TITELSTORY BAUHAUS HEUTE

AUS LICHTEM, LUFTIGEM ARBEITERMOBILIAR SIND MUST-HAVES GEWORDEN, DIE STILSICHERHEIT DOKUMENTIEREN

Tisch mit Leuchte von Muller Van Severen Fien Mullers und Hannes Van Severens reduzierte Formensprache transportiert die Bauhaus-Idee in die Jetztzeit

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MAGAZIN FÃœR EINRICHTEN UND LEBEN


01 Vase Heiki von Pia Wüstenberg Einzigartiges Glasdesign, nachhaltig und persönlich

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02 Stuhl Shell Lounge von Niko Kralj 1956 entwarf Kralj diesen Stuhl – das Bauhaus hinterließ auch im Osten Spuren

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03 Konsole Tambour von Pool BauhausÄsthetik, gepaart mit moderner Materialität

04 Stuhl Mosquito Chair von Niko Kralj Das „SignaturObjekt“ des Slowenen steht im MoMA

limitierten Edition bei Tecta: die erstmals produzierte Tafellampe von Gerrit Thomas Rietveld von 1922. Thonet produziert den S 64 von Marcel Breuer in einer Atelierstuhlvariante und eine Reedition der Beistelltischserie MR 515 nach einem Entwurf Ludwig Mies van der Rohes, interpretiert vom Designduo Marcel Besau und Eva Marguerre. ClassiCon präsentiert Eileen Grays puristisches Day Bed in neuer Metall­optik, und Cassina bezieht Rietvelds Utrecht-Sessel mit rotem Jubiläumssamt. Wermutstropfen bei allem, was Bauhaus ist oder seine Ideen aufgreift: Schnäpp­chen kann man nicht erwarten. Ein originaler Vintage-Wassily-Chair kostet heute um die 33 000 Euro. Am Anspruch, Standardprodukte zu schaf-

fen, die durch industrielle Fertigung für eine möglichst breite Bevölkerungsschicht erschwinglich sind, ist das Bauhaus gescheitert. Aus lichtem Arbeitermobiliar sind Must-haves geworden, die die Stilsicherheit ihrer Besitzer dokumentieren. Wirklich Neues ist darüber lange Zeit zu kurz gekommen. Mateo Kries, Direktor des Vitra Design Museums, merkte in einem Gespräch über Wohnen in Berlin an: „Ich vermisse Mut, ungewöhnliche Konzepte in der Einrichtung umzusetzen“, sprich: Er vermisst Avantgarde, er vermisst Bauhaus 2.0 im täglichen Gebrauch. Dabei ist es durchaus existent, allerdings oftmals im (für uns) Verborgenen. Fnji, ein chinesisches Label, etwa ist pures BauMAGAZIN FÜR EINRICHTEN UND LEBEN

haus: Lokale Materialien wie Bambus werden verarbeitet und Formen wie beim Cube Armchair dekonstruiert. Die Marke zeigt, dass mit Anklängen an die chinesische Formensprache internationales Design möglich ist, ohne in Ethnokitsch abzudriften. Zurück nach Europa. Wer würde Muller Van Severen absprechen, dass ihre zierlich-minimalistischen Entwürfe in der Bauhaus-Tradition stehen? Oder dem Mobiliar des französischen Kreativstudios Pool, etwa der Tambour-Konsole. Sie verbindet die Bauhaus-Ästhetik mit der Materialität von heute: gehämmertes Kupfer und schwarz lackiertes Metall in einer Form, die 1920 nicht herstellbar gewesen ­wäre. Oder Rex Kralj. Der slowenische Designer Niko Kralj, geboren 1920, gründete 1952 hinter dem Eisernen Vorhang das Label Rex 120 und 1966 eine Hochschule für Design. Bauhaus im Osten. Sein Mosquito-Stuhl, 1953 entworfen, konnte erst 2012 realisiert werden. Zu komplex für die Herstellung vor den 2000er-Jahren, ist der Stuhl das „iconic piece“ des Labels Rex Kralj. So weit ist Johanenlies noch nicht. In der Bauhaus-Linie steht die Marke trotzdem: Mike Raaijmakers und Coco Prange schaffen aus Altem Neues. Leichtfüßiges, aufs Minimum reduziertes Design, von alternativem Up­ cycling-Krempel Lichtjahre entfernt, aber ganz nah am Bauhaus. Walter Gropius würde sich 2019 ganz sicher mit der Frage nachhaltiger Ressourcen beschäftigen.  23


DESIGN DER KLASSIKER #15

WASSILY CHAIR

E   IN KLUBSESSEL REVOLUTIONIERT D   EN MODERNEN MÖBELBAU MARCEL BREUER, JUNGMEISTER AM

BAUHAUS IN DESSAU, war ein begeis­

MARCEL BREUER wurde 1902 im ungarischen Pécs als Marcel Lajos Breuer geboren. Seine Idee – Stahlrohr als Gerüst für die Konstruktion von Möbeln – hatte er mit ­gerade einmal 23 Jahren als Jung­meister in der Möbelwerkstatt am Bauhaus in Dessau. In Kooperation mit den in der Stadt beheimateten Junkers-Flugzeugwerken entwarf er auf den Sessel B3, den Wassily Chair, ­folgend eine Reihe weiterer Stahlrohrmöbel. Nach seiner Emigration nach London und weiter nach New York (wo er 1981 starb) arbeitete Breuer vorwiegend als Architekt.

terter Radfahrer. Angeblich inspi­ rierte ihn der geschwungene Stahl­ rohrlenker seines Adler-Fahrrads da­ zu, das leichte und stabile Material auch für Möbel auszuprobieren. Und er setzte seine Idee radikal kon­ sequent um, indem er 1925 einen Klubsessel entwarf, dem man seine ­Kon­struktion und Statik bis in alle Einzelheiten ansieht. Selbst die Verspannung der Lederriemen als Rücken­lehne und Sitz wird offen ­gezeigt. Mit dem Sessel schuf Breuer das erste Stahlrohrmöbel der Welt.

Den Namen Wassily Chair verdankt der revolutionäre Sessel aus naht­los geformtem Rundrohrstahl dem ­Maler Wassily Kandinsky, der zur ­selben Zeit wie Breuer am Bauhaus arbei­tete. Er war so überzeugt von Breuers Entwurf, dass er sich noch vor ­Beginn der Serienfertigung ein Exemplar für seine Wohnung in den Dessauer Meisterhäusern erbat. ­Marcel Breuers Stahlrohrmöbel wur­ den zu Ikonen des neuen Wohnens. Der Wassily Chair ist heute eines der meistkopierten Möbelstücke der ­Moderne und wird von Knoll in ­Lizenz produziert.

Das Gestell aus nahtlos verschweißtem Rundstahlrohr ist beim Wassily Chair unserer Tage verchromt.

Die federnden Lederbänder an Rücken, Armlehnen und Sitz sind ursprünglich sowie in einer zum Bauhaus-Jubiläum neu aufgelegten Version aus Eisengarn, heute ansonsten meist aus stabilem Rinderkernleder, Kuhfell oder Segeltuch gefertigt.

Eine Einprägung mit der Signatur Marcel Breuers auf dem Gestell kennzeichnet die von Knoll produzierten Originale, bei denen auch die Rohrenden sauber verschweißt sind.

