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CO2-Bilanz von Nickel
MESSUNG DER CO²-BILANZ VON NICKEL FRAGEN UND ANTWORTEN MIT DEM NACHHALTIGKEITSEXPERTEN DES NICKEL INSTITUTE, DR. MARK MISTRY
Dr. Mark Mistry ist auf regulatorische Entwicklungen mit wahrscheinlichen Auswirkungen auf die Nickelindustrie spezialisiert. Er trägt regelmäßig zur akademischen und wissenschaftlichen Debatte zur Lebenszyklus-Abschätzung sowie zu den Vorteilen der Anwendung und des Recyclings von Nickel bei. Außerdem leistet er wichtige Beiträge zur Entwicklung globaler Nachhaltigkeitsstandards. Der Klimawandel löst weltweit große Sorge aus, und viele Stakeholder verlangen von Nickelherstellern Daten zur Kohlendioxidbilanz.
Warum? Kunden müssen das THG-Profil ihrer eigenen nickelhaltigen Produkte bewerten. Regulatorische Stellen möchten wissen, ob Produkte und Prozesse konform sind, und Handelsplattformen wie der London Metal Exchange benötigen Daten, welche die geforderte Transparenz ermöglichen. Darüber hinaus brauchen die Nickelhersteller selbst Daten, um Prozessverbesserungen erzielen zu können. All das setzt voraus, dass der Nickelsektor zuverlässige Lebenszyklusdaten generiert.
Welche Verbindung besteht zwischen der CO2-Bilanz und den Nickel-Lebenszyklusdaten?
Lebenszyklusdaten beschreiben Prozesseingänge (wie Energie, Prozesschemikalien oder Wasser) und Prozessausgänge (wie Emissionen ins Wasser, in die Luft oder Abfall). Sie werden für jeden Schritt der Nickelproduktion erfasst. Lebenszyklusdaten sind die Grundlage einer Lebenszyklus-Wirkungsabschätzung (Life Cycle Impact Assessment, LCIA). LCIAs wandeln Ein- und Ausgänge in 15 „Umweltwirkungskategorien“ um. Die wichtigste davon sind die THG-Emissionen oder die CO2-Bilanz. Bei einer LCIA wird die Prozessphase ermittelt, in der die stärksten oder schädlichsten Umweltauswirkungen eintreten.
Wie werden sie praktisch angewandt?
Mithilfe von Lebenszyklusdaten können Endanwender die Umweltauswirkungen eines Produkts bewerten. Die Ein- und Ausgänge von zwei Produkten, die die gleiche Funktion erfüllen, können miteinander verglichen werden. Nickelhaltige EV-Akkutechnologien z. B. können mit einem klassischen Verbrennungsmotor verglichen werden, um die Umweltauswirkungen von beiden während des gesamten Lebenszyklus zu ermitteln. Lebenszyklusdaten werden von Nickelherstellern auch zum Erzielen von Prozessverbesserungen genutzt.
Warum sind Standards für die Lebenszyklus-Wirkungsabschätzung wichtig?
Alle THG-Berechnungen müssen solide sein und auf dem international vereinbarten LCA-Standard (ISO 14044) basieren. Ein einheitlicher Ansatz ist notwendig, um sicherzustellen, dass die Datenanforderungen und die Lebenszyklusdaten für Nickelhersteller auf der gleichen Grundlage zusammengestellt werden und daher vergleichbar sind.
Werden diese Daten regelmäßig aktualisiert?
Mehrere Parameter wirken sich auf die




Lebenszyklusdaten aus. Dazu gehören Erzgüten und die Anwesenheit von Nebenprodukten, Veränderungen des Abbauverfahrens, die jeweils angewandte Prozesstechnologie, Energieversorgung und Technologie-Aktualisierungen oder Investitionen in Emissionsreduzierung oder -prävention. Diese Faktoren können sich in relativ kurzer Zeit ändern und sich signifikant auf die Ergebnisse einer Lebenszyklus-Wirkungsabschätzung auswirken. Lebenszyklusdaten müssen daher regelmäßig aktualisiert werden. In der Regel werden die Daten alle fünf Jahre aktualisiert, aber Kunden und nachfolgende Anwender erfordern oft noch häufigere Updates.
Wie kann Nickel mit anderen Metallen verglichen werden?
In der Lebenszyklus-Community stimmt man überein, dass ein Vergleich anhand einer „Funktionseinheit“ erfolgen sollte, und nicht aufgrund des Materials. Nickel wird oft als Legierungselement eingesetzt. Ein aussagekräftiger Vergleich mit anderen Materialien müsste anhand einer vereinbarten Funktionseinheit erfolgen, z. B. eines Fensterrahmens einer bestimmten Größe oder eines Rohres, durch das ein bestimmter Stoff über eine bestimmte Entfernung befördert wird.
Variiert die Qualität von Nickel-Lebenszyklusdaten?
Datenberater bieten CO2-Bilanz-Datenmodelle an, die wegen des Mangels an Daten auf Annahmen und oft auch auf Schätzungen beruhen. Die Ergebnisse dieser Modelle unterscheiden sich oft beträchtlich von den CO2-Bilanzdaten des Nickel Institute, die auf von Unternehmen bereitgestellten verifizierten Zahlen basieren und nach einem global vereinbarten Standard berechnet und unabhängig bestätigt werden.