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MAGAZIN FÜR EINRICHTEN UND LEBEN


Tischleuchte WG 24, Design: Wilhelm Wagenfeld


HOMESTORY DELFT

WOHNEN IN DER MODERNE

RADIKAL REDUZIERT

Den niederländischen Juristen Paul Lappia und seine Frau Josephine fasziniert die Moderne. Als er die Chance bekam, ein originales Diagoon-Haus des strukturalistischen Architekten Herman Hertzberger zu kaufen, zögerte er keinen Moment. Und wohnt heute mit sorgsam zusammen­ gesuchten Möbeln aus der Bauhaus-Ära, die ebenso konsequent minimalistisch sind wie das Gebäude selbst TEXT: Kerstin Schweighöfer  FOTOS: living4media/Jansje Kalzinga  STYLING: Emmy von Dantzig

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MAGAZIN FÜR EINRICHTEN UND LEBEN


Licht von allen Seiten Das Diagoon-Haus von Paul und Josephine Lappia ist offen und transparent

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Gepflegte Ordnung Um die Wir­kung des HertzbergerDiagoon-Hauses zu betonen, achtet die Familie auf ein aufgeräumtes Ambiente

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igentlich hatte er sich das Haus nur anschauen wollen. Aus Neugierde. Und weil er als Architekturliebhaber eine große Schwäche für Herman Hertzberger hat, den großen, inzwischen 86 Jahre alten Baumeister aus Amsterdam, der als einer der wichtigsten Vertreter des Strukturalismus gilt. Doch als Paul Lappia die kleine Diele durchquert und der Makler die große Schiebetür aufgezogen hat – „da war’s um mich geschehen!“, erzählt der 58-jährige niederländische Jurist. Was für ein spektakulärer, lichtdurchfluteter Wohnraum! Wobei das Licht nicht nur durch die verglaste Gartenfassade wie ein Wasserfall hereinschwappte, sondern auch von ganz oben, durch ein großes Fenster im Flachdach. „Meine Frau hat nur die

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Augen verdreht“, erinnert sich Lappia schmunzelnd. „Die wusste sofort, was die Uhr geschlagen hat!“ NICHTS VERSPERRT DEN BLICK

Ein paar Monate später, im Januar 2011, konnten sich die Lappias stolze Besitzer eines von acht sogenannten Diagoon-Häusern nennen. Hertzberger hatte sie zwischen 1967 und 1971 als Prototypen in Delft realisiert. Diagoon wie diagonal. Denn egal wo man in diesem Haus steht – nichts versperrt den Blick. Überall laufen lange Sichtachsen vom einen Ende des Hauses zum anderen: von der Arbeitsecke an der Straßenseite hoch in den Schlafbereich. Oder an der Küche vorbei hinunter bis in den Garten. Offenes und transparentes Wohnen auf ins­ gesamt 170 Quadratmetern. Ganz

Kenner und Genießer Paul Lappia lässt nur ausgewählte Möbel wie diesen Eames Chair in sein Zuhause


HOMESTORY DELFT

„DAS WOHNEN HIER GIBT MIR GEBORGENHEIT. ICH KANN MIR NICHT VORSTELLEN, DASS ES EIN PRÄCHTIGERES HAUS GIBT, UM DARIN ZU LEBEN“ PAUL LAPPIA

Ikone aus Holz Gerrit Rietvelds Zickzack-Stuhl am Esstisch aus Flugzeugaluminium ist nur eines von mehreren Möbelstücken des nieder­ län­dischen Schreinermeisters im Lappia-Haus MAGAZIN FÜR EINRICHTEN UND LEBEN

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Ausgewählt Paul und Josephine Lappia beschränken sich auf wenige Liebhaberstücke, um dem Haus nichts an Wirkung zu nehmen

„DAS HAUS MAG SICH NICHT HINTER DER EINRICHTUNG VERSTECKEN. WIR DENKEN IMMER LANGE NACH, BEVOR WIR ETWAS ANSCHAFFEN“ PAUL LAPPIA

ohne Türen und Zwischenwände: Architekt Hertzberger hat die Wohnbereiche um den zentralen Lichtschacht herumgelegt – und zwar als halbe Etagen, die eine nur ein paar Meter höher als die andere, durch wenige Treppenstufen getrennt. EIN HAUS ALS SKELETT

Die Diagoon-Häuser sind seine Antwort auf die seelenlosen Betonburgen und einförmigen Reihenhaussiedlungen, mit denen auch die Niederländer nach dem Zweiten Weltkrieg die hohe Wohnungsnot zu lindern versuchten. Von einem fertigen Haus kann im Grunde genommen keine Rede sein, Hertz­­ berger hat nur das Bauskelett mit den tragenden Mauern geliefert, unverputzt aus Beton. Einteilung und Gestaltung, so fand er, seien Sache der zukünftigen Bewohner: Die sollten sich einbringen und dem Haus ihren individuellen Stempel aufdrücken. So wie es auch auf dem Werbeplakat von 1970 steht, das Paul Lappia neben seinem Schreibtisch aufgehängt hat: „Een ander huis – een huis dat ieder anders maakt“, zu Deutsch etwa: „ein anderes Haus – eines, das sich jeder anders macht“. Die Lappias haben alles belassen, wie es war. Auch die Betonwände. Und sämtliche Eingriffe der vorigen Bewoh30

Rohe Wände Paul Lappia hat das Haus wo immer möglich in den ursprünglichen Zustand zurückversetzt


HOMESTORY DELFT

Form. Funktion. Und Freude.

Klare Farben Der weinrote Utrecht-Sessel von Gerrit Rietveld steht vor der verglasten Gartenfassade

ner rückgängig gemacht. In diesem Fall Zwischenwände und Schiebetüren entfernt, denn vor ihnen hat eine Fa­ milie mit kleinen Kindern das Haus bewohnt. Nichts sollte die ursprüng­ liche Raumwirkung und den Lichtein­ fall beeinträchtigen. „Deshalb üben wir uns auch bei der Einrichtung in Zurückhaltung“, betont Josephine Lappia. „Less is more“, lautet ihre Devise. Damit die Architektur wei­ terhin zu ihrem Recht kommt und nicht hinter der Einrichtung verschwindet: „Wir sagen lieber öfter mal Nein und beschränken uns auf wenige Lieb­ haberstücke.“ LICHTSCHACHT INS ZENTRUM

Etwa auf den Schlafzimmerschrank aus Abfallhölzern, ein frühes Werk des Nie­ derländers Piet Hein Eek. Oder den Esstisch aus leichtem Flugzeugalumi­ nium seines Landsmanns Ben Hoek. „Den haben wir direkt unter den zen­ tralen Lichtschacht gestellt, ins Herz des Hauses.“ Auf allen Etagen finden sich kleine Stahlrohrbeistelltische von Gispen. Im Wohnbereich prangt rot und frech das Diana-Sidetable mit Zeit­ schriftenablage, das der deutsch-serbi­ sche Designer Konstantin Grcic 2002 entworfen hat. Und gleich daneben, prominent mit Blick in den Garten, lädt ein Eames-Sessel zum Verweilen ein. Die große Vorliebe der Lappias gilt Entwürfen aus der Bauhaus-Ära – allen voran denen der niederländischen DeStijl-Bewegung, die bereits 1917 ent­ MAGAZIN FÜR EINRICHTEN UND LEBEN

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„ALLES HAT SEINEN PLATZ IM HAUS. TRÖDEL KOMMT HIER NICHT REIN“ PAUL LAPPIA

standen war und das Bauhaus nach­ haltig beeinflusst hatte. Zu De Stijl gehörten Architekten wie Theo van Doesburg und Jacobus Oud, der Maler Piet Mondrian und der Utrechter Möbelschreiner Gerrit Rietveld. „Der stand schon in unserer vori­ gen Wohnung in Rotterdam“, erzählt Paul Lappia. Da lebten sie noch ganz oben im 23. Stock, in einem ultra­ modernen Apartment mit riesigem Wohnzimmer. „Aber irgendwie kamen 32

wir uns da immer verloren vor, wie in einem Möbelshowroom.“ Ganz anders das Diagoon-Haus mit seinen vielen verschiedenen Bereichen auf mehreren Ebenen. „Hier können wir uns je nach Stimmung in eine an­ dere Ecke verziehen.“ Hier fühlen sie sich heimelig und geborgen. Und deshalb können die wenigen Möbelstücke noch so erlesen sein – „sie werden benutzt!“, betont Paul Lappia. Das gilt auch für das weinrote und et­ was strapazierte Rietveld-Original von 1935. Denn, so stellt Hausherr Lappia mit einer weit ausholenden Hand­ bewegung klar: „Das hier ist kein Mu­ seum. Hier wird gelebt!“

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Schrank aus Abfallholz Im Schlaf­ zimmer steht ein frühes Möbel von Piet Hein Eek


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Möglichkeit, Möbel, Materialien und Oberflächen wirklich „live“ und in der Zusammenstellung zu er­ leben. Nur bei uns können unsere Experten Ihre Wünsche und Möglichkeiten verstehen lernen, um gemeinsam mit Ihnen die optimale Lösung für Ihre Bedürfnisse zu finden. Und nur bei uns im CI-Einrichtungshaus kom­ men Sie in den Genuss unserer zahlreichen weite­ ren Kompetenzen und Services, die Ihnen das Ein­ richten leichter machen. Wir freuen uns auf Sie!

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100 JAHRE BAUHAUS

ZUR FEIER DES BAUHAUS-JAHRES DAS JUBILÄUM DER KUNST- UND ARCHITEKTURSCHULE ist eines der Kulturgroßereignisse des Jahres. Entsprechend groß ist auch die Zahl der Bücher und Ausstellungen, die sich auf die Bauhaus-Meister und ihre Nachfolger beziehen. Das Bauhaus industrialisierte den Möbelbau. Einer der wichtigsten Pro­duzenten: Anton Lorenz, dem das Vitra Design Museum eine Ausstellung widmet („Von der Avantgarde zur Industrie“, bis 19. Mai 2019, Vitra Schaudepot, Weil am Rhein). Der Fotograf Jean Molitor hat sich neun Jahre lang auf die Suche nach den Spuren des Bauhauses in aller Welt begeben und daraus ein Kunstprojekt samt Buch gemacht. In Zusammenarbeit mit dem Bauhaus-Archiv spürte Magdalena Droste Geschichte und Wirkung der legendären Kulturinstitution nach – ein Standardwerk.

Jean Molitor: bau1haus – die moderne in der welt Hatje Cantz, 160 Seiten, 40 Euro

Magdalena Droste: bauhaus aktualisierte Aus­­gabe, Taschen, 400 Seiten, 40 Euro

Impressum HERAUSGEBER CI – creative inneneinrichter GmbH & Co. KG, Spreestraße 3, 64295 Darmstadt VERANTWORTLICH Steffen Schmidt (V.i.S.d.P.) OBJEKTLEITUNG Sandra Gotha VERLAG UND ANSCHRIFT DER REDAKTION HOFFMANN UND CAMPE X, eine Marke der HOFFMANN UND CAMPE VERLAG GmbH, ein Unternehmen der GANSKE Verlagsgruppe, Harvestehuder Weg 42, 20149 Hamburg,

Tel. +49 40 44188-239. Amtsgericht Hamburg, HRB 81308 Sitz: Hamburg GESCHÄFTSFÜHRUNG Heiko Gregor, Thomas Keßler CHEFREDAKTION Peter Würth CREATIVE DIRECTION Tobias Zabell ART DIRECTION Thanh-Huyen Nguyen GRAFIK Leslie Klatte KEY ACCOUNT MANAGEMENT Harriet Grisson PROJEKTMANAGEMENT Simone Wippern BILD­REDAKTION Anna Constanty, Ann-Kathrin Weiner REDAKTIO­NELLE MITARBEIT Dominik Betz, Mareike Enghusen, Andreas Tölke SCHLUSSREDAKTION Ursula Junger HERSTELLUNG Wym Korff LITHO PRO MEDIEN PRODUKTION GmbH DRUCK Ernst Kaufmann GmbH & Co. KG, Druckhaus, Lahr ABONNEMENTS, VERTRIEB UND ANZEIGENVERANTWORTUNG Sandra Gotha (info@creative-inneneinrichter.de) ANZEIGEN Werner Fischer – Tellus Corporate Media GmbH, Hammerbrookstraße 93, 20097 Hamburg, Tel.: +49 40 280868-87 Fax: +49 40 280868-20, E-Mail: w.fischer@tellus-corporate-media.com. Es gilt die Anzeigenpreisliste gemäß den Media­daten 2017 REDAKTIONSBEIRAT Lars Dierking, Wilfried Lembert, Klaus Seydlitz. Dieses Magazin und alle in ihm enthaltenen Beiträge, Entwürfe, Abbildungen, des Weiteren die Darstellung der Ideen sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung einschließlich Nachdruck ohne schriftliche Einwilligung des Verlages strafbar. Es wird nur presserechtliche Verantwortung übernommen.

Bildnachweis Titel: PR; Seite 2–3: Jonas Lindstroem; Seite 6–7: Getty Images; Seite 8–9: Getty Images; Seite 10–11: Assaf Pinchuk; Seite 12-23: PR; Seite 24: Illustration: Uli Knörzer, Foto: PR; Seite 34: PR; Seite 35: Vitra Design Museum Grafik Herbert Bayer, Verlagsanstalt Alexander Koch Foto Emil Leitner, Jean Molitor, Deutschland, Löbau, Haus Schminke („Nudeldampfer“), Hans Scharoun, 1932–33; Seite 36–37: Shutterstock; Seite 38–39: PR; Seite 40–41: akg-images/Benjamin Ochse, Assaf Pinchuk (2), PR; Seite 42–43: Naeblys/Alamy Stock Photo, Jael Pincus, Shutterstock (2), iStockphoto; Seite 44–45: Shutterstock, iStockphoto, Eddie Gerald/Alamy Stock Foto, Yadid Levy/Alamy Stock Photo; Seite 46–47: Gideon Levin, PR; Seite 48–49: Gideon Levin, Michael Jacobs/Alamy Stock Photo, PR; Seite 50–51: Gideon Levin, PR; Seite 52–53: PR; Seite 54–55: Jonas Lindstroem (Porträt), PR; Seite 56: PR; Seite 58–59: PR; Seite 60–61: PR; Seite 62–63: PR; Seite 64–65: PR; Seite 66: ddp images, Illustration: Uli Knörzer

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B AUHAUS-METROPOLE

D IE  W EISSE  S TADT  B ITTET  Z UM  TANZ Tel Aviv beherbergt das weltweit größte Ensemble an Bauhaus-Gebäuden. Rund 4000 Bauten zeugen vom Erbe der Weimarer Kunstschule – entstanden in den 30er-Jahren, als viele der Bauhaus-Lehrer und -Schüler vor den Nazis hierherflohen. Ein Rundgang vom Dizengoff-Platz zu den Ikonen des UNESCO-Weltkulturerbes mit ihren weißen Fassaden, flachen Dächern und gerundeten Balkonen TEXT: Mareike Enghusen

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Rekonstruiert Bis 2017 befand sich der Dizengoff-Platz auf einem Plateau, unter dem der Verkehr rollte

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er tagträumend durch Tel Aviv schlendert, übersieht sie leicht: Die Weiße Stadt, eine einzigartige Ansammlung von Gebäuden im Bauhaus-Stil, versteckt sich in stillen Wohngegenden zwischen modernen Betonbauten. Wer jedoch aufmerksam durch die Straßen rund um den Dizengoff-Platz spaziert, entdeckt sie überall: weiße Fassaden, flache Dächer, gerundete Balkone, strenge Linien, die nüchternen und doch eleganten Formen, die in der 1919 gegründeten Weimarer Kunstschule entstanden und von dort aus die Welt eroberten. In den 30er-Jahren trugen jüdische Architekten die moderne Architektur von Walter Gropius, Le Corbusier und Erich Mendelsohn aus Europa ins britische Mandatsgebiet Palästina. Dort wurden dringend neue Unterkünfte für jüdische Flüchtlinge gebraucht, zudem passte die Bauhaus-Philosophie zum Ethos der frühen Zionisten: egalitär, pragmatisch, zukunftsgewandt. Über 4000 Gebäude im Bauhaus-Stil entstanden zwischen 1920 und 1940 in Tel Aviv, wobei manche Experten lieber vom „Internationalen Stil“ sprechen, da viele der verantwortlichen Architekten nicht selbst an der Bauhaus-Schule studiert hatten. Deren Einfluss prägt die Stadt jedoch bis heute. Die UNESCO erklärte die Weiße Stadt 2003 zum Weltkulturerbe.