How to determine GHG emissions (Wie Treibhausgas-Emissionen
bestimmt werden) Das Nickel Institute hat einen Leitfaden für Nickelhersteller veröffentlicht, um diesen bei der Berechnung ihrer Treibhausgas-Emissionen zu helfen. Dieser Leitfaden berücksichtigt die Komplexität der Nickelproduktion und stellt wissenschaftlich belastbare und zuverlässige Daten bereit, die branchenweite Vergleiche ermöglichen.


Lebenszyklus-Wirkungsabschätzungen ermöglichen Vergleiche der THG-Emissionen von Elektroautos während des gesamten Lebenszyklus mit denen von Autos mit klassischen Verbrennungsmotoren.
Warum sind Stakeholder an der CO2-Bilanz von EV-Akkus interessiert?
Elektrofahrzeuge sind für eine umweltfreundliche, nachhaltige und dekarbonisierte Mobilität von kritischer Bedeutung. Manchen Studien zufolge emittieren EVs aber genauso viele oder sogar noch mehr Treibhausgase als Autos mit klassischen Verbrennungsmotoren. Die CO2-Bilanz von Akkus ist ein wichtiger Faktor für die THG-Emissionen von EVs insgesamt und wird von verschiedenen Stakeholdern ganz genau unter die Lupe genommen. Lebenszyklus-Wirkungsabschätzungen ermöglichen, dass die THG-Emissionen von Elektroautos während des gesamten Lebenszyklus mit denen von Autos mit Verbrennungsmotoren verglichen werden können. Akkus tragen auch stark zur EV- CO2-Bilanz bei, und alle Rohmaterialien und Prozesse, die zur Herstellung eines EV-Akkus erforderlich sind, müssen eingehend beurteilt werden. Lebenszyklusdaten bieten die Grundlage für die Berechnung der CO2-Bilanz des EV-Akkus.
Wie relevant ist Nickel für die CO2-Bilanz eines Elektrofahrzeugs?
Nickel macht ca. 9 % der Gesamt- CO2Bilanz eines NMC 111-EV-Akkus aus. Der Beitrag der bei der Akkuherstellung verbrauchten Elektrizität und des Aluminiums für die Gehäuseherstellung ist noch viel signifikanter.
Sind Edelstahlhersteller an NickelLebenszyklusdaten interessiert?
Das Sammeln und Bereitstellen unternehmensspezifischer Lebenszyklusdaten ist eine rechtliche Verpflichtung von immer größerer Relevanz. Der CO2-Grenzausgleichsmechanismus der EU beispielsweise gibt vor, dass die CO2-Bilanz von Edelstahl beim Import in die EU zur Bestimmung der Anzahl der zu erwerbenden Kohlendioxid-Zertifikate verwendet wird. Für Edelstahlhersteller, die ihre CO2-Bilanz deklarieren, werden die Daten auch in Umweltproduktdeklarationen (Environmental Product Declarations, EPDs) aufgenommen.
Unterscheidet sich die CO2-Bilanz für verschiedene in der Edelstahlherstellung eingesetzte Nickelprodukte?
Nickel Pig Iron, Ferronickel und Nickelmetall sind die wichtigsten nickelhaltigen Eingangsmaterialien für die Edelstahlherstellung. Ihre CO2-Bilanz kann zwischen den Herstellern mit den niedrigsten und denen mit den höchsten THG-Emissionen um einen Faktor von mehr als 30 variieren. Die Wahl des bei der Edelstahlproduktion verwendeten Nickelprodukts wirkt sich daher maßgeblich auf die CO2-Bilanz von Edelstahl aus.
Ist Edelstahl aus Altmetall umweltfreundlicher, weil er eine bessere CO2-Bilanz aufweist?
Recycling ist generell bedeutend, um die erwünschte Nachhaltigkeit zu erzielen. Durch das Recycling wird eine Entsorgung auf der Deponie verhindert, die Nachfrage nach primären Rohmaterialien reduziert und die Ressourceneffizienz gesteigert. Außerdem werden Arbeitsplätze in kleinen und mittelständischen Unternehmen geschaffen, die in der Sammlung und Wiederaufbereitung tätig sind. Bei der Lebenszyklus-Modellierung wird oft ein sog. „Cutoff“-Ansatz für das Einschließen von Sekundärmaterialien angewandt. Bei diesem Ansatz ist Altmetall als Eingangsmaterial frei von Umweltauswirkungen. Der „End of Life“Ansatz hingegen verteilt die Umweltauswirkungen aus der Primärproduktion auf die Anzahl der Lebenszyklen eines Materials. Die Anwendung von „End-ofLife“-Ansätzen entspricht eher den CO2-Bilanzen von Primär- und recycelten Metallen.
Das Nickel Institute hat einen Leitfaden erstellt, um Nickelhersteller bei der Berechnung ihrer Treibhausgasemissionen zu unterstützen. How to determine GHG emissions from nickel metal class 1 production (Bestimmung von THG-Emissionen aus der Herstellung von Nickelmetall der Klasse 1) steht auf der Website des Nickel Institute als Download zur Verfügung. www.nickelinstitute.org