Ihr altes und neues Herz ist der Dizengoff-Platz, eine begrünte Fläche mit Bänken und Springbrunnen, umsäumt von Bauhaus-Gebäuden. Einst galt der Platz als soziales Zentrum und Symbol moderner Architektur. 1978 jedoch wurde er durch eine Unterführung mit betoniertem Überbau ersetzt. Erst vor einigen Jahren entschied die Stadt, ihm seine alte Form zurückzugeben. Seit Herbst 2018 gibt der Platz nun erneut den Blick frei auf die umstehenden Bauhaus-Gebäude mit ihren blütenweißen Fassaden und den abgerundeten Balkonen. In einem von ihnen, dem Hotel ­C inema, war einst ein Kino unter­ gebracht, Yehuda Magidovitch, einer der wichtigsten israelischen Architekten, entwarf es 1938. Heute dient es als Hotel, Poster in der Lobby erinnern an seine frühere Funktion. Daneben

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01 Gemütlich Das Design­ hotel Center Chic bietet den perfekten Rückzugsraum nach Spazier­ gängen durch Tel Aviv. Eine Dachterrasse gibt es auch

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02 Zentral Im Herzen der „White City“: rechts das ­Hotel Center Chic, links da­ neben das ­Hotel Cinema

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04 03 Runde Sache Die Balkone des Hotels Cinema sind an die Form des benachbarten Dizengoff-Platzes angelehnt 04 Und Action! Im Hotel Cinema gibt es viele Anleihen an den klassischen Film. Klar, war ja mal ein Kino

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01 Ruhige Gegend Wohnhaus in der Yael-Straße 3, erbaut von Architekt Oskar Kaufmann

02 Kundige Guides Jeden Freitag um 10 Uhr startet am Bauhaus Center ein geführter Spaziergang

steht das Hotel Center Chic, dessen Dach­terrasse eine eindrucksvolle Aussicht über die ­Weiße Stadt bietet. Im beliebten Café Nahat nebenan kann man die Szenerie bei einer Tasse ­„hafuch“, Cappuccino, auf sich wirken lassen. Nur wenige Schritte vom Dizengoff-Platz entfernt steht das Bauhaus Center, gegründet 2000 von einem schweizerisch-israelischen Ehepaar. Es entwickelte die ersten BauhausFührungen zu einer Zeit, in der sich die Einheimischen kaum für das architektonische Erbe interessierten. Heute organisiert das Center Ausstellungen israelischer Designer, publiziert Bücher und setzt sich für den Erhalt der Bauhaus-Gebäude ein. In den kleinen Seitenstraßen, die von der quirligen Dizengoff-Straße abgehen, lassen sich etliche Wohngebäude im Bauhaus-Stil entdecken. Das Haus in der Yael-Straße 3 etwa gestaltete 1935 Oskar Kaufmann, ein ungarischer Architekt, der auch Israels ­Nationaltheater, das Neue Stadttheater in Wien und mehrere Berliner Theater entwarf. In der Yael-Straße versteckte er eine Hommage an sich selbst: Die Außentreppen links und rechts vom Eingangsbereich erinnern an die Tribüne eines Amphitheaters. Nur wenige Häuser weiter umrahmen braune Kacheln den Eingang eines 40

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beigefarbenen Steinputzgebäudes – ein trauriger Gruß aus der deutschen Geschichte: 1933 schlossen Zionisten mit den Nazis das Haavara-Abkommen, das es deutschen Juden, die nach Palästina auswandern wollten, erlaubte, Teile ihres Vermögens in Form von deutschen Waren mitzunehmen. So gelangten deutsche Produkte ins Land, häufig Bauelemente, die sich in vielen Bauhaus-Häusern wiederfinden. Bei den meisten Bauhaus-Gebäuden in Tel Aviv handelt es sich um Wohnhäuser, die bis heute als solche genutzt werden. Viele frühere Firmengebäude

03 Vielseitig Das Bauhaus Center ver­legt Bücher zum Thema und verkauft sie im eigenen Gift Shop

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dagegen wurden umfunktioniert, etwa das „Beit Dfus“, zu Deutsch „Druckhaus“, in der Maze-Straße: In dem 1934 errichteten Gebäude wurde einst die Zeitung „Haaretz“ gedruckt, heute ­b eherbergt es das Diaghilev Live Art Suites Hotel, das wechselnde Ausstellungen israelischer Künstler zeigt. Ein weiteres Hotel in einem Bauhaus-Gebäude, das einen Besuch lohnt, ist das Poli House Hotel, apart gestaltet vom kanadisch-ägyptischen Designer Karim Rashid: Die elegante Rooftop-Bar bietet herausragende Cocktails, einen Pool und einen weiten Blick über


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eines der lebhaftesten Ausgehviertel der Stadt. An der Ecke Maze-Straße/Rothschild-Boulevard steht das Engel House, ein vierstöckiges Gebäude mit strengen Linien und schmalen Fenstern. Entworfen hat es der Architekt Zeev Rechter, der bei seinem Idol Le Corbusier in Paris studiert hatte. Lange bot das Engel House einen traurigen Anblick, seine Fassade hatte sich braungrau verfärbt. Jetzt wird es renoviert. Etliche Bauhaus-Gebäude haben jahrzehntelang unter Vernachlässigung gelitten. Andere wurden so stark modernisiert, dass vom Ursprungscharakter wenig übrig blieb. Die Entscheidung der UNESCO war denn auch Ehrung und Mahnung zugleich: Die Stadt solle sich endlich um ihr architektonisches Erbe kümmern. Weil sich die meisten Bauhaus-Bauten in Privatbesitz befinden, bietet die Stadt den Hausbesitzern einen ­Deal an: Sie dürfen die Gebäude aufstocken, wenn sie denkmalgerecht sanieren. Kritiker halten den Ansatz für zu lax.

Befürworter argumentieren, dass er dem Bauhaus-Gedanken entspreche: Die Häuser werden modernen Ansprüchen angepasst – die Form folgt der Funktion, bis heute. Neben der Bauhaus-Architektur hat die Stadt Kunst- und Designinteressierten noch einiges mehr zu bieten. Das Tel Aviv Museum of Art zeigt klassische ebenso wie zeitgenössische Kunst, darunter Werke von Claude Monet, Paul Cézanne, Gustav Klimt und Pablo Picasso. In Israels erstem Design-Museum, 2010 eröffnet im Tel

05 Mut zu Farbe Der Innenbereich des Poli House Hotels wurde von Karim Rashid gestaltet

06 Gute Lage Das Hotel befindet sich am belebten Magen David Square im Herzen von Tel Aviv

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04 Stilmix Im Poli House Hotel trifft Bauhaus auf Futurismus

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Verwinkeltes Atrium Das Tel Aviv Museum of Art wurde 2011 um einen Neubau von Preston Scott Cohen erweitert

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DESIGNTRIP TEL AVIV 01 Runde Sache Guggenheim New York trifft auf Tel Aviv: das ­Design Mu­ seum Holon vor den Toren der Stadt

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Aviver Vorort Holon, lassen sich wechselnde Ausstellungen israelischer und internationaler Designer besichtigen. Das Gebäude selbst, entworfen vom britisch-israelischen Architekten Ron Arad, setzt sich mit den geschwungenen roten Außenwänden spektakulär von den grauen Fassaden der Vorstadt ab. Ausgerechnet im ein wenig ungepflegten Süden Tel Avivs finden sich einige der interessantesten Galerien der Stadt, etwa die Inga Gallery of Contemporary Art mit ihren häufig wechselnden, teils provokanten Ausstellungen israelischer und japanischer Künstler. Von dort aus lohnt sich ein Spaziergang nach Yafo beziehungsweise Jaffa, der historischen Hafenstadt, in deren Seitenstraßen sich etliche kleine Galerien und Boutiquen verbergen. Saga etwa verkauft Werke junger lokaler De-

signer, darunter Keramik- und Glasprodukte, Möbel, Polster, Schmuck – die Auswahl ist groß, die stilistische Vielfalt größer. Gleich nebenan befindet sich der Jaffa Flea Market, ein ganzjährig geöffneter Anziehungspunkt für Touristen wie Einheimische, die Antiquitäten, Secondhandkleidung, De­

04 Orientalische Schönheit Yafo ist nur einen Strand­ spaziergang von Tel Avivs Zentrum entfernt

02 Schöner trödeln In Yafo, dem historischen Zentrum Tel Avivs, findet täglich außer samstags ein großer Floh­ markt statt

03 Versteckte Schätze Das Floh­ marktviertel bietet Nütz­ liches, Unnüt­ zes – und das eine oder andere Vin­ tage-Piece

signerschmuck oder authentische arabische Falafel mögen. Nach einem langen Spaziergang durch Yafos verwinkelte Gassen empfiehlt sich die Einkehr in eines der hafennahen arabischen Fisch­restaurants, beispielsweise den Klassiker The Old Man and the Sea mit Blick aufs Mittelmeer.

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AUSSERDEM SEHENSWERT

TEL AVIV – TIPPS FÜR ÄSTHETEN

Tel Aviv ist nicht nur die Weiße Stadt. Hotels, Bars, Boutiquen machen sie zur vielleicht attraktivsten Metropole am Mittelmeer. Was Design- und Architektur­­interessierte in Tel Aviv außer den Bauhaus-Gebäuden noch gesehen haben sollten ...

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DIE ADRESSEN 01 THE CONTAINER

Näher am Wasser geht nicht: Seafood-Restaurant, Bar und Galerie im Hafen www.container.org.il 02 NEVE TZEDEK

Szeneviertel mit gestylten Cafés, Restaurants und der legendären Eisdiele Anita 03 HECHAL YEHUDA SYNAGOGUE

Muschelförmiger Bau, erinnert an die im Holocaust zerstörte jüdische Gemeinde von Thessaloniki 04 YITZHAK RABIN CENTER

Museum zum Gedenken an den ermordeten israelischen Ministerpräsidenten Yitzhak Rabin www.rabincenter.org.il/web/en 05 THE JAFFA

Luxushotel in einem Krankenhaus aus dem 19. Jahrhundert – mit sakral-stimmungsvoller Bar www.thejaffahotel.com 06 BEIT HAIR IM ALTEN RATHAUS

Frisch renoviertes Kulturzentrum im historischen Rathaus von Tel Aviv, UNESCO-Weltkulturerbe beithair.org/en/home

07 ELEMENTO

Von der Ästhetik der 60er- und 70er-Jahre inspiriertes Interior Design in der Altstadt von Yafo elemento-design.com 08 MASKIT

Heimat des legendären MaskitLabels: lange, fließende Kleider, kunstvolle Stickereien maskit.com OHNE FOTO: MAGASIN III JAFFA

Ableger des Stockholmer Museums Magasin III: zeitgenössische Kunst, wechselnde Ausstellungen www.magasin3.com/en/jaffa COMME IL FAUT

Boutique des feministischen Modelabels mit Restaurant und Women-only-Spa www.comme-il-faut.com CRAFT & BLOOM

Ofer und Emma Shahar teilen ihr Designstudio mit anderen Kreativen; nur nach Voranmeldung www.craftandbloom.com GAL GAON GALLERY

Galerie für zeitgenössisches ­Design aus Israel: Möbel, Lichtobjekte und Kunst talentsdesign.com

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NEW WORK IN TEL AVIV

WO DIE START-UPS BOOMEN Die Mittelmeer-Metropole Tel Aviv ist Brennpunkt der „Start-up-Nation“ Israel. Hier werden mehr innovative Unternehmen gegründet als im Silicon Valley – dem perfekten Wetter, der quirligen Szene und staatlicher Förderung sei Dank. Die Arbeitsplätze sind so unkonventionell wie die Gründer selbst TEXT: Mareike Enghusen

01 01 Start-up für Start-ups Mindspace wurde 2014 in Tel Aviv gegründet

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OFFICE START-UP-SZENE TEL AVIV

02 02 Raum mit Aussicht Urban Place bietet freie Sicht aufs Mittelmeer

03 03 Zweiradfreundlich Fahrräder sind bei Mindspace willkommen

04 Die Qual der Wahl In Tel Aviv betreibt das Unternehmen zwei Filialen

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OFFICE START-UP-SZENE TEL AVIV

01 Expansion Mindspace-Filialen gibt es außer in Tel Aviv noch in zwölf Städten 02 Bewegung Nur rumsitzen ist nicht: Urban Place verfügt auch über ein Gym 03 Austausch Urban Place bietet neben Büros Konferenzräume mit Vollausstattung 02

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eit einigen Jahren trägt Israel einen Beinamen, ohne den kaum ein Artikel, kaum ein Reiseführer auskommen: „Start-up-­Nation“. Israels Hightechfirmen geben dem Rest der Welt technisch den Takt vor, Staats­chefs und Wirtschaftsführer pilgern in das winzige Mittelmeerland, um das Geheimnis hinter seinem ­Innovationsgeist zu entdecken. Kein Problem scheint israelischen Gründern zu dramatisch oder zu banal, um nicht eine Lösung dafür auszuhecken: Sie entwickeln Technolo­ gien, um Menschen vor Krebs und Staaten vor Cyberterror zu schützen; sie programmieren Apps, die den günstigsten Flug oder das aussichtsreichste Date finden. Ein Entwicklerteam arbeitet derzeit an einer Greifzange mit dem treffenden Namen AshPoopie, die Tierkot in Asche verwandeln soll – fraglos nützlich in Tel Aviv, das nicht nur Israels Hauptstadt der Start-ups, sondern auch der Hunde ist. So unkonventionell wie die Ideen der jungen Gründer und Gründerin­ nen sind oft auch ihre Büros. Israels Hightech-Entrepreneure mieten sich gern in Co-Working Spaces ein, in ­denen es kaum feste Arbeitsplätze gibt, dafür verspielte Lounges und offene Küchen, die zum Plaudern und Netzwerken einladen. 48

„DIE ATMOSPHÄRE IST ANDERS, WENN MEHR FRAUEN PRÄSENT SIND“ ADI ZAMIR GRÜNDERIN

WeWork, einer der weltweit größten Anbieter dieser Art, ist in Tel Aviv mit sechs Standorten vertreten. Lokale Konkurrenten heißen Mindspace und Urban Place, Sosa und Ayeka. Neben Schreibtischen, schnellem Internet und frischem Design bieten diese Co-Working Spaces weiteren Service an: Ayeka verfügt über einen Swimmingpool,

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Highlight Das Azrieli-Sarona-Gebäude hat 61 Etagen. Auf der 28. betreibt Amazon einen Co-Working Space

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01 01 Nach Bedarf Bei Urban Place gibt es sowohl private als auch geteilte Büros

02 Ruhige Ecke Für kurze Besprechungen gibt es bei Urban Place bequeme Plätzchen

03 Co-Working Zusammen sitzen, getrennt arbeiten – und das mit Blick auf die Skyline

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Sosa lädt Experten zu Vorträgen ein, WeWork offeriert Yoga und chinesische Massagen – all das getrieben von der Hoffnung, Kreativität und Kooperation anzuregen: „Wir ­wollen Leute miteinander verbinden“, sagt ­Barak Magen, ein junger Communitymanager. Wer Glück hat, findet Aufnahme in eines der unzähligen Förderprogramme, die ausgewählten Start-ups kostenlose Arbeitsräume und Dienstleistungen bieten. Ein spezielles Modell dieser Art lässt sich am Tel Aviver AmazonStandort besichtigen. Der E-CommerceGigant residiert im Azrieli-Sarona-­ Gebäude, einem erst 2017 fertig­gestellten Büroturm, mit 238,5 Metern der höchste des Landes und zugleich eines der markantesten Gebäude der Stadt: Aus der Ferne scheint es, als lehnten sich zwei Glasscherben aneinander. 50

FÖRDERUNG FÜR GRÜNDERINNEN

Im 28. Stock unterhält Amazon einen Co-Working Space mit nüchtern-eleganten Gemeinschaftsräumen in Grau und Grün und einem spektakulären Blick auf die pulsierende Metropole. Das Unternehmen überlässt die Räume der Nichtregierungsorganisation WMN, die weibliche Hightech-Entrepreneure fördert: Start-ups können sich um Aufnahme in den Co-Working Space bewerben, wenn ihr Gründungsteam mindestens eine Frau hat. „Nur fünf bis sieben Prozent aller hiesigen Start-ups leiten Frauen“, sagt Adi Zamir, die Co-Gründerin. WMN soll den „physischen Raum“ für ein Ökosystem schaffen, in dem Frauen sich austauschen und weiterentwickeln können. „Die Atmosphäre ist anders, wenn mehr Frauen präsent sind.“ MAGAZIN FÜR EINRICHTEN UND LEBEN

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04 Neues Arbeiten Das Techunter­nehmen SundaySky setzt auf den Wohlfühlfaktor


OFFICE START-UP-SZENE TEL AVIV

Viele israelische Start-ups legen in ihren Büros soziale Räume an, in denen Mitarbeiter ungezwungen Ideen austauschen können. Zu besichtigen ist das bei SundaySky: Das 2006 gegründete Unternehmen entwickelt personalisierte Info- und Werbevideos, sein 170-köpfiges Team umfasst Softwareentwickler, Texter und Grafiker. Das Büro im Norden Tel Avivs empfängt mit freundlichen Farben und warmen Holztönen. Neben der offenen, fliederfarben gestrichenen Küche können Mitarbeiter sich auf einem gestuften Sitzbereich aus Holz und bunten Kissen entspannen. Die Büros sind offen oder durch Glas abgetrennt, Sofas und Sessel schaffen Wohnzimmer­ atmosphäre. Die Mitarbeiter veran­ stalten Filmabende im Büro, „um eine ­gute Stimmung zu schaffen“, wie Dana ­Zohar aus der Personalabteilung erklärt. Die Idee: Wer sich im Büro wie zu Hause fühlt, entspannt sich – und entfaltet so sein ganzes Potenzial. VERKEHRSSCHILDER IM BÜRO

Auch das Start-up Nexar bietet kreativen Raum für kreative Köpfe. Die 2015 gegründete Firma verwandelt Smartphones in sogenannte Dashcams, die während der Autofahrt den Verkehr fil-

05 Durchblick Wenn es schnell gehen muss, wird die Glastür zum Whiteboard

06 Freundlich Offene Büros und warme Farb­töne: arbeiten bei SundaySky

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men und die Daten an eine Cloud senden. Verkehrsströme, Ampeln, Unfälle, Staus – alles wird zentral aufgezeichnet und, wenn nötig, der Autofahrer gewarnt. Das Büro im 22. Stock eines Büroturms in Süd-Tel-Aviv greift das Motiv Verkehr auf: Straßenschilder im Flur zeigen die Richtung von Abteilungen an, die Namen wie „Moonwalk R&D“ und „Zumba Room Management“ tragen. Die Bodenfliesen sind einer Fußgängerzone nachempfunden, die Wände mit Zebrastreifen bemalt. Durch Panoramafenster fällt der Blick auf dicht befahrene Verkehrsadern. Geht es nach Eran Shir, dem 43-jährigen Co-Gründer, werden sich all die Fahrer dort unten in einigen Jahren von Nexar leiten lassen. „Wir wollen töd­ liche Unfälle komplett abschaffen“, sagt er ruhig. Auch das steht hinter dem israelischen Hightecherfolg: grenzenlose ­Zuversicht und Ambitionen, die weiter reichen als jeder Blick aus futuristischen Bürotürmen.

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Stillleben mit Beistelltisch und Garderobe. Meta dient der ­Ablage und Aufbewahrung nicht nur von Bßchern; an Hash macht sich auch eine Decke gut

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DESIGNER-PORTRÄT NEW TENDENCY

ALTE IDEEN IN NEUEM GLANZ

MIT BAUHAUS IM STUDIO Nur wenige junge Designer sind derzeit so angesagt wie New Tendency aus Berlin. Wir haben die Köpfe hinter der Marke auf der imm cologne getroffen und uns an ihrem Messestand unvermittelt in einem begehbaren Greenscreen wiedergefunden TEXT: Dominik Betz

Die Macher von New Tendency kooperieren gerne mit Designern. Etwa mit Clemens Tissi, der 2015 Yuhi entwarf, ein Jahr vor seinem Tod. Je nachdem, wie der Nutzer die beiden Teile der Leuchte positioniert, entstehen individuelle Licht-Schatten-Variationen

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DESIGNER-PORTRÄT NEW TENDENCY

„Das Standkonzept haben wir mit dem Designer Mike Meiré entwickelt“, erzählt Christoph Goller, einer der drei Köpfe von New Tendency und im Team für kaufmännische Belange verantwortlich. „Wir haben darüber nachgedacht, welchen Platz unsere Produkte in der vernetzten Welt haben und wie sich Analoges mit Digitalem verbinden lässt.“ Was dabei herausgekommen ist, wird gleich nebenan sichtbar: Einige Besucher haben sich mit gezücktem Smartphone vor dem Beistelltisch ­Meta in Position gebracht, der an ein kleines Stehpult erinnert und New Tendency einst erste Erfolge bescherte. Ein paar Tipp- und Wischbewegungen genügen, und das Objekt auf dem Handydisplay ändert die Farbe. Was heute noch ein Augmented-Reality-Bonbon für die Messe ist, soll schon bald Kunden die Entscheidungsfindung in den Show­ rooms erleichtern. TISCH MIT EXTRAS

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as Grün ist schon von Weitem sichtbar. Da sind Stative wie im Fotostudio. Dazu Messewände, die an den Seiten offen stehen und ein hohles Innenleben preisgeben. Die Botschaft: Hier – auf der imm cologne, am Stand des Designlabels New Tendency – befinden wir uns in einer Kulisse. In einem begehbaren Greenscreen. Einer Inszenierung, die den Bauplan der Inszenierung gleich mitliefert. Ein ironisches Spiel mit dem Hype, der um die jungen Berliner entstanden ist und der ihre Arbeit seit dem Start unter dem Namen „My Bauhaus is better than yours“ kennzeichnet. Nur die Möbel, nahezu alle in Schwarz gehalten, haben Bestand. Sie sind wie Stars, die keine Konkurrenz neben sich dulden. Reduziert, klar geformt und gleichmäßig durch weiches Studiolicht ausgeleuchtet. Mehr Kontrast zu den behaglichen Wohnlandschaften der anderen Aussteller geht nicht. Fotografieren und in den sozialen Netzwerken teilen? Ja bitte! 54

Aber auch die Möbel selbst wurden neu gedacht. Goller führt den Besucher zum Tisch Masa, dem New Tendency ein Business-Upgrade spendiert hat. Er drückt auf eine in den Tisch eingelassene Klappe, unter der Steckdosen,

„UNSER STAND SOLL ZEIGEN, WIE BAUHAUS HEUTE AUSSEHEN KÖNNTE“ MANUEL GOLLER KÜNSTLERISCHER LEITER

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01 Alles so schön farbig hier. Der Stand auf der imm cologne setzt auf Kontraste, schwarze Objekte glänzen vor Neongrün 02 Das New-Tendency-Führungstrio (von links): Sebastian Schönheit, Manuel Goller und Christoph Goller

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DESIGNER-PORTRÄT NEW TENDENCY

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03 Ein Beistelltisch als vielseitiges Deko­ objekt. Je nach Blickwinkel wirkt Meta rund oder kantig, kräftig oder filigran 04 Das Regal Click, gestaltet von Sigurd Larsen, kommt mit nur vier Schrauben aus und lässt sich modular erweitern

Netzwerkanschlüsse und USB-Ports verborgen sind – obwohl für das Laden von Smartphones gar kein Kabel notwendig ist. Der 35-Jährige legt sein Telefon auf eine Markierung, und schon beginnt ein LED-Streifen rund um das Gerät zu leuchten, der Akku lädt. Das ist chic und dürfte in Agenturlofts und Co-Working-Häusern für Aufsehen sorgen. Dabei braucht die von der Bauhaus-Philosophie inspirierte, aufs Wesentliche reduzierte Formensprache derlei Effekte gar nicht. Masa besteht aus einer abnehmbaren Tischplatte und einem Stahlkorpus mit gegabelten Beinen – funktionales Design von minimalistischer Eleganz. HOCHWERTIG UND ZEITLOS

„Wann immer möglich sind unsere Produkte transportabel und modular aufgebaut. Wir wollen nachhaltig sein und verwenden hochwertige Materialien, die eine lange Lebensdauer haben“, sagt Christophs zwei Jahre jüngerer Bruder Manuel, einer der Gründer und künstlerischer Leiter von New Tendency. Jedes Objekt soll zudem einen ganz eigenen Charakter haben. „Es ist immer wieder spannend zu sehen, wie unsere Möbel mit unterschiedlichen Lebenswelten in Beziehung treten. Man braucht kein leeres Apartment mit glänzendem Betonboden, um eine starke Wirkung zu erzielen.“ Und ja, es stimmt: Man kann sich gut

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vorstellen, wie der Tisch im Laufe der Jahre von mehreren Besitzern genutzt wird und ganz unterschiedliche Personen daran Platz nehmen. Ob Kollegen im Büro oder Freunde im Esszimmer, beides passt. Das Möbel ist funktio­nal und zeitlos, ganz im Einklang mit den Bauhaus-Idealen. „Für uns bedeutet Bauhaus nicht nur Theorie, sondern Haltung und eine zeitgemäße Interpretation von Werten.“ PINGPONG MIT IDEEN

Die Auseinandersetzung damit ist ­Manuel Goller und seinem Co-Gründer Sebastian Schönheit quasi in die De­ signer-DNA geschrieben: Beide haben sich vor rund zehn Jahren während ihres Studiums an der Bauhaus-Universität kennengelernt und waren sich von Beginn an sympathisch. „Wir haben eine ähnliche Vorstellung von Design, spielen Pingpong mit Ideen.“ Es wird MAGAZIN FÜR EINRICHTEN UND LEBEN

viel gesprochen und diskutiert, im Studio, aber auch mit externen Gestaltern, Künstlern und Architekten. In der kollaborativen und interdisziplinären Arbeitsweise spiegelt sich das Bauhaus-Erbe. Ein Ansatz, den Goller und Schönheit bereits seit ihrer Studienzeit leben: „In Weimar wird Selbstorganisation großgeschrieben. Wir hatten viele Freiheiten, konnten uns ausprobieren und mit anderen Disziplinen vernetzen“, erinnert sich Goller. Auch heute, im Kreuzberger Studio, wird viel ausprobiert und ergebnisoffen gearbeitet. Man will sich das Gründerprivileg erhalten, auch mal einen ­Umweg zu gehen oder einen Ansatz aufzugeben, wenn er sich als nicht trag­ fähig erweist. Eine neue Idee sei mit einem Marmorblock zu vergleichen, aus dem Schritt für Schritt eine Figur herausgehauen wird. Wenn es eine Idee aber erst mal durch Phase eins schafft, 55


DESIGNER-PORTRÄT NEW TENDENCY

„Wir arbeiten an einem kompletten Wohn-Ökosystem“, sagt Manuel Goller. Das Trinkglas Rien mit gewölbtem Boden gehört auch dazu

wird Schweres ganz leicht: Es entstehen Papiermodelle, gerne maßstabsgetreu. Selbst das zugleich wuchtig und filigran wirkende Standard Sofa wurde zunächst in voller Größe aus Pappe gebaut. So können die Designer prüfen, ob ihr Streben nach Minimalismus erfüllt wurde – oder ob noch eine Schicht abzutragen ist. POST VON BAUHAUS

Goller nimmt auf dem Sofa Platz, das trotz Formstabilität erstaunlich be­ quem ist, und lässt die vergangenen Jahre Revue passieren. Die Geschichte beginnt 2009 mit seiner Diplomarbeit. Ihr Titel: „My Bauhaus is better than yours“, eine ironische Spitze, die im Weimarer Umfeld gut ankommt. Unter dem gleichen Namen formiert sich eine Gruppe von Gleichgesinnten, die probiert und produziert. Rasch nimmt das Projekt Dynamik auf, Einladungen zu Möbelmessen folgen, später ein Umzug nach Berlin. Dann kommt un­ erwartet Post: 2012 wird das Team aufgefordert, eine Unterlassungserklä­ rung zu unterzeichnen. Der Baumarkt­ betreiber Bauhaus sieht sich in seinen Markenrechten verletzt und droht mit 250 000 Euro Strafzahlung. Das ist be­ ängstigend, aber auch eine gute Ge­ schichte. Selbst die „New York Times“ berichtet, David gegen Goliath, Kultur gegen Kapital. „Im Rückblick ganz klar ein Glücksfall“, sagt Goller, „aber da­ mals eine Ausnahmesituation.“ Binnen wenigen Tagen muss ein neuer Name her – New Tendency wird gefunden. Das klingt ein wenig nach New Order, etwas kantig und doch mo­ dern. Auch hier bewegt man sich in der Tradition der alten Bauhäusler, wussten sich diese doch meisterhaft zu verkau­ fen. Für Goller und Schönheit stellt sich aber erst mal eine ganz unhisto­ rische Frage: Wie die eigene Geschich­ te fortschreiben? Noch gibt es nicht viel mehr als eine Website mit Online­ shop und in Eigenregie bespielte So­ cial-Media-Kanäle. Auch weil die Nach­ frage trotz fehlenden Werbeetats hoch ist, wagen Goller und Schönheit den Schritt nach draußen. Kurzentschlossen leihen sie einen Transporter, laden 56

„MEIN BRUDER ARBEITET INTUITIV, ICH PLANE GERNE VOR. DAS ERGÄNZT SICH GUT“ CHRISTOPH GOLLER GESCHÄFTSFÜHRER

ihre Muster ein und gehen auf Tour. Ihre Vertreterreise in eigener Sache führt sie zu herausragenden Einrich­ tungshäusern, darunter die CI-Mitglie­ der minimum in Berlin, Gärtner in Hamburg, Funktion in Darmstadt und Seipp an der Schweizer Grenze. MÖBEL AUS DEM KOFFERRAUM

Die Familienbetriebe zeigen sich inte­ ressiert an den Produkten und der unkonventionellen Ansprache. Möbel aus dem Kofferraum? Gab es noch nicht. Ein Händler nach dem anderen nimmt New Tendency ins Programm, mittlerweile werden die Möbel sogar in den USA, Japan und Südkorea ange­ boten. Respekt in der Fachwelt und kommerziellen Erfolg hat New Ten­ MAGAZIN FÜR EINRICHTEN UND LEBEN

dency bereits. Wird das Unternehmen nun kräftig wachsen? Der Designer winkt ab: „Uns ist die Arbeit im Kol­lektiv wichtig, der direkte Austausch, und das funktioniert nur mit einer überschau­ baren Zahl an Menschen.“ ­Kürzlich hat New Tendency das alte DDR-Funkhaus in Berlin möbliert und einige Ace-&-­ Tate-Brillengeschäfte ausgestattet. Derartiges ist lukrativ und bringt Ab­ wechslung. Ansonsten hält man das Portfolio bewusst klein, feilt an den bestehenden Designs und experimen­ tiert mit Materialien. Besser ein he­ rausragendes Update als eine mittel­ mäßige Neuerscheinung. Wer würde auf einer Großveranstaltung wie der imm cologne widersprechen, dass we­ niger manchmal mehr ist?


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IM FOKUS

NEUE TRENDS In diesem Frühjahr stehen neben dem Oberthema Bauhaus vier Themen im Blickpunkt: kompakte Sofas, cooles Glas, chillige Outdoormöbel und minimalistische Regale

AUFBEWAHRUNG

Funktionale Einfachheit Herbert Hirches variables Regal DHS10 von 1954 wird bei Richard Lampert neu aufgelegt

Handarbeit Se­bastian Herkners Tisch Circo für Ames ist wetterfest und wird in Kolumbien gefertigt

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OUTDOOR MAGAZIN FÜR EINRICHTEN UND LEBEN

Konzentriert Tearoom von Menu ist ein Musterbeispiel für den Trend zu kleinen Sofas

Glaskunst Auch Pulpos Leuchte Bent Two stammt von Sebastian Herkner

GL AS

KLEINE SOFAS


TRENDSCOUT AKTUELLES 01 Skulptural ClassiCons neues Wandregal Taidgh ist die perfekte Bühne für wahre Schätze 03

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AUFBEWAHRUNG

02 02 Reduziert Nex von Piure bietet Stauraum und obenauf eleganten Platz für Sehenswertes

03 Populär Mit Mesh erweitert Piure seine Serien schlichter Vitrinen und Regale in den Wohnraum hinein

ALTAR STATT STAURAUM

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DER NEUE MINIMALISMUS – der Trend zur Abkehr vom Eigentum – verändert das Verhältnis zu den wenigen, aber wichtigen Besitztümern. Früher war Stauraum da, um zu verbergen, heute entwickelt sich Stauraum zum Altar der eigenen Schätze. Die neuen Regale und Vitrinen nehmen sich dezent zurück und überlassen den Objekten die Bühne.

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04 Offenheit The Farns nennt sich das trans­parente Sideboard von Walter Knoll MAGAZIN FÜR EINRICHTEN UND LEBEN

05 Fokus Carolina Wilckes Vitrine Tangled für Spectrum nimmt sich selbst völlig zurück

06 Irritation Raffiniert verbindet das TangledSideboard von Spectrum zwei ­Volumenkörper

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KLEINE SOFAS

RUND UND KOMPAKT

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DIE NEUEN SOFAS nehmen sich – ganz im Sinne des neuen urbanen Wohnens – nicht mehr so wichtig. Sie brauchen wenig Platz und sind gern rund und kuschelig. Ihre weichen Formen werden durch sinnliche ­Bezugsstoffe noch verstärkt. Wie lässig, an­genehm und praktisch sie sind, sieht man ihnen auf den ersten Blick an.

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01/03 Wohlfühlen Wittmann greift den Trend zu runden Formen mit dem Sofa Miles und dem passenden Pouflounge auf

02 Elegant Das Loafer Sofa von Space Copenhagen bei &tradition wurde für das SAS Royal Hotel entworfen

04 Zurückhaltend Mit dem Sofa Silhouette beweist Hay einmal mehr Sinn für un­aufdringliches Design

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MAGAZIN FÜR EINRICHTEN UND LEBEN


TRENDSCOUT AKTUELLES

05 05 Moderner Klassiker Das Sofa Mariposa von Vitra ist bequem, flexibel, sieht gut aus und spart Platz

06 Zeitlos Von Arne Jacobsen und Flemming Lassen stammt das Sofa Mayor bei &tradition, sie entwarfen es 1939

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07 Trendsetter Das Sofa Stay von Gubi wurde 2018 in Mailand beim Salone gezeigt

07 MAGAZIN FÃœR EINRICHTEN UND LEBEN

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TRENDSCOUT AKTUELLES

3 GLAS

DIE LEICHTIGKEIT DES SEINS

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2019 IST DAS JAHR DES GLASES. Durch inno­vative technische Verfahren werden die Möglichkeiten des faszinierenden Materials weiter ausgereizt. Glas wird zum reizvollen Blickfang im Möbeldesign. Der Japaner Nendo schmilzt bei seinen Experimenten das sensible Material zu fast weichen Formen, Sebastian Herkner zaubert für Zanotta zarte Farben ins Glas, und Stefan Diez erobert für Burgbad das Bad mit präzisen Accessoires in kraftvollen Tönen. Zierlich-leichte Glastische bilden kleine Gruppen, und Herbert Hirches Bauhaus-Barwagen kommt zu neuen Ehren.

01 Minimalistisch Der Münchner De­signer Stefan Diez hat für Burgbad eine ganze Kollektion farbig-trans­ parenter Badaccessoires gestaltet 02 Revival Herbert Hirches ­gläserner Barwagen aus den 50ern wird bei Richard Lampert neu aufgelegt

03 Mundgeblasen &tradition verbindet den gläsernen Schirm mit einem schwarzen Marmorfuß – Blown gibt es auch als Hängeleuchte 02

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03 MAGAZIN FÜR EINRICHTEN UND LEBEN


06 Stabil e15 nutzt Klar- und Rauchglas als Material für seinen Beistelltisch Vier

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07 07 Transparenz Die Beistelltische Ile von Living Divani bekommen durch farbige Glasflächen ihren besonderen Touch

04 Diffus Die Bent-Leuchten von Pulpo spielen mit fließenden Formen, wie sie nur Glas möglich macht 05 Preisgekrönt Akihiro Yoshida, genannt Nendo, von „Architektur & Wohnen“ zum Designer des Jahres gewählt, nutzt die Flexibilität des Glases für schmelzende Formen

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08 Bunte Beine Zanotta setzt den Trend zu farbigem Glas mit seinen Echino-Tischchen um

MAGAZIN FÜR EINRICHTEN UND LEBEN

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TRENDSCOUT AKTUELLES

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OUTDOOR

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SALON IM FREIEN

DER JAHRHUNDERTSOMMER 2018 HAT SEINE

01 Hängepartie Der bunte MaracaLoungechair von Sebastian Herkner für Ames ist maximal relaxt

02 Draußen wohnen Das Loungesofa Ribes von B&B Italia macht sich auch auf großen Terrassen gut

SPUREN HINTERLASSEN. Auch die klassischen Möbelhersteller setzen verstärkt auf Out­ doormöbel. Immer häufiger werden dabei Hybride entwickelt, die sowohl für innen und außen geeignet sind, denn drinnen und draußen gehen zusehends ineinander über. Und die fortgeschrittene LED-Technologie erlaubt jetzt Akkuleuchten (etwa von Tobias Grau und Nimbus), die ohne Kabel aus­ kommen, überallhin mitzunehmen sind – und endlich auch richtig gut aussehen.

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MAGAZIN FÜR EINRICHTEN UND LEBEN


TRENDSCOUT AKTUELLES

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06 Einfach gut Der Linear Steel Table von Muuto mit den passen­den Bänken ist faszinierend schlicht

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07 Sanft geschaukelt Mit Eleganz schwingt Living Divanis Sessel Flow

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07 03 Maximal flexibel Tobias Graus Stehleuchte Parrot kommt ohne Kabel aus

04 Handlich Auch die Leuchte Leggera 101 von Nimbus nutzt die Energie des eingebauten Akkus für ihre LEDs

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05 Zum Fläzen Die extragroße Sitz-/Liegefläche des Erica-Sessels von B&B Italia lädt zum entspannten Relaxen ein

09 Pilzkopf Pierre Charpin hat für Hay diese tragbare LED-Leuchte für drinnen und draußen entworfen

10 Portabel Marsets Leuchte FollowMe folgt ihrem Besitzer ohne Kabel auf dem Fuß

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09 11 Scharfe Leuchte Tobias Graus Akkuleuchten Salt&Pepper lassen sich durch Handauflegen dimmen

08 Mitbringsel Die kabellose LEDLeuchte Carrie von Menu nimmt man einfach mit, wo immer man sie braucht

EINFACH MITNEHMEN

MAGAZIN FÜR EINRICHTEN UND LEBEN

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FAMOUS CHAIR #15

DER MALER UND SEIN MODELL DER BRITISCHE KÜNSTLER DAVID HOCKNEY WAR GERADE EINMAL

33 JAHRE ALT und noch ein Stück vom Weltruhm entfernt, als ihm Anfang 1971 Sir David Webster, der Chef des Royal Opera House in Covent Garden, zu seinem Abschied vom Amt Modell saß. 25 Jahre lang hatte Webster das Haus ­geleitet, war entscheidend an der Etablierung der Royal Ballet und der ­Royal Opera Company beteiligt. Hockney malte den mächtigen Kulturmanager als bescheiden zurückhaltenden Mann, platziert auf einem Mies-van-der-Rohe-­

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Freischwinger – und ließ sich selbst quasi als Gegenüber porträtieren, die Hände geradezu schüchtern in den Schoß gelegt. Beim zweiten Blick entdeckt man auf dem Boden vor Hockney eine Reihe Polaroidfotos, die ­Webster zeigen. Ein Hinweis auf eine von Hockney neu für sich ­entdeckte Technik: Wenige Jahre später machte er Furore mit seiner Mappe „Twenty Photographic ­Pictures“. Diese „Pictures“ setzte er aus über 100 Polaroidbildern aus verschiedenen Perspektiven zu einer Fotocollage zusammen.

MAGAZIN FÜR EINRICHTEN UND LEBEN

Ludwig Mies van der Rohe (1886 bis 1969) gilt als einer der herausragendsten Architekten des 20. Jahrhunderts. Nach dem Prinzip „Weniger ist mehr“ strebte er nach Reduktion und Klarheit in der Form. Der letzte Bau­hausDirektor erlangte auch im Möbeldesign Weltgeltung: Sein Freischwinger, hier das Modell S 533, und der Barcelona Chair sind Ikonen der Moderne.


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